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Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit

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Präsentation zum Thema: "Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit"—  Präsentation transkript:

1 Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit
Modul 2: Das Christentum in seiner Geschichte Ethik Hintergrund: Lukas Cranach d. Ä., Caritas, Jahr? Caritas (lat. Liebe, nicht erotische, sondern Nächstenliebe), die höchste der sog. theologischen Tugenden nach 1. Kor. 13,13: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ Die mittelalterliche Theologie hat die platonischen Tugenden: Tapferkeit, Klugheit, Mäßigung, Gerechtigkeit ergänzt durch diese drei, von Paulus gerpiesenen Tugenden ergänzt. Dieses mittelalterliche Tugenduniversum ist durch den reformatorischen Biblizismus ins Wanken geraten. oder die Lehre vom richtigen Handeln Universität Duisburg-Essen, Winter-Semester 2006/07

2 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik
Übersicht Bergpredigt und Zwei-Reiche-Lehre die radikale Gnadenlehre der Reformatoren und die Krise im Verhältnis von Religion und Moral die Transformation der Erlösungsreligion in Ethik bei Kant ad 1) protestantische Lösungsfigur nach dem Wegfall der Differenzierung in Kleriker und Laien; alle sind christlichen Stands, für alle ist die Berpredigt (Gewaltverzicht, Feindesliebe) verbindlich => Wie kann ein Politiker nach der Bergpredigt Macht und Herrschaft ausüben und gleichzeitig Christ sein wollen? ad 2) Differenzierung in Zwei Reiche, die Abtrennung eines geistlichen Reiches macht die Zentralaussagen der Religion für den weltlichen Bereich unverbindlich, => Säkularisierungsschub ad 3) Erschließung der Religion, der Wahrheit der Religion bzw. des Kerns der Religion von der Ethik her KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

3 1.1 Bergpredigt – die Makarismen¹ oder Seligpreisungen, Mt. 5
Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich. Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen. Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden. Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen. Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen. Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich. Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, wenn sie damit lügen. 1) aus dem Griechischen: nach den Anfangsworten: Selig sind, makarioi estin Begriff Bergpredigt: Kontext: Mt. 4,23-25: Krankenheilungen in Galiläa, viele Menschen folgten ihm. Beginn von Kap. 5,1-2: Als er aber das Volk sah, ging er auf einen Berg und setzte sich; und seine Jünger traten zu ihm. Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach: 12. Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind. KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

4 1.2.1 Bergpredigt – die Antithesen (1), Mt. 5,21ff, 27ff, 33ff
Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist (2. Mose 20,13; 21,12): «Du sollst nicht töten»; wer aber tötet, der soll des Gerichts schuldig sein. Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig; wer aber zu seinem Bruder sagt: Du Nichtsnutz!, der ist des Hohen Rats schuldig; wer aber sagt: Du Narr!, der ist des höllischen Feuers schuldig. Ihr habt gehört, dass gesagt ist (2. Mose 20,14): «Du sollst nicht ehebrechen.» Ich aber sage euch: Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen. Ihr habt weiter gehört, dass zu den Alten gesagt ist (3. Mose 19,12; 4. Mose 30,3): «Du sollst keinen falschen Eid schwören und sollst dem Herrn deinen Eid halten.» Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron; noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße; noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs. Auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören; denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen. Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel. Noch radikaler als die Makarismen sind die sog. Antithesen, Gegenthesen, die Jesus der geläufigen Gesetzesauslegung gegenüberstellt; einem formalen Gesetzesverständnis wird eine radikale Gesinnungsethik gegenübergestellt. KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

5 1.2.2 Bergpredigt – die Antithesen (2), Mt. 5,38ff, 43ff
Ihr habt gehört, dass gesagt ist (2. Mose 21,24): «Auge um Auge, Zahn um Zahn.» Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar. Und wenn jemand mit dir rechten will und dir deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel. ...¹ Ihr habt gehört, dass gesagt ist: «Du sollst deinen Nächsten lieben» (3. Mose 19,18) und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Denn wenn ihr liebt, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch die Zöllner? Und wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr Besonderes? Tun nicht dasselbe auch die Heiden? Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist. 1) Weiter heißt es: Mt 5,41-42: Und wenn dich jemand nötigt, eine Meile mitzugehen, so geh mit ihm zwei. Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht ab von dem, der etwas von dir borgen will. Das Prinzip des „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ wird in der Fachsprache als „lex talionis“, das Gesetz der Widervergeltung bezeichnet. KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

