Die Präsentation wird geladen. Bitte warten

Die Präsentation wird geladen. Bitte warten

Arbeitsrechtliche Neuerungen

Ähnliche Präsentationen


Präsentation zum Thema: "Arbeitsrechtliche Neuerungen"—  Präsentation transkript:

1 Arbeitsrechtliche Neuerungen
o. Univ.-Prof. Dr. Franz Schrank HRBC Salzburg,

2 1. Teil: Gesetzliche Neuerungen
Schrank, AR-Neuerungen

3 A. Arbeitszeit-Reformpaket (AZG, ARG) Eckpunkte und Umsetzungsfragen
Schrank, AR-Neuerungen

4 Schrank, AR-Neuerungen
Neuerungsüberblick Erweiterung der Ausnahmen vom GB des AZG und ARG Gleitzeitregelungen: Variante erweiterten Gleitens, Überstunden im Gleitzeitrahmen Flexibilisierung, Öffnung und Vereinfachung der ÜStd- und AZ-Gesamt-Grenzen, samt AN-Ableh-nungs- und Wahlrechten BV- und KollV-Regelun-gen – welche bleiben, welche entfallen? Ruhezeitverkürzungen samt Ausgleichen in der Gastronomie Betriebliche Zusatz-Ausnahmen von der WE- und F-Ruhe, samt Ablehnungsrechten Schrank, AR-Neuerungen

5 Schrank, AR-Neuerungen
Literaturhinweis zur Vertiefung und praktischen Arbeit F. Schrank, Arbeitszeit Kommentar AZG, ARG, besondere AZ-Gesetze, Mustertexte 5. Auflage, Stand , 1416 Seiten, Lindeverlag Wien, September 2018 Schrank, AR-Neuerungen

6 Schrank, AR-Neuerungen
1. Normalarbeitszeiten Unverändert geblieben sind alle Normalarbeitszeitmodelle (v.a. kollektivvertragliche Durchrechnungen, Schichtarbeit, Einarbeiten iVm Feiertagen) mit Ausnahme der Gleitzeitmodelle Schrank, AR-Neuerungen

7 Änderungen bei der gleitenden Arbeitszeit
Seit stehen zwei Varianten gleitender Normalarbeitszeit zur Verfügung: Bisheriges Gleitmodell („kleines“ Gleiten) mit nur bis zu 10 Gleitstunden am Tag, aber nun auch bis zu 60 Gleitstunden in der Woche (über 50 Std. denkbar nur bei 6-Tagewoche), dies ohne zwingendes Gleittageerfordernis Erweitertes Gleiten („großes“ Gleiten) mit über 10 bis zu 12 Gleitstunden am Tag und bis zu 60 Gleitstunden in der Woche. Dazu muss in der Gleit-BV bzw. Gleit-EV auch – also nicht ausschließlich! – ganztägiger Verbrauch von Zeitguthaben (Gleittage) vorgesehen sein und darf der Gleittage-Verbrauch im Zusammenhang mit wöchent-lichen Ruhezeiten nicht ausgeschlossen sein (weder in der BV noch real). Schrank, AR-Neuerungen

8 Erweitertes Gleiten? (1)
Der Gleitzeitrahmen muss groß genug sein für die – je nach Variante – 10 bzw. 12 Tagesnormalstunden. Gleiches gilt für den Wochenrahmen, wenn in Einzelwo-chen die 60 Normalstunden ausschöpfbar sein sollen. „Gleiten“ über den Rahmen hinaus ist bei Vollzeit ja be-reits endgültig zuschlagspflichtige Überstundenarbeit. Bei Teilzeit ist es zwar Mehrarbeit, doch ist diese in der Gleitzeitperiode noch 1: 1 ausgleitbar. Bei allen Varianten ist die durchschnittliche NAZ (plus max. Übertragbarkeitsstunden) zu erreichen, schon dabei ist für jeweils 17 Wochen bzw. 4 Monate auch die Durchschnittsgrenze von 48 Stunden zu beachten; schon die NAZ darf sie nicht überschreiten (relevant v.a. für die erweiterten Variante). Schrank, AR-Neuerungen

9 Erweitertes Gleiten? (2)
Bestehende Gleitzeitvereinbarungen – also BV bzw. EV – bleiben aufrecht (§ 32c Abs. 10 erster Satz). Ob ohne deren Änderung auch erweitertes Gleiten über 10 Tagesstunden hinaus zulässig ist, hängt davon ab, ob die Regelung die neuen Bedingungen erfüllt (einen aus-reichenden, nicht auf 10 Gleitstunden eingeschränkten Rahmen sowie Anspruch auf Gleittage) oder nicht. Enthält die Vereinbarung keine autonome Gleitobergren-ze von 10 Std., ist erweitertes Gleiten mE zulässig. Bloße Hinweise auf die (bisherigen) gesetzlichen Ge-samtarbeitszeitgrenzen sind keine autonomen Grenzen. Schrank, AR-Neuerungen

10 Erweitertes Gleiten? (3)
Gleiches gilt für Kollektivverträge, die bloß auf die 10-Stunden-Grenze verweisen. Ist die Auslegung der bestehenden Vereinbarun-gen nicht eindeutig genug, macht es sicherheits-halber Sinn, diese einvernehmlich anzupassen und mit dem erweiterten Gleiten bis dahin zuzuwarten, damit Gleiten nicht zu „Überstunden-Gleiten“ wird. Kollektivverträge haben mE keine gesetzliche Ermächtigung, Gleitzeitvarianten zuzulassen oder zu verweigern. Sie sind daher, wie die historische Entwicklung bestätigt, auch zu gewollten Beschrän-kungen des Gleitens (z.B. auf das „kleine“ Gleit-Modell) nicht ermächtigt. Schrank, AR-Neuerungen

11 Erweitertes Gleiten? (4)
Verstünde man solche Regelungen nicht nur als Hinweis auf die (außer Kraft getretenen) Gesetzesgrenzen, sondern als echte Beschränkungen, würden sie zugleich die AZG-Befugnisse des BR beschränken. Inhaltlich läge darin eine sog. Betriebsverfassungsnorm, die man-gels gesetzlicher Ermächtigung und angesichts der nach stRsp absolut zwingenden Wirkung des Betriebsverfas-sungsrechts unzulässig und nichtig wäre. Da § 4b AZG für betriebsratslose Betriebe nur auf die Einzelvereinbarung abstellt, kann auch hier der KollV die (allein) den Einzelvertragsparteien für gesetzliche Gleitmodelle eingeräumte schriftliche Gestaltungser-mächtigung mangels Ermächtigung nicht wirksam einschränken! Wäre unzulässige Abschlussnorm! Schrank, AR-Neuerungen

12 Überstunden im Gleitzeitrahmen? (1)
Erstmals ausdrücklich und zwingend geregelt ist, wel-chen Einfluss Arbeitsstundenanordnungen – nicht gemeint die im System vorgesehenen Kernzeiten und selbstorganisierte Anwesenheitssicherungen – in Zeiten mit Gleitberechtigung auf die Zeit-Bewertung haben: Nach Abs. 5 gelten Arbeitsstundenanordnungen, die in die Gleitberechtigung eingreifen und zu Arbeit über 8 Stunden am Tag oder 40 Stunden in einer Woche führen, immer als Überstunden. Anordnungen, die nicht zur Überschreitung dieser Gren-zen d. § 3 Abs. 1 führen, begründen noch keine Über-stunden. Maßgeblich sind zeitbezogene Anordnungen. Schrank, AR-Neuerungen

