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Deutsches und Europäisches Privatversicherungsrecht

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Präsentation zum Thema: "Deutsches und Europäisches Privatversicherungsrecht"—  Präsentation transkript:

1 Deutsches und Europäisches Privatversicherungsrecht
Grundzüge des Rechts der Berufsunfähigkeitsversicherung Von Prof. Dr. Roland Rixecker

2 Sinn und Zweck einer Berufsunfähigkeitsversicherung
Keine Verdienstausfallversicherung! Absicherung von Einbußen des beruflichen Status als der Grundlage der „Lebensstellung“ Versicherungsfall: VN (VP) kann letzte vor der gesundheitlichen Beeinträchtigung) ausgeübte Tätigkeit nicht fortführen: [Letzte konkrete Tätigkeit in gesunden Tagen] (2) Krankheit oder Körperverletzung (3) Kausalzusammenhang Ggf.: (4) Keine Verweisbarkeit!

3 Was ist der abgesicherte Beruf?
„Traditionelle chinesische Medizin“ OLG Saarbrücken U 137/03 OLGR 2004,263 VN macht nach einem Verkehrsunfall, bei dem Sie ein HWS- Schleudertrauma erlitten hat, Ansprüche auf eine Berufsunfähigkeitsrente geltend. Vor dem Verkehrsunfall leitete sie ein „Institut für traditionelle chinesische Medizin“. Dabei war sie allerdings nur von Zeit zu Zeit an Wochenenden für einige Stunden gegen Entgelt tätig. Weitere Einnahmen erzielte sie nicht. Berufe können auch außergewöhnliche und geringfügige Beschäftigungen sein, wenn ihre Ausübung zum Lebensunterhalt beitragen soll.

4 Vielfalt von Berufen Maßgebend: Letzte (in gesunden Tagen) konkret ausgeübte Tätigkeit! (Nicht: Bezeichnung in der Police + nicht: Berufsbild) (Und nicht: Einzige Tätigkeit! Unterhaltssichernde Tätigkeit) Schwarzarbeit? Mehrere Tätigkeiten sind ein Beruf! Hausarbeit? (Ja, wenn und soweit sie ein Beitrag zur „gemeinsamen“ Unterhaltssicherung ist). Vermögensverwaltung?

5 Komplexe Berufe / Mehrere Berufe
„Ein vermögender Parkettverleger“ OLG Dresden – 7 U 1220/12 – r+s 2013, 564 VN war selbständiger Boden- und Parkettleger (im Rechtsstreit erläutert er unter Angabe von Zeitanteilen seine Tätigkeit) und führte zugleich ein Unternehmen der gewerblichen Vermietung und Verpachtung von Immobilien. Aus gesundheitlichen Gründen will er außerstande sein, seinen Beruf fortzuführen.

6 Komplexe Berufe / Mehrere Berufe
VN muss darlegen und beweisen: Nachvollziehbare Darstellung seiner letzten beruflichen Tätigkeit in ihrer Gesamtheit! ▼ Einzelakte der handwerklichen Tätigkeit + Beschreibung der Tätigkeit in VuV + Verbleibende gesundheitlich nicht verschlossene Tätigkeitsfelder ► keine zumutbare Betätigung ►keine zumutbare Umorganisation!

7 Komplexe Berufe / Mehrere Berufe
Selbständige: Gesundheitliche Hinderung an Verrichtungen, die für die letzte berufliche Tätigkeit prägend oder (zeitlich oder sachlich) wesentlich waren! + Nutzung des Freiraums als Selbständiger belässt keine Fortsetzung des Berufs! ▼ Was bedeuten „Einkünfte“ aus VuV? (Hier: VuV € in 4 Jahren / Handwerk € in 4 Jahren) Private Lebensführung (nicht versicherungsvertragsrelevant) oder unternehmerische Tätigkeit (versicherungsvertragsrelevant)?

8 Private Vermögensverwaltung (kein Beruf) oder unternehmerische gewerbliche Tätigkeit (ein Beruf)?
Übertragung der Steuerrechtsprechung: Gewerbliche Tätigkeit setzt voraus: Selbständigkeit (unternehmerinitiative) Nachhaltigkeit (Wiederholungsabsicht, Erwerbsquelle) Gewinnerzielungsabsicht Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr (öffentliches Inerscheinungtreten)

9 Private Vermögensverwaltung oder gewerbliche Tätigkeit
EStR R 15.7 (1) Allgemeines (1) 1Die bloße Verwaltung eigenen Vermögens ist regelmäßig keine gewerbliche Tätigkeit. 2Vermögensverwaltung liegt vor, wenn sich die Betätigung noch als Nutzung von Vermögen im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten darstellt und die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung nicht entscheidend in den Vordergrund tritt. 3Ein Gewerbebetrieb liegt dagegen vor, wenn eine selbständige nachhaltige Betätigung mit Gewinnabsicht unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. 4Die Verpachtung eines Gewerbebetriebs ist grundsätzlich nicht als Gewerbebetrieb anzusehen >aber R 16 Abs. 5.