6 1.3 die apostolischen Nachfolge
die Aussendungsrede, Mt. 10, 8-10 Umsonst habt ihr's empfangen, umsonst gebt es auch. Ihr sollt weder Gold noch Silber noch Kupfer in euren Gürteln haben, auch keine Reisetasche, auch nicht zwei Hemden, keine Schuhe, auch keinen Stecken. Denn ein Arbeiter ist seiner Speise wert. die Perikope vom reichen Jüngling, Mt 19, 16-22 Jesus antwortete ihm: Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach! Als der Jüngling das Wort hörte, ging er betrübt davon; denn er hatte viele Güter. Unter die radikale Ethik der Bergpredigt rechnet man nicht nur die entsprechenden Kapitel des Matthäus-Evangeliums (5-7), sondern auch die Passagen über die radikalen Forderungen der Nachfolge: die Aussendungsrede Mt.10,7-10, die Perikope vom reichen Jüngling Mt. 19,16-30 oder die Worte über die Ehelosigkeit Mt 19,10-12. Die Aussendungsrede: Vorausgegangen: die Berufung der 12 Apostel. Die Aussendung ergeht mit den folgenden Worten: Die Perikope vom reichen Jüngling: Auf Drängen des reichen Jünglings, was er über das übliche Tugendideal eines anständigen Lebens nach dem Dekalog noch tun könne, um Gott wohlgefällig zu werden, sagt Jesus ... KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

7 1.4 das Arrangement des Mittelalters: die Zwei-Stände-Ethik
Evangelische Räte für die Vollkommenen (Mönche, Geistliche): die pazifistischen Gebote der Bergpredigt und der Nachfolge Dekalog, Naturrecht, Tugendlehre für die Laien Kardinaltugenden (nach Platon): Weisheit, Tapferkeit, Besonnenheit, Gerechtigkeit Die Ethik der Bergpredigt ist eine Ethik der Naherwartung. Wenn das Ende der Welt vor der Tür steht, dann macht es in der Tat keinen Sinn, Reichtümer anzuhäufen oder Rücklagen für die kommende Generation zu bilden. Mit der Parusieverzögerung, mit dem Ausbleiben der Wiederkunft Christi in Herrlichkeit, verliert die radikale Ethik an Plausibilität. Das schlägt sich auch in den späteren ntl. Schriften nieder: naturrechtliche Vorstellungen nehmen einen breiteren Raum ein. Gleichwohl konnten die radikalen Passagen der Bergpredigt nicht einfach gestrichen werden, ohne die christliche Botschaft insgesamt in Frage zu stellen. Hier das Arrangement, das die ma. Kirche gefunden hat: > die Bergpredigt für die Vollkommenen (Mönche und Kleriker), > der Dekalog und die naturrechtliche Tugendlehre für die Laien. > zum Hintergrund: Hintergrund: Raphael, Stanzen 1511, Tapferkeit, Mäßigung, Weisheit, die > Gerechtigkeit ist auf einem Tondo in der Decke festgehalten: Waage: Symbol des Rechts, des Abwägens des Pro und Contra; Schwert: Mittel zur Durchsetzung des Rechts bzw. zur Bestrafung des Unrechts; auf den von Putten getragenen Täfelchen: IVS VNICVIQUE SVVM TRIBUIT – Das Recht teilt jedem das Seinige zu Zum Begriff Kardinaltugenden (nach Platon): alle anderen Tugenden sind auf sie bzw. eine Kombination aus ihnen zurückzuführen. -- Soweit die Voraussetzungen, um die Intention der 2-Reiche-Lehre zu verstehen theologische Tugenden (Thomas, nach 1. Korinther 13) Glaube Hoffnung Liebe KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

8 1.5 Luthers Kritik: „das allgemeine Priestertum“
alle Christen sind wahrhaft geistlichen Standes und ist unter ihnen kein Unterschied außer allein des Amts halber. ... Das alles macht, dass wir eine Taufe, ein Evangelium und Glauben haben und auf gleiche Weise Christen sind; denn die Taufe, Evangelium und Glauben, die machen allein geistlich und Christenvolk. ... Demnach werden wir allesamt durch die Taufe zu Priestern geweihet. (vgl. 1. Petr.2; Offenb. 5,10) ... Denn wo nicht eine höhere Weihe in uns wäre, als der Papst oder Bischof gibt, so würde durch des Papstes und Bischofs Weihen nimmermehr ein Priester gemacht ... Man hats erfunden, dass Papst, Bischöfe, Priester und Klostervolk der geistliche Stand genannt wird, Fürsten, Herrn, Handwerks- und Ackersleute der weltliche Stand. Das ist eine sehr feine Erdichtung und Trug. Doch soll niemand deswegen schüchtern werden, und das aus dem Grund: Was sagt Luther zu dieser fein austarierten Zwei-Stände-Ethik des Mittelalters: > Zitat1 Es gibt eben nur einen einzigen christlichen Stand: >Zitat2 Martin Luther, An den christlichen Adel deutscher Nation. Von des christlichen Standes Besserung, 1520, WA 6, 407 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