13 Wann ÜStd. im Gleitzeit-Rahmen? (2)
Bloß inhaltliche Gewichtungen etc. durch FK greifen als solche noch nicht in das Gleitrecht ein, außer bei zusätzlicher enger Zeitbegrenzung, die Selbstgestaltung praktisch ausschließt. Auch selbst festgelegte Termine oder wichtige Arbeit etc. ohne zeitliche Anordnungseingriffe sind noch bloße Gleitzeit. Wichtig: Hat ein Arbeitnehmer bereits mehr als die 8 oder 40 Stunden erbracht, werden auch Anordnungs-eingriffe nie rückwirkend zu Überstunden, sondern immer erst für die Zeit ab der Anordnung. Stundenanordnungen über 10 bzw. 50 Gesamtstunden berechtigen auch in Gleitssystemen zur grundlosen Verweigerung und zur Wahl Geld oder Zeitausgleich. Schrank, AR-Neuerungen

14 Überstunden im Gleitzeitrahmen? (3)
Betrieblicher Handlungsbedarf wegen Abs. 5? ME sollten alle FK rechtlich und kostensensibilisiert sein und sich bei Anordnungen wie bisher zurückhalten. Sinnvoll ist zur Abgrenzung und Nachweisbarkeit ein formalisiertes Überstunden-Anordnungssystem (sei es allenfalls auch mit notfalls zeitnahen nachträgli-chen Genehmigungen bei bestimmten Gründen). Überprüfung bisheriger Definitionen in der Gleit-zeitregelung betr. Überstunden im Gleitzeitrahmen. Ziel: die arbeitnehmergünstigere Regelung herauszufinden, da diese dann gilt. Schrank, AR-Neuerungen

15 Schrank, AR-Neuerungen
Zusammenfassend daher: Wann Überstunden bei Gleitzeit? Bei Vollzeit-AN: Alles was nicht NAZ ist Arbeit außerhalb des Gleitzeitrahmens Arbeitsstunden-Anord-nungen innerhalb des Gleitzeitrahmens, soweit dadurch 8 Std. am Tag oder 40 Std. in der Wo überschritten werden. Überschreitung der mo-dellmaßgeblichen Gleit-grenze von 10 bzw. 12 Std./Tag oder 60/Wo. Soweit am Ende der Gleitzeitperiode die vorgesehenen Übertrag-barkeitsstunden über-schritten oder übertragbare Stunden vorher oder bei Perioden-ende ausbezahlt werden Schrank, AR-Neuerungen

16 Zeitpunkte der Überstundenbeurteilung?
Zu unterscheiden ist zwischen bloßen Saldo-Überstunden und früher entstehenden ÜStd. Alle Überstunden, die nach obigen Punkten 1, 2, 3 und 5 entstehen, sind aus dem Normalar-beitszeitsaldo herauszu-nehmen, in Bezug auf die Höhe des Zuschlags zu bewerten und bei der nächsten Fälligkeit der ÜStd. dieses Abrech-nungszeitraumes auszuzahlen! Im Saldo dürfen nur die bloßen Gleitstunden Pkt. 4 bleiben, da sie noch NAZ sind und erst mit Ende der Gleitzeitperiode durch Überschreiten des Übertragbarkeitssaldos zu ÜStd werden; mangels Zuordenbarkeit zu Tagen und Uhrzeiten gebührt für sie immer (nur) 50% Zuschlag. Schrank, AR-Neuerungen

17 Anordenbares 12-Stunden-Gleiten?
Gleitzeitmodelle können nicht angeordnet, sondern weiterhin nur mit BR bzw. AN vereinbart werden! Greift der AG durch Anordnung in das vereinbarte Selbst-Gleitrecht des AN ein, liegen über 8 oder 40 Std. rechtlich bereits zuschlags-pflichtige Überstunden vor (§ 4b Abs. 5 AZG), überschreiten solche Anordnungen 10 bzw. 50 Stunden, können solche Überstunden grund-los abgelehnt werden (§ 7 Abs. 6 AZG) bzw. hat der AN bei Befolgung jeweils die Wahl zwischen Geld und wert-neutralem Zeitausgleich (§ 10 Abs. 4 AZG), dies auch bei All-In. Daher: Der 12-Stunden-Tag ist möglich, aber auch bei Gleitmodellen selbst mit Anordnung nicht erzwingbar. AG können also auf ihn nicht setzen bzw. kann er bei ZA-Wahl uU doppelt teuer kommen! Schrank, AR-Neuerungen

18 Schrank, AR-Neuerungen
2. Die neuen Überstunden- und Gesamtarbeitszeit-Grenzen Insofern erfolgten massive Öffnungen bzw. Liberalisierungen und Vereinfachungen unter Entfall aller bisherigen nicht erzwingbaren BV- bzw. EV-Erfordernisse (hier samt AM), allerdings mit neuen Freiwilligkeits- und Wahlrechten des AN im höheren Überstundenbereich Schrank, AR-Neuerungen

19 Strafbare Gesamtgrenzen AZG neu
Keine für Ausgenommene Keine für bloß passive Reisebewegungen Sonst max. 12 (13 bei Arbeitsbereitschaftsfällen)Gesamt-Std./Tag und in der Einzelwoche max. 20 echte Überstun-den bzw. meist max. 60 Gesamtstunden Gesamtstunden im Durchschnitt von 17 Wo. max. 48 Std. (ohne passive Reisezeiten) Zur 48 Std.-Grenze wie bisher: Beginn/Lauf des 17-Wo- DRZ (jeweils +- 1Wo), zur Planbarkeit aber auch anders festlegbar. Verhinderungs- bzw. Nichtleistungszeiten neutralisieren: Entweder nach Ausfalls-prinzip fingieren oder DRZ v. 17 Wo u. Divisor um sie kürzen Schrank, AR-Neuerungen

20 Zu diesen Stundengrenzen (1)
Weiterhin gilt „Multitasking“, jedoch auf das Kombinie-ren der Zahlengrenzen vereinfacht: In den Vordergrund gerückt ist, wie § 7 Abs. 1 erster Satz AZG zeigt, die Durchschnittsgesamtarbeitszeit-Grenze von 48 Wochenstunden in einem DR-Zeit-raum von jeweils 17 Wochen (oder 4 Monaten). Je Einzelwoche bis zu 20 (echte) Überstunden, branchenunabhängig und ohne Zulassungserfordernisse. Gesamtarbeitszeitgrenze bis zu 12 Stunden am Tag; bis zu 13 Stunden bei Arbeitsbereitschaftsfällen. Einzelwochen-Gesamtgrenze bis zu 60 Stunden. Für all dies genügt Vorliegen erhöhten Arbeitsbedarfs. Schrank, AR-Neuerungen

21 Zu diesen Stundengrenzen (2)
Mit entfielen wegen dieser allgemeinen Öff-nung alle sonstigen engeren oder gleichen Detail-grenzen und Detailbedingungen (5 ÜStd. je Woche plus 60 je KJ, kollektivvertraglich erhöhte Überstunden-kontingente, Sonderüberstunden bei vorübergehendem besonderem Bedarf, bes. ÜStd. bei 4-Tage-Woche, Son-derregelung für Rufbereitschaften und angeordnetes Lenken; alle solche BV und KV-Bestimmungen). Bisher großzügigere Grenzen bleiben: Die 12 bzw. 60 Stunden können daher in den in § 9 Abs. 2 und 3 genannten Fällen überschritten werden (z.B. Vor- und Abschlussarbeiten, Lenker, öffentlicher Verkehr) Schrank, AR-Neuerungen

22 Zu diesen Stundengrenzen (3)
Die für jeweils 17 Wochen geltende Durchschnitts-grenze von 48 Wochenstunden ist nur durch passive Reisezeiten iSd § 20b AZG bzw. in außergewöhnlichen Fällen iSd § 20 AZG überschreitbar. Diese durchschnittliche Belastungsgrenze dürfte eher strenger als bisher überprüft werden. Daher sollte auf das Absichern der 48-Stunden-Durchschnittsgrenze besonderes organisatori-sches Augenmerk gelegt werden. Maßnahmen: a) kein ungenehmigtes Ergleiten von ÜStd. (Gleiten ist auf durchschnittliche NAZ + Übertragbarkeitsstunden beschränkt; b) Überstunden nicht ausufern lassen (Bedingungen bzw. Bindungen, v.a. über 10 bzw. 50); c) Warn- und Einhaltehinweise an FK und AN! Schrank, AR-Neuerungen