10 Beruf: Auszubildende „Eine auszubildende Kreissekretärin“ BGH – IV ZR 119/09 - VersR 2010, 619 VN, in Ausbildung zur Kreissekretärin, ist seit BU-versichert erlitt sie Gehirnblutungen. Am erkannte VR BU ab an. VN setzte die Ausbildung mit Unterbrechungen fort und schloss sie 9/04 ab. Als Auszubildende war sie 6 Stunden täglich tätig, Seit arbeitet sie als Sachbearbeiterin 19,25 Std. (reguläre Arbeitszeit 41 Std.). VR stellt Leistungen ein: VN könnte als Auszubildende 6 Stunden täglich arbeiten. VN: Sie könne jedenfalls nicht mehr als teilschichtig als Kreissekretärin arbeiten. Berufsunfähig ist nicht nur der, der die Ausbildung nicht fortsetzen kann, sondern auch der, der den Ausbildungsberuf nicht in bedingungsgemäßem Maße ausüben können wird.

11 Hausarbeit als Beruf. Komplexe Berufe
„Eine Hausfrau und Fingernagelstylistin“ OLG Saarbrücken – 5 U 248/12 – juris VN war von 1973 bis 2001 bei verschiedenen Arbeitgebern als kaufmännische Angestellte und Sekretärin, zuletzt im Unternehmen ihres Ehemanns, tätig. Nach zwei Bandscheibenvorfällen orientierte sie sich aus gesundheitlichen Gründen um, arbeitete seither rund drei Stunden wöchentlich als Fingernagelstylistin und führte im Übrigen alle anfallenden Arbeiten im ehelichen Haushalt, Staub saugen, Wäsche waschen, Geschirr spülen etc. (wöchentlich 24 ½ Stunden) aus. Dann verschlechterte sich ihre gesundheitliche Lage ab 2011. Beruf kann auch die Hausarbeit sein, wenn sie als Beitrag eines Partners nicht nur zur privaten Lebensführung, sondern zur Erwirtschaftung des Lebensunterhalts dienen soll.

12 Problematik: Je weniger ein „Beruf“ in Geld konkret aufgewogen werden kann und je umfassender und vielfältiger die beruflichen Anforderungen sind, desto schwerer ist festzustellen, ob ein VN das bedingungsgemäße Maß der BU erreicht hat, und, desto „leichter“ wird die Verweisung!

13 Vorübergehender Berufswechsel?
Ein unglücklicher Stuckateurgeselle“ OLG Saarbrücken – 5 U 236/12 juris –Anl. 28- VN war bis 2007 als gelernter Stuckateur tätig. Dann wechselte er – betriebsbedingt – zu einer Firma, bei der er als Maschinenbediener arbeitete, um eine Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Er blieb Arbeit suchend als Stuckateurgeselle gemeldet erlitt er einen Motorradunfall, in dessen Folge er zwar noch als Maschinenbediener arbeiten konnte (was er auch tat), nicht jedoch mehr als Stuckateur. Argumentation des VN: Hätte ich mich arbeitslos gemeldet im Jahr 2007, wäre an meinen letzten Beruf als Stuckateur anzuknüpfen gewesen!

14 Vorübergehender Berufswechsel?
Ungeachtet dessen: Kein gesundheitlich bedingter Wechsel der Tätigkeit! Berufswechsel kann sich zum Nachteil des VN auswirken (wie hier) Berufswechsel kann sich aber auch zum Vorteil des VN auswirken (wenn VN im neuen Beruf berufsunfähig wird, im alten aber noch weiter arbeiten könnte) (IÜ: Arbeitslosigkeit hätte auch zu einer Erleichterung der Verweisung geführt!)