9 1.6 Konsequenzen aus dem allgemeinen Priestertum
allgemeines Priestertum aller Getauften (Martin Luther, Adelsschrift, 1520), alle Christen haben gleiche Rechte  alle Christen haben auch gleiche Pflichten  Bergpredigt, Evangelische Räte, für alle Christen verbindlich Lösung: entweder: Auswanderung aus der Welt, Rückzug in eine fromme Gemeinschaft oder in die Innerlichkeit (Täufer, Spiritualisten) oder: neue Differenzierung: Zwei-Reiche-Lehre: Geistliches Reich / Weltliches Reich (Von weltlicher Obrigkeit, 1523) Folie KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

10 1.6.1 Zwei Reiche Lehre, Grundstruktur
Reich Gottes, geistliches Reich Kommunikationsmittel: Liebe, Rechtsverzicht, Grundlage: Bergpredigt Reich der Welt Kommunikationsmittel: Recht, das notfalls mit Gewalt („mit dem Schwert“) eingeklagt werden muss Hier eine Zusammenstellung der Strukturmerkmale der neuen Differenzierung im Sinne der Zwei-Reiche-Lehre: Folie --- Pate bei der Entwicklung der Idee der eiden Reiche hat der von Luther hochverehrte Kichenvater Aurelius Augustinus KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

11 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik
1.6.2 der konzeptionelle Hintergrund: Augustin: De civitate Dei, GOTT Civitas Dei spirituell amor Dei LIEBE Civitas terrena /civitas diaboli materiell amor sui RECHT Bereich in dem sich beide Civitates überschneiden Die Zwei-Civitates – Lehre Augustins ist ein sehr flexibles Modell, das sowohl kosmisch (Engel/Teufel) als auch historisch angewendet werden kann. Der Doppelcharakter der weltlichen Civitas als civitas terrena oder als civitas diaboli erlaut eine differenzierte Anwendung: Ist der Herrscher christlich, übt er eine Schutzfunktion für die civitas dei aus; andernfalls ist er ein Werkzeug des Satans. Ähnlich flexibel: civitas dei : spirituell: unsichtbare Kirche der Heiligen / verfaßte Kirche, die trotz aller Vorbehalte, natürlich … corpus permixtum etc. ein bißchen spiritueller Glanz bleibt gleichwohl haften KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

12 1.6.3 das Problem der doppelten Mitgliedschaft: geistlich - weltlich
zwei extreme Lösungen: Christsein und öffentliches Amt schließen sich aus Option der Täufer: „Das Schwert ist eine Gottesordnung außerhalb der Vollkommenheit Christi. ... Es zu gebrauchen, sind die weltlichen Obrigkeiten eingesetzt.“ „Wenn nu yemand wollt die wellt nach dem Evangelio regirn ... Er würde den wilden, bößen thieren die band und keten aufflösen / das sie yederman zu reyssen und byssen ... also würden die bößen unter den ‚Christlichen namen der Evangelischen freyheytt mißbrauchen / yhr büberey treyben unnd sagen / sie seyen Christen ...“ (WA 11, 251) Luthers Lösung in der Obrigkeitsschrift: Nochmals, zusammenfassend, die Alternative angesichts der reformatorischen Überzeugung, dass die Ethik der Bergpredigt alle Christen angeht: Folie Um zu verdeutlichen, wie widersinnig eine wörtliche Übernahme der Bergpredigt als Grundlage für die Gestaltung eines Gemeinwesens ist, heißt es bei Luther kurz zuvor: > „Wenn nu yemand wollt die wellt nach dem Evangelio regirn ... Er würde den wilden, bößen thieren die band und keten aufflösen / das sie yederman zu reyssen und byssen ... also würden die bößen unter den ‚Christlichen namen der Evangelischen freyheytt mißbrauchen / yhr büberey treyben unnd sagen / sie seyen Christen ...“ (WA 11, 251) Rechtspflege ist praktizierte Nächstenliebe „Ob du auch nicht bedarffest / das man deynen feynd straffe / so darffs aber dein krancker nehister / dem solltu helffen / das er frid habe und seynen feynd gesteuret werde / wilchs nicht geschehen mag / die gewallt und uberkeyt werde dann ynn ehren und furcht erhallten“ (WA 11, 254) KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