23 Ablehnung hoher Überstunden? (1)
Für Überstunden über 10 Gesamtstunden am Tag bzw. über 50 Gesamtstunden in der Einzelwoche gilt statt § 6 Abs. 2 AZG das – AG- und FK-seitig im Anlassfall zu respektierende grundlose Ablehnungs-recht des AN nach § 7 Abs. 6, geschützt durch ein diesbezügliches Benachteiligungs- und Kündigungsverbot. Für dieses Ablehnungsrecht genügt, dass die Überstun-den eine dieser Grenzen überschreiten. Es erfasst auch Anordnungsüberstunden in erwei-terten Gleitsystemen und kann auch Auswirkungen auf Dienstreisegestaltungen haben. Schrank, AR-Neuerungen

24 Ablehnung hoher Überstunden? (2)
Das Benachteiligungsverbot bezieht sich insbes. auf das Entgelt, die Aufstiegsmöglichkeiten und die Versetzung. Es gebührt jedoch kein Entgelt für die verweigerten Überstunden. Das Kündigungsverbot berechtigt zur Motivanfechtung innerhalb von 2 Wochen nach Ausspruch der Kündigung. AN kann also zw. Leistung und Ablehnung wählen. Hat sich der AN jedoch zeitnah (anlassbezogen) mit konkreten erhöhten ÜStd. einverstanden erklärt oder diese ausdrücklich zugesagt oder Dienste, welche solche erwarten lassen, akzeptiert, ist aber das grundlose Ablehnungsrecht mE konsumiert. Die Dennoch-Verweigerung erhöhter ÜStd. bedarf dies-falls überwiegender Interessen iSd § 6 Abs. 2 AZG. Schrank, AR-Neuerungen

25 Hohe ÜStd: Geld? Zeitausgleich? (1)
Abweichend von den allg. Regeln kann jeder einzelne AN für (alle oder bestimmte) Überstunden über 10 Tages- oder 50-Einzelwochen-Gesamtstunden jeweils anlassbezogen zwischen Abgeltung in Geld oder verhältnismäßigem ZA wählen. Auszuüben ist dieses – nicht generell im voraus abding-bare –Wahlrecht möglichst frühzeitig, spätestens am Ende des jeweiligen Überstunden-Abrech-nungszeitraumes. Bei rechtzeitiger ZA-Wahl Gutschrift ZA spätestens zur Ü-Entgelt-Fälligkeit! Im Übrigen ist es normaler ZA. Schrank, AR-Neuerungen

26 Hohe ÜStd: Geld? Zeitausgleich? (2)
Wahlrecht wird auch bei All-in bzw. ÜP oder generellem Zeitausgleich greifen! Bei Geldwahl sind im All-In bzw. ÜP noch gedeckte Entgelte mit diesem erledigt. Was kann AG in Fällen von All-in oder ÜP tun? V.a., solche Überstunden aktiv „bremsen“ (diese hat er rechtlich in der Hand). Auf Äquivalenzstörungen (Entwertung bzw. Doppelvergütung) angemessen reagieren: Kürzung um Doppelzahlungen durch ZA-Wahl). Änderung bzw. Neuorientierung der Pauschalierungspolitik? Schrank, AR-Neuerungen

27 3. Neuerungen bei Ruhezeiten (tägliche, wöchentliche)
Schrank, AR-Neuerungen

28 Rufbereitschafts-Einsätze? (§ 20a neu)
Der früher bei über 10 Std. binnen 2 Wochen zu gewäh-rende AZ-Überschreitungsausgleich ist entfallen. Die besondere Ruhezeit-Regelung ist inhaltlich gleich geblieben: Die tägl. Ruhezeit ist unterbrech-bar, wenn innerhalb von 2 Wochen eine andere tägliche Ruhezeit um vier Stunden (also auf 15 Std) verlängert wird (bzw. länger ist). Zudem muss ein Teil der Ruhezeit mindestens acht Stunden betragen. Der Arbeitsantritt am nächsten AT muss in jenem Um-fang unterbleiben, bis die 11 Std. und diese ununter-brochenen acht Stunden erreicht sind. Ausfallende Normalarbeitszeit wäre entgeltfortzahlungspflichtig. Schrank, AR-Neuerungen

29 Schrank, AR-Neuerungen
Tägl. Ruhezeitverkürzung Gastronomie Küche und Service (§ 12/2a AZG neu) In der Gastronomie in Küche und Service (auch bei Teilzeit und in Nicht-Saisonbetrieben) bei geteilten Diensten (Mindestpause von 3 Stunden) Verkürzbar-keit der tgl. Ruhezeit auf 8 Stunden, gegen Aus-gleich durch Verlängerung einer anderen täglichen Ruhezeit um die jeweilige Verkürzungsdauer, innerhalb von 4 Wochen, in Saisonbetrieben mög-lichst wd. der Saison, spätestens jedoch im Anschluss. Ist Ausgleich bis Ende des AV unterblieben, geld-werte Zahlung in Höhe Normallohn und Zuschläge, auf welche AN für die während der (sonstigen) Ruhezeit geleistete Tätigkeit Anspruch hatte. Schrank, AR-Neuerungen

30 Schrank, AR-Neuerungen
Vorübergehende betriebliche Bedarfs-ausnahmen von WE- und F-BVerbot (1) Bei vorübergehendem besonderem Arbeitsbedarf kann – außer für Verkaufstätigkeiten gem. ÖffZeitG – die Be-triebsvereinbarung Ausnahmen von der WE- und FR an vier Wochenenden oder Feiertagen pro AN und Jahr zulassen (nicht erzwingbar), jedoch nicht an vier aufeinanderfolgenden WE. Die Zulassung allein verpflichtet AN freilich noch nicht. Betriebe ohne BR: schriftliche Einzelvereinbarung. AN können solche WE- und F-Arbeit ablehnen, unter Schutz vor Benachteiligung insb. bei Entgelt, Aufstieg, Versetzung oder Kündigung. Schrank, AR-Neuerungen

31 Vorübergehende Bedarfsausnahmen (2)
BVn bzw. EVn müssen den Anlass umschreiben, sofern sie für wiederkehrende Ereignisse gelten soll. WE sind Zeitspannen des § 3 Abs. 1 bis 4 ARG. Ob diese Ausnahme das ganze WE oder weniger um-fasst, richtet sich nach der getroffenen Vereinbarung. Soweit WE- oder F-Arbeit aufgrund anderer Ausnahme-tatbestände des ARG oder der ARG-Ausnahme-VO er-laubt ist, bedarf es keiner betrieblichen Ausnahme. Daher sind diese „normalen“ WE und F auf die Höchstzahl vier je AN für allenfalls dennoch benötige betriebliche Ausnahmen nicht anzurechnen. Kombinationen? Ja, bis jeweils in Summe 4 WE- bzw. F-Ausnahmen erschöpft sind. Schrank, AR-Neuerungen

32 Bedarfsausnahme-Anwendungsfragen (1)
Was zählt als Jahr? Kalender- oder Naturaljahr. Freie Wahl des Jahreszeitraums, außer BV regelt ihn. Wenn nicht, wird man die Zählung für 12 Monate ab der ersten Ausnahme machen können. Auswirkungen auf wöchentliche Ruhezeit? Insbesondere bei höherem Umfang der Arbeit an WE (am Sonntag oder darüber hinaus in der Kernruhezeit) für vorverlegte Wochenruhe in der jeweiligen KE sorgen (außer ganzer Sonntag oder ganzer Samstag und insg. 36 Std. bleiben arbeitsfrei), damit keine entgeltpflich-tige Ersatzruhe nach § 6 ARG anfällt und je nach Situ-ation auch die 60-Stundengrenze in der Einzelwoche (§ 9 Abs. 1 AZG) einhaltbar ist. Schrank, AR-Neuerungen