15 „Leidensbedingter Berufswechsel“
„Der kranke Arzt“ BGH IV ZR 527/15 VersR 2017, 216 VN war HNO-Arzt in eigener Praxis. Aufgrund einer schweren Arthrose des Schultergelenks kann er seine im Wesentlichen operative Tätigkeit nicht fortführen. Er übernimmt daraufhin für einige Zeit die Leitung eines medizinischen Versorgungszentrums mit im Wesentlichen administrativen Aufgaben. Einige Zeit später schließt er einen Aufhebungsvertrag mit seinen Partnern und macht, weil er als HNO-Arzt nicht mehr tätig sein kann, eine BU-Rente geltend. VR wendet ein, als Leiter eines MVZ sei VN nicht berufsunfähig.

16 Leidensbedingter Berufswechsel
Teleologie: VR darf keine Vorteile daraus ziehen, dass VN bei einer sich schleichend entwickelnden Erkrankung sein berufliches Engagement Stück für Stück zurückzieht.  In seinem solchen Fall bleibt die ursprüngliche Tätigkeit in gesunden Tagen Maßstab der Berufsunfähigkeit!

17 Sonderproblem: „Mitarbeitende Betriebsinhaber“
„Rettungssanitäter als Telefonisten“ BGH – IV ZR 117/95 – r+s 1997, 35 VN war ausgebildeter Krankenpfleger und Alleingesellschafter und mitarbeitender eines Unternehmens, das Rettungsfahrten, Kranken- und Behindertentransporte sowie Taxidienste ausführte. VN beschäftigte mehrere Arbeitskräfte im Transportdienst und mehrere Arbeitskräfte im Rettungs- und Taxidienst. Aufgrund von Erkrankungen der Wirbelsäule ist es ihm weit überwiegend nicht mehr möglich, die von ihm bislang ausgeführten Rettungstransporte zu übernehmen. Er beschränkt sich auf verwaltende Tätigkeit, vor allem als Telefonist.

18 Sonderproblem: Mitarbeitende Betriebsinhaber
Letzter (ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgeübter) Beruf: Selbständige, Inhaber des Direktionsrechts, mitarbeitende Betriebsinhaber: Zum „Beruf“ zählt die Befugnis, den Beruf zu konkretisieren! Also: Darlegung dass die letzte konkrete berufliche Tätigkeit nicht mehr ausgeübt werden kann (in bedingungsgemäßem Maße) dass eine Möglichkeit der Umorganisation nicht besteht dass eine Umorganisation statusmäßig oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist!

19 „Kausalitätsprobleme“
BU muss „infolge“ gesundheitlicher Einschränkungen eingetreten sein!  Was gilt, wenn VN sich nicht behandeln lässt? Fehlen von Schadenminderungsobliegenheiten in der BU-V! Wertende Eingrenzung (entsprechend den zivilrechtlichen Herausforderungsfällen)

20 Zurechnungsfragen „Ein Fahrlehrer mit Rückenschmerzen“ OLG Saarbrücken – 5 U 568/03 – VersR 2005,63 VN, 35 Jahre alt, war zuletzt als angestellter Fahrlehrer beschäftigt und unterrichtete nur von einer Mittagspause unterbrochen zwischen 8 Uhr und 22 Uhr im Fahrschulwagen sitzend. Wegen Wirbelsäulenbeschwerden („nicht viel von Krankheitswert“) scheidet er aus diesem Beruf aus. Die Beschwerden wären einer krankengymnastischen Behandlung gut zugänglich und könnten durch Pausen zwischen den einzelnen Fahrstunden vermieden werden.

21 Berufsunfähigkeit „durch“ gesundheitliche Beeinträchtigungen
„Ein Studienrat mit halbseitigem Gesichtsfeldausfall“ BGH – IV ZR 208/99 – VersR 2001, 89 Der VN, ein Studienrat für Mathematik und Informatik, litt nach einem Verkehrsunfall an einem halbseitigen Gesichtsfeldausfall auf beiden Augen. Sein Unterrichtspensum wurde nach Anerkennung eines Grades der Schwerbehinderung von 70 % von 24 auf 19 Stunden. Er fürchtet, dass seine weitere Tätigkeit zu einer Verschlechterung seiner Sehfähigkeit führen, benötigt zur Fortführung einen Bild Monitor, kann die Aufsicht bei Klassenarbeiten und in Pausen nicht mehr führen und bedarf zur Besorgung von Unterrichtsmaterialien und den Arbeitsweg der Hilfe von Kollegen und seiner Ehefrau.

