Soziale Milieus und das Phänomen der Weiterbildungsabstinenz Präsentation der Ergebnisse der Studie „Weiterbildungs- abstinenz und Milieuzugehörigkeit.

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 Präsentation transkript:

Soziale Milieus und das Phänomen der Weiterbildungsabstinenz Präsentation der Ergebnisse der Studie „Weiterbildungs- abstinenz und Milieuzugehörigkeit in Wien“ – Teil 2 Manfred Krenn (FORBA) Fachtagung Bildungsberatung in Wien,

2 Weiterbildung(sabstinenz)und aktuelle gesellschaftliche Diskurse  Bildung als Voraussetzung für soziale Teilhabe – vom Hoffnungsträger für Emanzipation zur conditio sine qua non für soziale Integration  „Wissensgesellschaft“ und „Lebenslanges Lernen“ als dominante Diskurse Ausdruck dieser Entwicklung  Weiterbildungsabstinenz als besonders begründungs- bedürftig und auch Anlass für soziale Ausgrenzung  Weiterbildungsabstinenz als Problem sozialer Ungleichheit – sozialstrukturelle Hintergründe  Ansatz der sozialen Milieus

3 Soziale Milieus und Bildung  Weiterbildungsteilnahme stark von grundsätzlicher Haltung zu Bildung im Allgemeinen bestimmt  eingelagert in gesamte Lebensweise einer Person  Ähnliches Niveau an Ressourcen, ähnliche Lebenslagen, ähnliche Herausforderungen im Alltagsleben  ähnliche milieuspezifische Bewältigungsstrategien, Einstellungen und soziale Praktiken  Glz. Widerspiegelung der sozialen Hierarchie in der Gesellschaft

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5 Soziale Milieus und die Funktion von Bildung  Obere soziale Milieus  Funktion Abgrenzung nach unten, Erlangung/ Aufrechterhaltung von Hegemonie und von (stilisierter) Selbstentfaltung – mit unterschiedl. Akzentsetzungen  Mittlere soziale Milieus  Selbstbestimmung und Statuserhöhung bzw. – erhalt, Sicherheit und Respektabilität  Unterprivilegierte soziale Milieus  Bildung als Notwendigkeit zum sozialen Mithalten, kein eigenständiger Nutzen

6 Soziale Milieus und Bildung Besonderer Wert an Bourdieu orientierter Milieukonzepte  Unterschiedl. Bildungsverständnisse nicht nur Ausdruck unterschiedlicher Lebensstile  Widerspiegelung gesellschaftlicher Machtverhältnisse  (Weiter)Bildung als wichtiges Element der Reproduktion sozialer Ungleichheit

7 Das Phänomen der Weiterbildungsabstinenz  gewinnt im Zusammenhang mit den aktuellen dominanten Diskursen an Bedeutung  trotz zunehmendem gesell. Zwang zur Weiter- bildung hohe Anzahl von Weiterbildungs- abstinenten  im mainstream hpts. (objektive) Barrieren diskutiert  wichtig: subjektive Orientierungen einbeziehen

8 Typologien von Weiterbildungsabstinenz 1. Dornmayr-Studie (Ö)  geringe Statusmobilität  Praktiker  Autodidakt  Versagensangst  Selbstlosigkeit  soziale Benachteiligung

9 Typologien von Weiterbildungsabstinenz 2. Bolder/Hendrich-Studie (D) – quant. Analyse  Begünstigte ohne Bedarf (19%)  Ausgegrenzte aus marginalem Lohnarbeitsmilieu (47%)  mäßig begünstigte Stabilitätsorientierte (34%)

10 Typologien von Weiterbildungsabstinenz Bolder/Hendrich-Studie (D) – qualitat. Analyse  Weiterbildungsoffenen  Frauen-Ost  Frauen-West  Erfahrungswissen gegen Bildungstitel  Stabilitätsorientierte

11 Resümee  Relativierung objektiver Barrieren durch Einbeziehung subjektiver Motive  begünstigende Faktoren ≠ Weiterbildungs- beteiligung  Teilnahme ≠ Weiterbildungsorientierung  schließt Berücksichtigung sozialstruktureller Aspekte nicht aus  Niveau der Schul- und Berufausbildung sowie berufliche Position nach wie vor stärkste Indikatoren für (Nicht)Teilnahme an Weiterbildung  aber Zusammenhang zu subjektiven Motiven, denen große Bedeutung für (Nicht)Teilnahme zukommt

12 Resümee Wichtigsten subjektiven Gründe für Nichtbeteiligung  fehlender subjektiver Sinn: in Inhalt und Form befremdend  von außen oktroyiert und fremdbestimmt  Kosten/Nutzen-Kalkül: Kosten für Lebensqualität (monetär, psycho-sozial, zeitlich) in keinem Verhältnis zum konkreten Nutzen