33 Bedarfsausnahme-Anwendungsfragen (2)
Bei Feiertagsarbeit gibt es diese Auswirkungen nicht, doch gebührt neben dem (allf.) Feiertagsentgelt auch Feiertagsarbeitsentgelt oder, wenn vereinbart, Feiertagszeitausgleich nach § 7 Abs. 6 ARG. Schrank, AR-Neuerungen

34 Schrank, AR-Neuerungen
4. Ausnahmen: „Leitende“ Angestellte AZG und ARG neu textiert und erweitert auf sonstige Arbeitnehmer mit Entscheidungs-befugnis und bestimmte nahe Angehörige Schrank, AR-Neuerungen

35 §§ 1 Abs. 2, 19b Abs. 3 AZG und § 1 Abs. 2 ARG
Leitende Angestellte oder sonstige Arbeitnehmer mit maßgeblicher Entscheidungsbefugnis, deren gesamte Arbeitszeit auf Grund der besonderen Merkmale ihrer Tätigkeit a) nicht gemessen oder im Voraus festgelegt wird, oder b) von diesen AN hinsichtlich Lage und Dauer selbst festgelegt werden kann Nahe Angehörige (Eltern, volljährige Kinder, Ehegatte oder eingetragener Partner im gemeinsamen Haushalt und Lebensgefährte mit mindestens drei Jahren gemein-samem Haushalt), deren gesamte Arbeitszeit tätigkeitsbezogen wie oben selbstbestimmt ist. Schrank, AR-Neuerungen

36 Leitende Angestellte iSd Neudefinition?
Wer eine OE-Leitungs-funktion mit unterstellten Arbeitnehmern und (be-trieblich) maßgeblicher (operativ) selbständiger Entscheidungsbefugnis ausübt und seine gesam-te Arbeitszeit tätigkeits-kausal (= zur notwendi-gen Bewältigung der Lei-tungsaufgaben) selbst einteilen/festlegen kann (= sachnotwendige Ab-weichungsbefugnisse) Die gesamthaft zu se-hende Neuformulierung wird in der Praxis kaum Veränderungen bringen, zumal die EB die Ausnah-men nicht einengen son-dern auch die Ausnahme von FK der 3. Ebene erreichen wollen Ist die OE-Leitungsfunk-tion zu gering, kann im-mer noch die neue Aus-nahme für sonstige AN mit wes. EB greifen Schrank, AR-Neuerungen

37 Gleichgestellte sonstige Arbeitnehmer?
Wer ohne Leitungsfunk-tion über eine maßgebli-che (operative) selbstän-dige Entscheidungsbe-fugnis verfügt und sich seine gesamte Arbeitszeit tätigkeitskausal (= zur Bewältigung der selb-ständig zu entscheiden-den Aufgaben) selbst einteilen/festlegen kann (= sachnotwendige Ab-weichungsbefugnisse) Die selbständige Ent-scheidungsbefugnis muss wohl betrieblich maßgeb-liche Materien betreffen, Formalien sind aber auch hier nicht erforderlich Mögliche Beispiele? Schrank, AR-Neuerungen

38 Nahe Angehörige des Arbeitgebers?
Selbständige Entschei-dungsbefugnis ist hier nicht gefordert, wohl aber muss der Angehö-rige seine gesamte Arbeitszeit „tätigkeits“-kausal im Wesentlichen selbst festlegen können Angehörige mit Aufgabe, die sie aufgrund der fa-miliären Nähe intern/ex-tern „unternehmerisch“ erscheinen lassen Mögliche Beispiele? Nur Eltern, volljährige Kinder, im gemeinsamen Haushalt lebende Ehe-gatten etc, wobei sich der mi. dreijährige Haus-halt nur auf Lebensge-fährten erstreckt. Erfasst Familienbetriebe mit Einzelunternehmern (mE auch Vollhafter einer OG, KG und gesbR), nicht jedoch GmbH Schrank, AR-Neuerungen

39 B. Besonders wichtige Arbeitszeit-Judikatur des letzten Jahres
Schrank, AR-Neuerungen

40 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeitszeitaufzeichnungen: Gestempelte Zeiten? LE-AS Nr.1, 1. Ohne besondere vertragliche Vereinbarung ist das Betätigen der Stechuhr die jeweils erste und letzte tägliche „Arbeitshandlung“, außer es besteht im konkreten Betrieb neben dem Stechuhr-Kontrollsystem ein weiteres Kontrollsystem, aus dem sich die tatsächlichen Arbeitszeiten ergeben. 2. In allfälligen Strafverfahren (etwa) wegen Überschreitung der gesetzlich höchstzulässigen Arbeitszeiten könnten dem Arbeitgeber aber die in den Arbeitszeitaufzeichnungen jeweils zusätzlich vermerkten Zeitpunkte des (genehmigten bzw. “anerkannten“) Arbeitsbeginns und -endes eines Arbeit- nehmers dienlich sein, um den Gegenbeweis antreten zu können, dass das Betätigen der Stechuhr doch nicht die jeweils erste bzw. letzte tägliche Arbeitshandlung darstellte. VwGH , Ra 2017/11/0243 LVwG Salzburg , LVwG-7/ / , Bgm. Salzburg Schrank, AR-Neuerungen

41 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeitszeit-Verwaltungsstrafen: Widerlegbarkeit „händischer“ AZ-Aufzeichnungen? LE-AS Nr.4, § 9 Abs. 1, § 28 Abs. 2 Z 1 AZG, §§ 19, 22 Abs. 1 VStG, §§ 42, 50 VwGVG, § 130 Abs. 4 B-VG   Werden nur – von den AN selbst – händische Aufzeichnungen geführt, ist ein durch Zeugenbeweis geführter Gegenbeweis zu diesen Aufzeichnungen zulässig Auf solche Fälle kann die Rsp zur Unzulässigkeit eines bloßen Zeugen-Gegenbeweises bei Bestehen eines automati­onsunterstützten Stechuhr-Kontrollsystems schon mangels Vergleichbarkeit der beiden Zeiterfassungssysteme (ein Stech­uhr-Kontrollsystem gewährleistet i.d.R. eine zeitunmittelbare Erfassung ohne die Möglichkeit einer späteren Abänderung der Aufzeichnungen) nicht übertragen werden. VwGH , Ra 2017/11/0066 VwG Wien , VGW-042/063/11571/2016-8, Magistrat Wien Schrank, AR-Neuerungen

42 Schrank, AR-Neuerungen
Umkleidezeiten Gesundheitspersonal Arbeitszeit? Wechseln in und aus Dienstkleidung nur im Spital (1) ARD 664/10/2018, LE-AS Nr.3, § 2 Z. 1 KA-AZG, § 2 Abs. 1 Z 1 AZG, § 32 Abs. 1 NÖ L-BG, § 14 Abs. 1 Nö LVB, Art. 2 Z. 1 RL 2003/88/EG   Vom Gesundheitspersonal nur im Spital vorzunehmendes Umkleiden und die damit verbundenen innerbetrieblichen Wegzeiten für Ausfassen und Rückgabe der Dienst- und Schutzkleidung sind – anders als die Zeiten bloßen Anziehens einer Arbeitskleidung – bereits primär im Interesse des Dienstgebers gelegene arbeitsleistungsspezifische Tätigkeiten, die auch örtlich ein solches Maß an Fremdbestimmung aufweisen, dass sie als Arbeitszeit anzusehen sind. Dieser Beurteilung liegen u.a. folgende Überlegungen und Wertungen zugrunde: Die Verfügbarkeit über die Arbeitskraft innerhalb eines bestimmten Zeitraums unabhängig von einem bestimmten Arbeitserfolg ist dem Arbeitsvertrag auch wesensimmanent. Nach Art. 2 Z 1 Arbeitszeit-RL ist Arbeitszeit jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvor- schriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt Während der Arbeitszeit ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten und sich zu dessen Verfügung zu halten, um gegebenenfalls sofort seine Leistungen erbringen zu können. Er steht also nur dann seinem Arbeitgeber zur Verfügung, wenn er sich in einer Lage befindet, in der er rechtlich verpflichtet ist, den Anweisungen seines Arbeitgebers Folge zu leisten und seine Tätigkeit für ihn auszuüben Können Arbeitnehmer ohne größere Zwänge über ihre Zeit verfügen und eigenen Interessen nachgehen, ist dieser Zeitraum keine Arbeitszeit iSd RL Die Zeit, die ein Arbeitnehmer vor seinem Eintreffen an der Arbeitsstätte zum Anziehen seiner Arbeitskleidung benötigt, ist im Allgemeinen nicht als Arbeitszeit zu werten; Konstellationen, in denen dies allenfalls anders zu sehen wäre, müssten, so die Rsp, behauptet und bewiesen werden. Dies indiziert die Notwendigkeit einer Differenzierung: Schrank, AR-Neuerungen

