Die Bedeutung der Herkunftsfamilie für fremduntergebrachte Kinder oder Über die Herausforderung Eine Balance zu entwickeln Eva Ris Kinderschutzfachtagung.

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 Präsentation transkript:

Die Bedeutung der Herkunftsfamilie für fremduntergebrachte Kinder oder Über die Herausforderung Eine Balance zu entwickeln Eva Ris Kinderschutzfachtagung Klagenfurt

2 Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist in der Praxis größer als in der Theorie Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie Aber: jedoch!

3 Die Trennung bedeutet einen tiefen Einschnitt und den Verlust der vertrauten Umgebung.... löst intensive Gefühle von Trauer, Wut und Angst aus... lastet auf dem Selbstwertgefühl der Kinder und löst Scham, manchmal auch Schuldgefühle aus...

4 Identität Lat.: idem = derselbe Kontinuität des Ich „Das Gefühl der Ich-Identität ist also die angesammelte Zuversicht des Individuums, dass der inneren Gleichheit und Kontinuität auch die Gleichheit und Kontinuität seines Wesens in den Augen anderer entspricht.“ (Erikson 1968, S. 256)

5 Zwischen Bezogenheit und Autonomie Kinder entwickeln ihre Identität, einerseits:indem sie die für sie wichtigen Menschen (Bindungspersonen) nachahmen, in sich aufnehmen und nach Übereinstimmungen suchen; andererseits:indem sie sich von ihnen unterscheiden, abgrenzen und „Eigenheiten“ entwickeln

6 Sie sehen sich zunächst mit den Augen der wichtigen Bezugspersonen

7 „Das Kind von einem Schwein ist immer noch ein Ferkel.“ (Helga Saller) Notwendigkeit, sich mit den schwierigen leiblichen Eltern auch positiv zu identifizieren.

8 Loyalität Frz.: loyal von lat. legalis >gesetzlich< pflichttreu gegenüber Gesetzen, Regierungen Kinder sind (fühlen sich) in der Regel auch loyal gegenüber ihrer Herkunft. sind damit auch sich selbst gegenüber treu. sie geraten in Konflikt und können diese Treue und Verbundenheit nicht zeigen, wenn sie spüren, dass ihre Herkunft abgelehnt wird. Der Konflikt ist strukturell angelegt. Einrichtungen begünstigen ihn weniger als die Unterbringung in einer anderen Familie.

9 Die Aufspaltung der Welt in: „schwierige / schlechte Herkunft“ und „gute Aussenwelt / annehmende Familie“ liegt nahe. Strukturell angelegte Ambivalenz begünstigt Konflikte. Kinder brauchen Ambivalenzbegleiter!

10 Bindung Das Bedürfnis, emotionale Sicherheit in Beziehungen zu finden, ist angeboren. (Bolwby, 1974)

11 Bindung: konkrete, unverwechselbare Menschen stellen zuverlässige, die Nutzung aller Sinne umfassende Welt zur Verfügung. zentral: Nichtaustauschbarkeit in ihrer Gesamtheit wirksamer und nicht auf einzelne Funktionen reduzierbarer Personen.

12 Gelingende Bindungsbeziehungen und Bindungserfahrungen tragen wesentlich zur Entwicklung einer stabilen, autonomen und beziehungsfähigen Persönlichkeit bei.

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14 Jeder Bindungsabbruch zerstört Vertrauen. Bindung zu neuen Menschen kann leichter aufgebaut werden, wenn die Bindungen zur Ursprungsfamilie nicht abgebrochen werden. Kinder geraten unter Stress, wenn die von ihnen geliebten oder auch für sie wichtigen Bezugspersonen sich gegenseitig ablehnen oder sogar bekämpfen. (Loyalitätskonflikt)

15 Wie die begleitendenden Erwachsenen die Kinder dabei unterstützen können, ihre schwierige Lebenssituation anzunehmen: Entbindung der Kinder aus dem Loyalitätskonflikt Achtung und Wertschätzung der leiblichen Familie ohne Schmerzliches zu beschönigen Einschränkungen/Grenzen der Kindeseltern betrauern mit dem Kind über die Gründe der Trennung und die damit verbundenen Gefühle Trauer, Wut, Sehnsucht sprechen Rollenklärung gegenüber dem Kind