22 Gesundheitliche funktionelle Beeinträchtigungen der Berufsausübung
Feststellung der funktionellen gesundheitlichen Einschränkungen Feststellung ihres Maßes / Gewichts Feststellung ihrer Kausalität? (Keine Obliegenheiten, sich in medizinische Behandlung zu begeben!) (Keine „Obliegenheit“, Raubbau an der Gesundheit zu begehen) (Keine Obliegenheit, Hilfen und das Wohlwollen anderer in Anspruch zu nehmen).

23 Das Auftreten neuer Versicherungsfälle im Prozess
OLG Saarbrücken – 5 U 359/12 – juris –Anl. 27- VN, Reinigungskraft im Betrieb ihres Ehemanns und Hausfrau, verlangt vorprozessual und erstinstanzlich Leistungen wegen massiver Wirbelsäulenleiden; sie hat sich einer umfassenden Versteifungsoperation unterzogen. Nachdem eine (orthopädische) sachverständige Beurteilung in erster und zweiter Instanz bezogen auf ihre letzte berufliche Tätigkeit keine mindestens 50%ige Einschränkung ergeben hat, macht VN zweitinstanzlich geltend, aufgrund eines Herzleidens nicht imstande zu sein, ihre letzte berufliche Tätigkeit als Büroaushilfskraft fortführen zu können.

24 Das Auftreten neuer Versicherungsfälle im Prozess
Der Anspruch des VN auf Leistungen aus der BU-V (Streitgegenstand) setzt sich aus zwei Elementen zusammen: Gesundheitlichen Beeinträchtigungen Beruflichen Wirkungen Jedes neue, von der ersten geltend gemachten Erkrankung trennbare Leiden kann einen neuen Versicherungsfall begründen! Und damit einen eigenständigen Anspruch! Strategie des Versicherers und ihre Folgen:

25 Das Auftreten neuer Versicherungsfälle im Prozess
Alternative 1: VR lehnt Leistungen auch aufgrund der neu geltend gemachten Erkrankung ab: Anspruch des VN (wenn er denn besteht) ist fällig und kann in den Rechtsstreit – vorbehaltlich prozessualer Beschränkungen (Verspätung) – eingeführt werden! Alternative 2: VR beruft sich darauf, dass er Anspruch noch nicht prüfen konnte: Anspruch ist nicht fällig (!§ 14 VVG!) Klage des VN müsste insoweit als derzeit unbegründet abgewiesen werden!

26 Komplikationen Jedes gesundheitliche Leiden, das zu bestimmten funktionellen Auswirkungen führt, begründet einen Versicherungsfall Aber: Das Recht (Stammrecht) kann verjähren! (Dürfen dann die Leiden, auf deren Grundlage verjährte Ansprüche erhoben wurden, gar nicht mehr geltend gemacht werden?) [NEIN!] Der Anspruch auf BU-Leistungen kann seine Grundlage in „komorbiden“ Leiden finden! Ungeachtet der Zurückweisung eines Anspruchs wegen gesundheitlicher Leiden, die die prozentuale Grenze nicht erreicht haben, können neue Leiden zur „Auffüllung“ dienen!

27 Prognose der Dauerhaftigkeit
BU liegt (im Gegensatz zur AU) nur vor, wenn die gesundheitliche Hinderung an der Fortführung des letzten Berufs „dauerhaft“ – nach medizinischer Sachkunde auf nicht absehbare Zeit – ist. (Begonnene aussichtsreiche Heilbehandlungen stehen der Annahme von BU entgegen!) Ausnahme (Regel): Vertraglich ist eine Fiktion der BU vorgesehen! Versicherungsfall tritt danach ein nach Fortdauer (1 Tag) einer sechsmonatigen BU, nach sechsmonatiger BU rückwirkend zum ersten Tag der BU bei voraussichtlich sechsmonatige BU!

28 Verweisungsmöglichkeiten
Gesetz erlaubt weitere Voraussetzungen des Versicherungsfalls! Unterscheidung zwischen abstrakter / konkreter / beschränkter konkreter Verweisung! Darlegungslasten (Aufzeigelast VR! Beweislast VN!) Maßgeblichkeit des Zeitpunkts: Behaupteter Zeitpunkt des Versicherungsfalls! Entfallende Fähigkeiten? Hinzugewonnene Fähigkeiten? Maßgeblich des qualitativen Status! Maßgeblich der ökonomischen Zumutbarkeit!