43 Schrank, AR-Neuerungen
Umkleidezeiten Gesundheitspersonal Arbeitszeit? Wechseln in und aus Dienstkleidung nur im Spital (2) ARD 664/10/2018, LE-AS Nr.3,   Sind die Arbeitnehmer nicht nur arbeitsvertraglich verpflichtet, Dienstkleidung zu tragen, sondern erstreckt sich diese Verpflichtung aufgrund einer Anordnung des Arbeitgebers darauf, die Dienstkleidung ausschließlich im Betrieb (hier: im Krankenhaus) zu wechseln, ist damit nicht nur das An- und Ablegen der Dienstkleidung als solches vorgegeben, sondern dafür auch eine konkrete räumliche Vorgabe des Arbeitgebers einzuhalten. Dass der Weisung öffentlich-rechtliche Hygienevor-schriften zugrunde liegen, unterstreicht nur, dass der Umkleidevorgang vor Ort primär im Interesse des Arbeitgebers liegt Geht die arbeitsvertragliche Verpflichtung zum Umkleiden vor Ort mit der Verpflichtung zum Abholen und Zurückgeben der Dienstkleidung im Betrieb einher, umfasst sie daher auch die Wegstrecken zwischen den Umkleidestellen, Wäscheautomaten und der eigentlichen Arbeitsstelle All das geht über die bloße Möglichkeit des Umkleidens im Betrieb hinaus Ist ein Arbeitnehmer aber so weit gebunden, dass er bei einer solchen Handlung auch über seinen Aufenthaltsort nicht selbst entscheiden kann, ist ein solches Mindestmaß an Intensität der Fremdbestim- mung gegeben, dass eine arbeitsleistungsspezifische Tätigkeit oder Aufgabenerfüllung für den AG vor- liegt, womit das Umkleiden einschließlich der Wegzeiten bereits zu den Erfüllungshandlungen des ar- beitsvertraglich Geschuldeten zählt, die für die Arbeitszeit nicht auf die „Kernarbeit“ einzuschränken ist Diese Weg- und Umkleidezeiten lassen auch keine Atomisierung des AZ-Begriffs befürchten Auch die vermeintliche Beliebigkeit ihrer Dauer spricht nicht gegen die Wertung als Arbeitszeit, weil das Tempo einer Arbeitsleistung idR eine individuelle Komponente hat und „Trödeln“ grundsätzlich nicht mit der Disqualifikation der geleisteten Zeit als Arbeitszeit zu sanktionieren ist.   OGH , 9 ObA 29/18g OLG Wien , 7 Ra 39/17g-39, LG St. Pölten , 25 Cga 8/14y-35 Schrank, AR-Neuerungen

44 Schrank, AR-Neuerungen
Was gilt als Arbeitszeit: Fahrten Wohnort und ständiger Betrieb, wenn zu Baustellen weitergefahren wird? LE-AS Nr.2, Pkt. VIII Z. 7 Arbeiter-KollV Metallgewerbe, § 2 Abs. 2 Z 1 AZG   Die Beurteilung, ob ein Arbeitnehmer seine Tätigkeit von einer Betriebsstätte oder einem Montage- büro iSd Pkt VIII Z 7 Metall KV Arbeiter angetreten hat, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab Bei der 'Wegzeit' iSd Pkt VIII Z 7 Metall KV Arbeiter handelt es sich um den Zeitaufwand für die regel- mäßig zusätzliche Wegstrecke des Arbeitnehmers zwischen dem 'ständigen Betrieb' und dem 'nicht ständigen Arbeitsplatz', um überhaupt mit der eigentlichen Arbeit beginnen zu können Während der Zeitaufwand für den Weg von der Wohnung zum 'ständigen Betrieb' noch der privaten Sphäre zuzurechnen ist, sind diese zusätzlichen Wegzeiten wegen Verrichtung der Arbeit auf entfernteren Baustellen Arbeitszeit Wurde der Arbeitnehmer an ein anderes Unternehmen überlassen, hatte er an dessen Sitz seinen Dienst anzutreten, erhielt er dort seine Anweisungen und wurde er von dort weiter zu diversen Baustellen geschickt, werden die Fahrten zwischen seinem Wohnort und dem ständigen Betrieb nicht bereits zu Wegzeiten-Arbeitszeit Es kommt dabei nicht darauf an, ob sich der als „ständiger Betrieb“ bzw. „Montagebüro“ qualifi- zierte Ort in der Zukunft ändern hätte können Aus EuGH C-266/14 Tyco ist nicht abzuleiten, dass auch Fahrten zwischen dem Wohnort des Arbeitnehmers und einem existierenden ständigen Betrieb/Regionalbüro als Arbeitszeit zu zählen wären, wenn anschließend zu Baustellen weitergefahren wird.   OGH , 8 ObA 44/17d OLG Innsbruck , 15 Ra 12/17b-17 Schrank, AR-Neuerungen

45 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeit nur bei Kunden – Wegzeit Wohnort mit Firmenfahr- zeug zum ersten bzw. vom letzten Kunden eines Tages? (1) ARD 6614/5/2018, LE-AS Nr.4, §§ 2 Abs. 1, 20b AZG, Art 2 Z 1 RL 2003/88/EG   Arbeits- bzw. Dienstwege und Dienstreisezeiten schließen die Selbstbestimmungsmöglichkeit über die Verwendung dieser Zeiten aus und sind als über Auftrag und im Interesse des Arbeitgebers erfol- gende Erfüllung der Arbeitspflicht grundsätzlich Arbeit und damit Arbeitszeit Dagegen ist die Zeit der Wege oder Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte grundsätzlich keine Arbeitszeit, weil sie vor Dienstbeginn oder nach Dienstende liegt und der Arbeitnehmer über die Verwendung seiner Zeit noch bzw. wieder selbst entscheiden kann Daher ist die Zeit, die Kundendiensttechniker unter folgenden Umständen vom Wohnort zum ersten Kunden bzw. vom letzten Kunden zum Wohnort zu fahren haben, schon nach nationalem Recht Arbeitszeit iSd § 2 Abs. 1 Z 1 AZG: Gehört es zu den Dienstpflichten von Kundendiensttechnikern, den Weg von ihrem Wohnort zum Arbeitseinsatz beim ersten Kunden und den Weg zum Wohnort zurück nicht mit einem beliebig wähl- baren Verkehrsmittel, sondern mit dem Firmenfahrzeug zurückzulegen und steht dies im Zusammenhang mit der Betriebsorganisation, die erforderlichen Arbeitsmaterialien und Werkzeuge nicht an einem fixen Standort, sondern in der Nacht an den jeweiligen Standorten der Fahrzeuge mobil von Kooperations- partnern bestücken zu lassen, haben sie bereits ab seinem Wohnort für die konkreten Kundeneinsätze hergerichtete Betriebsmittel des Arbeitgebers zu verwenden Ist weiter vorgegeben, den kürzesten Weg zum Kunden bzw. zum Wohnort zu wählen und dürfen nur am Weg liegende außerberufliche Tätigkeiten durchgeführt werden (was bei einer Unterbrechung von mehr als 15 Minuten zum Entfall des Entgelts führt), ist es ihm verwehrt, vor oder nach der Arbeit einer nicht auf dem kürzesten Weg liegenden privaten (Freizeit-)Tätigkeit nachzugehen, wie dies jedem anderen Arbeitnehmer mit fixem Arbeitsplatz möglich wäre Wird einem Kundendiensttechniker erst in der Früh elektronisch bekannt gegeben, wo der erste Kunde ist, ist er unter Umständen auch in der Möglichkeit der Wahl eines anderen Nächtigungsorts (zB Wochenendhaus) eingeschränkt. Schrank, AR-Neuerungen