13 1.7 im Schatten der 2-Reiche-Lehre: Ermunterung zur Tugend
Was sagt nu Gott von diesen [10] Geboten allen? Antwort... Ich, der HERRE Dein Gott, bin ein eifriger Gott, der über die, so mich hassen, die Sund der Väter heimsucht an den Kindern... Aber denen, so... meine Gebote halten, tue ich wohl in tausend Glied. Gott dräuet zu strafen alle, die diese Gebot übertreten, darum sollen wir uns fürchten für seinem Zorn und nicht wider solche Gebot tun. Er verheißet aber Gnade und alles Guts allen, die solche Gebot halten, darumb sollen wir ihn auch lieben u. vertrauen Zu dem Prinzip der Zwei-Reiche-Lehre: Nächstenliebe als Rechtspflege, passt dann auch sehr gut, wenn Luther in seinen Katechismen auf die Erfüllung der Gebote als ein Gott wohlgefälliges Tun drängt. > Folie Die radikale Gnadenlehre, das sola gratia – Prinzip, dass der Mensch aus sich heraus nicht, absolut gar nichts zu seinem Heil tun kann, scheint vergessen. --- In der Tat, auf der Basis der radikalen Gnadenlehre, dem sola gratia, gepaart mit dem sola fide, allein aus Glauben, läßt sich nur sehr schwer eine stimmige christliche Ethik aufbauen. Davon handelt das nächste Kapitel. Martin Luther, Der kleine Katechismus (1529) , Die zehn Gebote. Schluss KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

14 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik
Übersicht Zwei-Reiche-Lehre die Krise im Verhältnis von Religion und Moral die Transformation der Erlösungsreligion in Ethik (Kant) Während Luther im Katechismus noch mittelalterliche Tugendlehre betreibt, ziehen die theologischen Schriften einen radikalen Trennungsstrich zwischen innerweltlicher Bewährung und Heilserwerb. Damit wird eine Säkularisierung der Ethik forciert. Die Bewährung im Alltag benötigt keine religiöse Rückbindung mehr. KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

15 2.1 die radikale Gnadenlehre – die Irrelevanz der Ethik für das Heil
Gott hat den Gedemütigten, d.h. den Elenden und Verzweifelten, seine Gnade gewiss zugesagt. Völlig gedemütigt werden kann der Mensch aber erst dann, wenn er weiß, dass sein Heil ganz und gar außerhalb seiner Kräfte, Absichten, Bemühungen, seines Willens und seiner Werke gänzlich von dem Ermessen, Plan, Willen und Werk eines anderen, nämlich Gottes allein, abhängt. Denn solange ein Mensch der Absicht ist, er könne für sein Heil auch nur das Geringste tun, bleibt er im Vertrauen auf sich selbst ... Zunächst ein Blick auf die radikale Gnadenlehre als Motor für eine Säkularisierung der Ethik Martin Luther, De servo arbitrio (1525) , WA f KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

16 2.2 die radikale Gnadenlehre – das gute Werk ohne Glaube ist böse
Wenn bewiesen sein wird, dass unser Heil außerhalb unserer Kräfte und Absichten steht und vom Wirken Gottes abhängt, ... folgt dann nicht klar, dass - solange Gott mit seinem Werk in uns nicht zugegen ist - all unser Tun böse ist und wir notwendig Dinge tun, die zum Heil nichts nützen? Denn wenn nicht wir, sondern allein Gott das Heil in uns wirkt, tun wir, ob wir wollen oder nicht, vor seinem Wirken nichts Heilsames Die radikale Gnadenlehre, das sola gratia in Verbindung mit dem sola fide, bedeutet ein Trennungsstrich zwischen Glaube und Ethik. Dieser Trennungsstrich wird durch die Betonung der „Früchte des Glauben“ nur notdürftig und unbefriedigend korrigiert. Martin Luther, De servo arbitrio (1525) , WA KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