13 Deutung und Bewertung von Weiterbildungs- abstinenz Bewertung der Nichtteilnahme: Defizitblick  Weiterbildung als grundsätzlich positiv und wünschenswert:  Beseitigung von Barrieren für Beteiligung (Zugang)  Gleichsetzung von Nicht-Beteiligung mit „bildungsfernen“ Einstellungen  Hintergrund normativer Bildungsbegriff (sozial konstruiert)  bildungsbürgerliches Milieu  versetzt mit ökonomischen Verwertbarkeitskriterien Kritische Sichtweisen: Akteursperspektive  Widerstandshypothese (Axmacher):  Nichtteilnahme als milieugebundener Eigensinn gegen fremdbestimmte Bildungszumutungen  Pädagogik: gelingendes Lernen - Lernauforderung als sinnvoll im Lebenszusammenhang:  Lernwiderstand als Ergebnis formaler Weiterbildung

14 Ansatzpunkte zur Einbeziehung von weiterbildungsabstinenten Gruppen  Verstärkung individueller, aufsuchender WB- Information und -beratung  Entwicklung und Verbreitung arbeitsintegrierter Lernangebote  didaktische Gestaltung – Berücksichtigung von Präferenzen/Vorbehalten ggü. best. Lernformen von Weiterbildungsabstinenten

15 Ansatzpunkte in der Bildungsberatung Überwindung sozio-kultureller Fremdheit:  über aufsuchende Bildungsarbeit größere Nähe zur Alltagspraxis spezif. sozialer Milieus herstellen  Zugang über kollegiale und freundschaftliche Netzwerke besonders vielversprechend  aufsuchende Bildungsarbeit – zwei zentrale Bereiche:  Aktivierung von Personen mit Nähe zu Zielgruppen  Entwicklung von modellhaften, neuen Seminar- konzepten

16 Typen von BeziehungsarbeiterInnen VertrauenspersonenBrückenmenschen  Kontakt zur Zielgruppe durch haupt- oder ehrenamtliche Tätigkeit im Jugend-, Sozial- oder Bildungsbereich.  besitzen Vertrauen.  sind engagiert und haben eigenes persönliches oder berufliches Interesse.  sind informiert über Weiterbildungs- einrichtungen und deren Aktivitäten.  sind in bestimmten Strukturen (z.B. Kinderschutzbund, Familienzentren) verankert.  haben Milieunähe zur Zielgruppe (eigener Migrationshintergrund, Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit).  sind angesehene Personen in ihrer Community.  sind weiterbildungsbereit.  sind NetzwerkerInnen und können gut Beziehungsarbeit leisten.

17 Prinzipien subjektorientierter Bildungsberatung (Klein/Ahlke)  Teilnehmerorientierung und Verantwortungsteilung  Biographieorientierung  Kompetenzorientierung  Sicherung von biographischer Kontinuität  Reflexionsorientierung  Orientierung an Lerninteressen  Partizipation durch Interaktion und Transparenz  Prozessorientierung

18 Kriterien einer pädagogisch-didaktischen Gestaltung von Kursmaßnahmen Überwindung sozio-kultureller Fremdheit:  zwei Anforderungen:  Einbettung von angeleiteten Lernprozessen in Alltagspraxis  ausreichender Kontrast zu belastendem Arbeitsalltag  in best. Kontexten (besonders benachteil. Milieus) – Aufbrechen professionsspezifischer Abgrenzungen  sozialarbeitsorientierte Erwachsenenbildung  Konzept der peer-to-peer-Unterstützung:  TrainerInnen aus demselben sozialen Milieu

19 Voraussetzungen für gelingendes Lernen bildungsbenachteiligter Personengruppen  hohe Identifikation mit dem Lerngeschehen  Erfahrung von selbst organisiertem Lernen als Wendepunkt in der Lernbiographie  Veränderung der Selbstbilder der Lernenden über wertschätzende, kompetenzorientierte Grundhaltung der pädagogisch Tätigen  Respektieren des Status als Erwachsener  Selbstbestimmtheit in der Ausgestaltung des eigenen Lernens, Mitbestimmung beim sozialen setting und bei den Lernarrangements  Verantwortungsteilung für den Bildungserfolg  Verständnis von Lernen als sozialer Prozess im sozialen Kontext

20 Zentrale Schlussfolgerungen  Weiterbildungsabstinenz trotz öffentl. Diskurs zu LLL bedeutendes Phänomen – Erstausbildungsniveau und berufl. Stellung hohen Erklärungswert  Bewusstseinsbildung keine prioritäre Rolle  kaum Unterschiede in Einstellung zu Weiterbildung  Entwicklung von milieuspezif. Zugangswegen und Formaten  aufsuchende Bildungsberatung und angepasste pädagogisch-didaktische Lösungen  personal-, zeit- und kostenintensive Angelegenheit bedarf entsprechender Finanzierung

21 Danke für Ihre Aufmerksamkeit!