46 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeit nur bei Kunden – Wegzeit Wohnort mit Firmenfahr- zeug zum ersten bzw. vom letzten Kunden eines Tages? (2) ARD 6614/5/2018, LE-AS Nr.4, Damit haben die Vertragsparteien diese Zeit des Arbeitnehmers grundsätzlich der räumlichen und zeitlichen Verfügbarkeit durch den Arbeitgeber unterstellt Dies unterscheidet den vorliegenden Fall auch von dem der Entscheidung 9 ObA 148/11x zugrunde- liegenden Sachverhalt, wo trotz Nutzung eines Firmenfahrzeug für die Hin- und Rückwege zeitliche und örtliche Vorgaben fehlten Diese Beurteilung steht auch im Einklang mit der Definition der Arbeitszeit nach Art. 2 Z 1 der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und ihrer Auslegung durch den EuGH, da der Sachverhalt jenem der Entscheidung Tyco hinreichend vergleichbar ist Dieser Beurteilung haftet auch keine Gleichheitswidrigkeit im Verhältnis zu Arbeitnehmern mit festem Arbeitsort an, weil letzteren in der Regel keine Vorgaben gemacht werden, wann, wie und auf welchem Weg oder Umweg sie sich dorthin zu begeben haben und darüber auch keine Aufzeichnungen zu Kontrollzwecken geführt werden Wird nur darauf geklagt, die Fahrzeiten als „Arbeitszeit gemäß AZG“ qualifiziert zu wissen, ist diese nicht näher differenzierende Qualifikation unabhängig davon zu bejahen, ob die Fahrzeiten Reisezeiten iSd § 20b AZG, im Sinne einer kollektivvertraglichen Bestimmung oa sind oder nicht.   OGH , 9 ObA 8/18v OLG Wien , 10 Ra 54/17k-12, ASG Wien , 30 Cga 67/16s-6 Schrank, AR-Neuerungen

47 Schrank, AR-Neuerungen
Unbezahlte Ruhepausen: Auch bei fehlenden Anweisungen Servicebereitschaft (Zug-Bordservice) in Zügen? LE-AS Nr.9, § 11 Abs. 1 AZG   Damit eine „Pause“ als Ruhepause iSd § 11 Abs. 1 AZG anerkannt werden kann, muss sie ihrer Lage nach für den Arbeitnehmer vorhersehbar sein (sich an einer im Vorhinein definierten zeitlichen Position im Rahmen der Arbeits­zeiteinteilung befinden) oder vom Arbeitnehmer innerhalb eines vorgesehenen Zeitraums frei gewählt werden können Überdies muss sie echte Freizeit sein; der Arbeitnehmer muss über diese nach seinem Belieben verfügen können Der Zweck der Ruhepausen ist die Erholung; eine solche ist nur gewährleistet, wenn diese Pausen im Voraus, spätestens bei ihrem Beginn, umfangmäßig feststehen Diese Anforderungen sind bei Mitarbeitern im Bordservice von Zügen nicht erfüllt, deren Pausen in ihrer zeitlichen Position nicht im Vorhinein definiert waren und deren Lage auch nicht frei bestimmbar war, weil auf die Kundenfrequenz Rücksicht zu nehmen war, und die sich selbst während einer „Pause“ arbeitsbereit halten mussten Mangels Freiheit in der Disposition über ihre Freizeit während einer solchen „Pause“ kommt es für die Bewertung auf die Möglichkeit zur – ohnehin beschränkten – Benutzbarkeit der Sitz­gelegenheiten (Klappsitze, Stufen im Ausstiegsbereich) nicht weiter an.   OGH , 9 ObA 9/18s OLG Wien , 9 Ra 107/17x-29 Schrank, AR-Neuerungen

48 Schrank, AR-Neuerungen
Bereitschaftsdienstzulage für Wo.Std: Deckt sie auch über Schichtpauschale hinausgehende S+F-Arbeit ab? LE-AS Nr.7, Dient eine Schichtpauschale zwar der Abgeltung von Sonntagsarbeit bzw. Feiertagsarbeit in einem bestimmten Stundenausmaß (hier: der Abgeltung von Sonntagsarbeit im Ausmaß von 23,7 Stunden und von Feiertagsarbeit im Aus-maß von 10,5 Stunden), geht jedoch aus der vorgesehenen Abgeltung der Arbeitsbereitschaft für die 39. bis 45. Wochenstunde nicht hervor, dass damit auch Bereitschaftsdienste an Sonn- und Feiertagen abgegolten sein sollen, sind diese mit der Pauschale nicht abgegolten, soweit darüber hinaus Sonn- und Feiertagsstunden geleistet werden Selbst wenn man Sonntagszuschläge und Feiertags(arbeits)entgelt wertungsmäßig dem – grundsätzlich pauschalierbaren – Überstundenentgelt gleichhalten würde, wäre für einen Arbeitnehmer damit aber nicht klar erkennbar, dass mit der Bereitschaftsabgeltung für die 39. bis 45. Wochenstunde unter Berücksichtigung der kollektivvertraglichen Zuschläge auch Sonn- und Feiertagsarbeit, soweit sie über das monatliche Stundenausmaß hinausgeht, abgegolten werden soll. 3. Mit der Bereitschaftsdienstzulage sind daher nicht auch die Zuschläge für Sonn- und Feiertagsentgelt, soweit monatlich mehr als das Ausmaß an Stunden (hier: 23,7 Sonntagsstunden bzw. mehr als 5,25 Feiertagsstunden) geleistet werden, abgegolten. OGH , 9 ObA 12/17f OLG Linz , 11 Ra 71/16i-13, LG Linz , 9 Cga 24/16y-9 Schrank, AR-Neuerungen

49 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeitsbereitschaft: Nachtbereitschaftsentgelt – Überstundenpauschale heranziehbar? LE-AS Nr.8, § 4 Abs. 4b KA-AZG, §§ 35, 45, 50 Abs. 1 DO.B (SV-KollV Ärzte)   Arbeitsbereitschaftsstunden teilweise zur Auffüllung nicht vollständig abgerufener (erhöhter) Arbeitsverpflichtung von 46 Wo.Stunden zu verwenden, ist schon im Ansatz verfehlt. Eine Überstunden- pauschale soll allenfalls zu leistende Über­stundenarbeit unabhängig von deren Menge abgelten Leistet der AN weniger Überstunden, als rechnerisch durch die Überstundenpauschale abgegolten werden könnte, bleibt daher die zugesagte Überstundenpauschale dennoch in voller Höhe aufrecht Enthalten weder noch der KollV oder die Betriebsvereinbarung eine Anspruchsgrundlage dafür, das gesonderte Entgelt für geleistete Nachtarbeitsbereitschaftsstunden mit einem anderen Teil des Gehalts oder der gemäß § 45 DO.B jedenfalls auszuzahlenden Pauschalabgeltung regelmäßiger Mehrarbeit zu verrechnen, so gebühren sowohl das Monatsgehalt als auch die Pauschalabgeltung für die verein-barte Mehrarbeit (Überstundenarbeit) unabhängig von der Einteilung im Dienstplan Dem Argument, bei verlängerten Diensten handle es sich um (bloße) Verlängerungen der NAZ, widerspricht schon der Wortlaut des § 50 Abs. 1 DO.B, wonach die bes. Abgeltung für eine „außerhalb der Normalarbeitszeit gelegene Arbeitszeit bei nicht durchgehender Inanspruchnahme“ gebührt.   OGH , 9 ObA 131/17f OLG Graz , 7 Ra 21/17p-19, LG Graz 38 Cga 59/16p-15 Schrank, AR-Neuerungen