17 2.3 erste Schritte zur Säkularisierung von Ethik und Recht
Wo der Herr nicht die Stadt bewahret, da hütet der Wächter umsonst (Psalm 127,1) Soll man keyn vorrhad schaffen, thor und fenster offen lassen und sich gar nicht weren, sondern lassen auff sich stechen wie auff die todten leybe, alls die ynn Machabeorum libro [1. Makk 2,34ff] thetten? Bey leybe nicht. Du hast gehort itzt, das oberkeyt soll wachen, vleyssig seyn und alles thun, was yhrem ampt gepuert, thor schliessen, thuern und mauren bewahren, harnisch anlegen, vorrhad schaffen und sich eben stellen, als were keyn Gott da und muesten sich selbs erretten und selbs regiren. Völliges Vertrauen auf das göttliche Gnadengeschenk, so entscheidend dies im geistlichen Reich zur Erlangung des Heils auch ist, so wenig hat es irgendwelche Konsequenzen für den Alltag. > Zitat 1) Martin Luther, Der 127. Psalm ausgelegt an die Christen zu Riga in Livland (1524), WA 15,372f KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

18 2.4 Hugo Grotius - «etsi deus non daretur»
Diese ... Sorge für die Gemeinschaft ist die Quelle dessen, was man recht eigentlich mit Recht bezeichnet. Dazu gehört, dass man sich des fremden Guts enthält und es ersetzt, wenn man etwas davon ... genommen hat, ferner ... [Vertragserfüllung, Genugtuung für Schaden] Diese hier dargelegten Bestimmungen würden auch Platz greifen, wenn man annähme - was freilich ohne die größte Sünde nicht geschehen könnte -, dass es keinen Gott gäbe oder dass er sich um die menschlichen Angelegenheiten nicht bekümmerte 100 Jahre später geht Luthers Empfehlung in die juristische Grundlagenforschung ein: „etsi deus non daretur“ – (als ob es Gott nicht gebe) -Formel wurde von Hugo Grotius ( ) geprägt, um eine religions- und konfessionsunabhängige Grundlage für das Völkerrecht zu schaffen; Hauptwerk: „De iure belli ac pacis – dt.: Vom Recht des Krieges und des Friedens, 1625. Zitat --- Nachbemerkung: In die breite theologische Diskussion drang diese Formel erst über 300 Jahre später mit Bonhoeffers Aufzeichnungen aus der Haft (1944/45), die Eberhard Bethge unter dem Titel: Widerstand und Ergebung herausgegeben hat. Bonhoeffer nimmt die Formel wieder auf, um die Situation des Christen in der modernen Welt zu beschreiben. Hugo Grotius, , Philosoph u.Rechtsgelehrter. Mare Liberum, 1604 De jure belli ac pacis, 1627 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

19 2.5 Pierre Bayle und die Trennung von Religion und Moral
Es ist wahr, daß die Verderbnisse der Sitten in dem Heidenthume groß gewesen; allein es haben sich viele Leute darinnen gefunden, die dem Vorbilde ihrer falschen Götter nicht gefolget sind, und die Begriffe der Ehrbarkeit einem so großen Ansehen vorgezogen haben. Seltsam ist es, daß die Christen, deren Lehrgebäude so rein ist, in Ansehung der Laster den Heiden fast nichts nachgeben. Es ist ein Irrthum, wenn man glaubet, daß die Sitten einer Religion mit d. Lehren d. Glaubensbekenntnisses überein kommen Um einen historischen Beweis für die Unabhängigkeit von Glaube und Ethik hat sich Pierre Bayle bemüht. Zur Person: P.B., frz. Protestant, kurze Zeit als Jesuiten-Zögling katholisch, Theologie-Professor an protestantischen Hochschulen, nach dem Widerruf des Edikts von Nantes im niederländischen Exil, von konservativen Calvinisten aus dem Lehramt verdrängt, steht für 3 Merkmale, die ihn aus den Zeitgenossen Hervorheben: - Anwalt der Toleranz, - plädiert für die Trennung von Glaube und Vernunft - plädiert für die Trennung von Glaube und Ethik. Sein Jahrhundertwerk, das 4-bändige historisch-kritisches Lexikon, 1741 von Gottsched ins Deutsche übertragen, macht ihn zur Bildungsistanz im 18.Jh. Knappe Lexikonartikel sind ausgestattet mit ausführlichen Essays, in den die genannten Themen in vielfältiger Brechung, immer wieder kehren. > Unser Zitat nimmt Bezug auf das ziemliche lasterhafte Leben griechischen Götterboss, um daraus dann ein Argument für die Trennung von Religion und Moral, von Glaube und Ethik zu machen Pierre Bayle, Dictionnaire historique et critique(1695): Art. Jupiter(D) KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