29 Verweisung von einer abhängigen auf eine selbständige Tätigkeit
„Der Frauenarzt, der einen Frauenarzt nicht für einen Frauenarzt hielt“ OLG Saarbrücken – 5 U 374/95 – NJW-RR 1997, 791 Der VN beanspruchte Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Er ist von Beruf Facharzt für Frauenheilkunde. Seit Februar 1985 war er ständiger Vertreter des Chefarztes einer bedeutenden Frauenklinik. Wegen einer Latexallergie, einer Allergie gegen aggressive Desinfektionsmittel und eines Wirbelsäulenleidens musste er diese Tätigkeit aufgeben und ist seither als niedergelassener Gynäkologe in einer Praxis tätig. Seine Einkünfte sind höher als bisher. Er hält sich für berufsunfähig.

30 Verweisungsprobleme Versicherungsverträge kennen unterschiedliche Klauseln Abstrakte Verweisung setzt voraus: VR zeigt einen Vergleichsberuf auf! VN kann nicht beweisen, dass er ihn aus gesundheitlichen Gründen nicht ausüben kann oder dass er ihm nicht zumutbar ist! Konkrete Verweisung setzt voraus: Ausgeübter Beruf ist dem VN zumutbar (= wahrt seine Lebensstellung) Primärer Qualifikationsvergleich (Vergleich der Ausbildung, Kenntnisse und Erfahrungen) Sekundärer Statusvergleich (Keine ins Gewicht fallende Verminderung des Einkommens, Wahrung der Lebensstellung).

31 Verweisung und Einarbeitung oder Fortbildung
„Eine verwaltungserfahrene LKW-Fahrerin OLG Saarbrücken U 124/07 juris VN war als LKW-Fahrerin im Güternahverkehr tätig. Das kann sie aufgrund von krankhaften Veränderungen der Knie nicht mehr fortführen.VN (Anfang 40) war vor fünfzehn Jahren als Verwaltungsfachangestellte tätig gewesen. Darauf verweist sie VR.VN verweist auf den technischen Fortschritt in Verwaltungen. Sie verfügt über keine – auch keine privaten – PC Kenntnisse. Sie hat damals lediglich mit Schreibmaschine gearbeitet und Formulare ausgefüllt. Berufskundlicher SV: Verwaltungen stellen Berufsrückkehrerinnen ein. Die Einarbeitungszeit (inhouse-Schulungen) beträgt 3-6 Monate.

32 Einarbeitung / Fortbildung
Maßgebend: Versicherungsvertrag verpflichtet VN nicht zur Fortbildung! Versicherungsvertrag erlaubt aber die Verweisung!  VR darf VN nicht auf einen Beruf verweisen, den dieser erst durch Fortbildung ergreifen kann! VR darf VN auf einen Beruf verweisen, den dieser ergreifen, aber erst nach Einarbeitung ausüben kann.

33 Sekundärer Statusvergleich: Wirtschaftliche Zumutbarkeit
„Der Flugbegleiter als Altenpfleger“ OLG Saarbrücken U 605/05 OLGR 2006, 902 [BGH Beschl. v IV ZR 174/06 (Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde)] VN, ausgebildeter Altenpfleger, verdient als Flugbegleiter netto 1633 € abzüglich pauschaler Aufwandsentschädigungen. Wegen einer HIV-Infektion ist er dort berufsunfähig. Er ist als stellvertretender Bereichsleiter im Pflegedienst beschäftigt und erzielt ein Nettoeinkommen von zunächst 1417 € und alsbald 1518 €. VN macht – unter anderem – geltend, bei dem Vergleich der Einkommen hätte berücksichtigt werden müssen, dass er als Flugbegleiter Gehaltssteigerungen zu erwarten hatte

34 Wirtschaftliche Zumutbarkeit
Der Verweisungsberuf muss in wirtschaftlicher Hinsicht der bisherigen Lebensstellung entsprechen (das von der versicherten Person in einem Verweisungsberuf erzielte oder erzielbare Einkommen darf also nicht signifikant unter dem früheren Einkommen liegen) darüber hinaus, weil das Gesetz und weil die AVB auf die Lebensstellung abstellen, bei wertender Betrachtung weitere Anforderungen erfüllen (Dabei kann es auf Aufstiegschancen, Ansehen, Mobilität ankommen). Allerdings: Keine beliebige Abwägung unter Einschluss „weicher“ Faktoren („verdient weniger, hat aber auch mehr Freizeit“)!

