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Veröffentlicht von:Alexina Sullivan Geändert vor über 5 Jahren
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Dr. med. Martina Lenzen-Schulte Deutsches Ärzteblatt
Vaginale Geburt – Bald aufklärungsbedürftiges Risiko für den Beckenboden? Pro: Dr. med. Martina Lenzen-Schulte Deutsches Ärzteblatt Ulm, 13. Juli 2019
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Beckenbodenschäden zeigen sich:
funktionell als: Urininkontinenz (Stress- und Dranginkontinenz, SUI, UUI) Fäkale Inkontinenz (Stuhl- und Flatusinkontinenz, FI) Prolaps (Pelvic Organ Prolaps, POP) Schmerzen (Narben, Nahtwülste) Sexuelle Probleme … und andere Beschwerden anatomisch als: Levator ani Abriss oder Überdehnung (Avulsion oder Mikrotraumen) Obstetric Anal Sphinkter Injuries (OASIS) Dammrisse Grad 1-4 Dammschnitte Nervenverletzungen … und andere Schäden Ulm, 13. Juli 2019
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Relevanz von Beckenbodenschäden
Spontane vaginale Geburt: Bei 25,2 % bleibt das Perineum/der Damm intakt (1) Gut 50 % aller vaginal gebärenden Frauen erleiden keinen Beckenbodenschaden (2) Die vaginale Geburt ist wahrscheinlich der „wichtigste Faktor für Beckenbodenschäden“ (2) Quellen: Rodrigues S, et al: Intact Perineum: What are the Predictive Factors in Spontaneous Vaginal Birth? Materia Sociomedica 2019;31(1): März 2019 / Portugal, Malta, Deutschland (Spontane Vag. Geburten/Single Center 1/2017bis 12/2017; 1748 Frauen; 43,8 % Episiotomien; 23,2 % Dammrisse Grad 1; 4 % Dammrisse Grad 2; 0,2 % Dammrisse Grad 3; nach vorangegangenem KS sinkt die Wahrscheinlichkeit für ein intaktes Perineum um 60%; bei Primigravidae um 70 %) Debus G: Vaginale Geburt und Beckenboden – was trägt die Geburt zur Inkontinenz bei? Geburtsh Frauenheilk 2015;75: Ulm, 13. Juli 2019
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JAMA 2018: Inzidenzen und Risikoverteilung
Association of Delivery Mode With Pelvic Floor Disorders After Childbirth Blomquist JL, et al: JAMA. 2018;320(23): (Johns Hopkins) Kaiserschnitt senkt das Risiko für Stressinkontinenz und für Organvorfall erheblich, Saugglocke und Zange erhöhen die Risiken für Stuhlinkontinenz und Organvorfall. Große Metaanalysen* bestätigen das. Vaginale Geburt (1,0) Kaiserschnitt Instrumentelle vaginale Geburt adj. HR Stressinkontinenz: 0,46 Prolaps: ,28 Analinkontinenz: 1,75 Prolaps: ,88 15. Jahre kumulative Inzidenz % Stressinkontinenz 34,3 Prolaps 30,0 Stuhlinkontinenz 30,6 1 bis 2 Dekaden nach Geburt / 1528 Frauen von 2008 bis 2013 / Vaginal (565) = Referenz (1,0) / Vag-Operativ (185) / Kaiserschnitt (778) * Keag OE, et al: Systematic review and meta-analysis. PLoS Med 2018;15(1):e Review / Metaanalyse / 1RCT und 79 Kohortenstudien mit knapp 30 Mio Teilnehmern: KS mindert gegenüber VG das Risiko für HI (OR 0,56) und das Risiko für POP (OR 0,29) Ulm, 13. Juli 2019
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Internationale Daten gleichen sich in Punkto Beckenbodenschäden und bestätigen erhöhte Risiken bei vaginaler Geburt. % Häufigkeit 43 Mo nach Geburt Harninkontinenz Fäkale Inkontinenz Prolaps Vaginale Geburt 40,2 % 6,6 % 10,2 % Kaiserschnitt 22,7 % 4,4 % 4,5 % 2017 / Chinese University of Hongkong 506 Frauen / PFDI Beckenbodenstressinventory Ng K, et al: An observational follow-up study on pelvic floor disorders to 3-5 years after delivery. Int Urogynecol J 2017;28(9): Ulm, 13. Juli 2019