20 2.6 die pietistische Erneuerung der Werkgerechtigkeit
So jemand bedenkt¹, [durch Konsumverzicht] ... viele arme Kinder, die aus Mangel guter Erziehung an Leib und Seele verwildern und verderben müssten², zu erretten und nützliche gute Leute aus ihnen zu erziehen ...: dem legt Gott hier vor Augen, wie er von dem, das ihm jetzt keinen Nutzen ... für das Zukünftige gibt,³ Wonne und Freude haben könnte und den herrlichen Nutzen, dass Christus an jenem Tage zu ihm sprechen wird: Ich bin hungrig gewesen und du hast mich gespeist, durstig, du hast mich getränkt4, ... August Hermann Francke ( ) Denkmal auf dem Gelände der von ihm gegründeten Halleschen Anstalten (Waisenhaus &c.) Ganz unbehelligt von aller theologisch-dogmatischen Diskussion über die Rechtfertigung, das sola gratia Prinzip, betreibt der erfolgreiche pietistische Wohlfahrtsunternehmer AHF eine religiöse Propaganda für sein frommes soziales Engagement, die alle lutherisch orthodoxe Hauptpastoren auf in Erregung bringen muß. > Zitat 1) darüber nachdenkt 2) falls sie aus Geldmangel nicht im von Francke gegründeten Waisenhaus aufgenommen werden könnten 3) Konsum ist keine Investition, also für Künftiges nutzlos 4) zitiert wird die Szene des Jüngsten Gerichts nach Matth. 25 August Hermann Francke, Der große Aufsatz (1704ca) , - KTGQ 4/1, 70 --- ein guter Beleg dafür. wie religiöse Praxis (Wohltätigkeitsengagement) und religiöse Theorie (Dogmatik) meilenweit auseinander klaffen Denkmal von Christian Daniel Rauch, Sockel von Karl-Friedrich-Schinkel, 1829 August Hermann Francke, Der große Aufsatz (1704ca) KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

21 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik
Übersicht Zwei-Reiche-Lehre die Krise im Verhältnis von Religion und Moral die Transformation der Erlösungsreligion in Ethik (Kant) Das 18. Jh. bringt Schritt für Schritt die Ablösung der traditionellen Dogmatik durch die Ethik, durch eine auf allgemeine Vernunftsprinzipien gegründete Ethik. Die theologische Reflexion beugt sich dieser Tendenz. Sie widmet sich mehr und mehr apologetischen Zielsetzungen, um zu zeigen, dass christliche und natürliche Religion, recht verstanden, identisch sind. Gipfelpunkt dieser Entwicklung ist die Vernunftreligion von Immanuel Kant und zeitgleich mit ihm: Gotthold Ephraim Lessing. Allerdings steht die Romantik schon vor der Türe, um dem Gefühl, „dem Gefühl und Geschmack für das Unendliche“ (Schleiermacher) den höchsten Platz in der Religion zu sichern. KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

22 3.1 der kategorische Imperativ
Der kategorische Imperativ ist nur ein einziger, und zwar dieser: handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde. .. Dieses Prinzip der Menschheit .. ist nicht aus der Erfahrung entlehnt, erstlich, wegen seiner Allgemeinheit, da es auf alle vernünftige Wesen überhaupt geht ...; zweitens, weil darin die Menschheit ... als objektiver Zweck, der als Gesetz die oberste einschränkende Bedingung aller subjektiven Zwecke ausmachen soll, vorgestellt wird Herzstück der Kantschen Ethik … > Folie Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785) AA IV 421 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

23 3.2 Die Kritik der praktischen Vernunft, 1788
Aus dem kategorischen Imperativ leitet Kant den praktischen Imperativ ab: "Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest." Die Ableitung wird begründet mit zwei Behauptungen, die Kant ihrerseits nicht weiter begründet, sondern als allgemeine Axiome voraussetzt: Der Mensch und überhaupt jedes vernünftige Wesen existiert als Zweck an sich selbst. Die vernünftige Natur existiert als Zweck an sich selbst. Eine weitere Version des kategorischen Imperativs findet sich drei Jahre später in der Kritik der praktischen Vernunft (1788). > Folie KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