50 Schrank, AR-Neuerungen
Überstundenpauschale bzw. All-in: Deckungsprüfung? LE-AS Nr.13, § 5 Z I Abs. 1 KollV IT Im Fall der Vereinbarung einer Überstundenpauschale kann für den Beginn der Verfallsfrist für Überstunden aber frühestens jener Zeitpunkt in Frage kommen, zu dem die Überstunden eines Beobachtungszeitraums abrechenbar sind. 2. Mangels Vereinbarung eines kürzeren Zeitraums ist dieser Zeitraum das Kalenderjahr. 3. Anders als bei der Einzelabrechnung von Überstunden sind pauschale Abgeltungsverein- barungen nur insoweit gültig, als die zwingenden kollektivvertraglichen Ansprüche des Arbeitnehmers nicht gekürzt werden. Es ist daher im Rahmen einer Deckungsprüfung zu prüfen, ob eine Überzahlung, mit der zeitliche Mehrleistungen abgegolten sein sollten, der Höhe nach die vom Arbeitnehmer geleisteten Überstunden zzgl Zuschläge abdeckt Erst nach Beendigung des Beobachtungszeitraums kann errechnet werden, ob überhaupt Überstunden vorliegen, die neben einer Pauschale noch gesondert zu entlohnen sind Vernünftigen Kollektivvertragsparteien kann nicht unterstellt werden, dass die Verfallsfrist auch für diese Überstunden bereits zu einem Zeitpunkt beginnen soll, in dem die Berechtigung des Anspruchs noch nicht feststellbar ist. Ein solches Ergebnis lässt sich weder mit dem Wortlaut des Kollektivvertrags noch mit dem Zweck einer leichteren Beweisbarkeit für den AG rechtfertigen. 6. Bei Pauschalvereinbarung kann daher die Frist für den Verfall von Überstundenentgelt nicht vor dem Zeitpunkt zu laufen beginnen, zu dem ein Anspruch erstmals geltend gemacht werden kann Dieser Zeitpunkt ist idR mit dem Ende des Durchrechnungszeitraums anzusetzen; dieser ist mangels anderer Vereinbarung das Kalenderjahr. OGH , 9 ObA 28/17h Schrank, AR-Neuerungen

51 Schrank, AR-Neuerungen
Überstunden: Zeitausgleich Unterbrechung durch Krankenstände? LE-AS Nr.6, § 10 Abs. 1 Z. 2 AZG § 76 NÖ LBG, § 36 Abs. 1 NÖ LVBG iVm § 71 DPL Art V § 3 Abs. 1 NSchG-Nov   Der Dienstnehmer kann nur in jenen Zeiten durch Krankheit oder Unfall an der Leistung seiner Arbeit verhindert sein, in denen eine Arbeitspflicht besteht Erkrankungen während des Verbrauchs von Zeitausgleich haben daher keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis Nichts anderes gilt für nach Art. V § 3 Abs. 1 Satz 1 Z 2 NschG-Nov 1992 erworbene Zeitguthaben Auch wenn das Zeitguthaben die besonderen Erschwernisse der Nachtschwerarbeit durch zusätz- liche Erholungsmöglichkeiten ausgleichen soll, ist die Gewährung einer – auf die Normalarbeitszeit anzurechnenden – Ersatzruhezeit für den Nachtdienst kein (zusätzliches) Entgelt; es kommt nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit Dass das Nachtdienst-Zeitguthaben nicht in Geld abgelöst werden darf, ändert nichts.   OGH , 9 ObA 10/18p OLG Wien , 7 Ra 37/17p-14, LG St. Pölten , 25 Cga 41/16d-10 Schrank, AR-Neuerungen

52 Schrank, AR-Neuerungen
Überstundenentgelt trotz Untersagung? LE-AS Nr.24, §§ 6, 10 AZG, § 863 ABGB   Überstunden sind abzugelten, wenn sie ausdrücklich oder schlüssig angeordnet wurden, oder wenn der Arbeitgeber Arbeitsleistungen entgegennimmt, die auch bei richtiger Ein­teilung der Arbeit nicht in der normalen Arbeitszeit erledigt werden können Nimmt der Arbeitgeber unter gewöhnlichen Umständen Über­stunden entgegen, bedeutet dies bei objektiver Betrachtungsweise, dass er diese duldet und der Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers auf dessen Einverständnis schließen darf. Die vorbehaltlose Entgegennahme der Überstundenleistungen entspricht einer schlüssigen Anordnung Verlangt der Arbeitgeber unter solchen Umständen die Erbringung von Arbeitsleistungen, die sich in der normalen Arbeitszeit nicht ausgehen, erklärt aber gleichzeitig, dass keine Überstunden geleistet werden sollen, kommt dies einem venire contra factum proprium bzw. einem Verstoß gegen Treu und Glauben gleich. Dieses bzw. dieser kann grundsätzlich nicht zu Lasten des Arbeitnehmers gehen Will er in einer solchen Situation tatsächlich das Unterbleiben der Überstunden, so hat er gegenüber dem Arbeitnehmer unmissverständlich klarzustellen, dass entgegen der bisherigen Übung ab sofort nur mehr ausdrücklich angeordnete Überstunden zu leisten sind; gleichzeitig hat er den Arbeitsumfang an die Normalarbeitszeit anzupassen Solange er aber bei vernünftiger Einschätzung der Arbeitsleistung die Notwendigkeit der erbrachten Überstunden erkennen muss und den Arbeitsumfang nicht entsprechend anpasst, sind die erbrachten Überstunden abzugelten.   OGH , 8 ObA 21/17x OLG Wien , 9 Ra 114/16z-29 Schrank, AR-Neuerungen

53 Schrank, AR-Neuerungen
Überstunden: Zeitausgleich Unterbrechung durch Krankenstände? LE-AS Nr.6, § 10 Abs. 1 Z. 2 AZG § 76 NÖ LBG, § 36 Abs. 1 NÖ LVBG iVm § 71 DPL Art V § 3 Abs. 1 NSchG-Nov   Der Dienstnehmer kann nur in jenen Zeiten durch Krankheit oder Unfall an der Leistung seiner Arbeit verhindert sein, in denen eine Arbeitspflicht besteht Erkrankungen während des Verbrauchs von Zeitausgleich haben daher keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis Nichts anderes gilt für nach Art. V § 3 Abs. 1 Satz 1 Z 2 NschG-Nov 1992 erworbene Zeitguthaben Auch wenn das Zeitguthaben die besonderen Erschwernisse der Nachtschwerarbeit durch zusätz- liche Erholungsmöglichkeiten ausgleichen soll, ist die Gewährung einer – auf die Normalarbeitszeit anzurechnenden – Ersatzruhezeit für den Nachtdienst kein (zusätzliches) Entgelt; es kommt nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit Dass das Nachtdienst-Zeitguthaben nicht in Geld abgelöst werden darf, ändert nichts.   OGH , 9 ObA 10/18p OLG Wien , 7 Ra 37/17p-14, LG St. Pölten , 25 Cga 41/16d-10 Schrank, AR-Neuerungen