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Harninkontinenz: Vaginale Geburt verdoppelt das Stressinkontinenz-Risiko im Vergleich zu einem Kaiserschnitt nach dem missglückten Versuch einer vaginalen Geburt; im Vergleich zu einem elektiven/geplanten Kaiserschnitt ist das Risiko sogar dreifach höher. Juli 2016 / Finland, USA, England, Canada, Mexiko Tähtinen RM, et al: Long-term Impact of Mode of Delivery on Stress Urinary Incontinence and Urgency Urinary Incontinence: A Systematic Review and Meta- analysis. Eur Urology 2016 Jul;70(1): VG vs KS bei SUI aOR 1,85 (in 15 Studien); der schützende Effekt war am ausgeprägtesten bei jungen Frauen; die absolute Risikodifferenz betrug 8%; Wurde die VG mit einem elektiven KS verglichen (ohne vorhergehende Geburtsbemühungen), war das Risiko für eine SUI um das Dreifache höher (aOR 3,53; absolute Risikodifferenz 10 %); Rortveit G, et al: Urinary incontinence after vaginal delivery or cesarean section. N Engl J Med 2003;348: (EPINCONT Register) Geburtenregisterstudie mit Frauen / Inkontinenzprävalenz: 10,1 % bei Nulliparae; 15,9 % in der KS-Gruppe; 21,0 in der VG-Gruppe; SUI- Raten 4,7 bzw. 6,9 bzw. 12,2 Ulm, 13. Juli 2019
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Effekt der Geburt auf Inkontinenz hält lang an
Bisher galt: Das Alter ist der wichtigste Risikofaktor, ob KS oder VG – das macht im Alter keinen Unterschied. Das lässt sich jetzt nicht mehr behaupten, wie diese Studie zeigt: Gyhagen M, et al: The effect of childbirth on urinary incontinence: a matched cohort study in women aged years. AJOG 20. Mai 2019 doi: /j.ajog (3 große nationale Kohorten (Frauen mit je nur 1 VG, 1 KS, 1 IG) für einen gematchten Vergleich; Frage war letztlich: Was ist der Anteil der Schwangerschaft an der Inkontinenz und wird der protektive Effekt des KS durch Alter und andere Risikofaktoren zunichte gemacht?) Oder anders gesagt: Mögliche Schäden durch eine vaginale Geburt wirken ein Leben lang fort – auch im Alter leiden mehr Frauen nach vaginaler Geburt an Inkontinenz als nach Kaiserschnitt Diese Langzeitdaten zeigen, dass der protektive Effekt des Kaiserschnitts nicht nur vorübergehend besteht, bis zum Alter anhält nicht allein auf milde Inkontinenz-Formen beschränkt ist. Ulm, 13. Juli 2019
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Konsequenzen für die Aufklärung?
David Waltregny: KS ist nicht die universelle Präventivlösung für SUI Debus: Kaiserschnitt ist auch keine Primärprävention in Sachen Beckenbodenschäden insgesamt, aber im Einzelfall schon: das Gesamtrisiko für den Beckenboden kann so beschaffen sein, … > 4000 g; 7 Tage > Termin bei hohem Kopf bei Primigravida; langwierige Austreibungsperiode; … und etliche mehr „dass das unbedingte Anstreben einer vaginalen Geburt vermieden werden sollte“ Ulm, 13. Juli 2019
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Welche Faktoren erhöhen das Risiko besonders?