35 Probleme des Anerkenntnisses
Bedeutung des § 173 VVG: Anerkenntnis als bindende Regulierungserklärung! Verpflichtung zur Abgabe eines Anerkenntnisses! Befugnis zur Begrenzung (zeitlichen Befristung) der Erklärung! Rechtsfolgen des Anerkenntnisses : Notwendigkeit eines Nachprüfungsverfahrens mit „Umkehr der Beweislast“! Abgrenzungen: Kulanz / Anerkenntnis / Außervertragliche Vereinbarung

36 Anerkenntnis, Kulanz, außervertragliche Vereinbarungen und die rechtlichen Folgen!
„Krabbenfischer, Traumprinzen von Versicherungssachbearbeiterinnen und das Problem, nicht in die Zukunft sehen zu können“ BGH IV ZR 244/03 VersR 2007,633 (Krabbenfischer) VN, ein Krabbenfischer mit Kapitänspatent, ist – unstreitig – seit 1995 in seinem alten Beruf berufsunfähig und arbeitet jetzt (1999, nach einer Umschulung zum Einzelhandelskaufmann) im elterlichen Fischhandel. Die meisten seiner BU-Verträge enthalten keine Befristungserlaubnis und keine Befugnis zur Nachprüfung unter Berücksichtigung neuer Kenntnisse und Fähigkeiten. BGH IV ZR 46/06 VersR 2007, 777 (Versicherungssachbearbeiterin) VN ist Versicherungssachbearbeiterin. 09/99 zeigt sie wegen depressiver Entwicklungen eine BU an. Hintergrund ist, dass sie einen „Traumprinzen“ als Gefährten suchte, meinte ihn gefunden zu haben und sodann erkennt, dass dessen Mutter (wie auch er) alkoholkrank ist. 05/00 kehrt sie halbtags auf ihren Arbeitsplatz zurück. Daraufhin schließt VR eine 1. Vereinbarung über die Gewährung von Leistungen bis 07/00. In der folgenden Zeit arbeitet VN halbtags, dann vollschichtig, dann scheidet sie 09/01 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Es kommt zwischen 08/00 und 08/02 zu 4 weiteren aufeinander folgenden befristeten Leistungsvereinbarungen. Später stellte ein SV fest, dass VN phasenweise berufsunfähig war. Es ergeben sich Beweisschwierigkeiten.

37 Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Anerkenntnisses und seiner Verweigerung
Anerkenntnis i.S.v. § 173 ≠ Anerkenntnis i.S.v. § 781 BGB Anerkenntnis ist gesetzliche/vertragsrechtliche Konstruktion mit vertragsgemäßen Bindungswirkungen! VR trifft Pflicht zum Anerkenntnis. Verletzung der Pflicht löst Schadensersatzansprüche aus! VR darf sich seiner Pflicht zum Anerkenntnis nicht dadurch entziehen, dass er seine Verhandlungsmacht ausnutzt!

38 Generalisierung des Problems
VR ist zum AE verpflichtet, VR bietet „außervertragliche Vereinbarung“ an! ▼ VR entzieht sich seinen vertraglichen Verpflichtungen Verletzung des § 242 BGB bei Ausnutzung der überlegenen Verhandlungsmacht des VR (Wissen/ Angewiesenheit) VR muss Nachteile (auch beweisrechtliche) Nachteile ausgleichen, wenn er treuwidrig / pflichtwidrig kein AE abgegeben hat.

39 Probleme des befristeten Anerkenntnisses
„Eine depressive Spielwarenverkäuferin“ OLG Saarbrücken U 67/14 VN war Spielwarenverkäuferin. Ab war sie arbeitsunfähig krank geschrieben und machte am Leistungen aus ihrer BU-V geltend. VN übersandte in der Folge Atteste, die eine Depression bestätigten, jedoch Arbeitsfähigkeit ab in Aussicht stellten, sowie ein für die Bundesagentur für Arbeit erstelltes umfassendes Gutachten vom September 2011, das eine stark verminderte Leistungsfähigkeit für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten prognostizierte. Daraufhin vereinbarte VR mit VN – statt eine von ihm für erforderlich gehaltene Untersuchung zu veranlassen – bis zum befristete Leistungen. Die danach erfolgten ärztlichen Untersuchungen ergaben, dass VN 2010/2011 aufgrund einer Depression berufsunfähig war, nach stationären Behandlungen ab jedoch nicht mehr. VR verweigerte daher ab Januar 2012 weitere Leistungen. VN verklagte VR daraufhin auf Fortzahlung der Berufsunfähigkeitsrente ab Januar 2012 bis Vertragsende. Mit einem im Rahmen der vorprozessualen Korrespondenz gefertigten Schreiben des VR vom erläuterte er VN, dass keine weiteren Leistungen über den Dezember 2011 hinaus erfolgten, weil eine berufliche Einschränkung nur bis zur Entlassung der VN aus der Klinik im Dezember 2011 anzunehmen sei.

