Völkerrecht II SoSe 2012 Prof. Nele Matz-Lück. Humanitäres Völkerrecht Ursprünge und Grundfragen Entwicklung vom „Kriegsrecht“ zum „humanitären Völkerrecht“

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 Präsentation transkript:

Völkerrecht II SoSe 2012 Prof. Nele Matz-Lück

Humanitäres Völkerrecht Ursprünge und Grundfragen Entwicklung vom „Kriegsrecht“ zum „humanitären Völkerrecht“ ▫ Erst: Hilfeleistung für Verwundete ▫ Dann: Verbot einzelner Methoden der Kriegsführung und bestimmter Waffen, um den Krieg „humaner“ zu machen ▫ Erst später umfangreiche Regelungen, die das Individuum in bewaffneten Konflikten schützen sollen und die auf den zunehmenden Bedarf an humanitärer Hilfe reagieren, der aus neuen Waffentypen und neuen Konflikttypen entsteht SoSe 2012Prof. Nele Matz-Lück

Legitimität des humanitären Völkerrechts Humanitäres Völkerrecht ist ein für Situationen bewaffneter Konflikte geschaffenes Sonderrecht, das die Auswirkungen des Krieges auf Mensch und Güter zu mildern sucht, indem es der Art und Weise der Kriegsführung Grenzen setzt. Bitte diskutieren Sie im Gespräch mit ihren Sitznachbarn, ob das heute noch eine legitime Zielsetzung ist! SoSe 2012Prof. Nele Matz-Lück

Präambel 1. ZP „… den ernsthaften Wunsch bekundend, dass unter den Völkern Friede herrschen möge, eingedenk dessen, dass jeder Staat im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen, die Pflicht hat, in seinen internationalen Beziehungen jede … Androhung oder Anwendung von Gewalt zu unterlassen, jedoch im Bewusstsein der Notwendigkeit, die Bestimmungen zum Schutze der Opfer bewaffneter Konflikte zu bestätigen und weiter zu entwickeln … ihrer Überzeugung Ausdruck verleihend, dass weder dieses Protokoll noch die Genfer Abkommen … so auszulegen sind, als rechtfertigten oder erlaubten sie eine Angriffshandlung oder sonstige mit der Charta der Vereinten Nationen unvereinbaren Anwendung von Gewalt …“ SoSe 2012Prof. Nele Matz-Lück

Geschichtliche Entwicklung SoSe 2012Prof. Nele Matz-Lück Jean-Jaques Rousseau (Contrat Social, 1762) Henry Dunant (Eine Erinnerung an Solferino, 1862) Francis Lieber („Lieber Code“, 1863)

Rousseau „Krieg ist keineswegs eine Beziehung von Mensch zu Mensch, sondern eine Beziehung von Staat zu Staat, wo die einzelnen Menschen nur aus Zufall Feinde sind, und zwar nicht als Menschen oder Bürger, sondern als Soldaten und nicht als Angehörige des Vaterlandes, sondern als dessen Verteidiger.“ Rousseau folgert, das Soldaten nur so lange bekämpft werden dürfen, wie sie selbst kämpfen. Legen sie die Waffen nieder „würden sie wieder gewöhnliche Menschen“; ihr Leben müsse dann geschont werden. SoSe 2012Prof. Nele Matz-Lück

Dunant Vor dem Eindruck der Zustände nach der Schlacht von Solferino (1859) zwischen Piemont-Sardinien und Frankreich gegen Österreich setzt sich Dunant für die Hilfe für Verwundete auf beiden Seiten einer bewaffneten Auseinandersetzung ein. Dunant schlägt ein Abkommen über die Neutralisierung der Lazarette im Feld und die Schaffung einer ständigen Organisation für die praktische Hilfeleistung für Verwundete vor. SoSe 2012Prof. Nele Matz-Lück

Lieber Abraham Lincoln beauftragt den deutschstämmigen Juristen Francis Lieber damit, ein Regelwerk für die Kriegsführung der Truppen der Nordstaaten im Sezessionskrieg zu schaffen → „Instructions for the Government Armies of the United States in the Field“ 157 Artikel regeln umfassend die Behandlung u.a. der Zivilbevölkerung, der Kriegsgefangenen, der Deserteure, Partisanen Verbot giftiger Stoffe Verbot des Befehls „keine Gnade“ walten zu lassen SoSe 2012Prof. Nele Matz-Lück

Grundsätze Keine Beschränkung der Geltung der Abkommen gegenüber Vertragsparteien Martens‘sche Klausel Militärische Notwendigkeit Verhältnismäßigkeit Unterscheidungsgrundsatz SoSe 2012Prof. Nele Matz-Lück

Martens‘sche Klausel Schädigungshandlungen, die nicht ausdrücklich verboten sind, fallen nicht in einen rechtsfreien Bereich Vgl. z.B. Art. 1 Abs. 2 ZP 1: „In Fällen, die von diesem Protokoll oder anderen internationalen Übereinkünften nicht erfasst sind, verbleiben Zivilpersonen und Kombattanten unter dem Schutz und der Herrschaft der Grundsätze des Völkerrechts, wie sie sich aus feststehenden Gebräuchen, aus den Grundsätzen der Menschlichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens ergeben.“ SoSe 2012Prof. Nele Matz-Lück

Neue Waffen Neue Waffen und Methoden der Kriegsführung müssen sich am geltenden Recht messen lassen. Art. 36 ZP 1: „Jede Hohe Vertragspartei ist verpflichtet, bei der Prüfung, Entwicklung, Beschaffung oder Einführung neuer Waffen oder neuer Mittel oder Methoden der Kriegsführung festzustellen, ob ihre Verwendung stets oder unter bestimmten Umständen durch dieses Protokoll oder durch eine andere auf die Hohe Vertragspartei anwendbare Regel des Völkerrechts verboten wäre.“ SoSe 2012Prof. Nele Matz-Lück