Geburtsgewicht des Kindes (siehe folgende Folien) Alter der Mutter (siehe folgende Folien) Körpergewicht der Mutter Schäden am Darmverschluss durch die erste Geburt Genetisches Risiko (wenn Mütter und Schwestern bereits Beckenbodenschäden haben) Schlechtes Bindegewebe …. Ulm, 13. Juli 2019
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Immer öfter wird das kindliche Geburtsgewicht zum Risikofaktor für den Beckenboden
In Deutschland wiegt mehr als ein Drittel der Kinder zwischen und g; gut 10 % erreichen ein Geburtsgewicht von mehr als g (davon 1 % ≥ g) * Verstärkender Faktor Adipositasepidemie: In den USA hat sich von 1935 bis 1998 der Anteil der Babys mit einem Geburtsgewicht ≥ von 3 % auf 14 % vervielfacht ** Das heißt: Sogenannte Präventivmaßnahmen, die Schwangeren vor schweren Kindern zu bewahren, greifen kaum, weil die Zahl der übergewichtigen Menschen in der Gesellschaft immer mehr zunimmt. * Voigt M, et al: Z Geburtshilfe Neonatol 2010; 214: 24–9. ** Johar R, et al: J Reprod Med 1988; 33 (10): 813. Ulm, 13. Juli 2019
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D‘Souza et al 2019*: OASIS ist bei Primigravidae 3,6-fach häufiger mit einem kindlichen Geburtsgewicht > 4,0 kg assoziiert. 23 % aller Erstgebärenden mit schwerwiegendem Beckenboden-Trauma haben ein Kind > 4000g** Ein Geburtsgewicht > 4000g erhöht das Risiko für hochgradige Dammrisse Grad 3 und 4 um den Faktor 3.27 *** Besonders kleine Mütter (< 160 cm), die ein 4,0 kg Kind zu Welt brachten, hatten ein doppelt so hohes POP-Risiko im Vergleich zu Müttern mit leichteren Kindern **** * D‘Souza JC, et al: Risk factors for perineal trauma in the primiparous population during non-operative vaginal delivery. Int Urogynecol J. Int Urogynecology Journal 2019 May 2. doi: /s NHS / Universitätsdaten aus Großbritannien zu OASIS bei 756 Primigravidae (im Vergleich zu Primigravidae mit intaktem Perineum) ** Gommesen D, et al: Ach Gynecol Obstet 19. April /s **** Gyhagen M et al: BJOG 2013;120(2): Ulm, 13. Juli 2019
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Hohes Geburtsgewicht torpediert den Dammschutz
Ulm, 13. Juli 2019 Birth 2019;46:371–378: Bei einem hohem Geburtsgewicht ließ sich trotz Umsetzung eines ambitionierten Klinikprogrammes zum Schutz des Beckenbodens das Risiko für Schäden nicht beeinflussen (aOR 2,44); Das heißt: Wenn die Schwangerschaft fast zu Ende ist und das Gewicht des Kindes trotz aller Bemühungen hoch, dann sollte man der Mutter nicht mit dem Hinweis auf Dammschutzmaßnahmen falsche Hoffnungen machen, ihren Beckenboden noch schützen zu können.
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Aufklärung ist hier im Einzelfall sogar geboten
Behandlungsfehler „Mangelnde Aufklärung über hohes Geburtsgewicht des Kindes“ In einem Fall, den die Gutachterkommission der Ärztekammer Nordrhein zu beurteilen hatte, war bei Aufnahme zur Geburt ein Ultraschall unterlassen und infolgedessen die Makrosomie übersehen worden. Dass die Schwangere über die drohenden Risiken nicht aufgeklärt worden war, wurde als Behandlungsfehler gewertet. Quelle: Ärztekammer Nordrhein: Gutachtliche Entscheidungen. Aus der Arbeit der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein – veröffentlicht im Rheinischen Ärzteblatt in der Zeit von Mai 2000 bis November / fileadmin/ user_upload/ aekno/ downloads/ gak-entscheidungen pdf Ulm, 13. Juli 2019
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Risikofaktor Alter für Beckenbodenschäden
1. Alterseinfluss auf Stressinkontinenz nach Geburtsmodus: Ältere Erstgebärende sind einem vielfach höheren Risiko ausgesetzt; dieses Risiko wird mehr als halbiert, wenn die ältere Schwangere statt dessen einen Kaiserschnitt wählt; 2. Es gibt eine signifikante Beziehung zwischen dem Alter der Erstgebärenden und gravierenden Beckenbodenschäden wie Levator ani Abriss oder OASIS** (ab 18 trägt jedes Lebensjahr mit einer Risikoerhöhung (OR) von 1,064 zum Gesamtrisiko für schwerwiegende Beckenbodenschäden bei. Eine 40 Jahre alte Frau hat vor ihrer ersten Geburt ein um 346% höheres Risiko, schwere Beckenbodenschäden zu erleiden als eine 20jährige Jährige, die ihr erstes Kind erwartet). Stressinkontinenz ältere Erstgebärende (40 +/- 1,8 Jahre) 38,5 % vaginale Geburt jüngere Erstgebärende (26,2 +/- 2,5 Jahre) 9,8 % vaginale Geburt ältere Erstgebärende (40, 7 +/- 3,6 Jahre) 16,7 % Kaiserschnitt * Groutz A, et al: First vaginal delivery at an older age: Does it carry an extra risk for the development of stress urinary incontinence? Neurourol Urodyn 2007;26(6): ** Rahmanou P, et al: The association between maternal age at first delivery and risk of obstetric trauma. AJOG 2016;215:451.e1-7. Ulm, 13. Juli 2019