40 Nachprüfung Ungewöhnliche Möglichkeiten, das Fortbestehen eines Versicherungsfalls nachprüfen zu dürfen! Obliegenheiten des VN, die Nachprüfung zu ermöglichen (Untersuchungsobliegenheiten)! Korrespondierende Pflichten des VR, dem VN die Überprüfung der Nachprüfungsentscheidung zu erlauben! Darlegungslasten (Vergleichsbetrachtung) Beweislasten (Nachweis der relevanten Verbesserung des gesundheitlichen Zustands)

41 Das Lazarus-Syndrom der Berufsunfähigkeitsversicherung
„Das Lazarus-Syndrom der Berufsunfähigkeitsversicherung - ein Profihandballspieler wird Wirtschaftsingenieur“ OLG Köln U 127/10 r+s 2012, 452 VN hat mit Beginn seiner Tätigkeit als Profihandballspieler eine BU-Versicherung (Laufzeit bis zum 35.Lebensjahr) abgeschlossen. Aufgrund einer Sportverletzung ist er berufsunfähig, was VR 2002 anerkennt führt VR die Nachprüfung durch, stellt fest, dass VN nach Abschluss seines neben der Sportausübung begonnenen Studiums Projektleiter als Wirtschaftsingenieur ist. Daraufhin stellt sie die Leistungen ein mit der Begründung, VN sei schon als Profihandballer zugleich Student gewesen und in dieser Tätigkeit nicht berufsunfähig geworden, VN habe nunmehr einen Beruf aufgenommen, der eine vergleichbare Lebensstellung gewährleiste.

42 Gegenstand und Umfang der Nachprüfung
1.Begründungsansatz: Anerkenntnis beruht auf der Annahme von BU im Beruf Profihandballer; VR darf sich nicht nachträglich auf das von VN betriebene Studium berufen. 2.Begründungsansatz: Vergleichbarkeit der Lebensstellung a.Prominenz als Profisportler? b.Verdienst 2300 € (als Profisportler) gegenüber 2043 € (als Wirtschaftsingenieur? Aber: 44 Arbeitsstunden als Profisportler ./. 150 Arbeitsstunden als Wirtschaftsingenieur Keine Relevanz der zeitlichen Begrenzung des Profisportlereinkommens (Auslegung des Vertrages!)

43 Nachprüfung OLG Saarbrücken U 31/14 n.v. VN war beamteter Betriebsprüfer. Nach ehelichen und beruflichen Konflikten entwickelte er eine depressive Störung und wurde 2006 als dienstunfähig in den Ruhestand versetzt. Nach einer ärztlichen Begutachtung erkannte VR seine Leistungspflicht an nahm VR eine Nachprüfung vor. Ein GA kam zu dem Ergebnis, VN sei in seiner Leistungsfähigkeit nicht nachweislich eingeschränkt. Die Darstellung seiner Beschwerden sei nicht valide. Daraufhin stellte VR seine Leistungen unter Bezugnahme auf das frühere und das jetzige GA ein, weil die dem AE zugrunde liegenden kognitiven Beeinträchtigungen nicht mehr „vollbewiesen nachweisbar“ seien. Die gerichtliche SV bestätigte die jetzige Leistungsfähigkeit des VN und erklärte, sie könne nicht ausschließen, dass sie VN auch 2006 für leistungsfähig gehalten hätte, hätte sie ihn untersucht.

44 Formelle Anforderungen an die Nachprüfung
Einwände VN: Einstellungsmitteilung belehrt VN nicht, wie in AVB vorgesehen, über Klagemöglichkeit und Klagefrist! (Das ist auch nicht erforderlich!) Einstellungsmitteilung lässt nicht erkennen, worin die nachweisbare Besserung des Zustands liegen soll! Erforderlich: Nachvollziehbar begründete gesundheitliche Damals-Jetzt-Betrachtung! Gutachtenüberlassung! Nicht erforderlich: Richtigkeit der Vergleichsbetrachtung! Zutreffen der Beweislastannahmen!