16 Die 4 Dimensionen der Elternschaft Leibliche Eltern Seelisch-soziale Eltern Kind Zahlende Eltern Rechtliche Eltern

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19 Die schwierige Situation der Eltern oder über die „Unmöglichkeit“, sich angemessen zu verhalten Schmerzliche Niederlage als Eltern versagt zu haben. Unterlegenheitsgefühle gegenüber der Pflegefamilie / Einrichtung. Widerspruch: sich weiterhin zuständig und verantwortlich für das Kind zu fühlen und zugleich die Elternverantwortung im Alltag abzugeben. Eltern bleiben, ohne mit dem Kind zusammenzuleben: (wie) geht das?

20 Kontakte wozu sie dienen (1) Kontakte zu den Herkunftseltern dienen dazu, für die Kinder, dort wo es möglich ist, ihre leiblichen Eltern erfahrbar zu machen und die Eltern an der Entwicklung der Kinder teilhaben zu lassen. Bindung, Beziehung, Vertrautheit wird bewahrt. Neue Bindungen können besser aufgebaut werden, wenn alte nicht komplett verschwinden. Das Kind erlebt, dass die Eltern es nicht vergessen haben.

21 Klärung der Identitätsfindung, Wissen um Ähnlichkeiten Bewältigung der Realität; Einordnen können, weshalb die Kinder nicht bei den Eltern leben können Zufriedenheit der Eltern mit der Besuchsregelung hat direkte Wirkung auf die Zufriedenheit des Kindes Eltern können besser loslassen, wenn sie spüren/erleben, dass sie einen Platz im Leben des Kindes behalten Kontakte wozu sie dienen (2)

22 Besuchstage sind Ausnahmetage oder warum Kinder vor und nach Kontakten oftmals unter Spannung stehen Neben der Freude über das Wiedersehen wird der Schmerz der Trennung wieder gefühlt. Die Ausnahmesituation, nicht bei den leiblichen Eltern leben zu können, und die damit verbundene Niederlage, wird bewusst. Zusätzlich belastend kann wirken, wenn: die Erwachsenen sich inkongruent verhalten,zwischen ihnen mangelnde gegenseitige Akzeptanz herrscht, und Unklarheiten bezüglich Zweck der Kontakte und Rolle der Beteiligten bestehen.

23 Kontaktfrequenz Häufigkeit der Kontakte sollte sich an der Beziehungsgeschichte und der Zukunftsperspektive orientieren. Soll das Kind zu seinen Eltern zurückkehren, sollten die Kontakte mindestens einmal pro Woche oder öfter stattfinden. Wird das Kind nicht zu seinen Eltern zurückkehren, reichen Kontakte in größeren Abständen (monatlich oder auch seltener) für das Kind aus.

24 Kontaktgestaltung Neben der Häufigkeit sollte auch die Dauer des Kontaktes, der Ort, die Umgebung und wer daran teilnimmt, dem Alter, dem Entwicklungsstand und der Bindungsqualität zu den jeweiligen Personen angepasst sein.

25 Ausschlussgründe Kontakte sollten ausgesetzt werden, wenn ein Kind von einem Elternteil sexuell oder seelisch-körperlich misshandelt wurde. Dies schließt ggfs. auch den anderen Elternteil ein, sofern dieser das Kind nicht geschützt hat.

26 Balanceakt(e) Das Aufwachsen getrennt von den leiblichen Eltern ist ein Balanceakt. Nicht nur für die Kinder! Die Erwachsenen dienen als Vorbilder bei diesem „Tanz“.

27 Schlussgedanke Kinder sind immer im Kontakt mit ihrer Herkunft – auch wenn sie keinen Kontakt haben - denn: „Wir können die Kinder aus ihren Familien nehmen, aber nicht die Familien aus den Kindern“ (Portengen 2006)