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Folglich haben allein wegen ihres Alters immer mehr Schwangere ein hohes Risiko, einen Beckenboden- schaden zu erleiden: 2017: bei > von fast Geburten waren die Mütter bereits 34 oder älter* * / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ / umfrage/ geburten-nach-dem-alter-der-mutter-in-deutschland/ ** *** Polasik A, et al: Z Geburtshilfe Neonatol 2015; 219–P06_13. Verdoppelung der Anzahl älterer Erstgebärender. Ulm, 13. Juli 2019
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Viele Studien belegen inzwischen überzeugend, dass andere Faktoren bei einer vaginalen Geburt das Risiko für den Beckenboden weiter erhöhen BMI – vor allem das Gewicht vor der Schwangerschaft zählt Santos S, et al: Impact of maternal body mass index and gestational weight gain on pregnancy complications: an individual participant data meta-analysis of European, North American and Australian cohorts. BJOG 2019; 126(8): OASIS / Schließmuskeltrauma bei vorhergehender Geburt Edozien LC, et al: Impact of third- and fourth-degree perineal tears at first birth on subsequent pregnancy outcomes: a cohort study. BJOG 2014; 121(13): Geringe Körpergröße der Mutter Mogren I, et al: Maternal height and risk of caesarean section in singleton births in Sweden-A population- based study using data from the Swedish Pregnancy Register 2011 to PLoS One 2018;13(5):e …. Ulm, 13. Juli 2019
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Aufklärung braucht Individualprognose
Welches Risiko ergibt sich für die einzelne Frau? Versuch einer Berechnung mit UR-CHOICE: Ein Algorithmus, der aufgrund verschiedener Risikofaktoren errechnet, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Frau nach der Geburt mit Beckenbodenschäden rechnen muss oder in späteren Jahren wegen Inkontinenz oder Prolaps operiert werden muss Ulm, 13. Juli 2019
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Aufklärung in Sachen Beckenbodenschäden wird bereits gewünscht und praktiziert
Kliniken klären bereits über Beckenbodenschäden bei vaginaler Geburt auf: broschueren- informationen/Documents/2018_FINAL_PSO_GEB_RAT_Geb urt_5Aufl.pdf … Schwangere selbst und Experten fordern es im Internet und in Fachartikeln bereits nachhaltig: Ulm, 13. Juli 2019
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Fachleute wünschen sich für sich selbst eine am Risiko orientierte Aufklärung:
12.2% (n = 23) – fast jeder achte Arzt oder jede achte Ärztin – wählten einen geplanten Kaiserschnitt sogar dann, wenn die Schwangerschaft problemlos verlief und das Kind nicht schwerer als 3000 g sein würde (!) – also bei absolut idealen Voraussetzungen, die bei vielen nicht gegeben sind. Sind jedoch die Bedingungen nicht ideal, sprechen sich diese Ärzte für eine am Risiko orientierte Aufklärung aus. Dass man das herunterspielen will, zeigt die Art und Weise, wie anders diese Fakten kommunziert wurden(Presse-Mitteilung nebenstehend: Man tut so, als wären die Urogynäkologen schlicht mehrheitlich für die vaginale Geburt). Ulm, 13. Juli 2019
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An Aufklärung kommt keiner mehr vorbei: der Austausch im Internet über Schäden, Erniedrigung, sinnlose Therapien und falsche, beschwichtigende Ratschläge nimmt zu … Ulm, 13. Juli 2019 „ … mit seinem blöden Beckenbodentraining und sonst nix.“ … 2. Meinung einholen …
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… ist deshalb überfällig.
Eine öffentliche Debatte über Beckenbodenschäden nach vaginaler Geburt … … ist deshalb überfällig. Ulm, 13. Juli 2019
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Fazit: Viele Gründe sprechen für Aufklärung
Die Risiken für den Beckenboden nach vaginaler Geburt sind real, quantitativ erheblich und langfristig relevant. Die Schwangeren haben zunehmend mehr Risikofaktoren für Beckenbodenschäden – infolgedessen droht immer öfter ein Schaden. Aufklärung wird bereits von Experten eingefordert, in einigen Kliniken sogar schon praktiziert – das hat Sogwirkung. Die Juristen werden absehbar eine mangelhafte Aufklärung über Beckenbodenschäden als Behandlungsfehler werten. Ärzte, die über Beckenbodenschäden Bescheid wissen, wählten bereits bei Minimalrisiken zu mehr als 12% selbst den Kaiserschnitt und sprechen sich für eine dem Risiko angepasste Aufklärung aus. Der Austausch über Beckenbodenschäden und sinnlose Therapien in Geburtsforen im Internet nimmt zu; immer mehr Frauen fragen sich, welche Langzeitrisiken ihnen drohen und wie diese abwendbar sind. Ulm, 13. Juli 2019
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