45 Materielle Voraussetzungen der Nachprüfung
Wegfall der Voraussetzungen des Versicherungsfalls!  Einwand VN: VR muss beweisen, dass zum Zeitpunkt des AE Berufsunfähigkeit vorlag! Keine Korrektur fehlerhafter Entscheidungen des VR durch Nachprüfung! In der Tat: VR muss – an sich – den „Wegfall“ von BU behaupten, damit also auch ihr früheres Vorliegen. Vom VN wird nicht verlangt zu bestreiten, dass er je berufsunfähig gewesen sei oder sich gar zu bezichtigen, Beschwerden vorgetäuscht zu haben! VN trifft aber in Fällen psychischer Leiden eine Art sekundäre Darlegungslast: Aufzeigen konkreter Zweifel an dem früheren GA!

46 Materielle Voraussetzungen der Nachprüfung
Einwand des VN: „Natürlich geht es mir besser, seit ich nicht mehr arbeite und geschieden bin, das würde sich ändern wenn ich wieder arbeite und…“ Die bloße Möglichkeit erneuter Verschlechterungen des gesundheitlichen Zustands ist unerheblich! (Anders: Voraussehbare medizinisch nachweisbare Auslösung funktioneller Einbußen bei Wiederaufnahme der Arbeit!)

47 Materielle Voraussetzungen der Nachprüfung
Einwand VN: Infolge meiner Krankheit bin ich in den Ruhestand versetzt worden!  Das kann (!) ein begründeter Einwand sein, wenn der Verlust des letzten konkreten Berufs dadurch weiterhin auf der Erkrankung beruht! (Also nicht, wenn nach Wegfall der Krankheit die frühere Tätigkeit wieder ausgeübt werden kann!)

48 Außervertragliche Vereinbarungen
LG Dortmund O 275/11 juris VN war seit 2003 als Straßenbahnführer beschäftigt beantragte er BU-Leistungen. 08/2008 schlossen VN und VR eine Vereinbarung, nach der sich VR ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit erklärte, ab dem bis die vereinbarten Leistungen zu erbringen. Danach lehnte VR weitere Zahlungen ab. Von April 2011 bis 2014 war VN wieder etwas mehr als halbschichtig (19,5 Stunden bei zuvor 39,5 Stunden) tätig. AVB regeln, dass VR leistet, wenn VN voraussichtlich mindestens 6 Monate ununterbrochen zu mindestens 50% berufsunfähig ist und eine Anspruchsstellung umgehend erfolgen soll, wenn die 6monatige Mindestdauer voraussehbar oder eingetreten ist.

49 Außervertragliche Vereinbarungen
Vereinbarung von 08/2008 enthält unmissverständlich kein AE! Zusammenschau der AVB ergibt folgende Regelung des Versicherungsfalls: Nicht in jedem Fall ist 6-Monatsprognose erforderlich, BU ist eingetreten, wenn VN 6 Monate dauernd außerstande war, beruflich (zu mehr als 50%) tätig zu sein! Maßgebend ist BU im vom VN benannten Zeitpunkt 2008! Keine Verschiebung der Erstprüfung aufgrund der außervertraglichen Vereinbarung! Vereinbarungen setzen eine noch unklare Sach- und Rechtslage voraus + unmissverständliche und konkrete Hinweise auf die vertragliche Rechtsposition des VN Klare Herausstellung ihrer Einschränkung durch die Vereinbarung

50 Außervertragliche Vereinbarungen
Im Streitfall: Nachteile für den VN, wenn er für 2008 den Eintritt der BU hätte beweisen können! Keine Hinweispflicht, wenn VR ein zeitlich begrenztes Anerkenntnis hätte aussprechen dürfen! (VVG § 173 gilt zwar auch bei Altverträgen – solange keine den VN besser stellenden AVB vorliegen, die Vorschrift setzt aber die Geltung des neuen VVG für den Versicherungsfall voraus!) Im Streitfall: Depressive Störung lag ab 10/2006 für mindestens 6 Monate vor. (Das würde nicht ausreichen, weil VN ja BU ab 2008 geltend macht) VN war jedoch nach psychiatrischer Einschätzung auch weiterhin bis jedenfalls 2009 psychisch erkrankt!

51 Nachprüfung LG Dortmund: Nachprüfung setzt wirksame Leistungseinstellung voraus! Kann im Prozess durch einen Schriftsatz geltend gemacht werden! Kann im Prozess auch hilfsweise geltend gemacht werden für den Fall, dass das Gericht von einer Leistungspflicht ohne AE ausgeht! Im Streitfall: 19,5 Stunden nur unter Raubbau an der Gesundheit (Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Inanspruchnahme des Urlaubs), um der Familie die Existenzgrundlage zu erhalten


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