Der angemessene Gottesdienstraum – Kirche-Sein in ritueller und räumlicher Ausdrucksgestalt Kriterien für den gestalterischen Umgang mit unseren Kirchenräumen.

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 Präsentation transkript:

Der angemessene Gottesdienstraum – Kirche-Sein in ritueller und räumlicher Ausdrucksgestalt Kriterien für den gestalterischen Umgang mit unseren Kirchenräumen Peter Spichtig op

Eine Kirche wird eine Kirche mit jedem Kind, das darin getauft wird; mit jedem Gebet, das darin gesprochen wird und mit jedem Toten, der darin beweint wird. Sie ist kein Kraftort, aber sie wird ein Kraftort, indem Menschen sie heiligen mit ihren Tränen und mit ihrem Gebet. Fulbert Steffensky

Der Kirchenraum ist Ausdruck des jeweiligen Kirchen- und damit auch Liturgieverständnisses. Die Liturgie ist die Bauherrin des Kirchenraums. Cornelius Gurlitt, 1921

Deshalb darf keinesfalls vom Architekten/von der Architektin ein stimmiges Kirchenbaukonzept erwartet werden. Die Hauptverantwortung liegt bei einem Kirchenumbau und erst recht bei einem Kirchenneubau bei der Pfarrei oder der Ordensgemeinschaft. Sie muss sich zuerst damit auseinandersetzen, was – oder vielmehr: wer Kirche ist und wie diese Kirche sich in ihrem liturgischen Vollzug darstellen soll.

Was oder WER ist Kirche? Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid, und der heilige Geist in euch wohnt?... Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr. 1 Kor 3,16-17 Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Mt 18,20

Das erneuerte Liturgieverständnis seit dem II. Vatikanischen Konzil

Liturgie ist Gedächtnisfeier des Heilshandelns Gottes an den Menschen, besonders im Pascha-Mysterium Jesu Christi. SC 5, 6, 7 u.ö „Geheimnis des Glaubens: Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir bis du kommst in Herrlichkeit!“

Liturgie ist Ort und Zeit der wirkenden Gegenwart Jesu Christi: in der Versammlung der Getauften, in ihrem Beten und Singen, im Vorsteher, der den Vorsitz Christi symbolisiert, im Wort der Heiligen Schrift, in der Eucharistie und in den anderen Sakramentenfeiern SC 7

Die „participatio actuosa“, die tätige, bewusste, innere und äussere, geistlich fruchtbringende Teilnahme aller Gläubigen ist das leitende Kriterium gottesdienstlichen Handelns SC 11, 14, 21, 27, 41, 48, 79...

Sonntägliche Eucharistiefeier Werktagsmesse (Gruppenmesse) Tauffeier Feier des Versöhnung (Beichte) Begräbnismessen (mit Sarg) Wort-Gottes-Feiern Tagzeitenliturgie eucharistische Anbetung Segensfeiern und Andachten neue Gottesdienstformen (Taizé-Gebet...) Raum für die Liturgie – in der Vielfalt ihrer Feierformen... und für das persönliche Verweilen im Gebet

Besondere Funktionsorte der Sonntagsmesse: Altar Ambo Vorstehersitz Platz des Kantors, für Fürbitten und Mitteilungen Gabentisch Ort des Kommunionempfangs (Taufbrunnen) Kein Funktionsort der Liturgie: Tabernakel (Ort zur Aufbewahrung der Krankenkommunion und zum Verweilen im stillen Gebet Einzelner)

Die Eucharistiefeier am Sonntag stellt Kirche-sein am dichtesten dar. Sie ist die theologisch relevante Ausgangsform bei Überlegungen der räumlichen Disposition der Feiergemeinde und damit der topographischen Determinierung der Architektur.

Die Eucharistiefeier ist – wie jede Gottesdienstform – ein komplexes interaktives und synästhetisches Handlungsgeschehen. Es erfordert eine sorgfältige Gestaltung, damit einzelne theologische Aspekte auf längere Sicht nicht vernachlässigt werden. Gerade weil der grösste Teil der Eindrücke auch einer liturgischen Veranstaltung auf der nonverbalen Ebene vermittelt werden, ist den inszenatorischen Aspekten grosse Bedeutung beizumessen. Es ist dabei hilfreich, drei (bzw. vier) rituelle Hauptsituationen im Gottesdienst zu bedenken: Die Hauptsituationen im Gottesdienst

Verkündigung Das Wort Gottes wird von LektorInnen und vom Diakon verkündet. Alle stehen unter dem Wort Gottes; auch und gerade jene, die den Predigtdienst haben (sie lesen nicht selbst, sie hören das Wort, bevor sie es auslegen!). Die Verkündigung des Wortes Gottes erfordert eine direkt konfrontative Gegenüberstellung von Ambo und versammelter Gemeinde, idealerweise inklusive liturgischer Dienste. Der Ambo sollte ausschliesslich für das Wort Gottes verwendet werden.