24 3.3 die Pflicht zur Beförderung des höchsten Gutes
Zur Pflicht gehört hier nur die Bearbeitung zur Hervorbringung und Beförderung des höchsten Guts in der Welt, dessen Möglichkeit also postuliert werden kann, die aber unsere Vernunft nicht anders denkbar findet, als unter Voraussetzung einer höchsten Intelligenz, deren Dasein anzunehmen also mit dem Bewusstsein unserer Pflicht verbunden ist, obgleich diese Annehmung selbst .. Hypothese, in Beziehung aber auf die Verständlichkeit eines .. Bedürfnisses in praktischer Absicht, Glaube .. heißen kann Zugrunde liegt der Evidenz des Kategorischen Imperativs eine ursprünglich, innere Gewißheit der Pflicht, der Beförderung Wohlfahrt in dieser Welt zu dienen. Zitat Der Gottesbegriff und der Glaubensbegriff werden von den Bedürfnissen des ethischen Systems her neu gefaßt. In der KdrV hatte Kant aufgezeigt, dass es philosophisch unstatthaft ist, vom Begriff her auf die Existenz Gottes zu schließen. Die ist das Kernargument seiner Kritik der Gottesbeweise. An die Stelle des traditionellen metaphysischen Gottesbegriffs tritt nun der ethische Gottesbegriff: Gott als Garant der Stimmigkeit des moralischen Systems, auf dass die ursprüngliche Gewissheit der sittlichen Pflicht, dem Allgemeinwohl zu dienen, nicht durch die widrigen Erfahrungen des Alltags widerlegt wird. Glaube ist in diesem ethischen System nicht ein Oppostionsbegriff zum Denken, sondern eine durch und durch vernünftige Selbstverpflichtung auf das, was die Vernunft für die Geltung und Plausibilität eines Moralsystems als Voraussetzung postulieren muß. Die Trinität des Kantschen Vernunftsglaubens trägt die Namen: Gott, Freiheit, Unsterblichkeit. Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft (1788) KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

25 3.4 Postulate zur Plausibilisierung der Beförderung des höchsten Gutes
Über die Postulate der reinen praktischen Vernunft überhaupt: Sie gehen alle vom Grundsatze der Moralität aus, der kein Postulat, sondern ein Gesetz ist ... Diese Postulate sind die der Unsterblichkeit, der Freiheit, ... und des Daseins Gottes. Das erste fließt aus der praktisch notwendigen Bedingung der Angemessenheit der Dauer zur Vollständigkeit der Erfüllung des moralischen Gesetzes; das zweite aus der notwendigen Voraussetzung der Unabhängigkeit von der Sinnenwelt das dritte aus der Notwendigkeit der Bedingung zu einer solchen intelligibelen Welt, um das höchste Gut zu sein, durch die Voraussetzung des höchsten selbständigen Guts, d.i. des Daseins Gottes. Zitat Wenn so etwas wie Moralität sein soll, dann ergeben sich als Postulate: - Unsterblichkeit: zur Behebung der Diskrepanz zwischen moralischem Handeln und Handlungserfolg - Freiheit: zur Emanzipation des menschlichen Willens von den physischen und psychischen Determinanten eines Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs - Gott: als Garanten dafür, das die Verpflichtung, dem höchsten Gut zu dienen, keine eitle Täuschung ist KpV I. Teil, II. Buch, II. Hauptstück, VI.: KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

26 3.5 die intuitive Gewissheit
Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir. ... Der erstere Anblick einer zahllosen Weltenmenge vernichtet gleichsam meine Wichtigkeit, als eines tierischen Geschöpfs, das die Materie, daraus es ward, dem Planeten (einem bloßen Punkt im Weltall) wieder zurückgeben muss, nachdem es eine kurze Zeit (man weiß nicht wie) mit Lebenskraft versehen gewesen. Der zweite erhebt dagegen meinen Wert, als einer Intelligenz, unendlich, durch meine Persönlichkeit, in welcher das moralische Gesetz mir ein von der Tierheit und selbst von der ganzen Sinnenwelt unabhängiges Leben offenbart, ... Die Gewissheit der Stimmigkeit der Einsichten der Vernunft erwächst aus einer Art metaphysischen Gefühls: materiell gesehen bin ich ein nichts, geistig kann ich gleichwohl das Unendliche formulieren > Zitat Kant, Kritik der praktischen Vernunft (1788) Beschluss KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

27 3.6 Die Religion innerhalb der Grenzen des bloßen Vernunft, 1793
Gott lässt sich nicht beweisen (KrV). Doch konsequentes moralisches Handeln ist nicht möglich ohne den Glauben an Freiheit, Unsterblichkeit und Gott (KpV). Daher ist die Moral das Ursprüngliche und die Religion erklärt die moralischen Pflichten als göttliche Gebote. Die Religion folgte also dem bereits vorhandenen Moralgesetz. Um die eigentlichen Pflichten zu finden, muss man nun umgekehrt das Richtige aus den verschiedenen Religionslehren herausfiltern. Die historischen Glaubenslehren (Dogmen) und die religiösen Praktiken (Riten) sind ohne Belang.¹ Die Prinzipien seiner Ethik-Religion hat Kant in seiner Religionsschrift dargelegt. Sie lassen sich in den folgenden Punkten zusammenfassen: > ... --- 1) Lessing würde sagen: Einrichtungen, „um dem gesunden Menschenverstand auf die Spur zu helfen“ (Lessing) Die Veröffentlichung der Religionsschrift war mit unangenehmen Begleitumständen verbunden. KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

28 3.7 Wöllner und Johann Friedrich II.
Hier die beiden Protagonisten: Ein bigotter und sittlich verkommener König von Preußen und sein reaktionärer Minister: Kultus- und Justizminister Johann Christoph Woellner, Stich von Johann Friedrich Schleuen Friedrich Wilhelm II. Gemälde von Anton Graff, 1792 Der Alte Fritz hatte prophezeit: "Mein Neffe wird den Staatsschatz verschwenden, die Armee ausarten lassen. Die Weiber werden regieren, der Staat wird zugrunde gehen“. Auf den religionskritisch gesinnten Friedrich den Großen war in Preußen ein naiv frommes Gemüt mit einem recht zweifelhaften Lebenswandel gefolgt: Friedrich Wilhelm II. Er ließ sich von seinem Kultus- und Justizminister zum Instrument für eine reaktionäre, anti-aufklärerische Politik machen. Dem berühmten 70-jährigen Professor aus Königsberg wurde durch königliche Order nach Veröffentlichung der Religionsschrift jede weitere Äußerung zu religiösen Fragen verboten. Was Kant daraufhin erwiderte, ist im Vorwort einer Schrift zu lesen, die er nach Ableben des Königs veröffentlichte. KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

29 3.7 Kant über seine Religionsschrift, 1794/1798
Daß ich ferner meine große Hochachtung für die biblische Glaubenslehre im Christenthum unter anderen auch durch die Erklärung in demselben obbenannten Buche bewiesen habe, daß die Bibel, als das beste vorhandene, zur Gründung und Erhaltung einer wahrhaftig seelenbessernden Landesreligion auf unabsehliche Zeiten taugliche Leitmittel der öffentlichen Religionsunterweisung darin von mir angepriesen ... ... die hier aufgeführte Zusammenstimmung desselben mit dem reinsten moralischen Vernunftglauben ist die beste und dauerhafteste Lobrede desselben: weil eben dadurch, nicht durch historische Gelehrsamkeit, das so oft entartete Christenthum immer wieder hergestellt worden ist und ferner bei ähnlichen Schicksalen, die auch künftig nicht ausbleiben werden, allein wiederum hergestellt werden kann. Kant, Der Streit der Fakultäten, Vorrede: Antwort an Friedrich Wilhelm II. bezüglich der Rüge und Publikationsverbotes über religiöse Themen, weil er vor allem in "Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" christentumsfeindlich agiert habe. Kant, Der Streit der Fakultäten, Vorrede (1798) KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik

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3.8 die goldene Regel Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten (Mt 7,12) Eine alternative Formulierung: Und einer von ihnen, ein Schriftgelehrter, versuchte ihn und fragte: „Meister, welches ist das höchste Gebot im Gesetz?“ Jesus aber antwortete ihm: «Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt» (5. Mose 6,5) Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: «Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst» (3. Mose 19,18) In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten (Mt 22, 35-40). Zurück zur Bergpredigt; nicht zu den radikalen Forderungen einer Endzeitethik zu Beginn der Bergpredigt, sondern zum Prinzip einer natürlichen Ethik, das in dem gleichen Textkorpus zu finden ist: die goldene Regel – der Inbegriff einer natürlichen und religiösen Ethik Zitat > Folie KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Ethik


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