Eucharistisches Mahl Grundfigur eines Mahles ist die um einen Tisch versammelte Mahlgemeinschaft. Die Feiernden sind demnach idealerweise „Circumstantes“; den Altar Umstehende. Theologisch verstehen wir die Mahlgemeinschaft in der Eucharistiefeier jedoch synchron und diachron geweitet: wir sind verbunden mit der gleichzeitig feiernden Kirche überall auf der Welt und mit der Kirche jenseits von Zeit und Raum, mit der himmlische Liturgie.

Gebet Das Gebet richtet sich an Gott; meist an den Vater durch den Sohn im Heiligen Geist. Der Adressat eines Gebets (Bussakt, Vorstehergebete, Fürbitten, Gesänge...) muss durch Verortung und ritueller Darstellung deutlich werden. Im Eucharistiegebet richtet sich der Priester im Namen der Gemeinde an Gott. Er sollte dabei also den Augenkontakt zur Gemeinde vermeiden. Das Eucharistiegebet und die anderen Vorstehergebete enthalten aber auch dialogische Elemente („Der Herr sei mit euch...“). Der Priester hat also eine Scharnierfunktion. Diese muss rituell sichtbar werden.

Information In jedem Gottesdienst gibt es auch sachliche Informationen wie etwa die Pfarreimitteilungen. Diese erfordern wiederum ein direkt konfrontatives Setting zwischen Sender und Empfänger, sie sollten aber keinesfalls vom Ambo aus erfolgen. Es braucht hierfür einen eigenen Ort.

Verkündigung Eucharistisches Mahl Gebet Information

Bei einem Kirchenrenovationsprojekt und erst recht bei einem Kirchenneubau sind diese Aspekte zu reflektieren. Dabei wird nie eine ideale Lösung gefunden werden können. Anregend sind bipolare Modelle („Communio-Raum“; „Orientierte Versammlung“). Die Gemeinde umsteht dabei Altar und Ambo, z.B. in einem über den Ambo hinaus offenen Halbkreis. Der im Scheitel positionierte Priester kann sich an die Mitfeiernden zu beiden Seiten richten, ist wie alle anderen Hörer des Wortes, spricht das Gebet im Namen aller in Richtung Altar und tritt an diesen zur Eucharistischen Liturgie:

ΑΩ

Neue Liturgie in alten Räumen – Die Quadratur des Kreises Unsere historischen Kirchenräume bezeugen ein Liturgieverständnis einer anderen Epoche. Bei jeder anstehenden Renovation oder geplanten Anpassung ist deshalb ein Ringen um je beste Lösung unumgänglich; unter Berücksichtigung der genannten Aspekte im Gemeindebildungsprozess mit der Pfarrei im Dialog auf Augenhöhe mit der Denkmalpflege im Prozess mit zeitgenössischen Gestaltern im Respekt gegenüber der „heiligen Geschichte“ des Raumes.

Neue Liturgie in alten Räumen – Perspektiven 1. Liturgie kann nicht gegen den Raum gefeiert werden. Die atmosphärische Raumwirkung darf nicht unterschätzt werden. Der historische Raum mit seinen architektonischen Proportionen und Vektoren muss als starke Kraft bewusst und konstruktiv in eine neue Lösung mit einbezogen werden.

2. Der Kirchenraum kann inspirieren fu ̈ r eine raumbezogene und damit stimmige Liturgie. - Neudefinition des Feierraumes - Historische Vorbilder regen an Baptisterium und Ort fu ̈ r die O ̈ le Neunutzung des Chorraumes fu ̈ r Tagzeitenliturgie, Katechese, Andacht Sakramentskapelle Aufbewahrungsort fu ̈ r das Evangeliar Gedenk-Orte (Getaufte, Verstorbene, Fu ̈ rbittbuch) Schwellenraum im Eingangsbereich Neue Liturgie in alten Räumen – Perspektiven

3. Qualita ̈ tsvolle Ra ̈ ume (alte und neue) ko ̈ nnen zu neuen Feierformen inspirieren. Und auch dazu, neue Formen der kulturellen und kommunikativen Interaktion zu finden und zu pflegen (Künste). Albert Gerhards Neue Liturgie in alten Räumen – Perspektiven

historisierend so tun als ob Z.B. einen Ambo in historisierendem Stil in die Ästhetik des Raumes einpassen. Das ist „fake“, oder wie die Franzosen so schön sagen: „du faux vieux“ und also unehrlich. Neue Liturgie in alten Räumen – Sackgassen:

Pfarrkirche Sarnen von „Einpassung“ eines Altars und eines Ambos nach dem Konzil

falsche Bescheidenheit Z.B. sich mit der zeitgenössischen Intervention derart zurückhalten, dass sie nicht auffällt. Jeder künstlerische Beitrag soll mit dem Bestehenden in Dialog treten, darf sich aber nicht davor scheuen, selbstbewusst aufzutreten. Neue Liturgie in alten Räumen – Sackgassen:

Seitenkapelle in der Collégiale in Romont (FR), Altar und Ambo aus Plexiglas

Geboten sind eigenständige und zugleich der Geschichte des Raumes gegenüber respektvolle Lösungen, die der heutigen Nutzung entsprechen. Neue Liturgie in alten Räumen – Der zielführende Weg:

Klosterkirche Melchtal (1897), Neugestaltung durch Alois Spichtig 1989