54 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeitszeitstrafbarkeit: Betriebliches Vorbeuge- und Kontrollsystem samt Sanktionsvorsorge? LE-AS Nr.3, § 28 Abs. 5 und 6 AZG, § 27 Abs. 2, 2c ARG, §§ 5 Abs. 1, 9 Abs. 1 VStG VO (EG) 561/2006   Nur wenn der Verantwortliche nach § 9 Abs. 1 VStG glaubhaft macht, dass ein Verstoß gegen Arbeitszeitvorschriften durch einen Lenker trotz Bestehens und Funktionierens eines solchen, von ihm im einzelnen darzulegenden Systems ohne sein Wissen und ohne seinen Willen erfolgt ist, kann ihm sein Verstoß in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nicht zugerechnet werden „Stichprobenweise“ durchgeführte Kontrollen der Aufzeichnungen der Arbeitszeiten vermögen ein wirksames Maßnahmen- und Kontrollsystem nicht zu ersetzen Ein geeignetes Kontrollsystem hat nicht nur Vorkehrungen für die Kontrolle durch den Arbeitgeber (fallbezogen: Verkehrsunternehmer), sondern auch ein geeignetes Sanktionssystem bei Zuwiderhandeln des Arbeitnehmers (fallbezogen: des Lenkers) zu enthalten Zur Glaubhaftmachung der Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems liegt es am Verantwort- lichen, auch darzustellen, wie die Kontrollen und Sanktionierungen konkret durchgeführt werden.   VwGH , Ra 2016/11/0112 Erk. LVwG NÖ , LVwG-S-686/ , BH Tulln Schrank, AR-Neuerungen

55 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeitszeit-Verwaltungsstrafen: Kumulation und fortgesetztes Delikt? LE-AS Nr.4, § 9 Abs. 1, § 28 Abs. 2 Z 1 AZG, §§ 19, 22 Abs. 1 VStG, §§ 42, 50 VwGVG, § 130 Abs. 4 B-VG   Bei Überschreitungen der zulässigen täglichen Arbeitszeit und zulässigen Wochenarbeitszeit handelt es sich um zwei verschiedene Delikte und nicht um ein fortgesetztes Delikt Liegen zwischen Tathandlungen gleicher Art in Ansehung desselben Arbeitnehmers nicht mehr als zwei Wochen (enger zeitlicher Zusammenhang), so kann insofern – also bezogen auf einen Arbeitnehmer – von einem fortgesetzten Delikt ausgegangen werden Zu einem fortgesetzten Delikt können nur einzelne Verstöße gegen eine bestimmte Rechtsvorschrift unter den oben genannten Voraussetzungen zusammengefasst werden, nicht aber auch Verstöße gegen verschiedene Vorschriften. VwGH , Ra 2017/11/0066 VwG Wien , VGW-042/063/11571/2016-8, Magistrat Wien Schrank, AR-Neuerungen

56 Schrank, AR-Neuerungen
C. Sonstige Neuerungen Schrank, AR-Neuerungen

57 1. Sozialversicherung (1)
Grundlegende Neuordnung des DN-Meldewesens: Monatliche Beitragsgrundlagen-Meldungen (mBGM) je Dienstnehmer samt SV-Clearingsystem ersetzen für die Zeit ab summenbezogene Beitragsnach-weisungen und individuelle Jahreslohnzettel (SV-Teil). Sie lösen die Beitragsgruppen durch ein Tarifsystem ab (Beschäftigtengruppe, Ergänzung, Abschläge/Zuschläge) mBGM gelten auch für Vorschreibebetriebe, neue mBGM (mit allen Bestandteilen) jedoch nur bei Änderungen Zugehörige Neuordnung des Sanktionssystems: Beitragszuschläge nur mehr bei unmittelbarer Betretung nicht Angemeldeter, im Übrigen Ersatz der Ordnungs-beiträge (Abmeldefehler) und der Beitragszuschläge durch differenzierte pauschale Säumniszuschläge. Sanktionsfreie Berichtigungsfrist. Schrank, AR-Neuerungen

58 1. Sozialversicherung (2)
Dienstgeberbegriff § 35 Abs. 2 ASVG: Ergänzung dahin, dass auch bei Konzernüberlassungen insbesondere zur Ausübung von Organfunktionen (z.B. GF) der Beschäftiger nicht zum sv-rechtlichen Dienstgeber wird, entgegen jüngst VwGH ermöglicht dies weiterhin ein einheitliches (einziges) Dienstverhältnis in diesen Fällen. Senkung Unfallversicherungsbeiträge auf 1,2% Schrank, AR-Neuerungen

59 Schrank, AR-Neuerungen
2. Werteanpassungen Aufwertung aller beitrags- und leistungsbezogenen Beträge in der Sozialversicherung mit 2.0% (Beitrags- und Leistungswerte), ausgenommen Pensionserhö-hungen, die höheabhängig gestaffelt erfolgen. Gerundete Aktualisierung der Pfändungsgrenzen auf Basis der AZ-Richtsatzerhöhung um 2,0% Aktualisierung der Konkurrenzklausel-Mindestverdienst-grenzen um gerundet 2,0% Aktualisierung der (letztmalig 2019 geltenden) Auflösungsabgabe auf Euro 131,- Aktualisierung der Behinderten-Ausgleichstaxen um 2,0% Schrank, AR-Neuerungen

60 3. Altersteilzeit: Was gilt es ab 1.1.2019 zu beachten?
Schrank, AR-Neuerungen

61 Zugangsalter und Maximaldauer (1)
Frühester Beginn für Personen, „die das Regelpensionsalter vor Ablauf 2018 nach spä-testens sieben Jahren, ab 2019 nach spätestens sechs Jahren und ab 2020 nach spätestens fünf Jahren voll-enden“, daher für Männer ab dem vollendeten 58. (bis Ende 2018), 59. (2019), 60. Lj. 2020), bzw. (für erweiterte ATZ) 62. Lj., für Frauen ab vollendeten 53. Lj. (bis Ende 2018), in weiterer Folge jedoch iVm BVG Altersgrenzen ab in Halbjahresschritten wie folgt höher 54. Lj. ( ), 54,5. Lj. ( ), 55. Lj. ( ), 55,5. Lj. ( ) usw. Schrank, AR-Neuerungen

62 Zugangsalter und Maximaldauer (1)
Maximaldauer: 5 Jahre und längstens bis a) bei kontinuierlicher ATZ - Bezug einer SV-AP, eines NSchG-Sonderruhegeldes oder eines Ruhegenusses DV zu öff. Körperschaft oder - 60./65. Lj. und Anwartschaft auf Regelpension b) bei großer Blockung Anwartschaft auf SV-AP, NSchG-SRG oder Ruhegenuss DV öff. Körperschaft, ausgenom-men nicht bezogene KorridorP bis längstens 12 Monate Schrank, AR-Neuerungen

63 Schrank, AR-Neuerungen
D. Arbeitsrechtliches zur EU-Datenschutz-Grundverordnung seit Einwilligungen für das Personalwesen – Wo benötigt man sie nicht, wo machen sie Sinn? Verhältnis zu den BR-Mitwirkungsrechten Erörtert am Beispiel wichtiger Artikel der DS-GVO (EU) Schrank, AR-Neuerungen

64 Grundsätze der Verarbeitung pers.bez. Daten
Art. 5 Abs. 1 a) Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz b) Zweckbindung: Erhebung und Weiterverarbeitung nur für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke c) „Datenminimierung“: Beschränkung auf den Zweck – angemessen, erheblich und zwecknotwendiges Maß d) sachliche Richtigkeit auf neuestem Stand e) Bei Speicherung Personenidentifizierbarkeit nur solange es die Verarbeitungszwecke erfordern f) Angemessene Sicherheit, inkl. vor unbefugter oder un-rechtmäßiger Verarbeitung und vor Verlust oder unbeab-sichtigter Zerstörung („Integrität und Vertraulichkeit“). Schrank, AR-Neuerungen

65 Rechtmäßigkeit der Verarbeitung
Art. 6 Abs. 1 Die Verarbeitung ist nur bei mindestens einer der nachstehenden Bedingungen rechtmäßig: a) Einwilligung der betroffenen Person zur Verarbeitung für einen oder mehrere bestimmte Zwecke b) Erforderlichkeit für die Erfüllung eines Vertrages (Betrof-fener Vertragspartei) oder zur Durchführung vertraglicher Maßnahmen auf Anfrage des Betroffenen c) Erforderlichkeit zur Erfüllung einer unions- oder national-rechtlichen Verpflichtung des Verantwortlichen (im öffentl. Interesse liegendes Ziel und angemessener Zweck). d) oder e) lebenswichtige oder öffentliche Interessen f) Erforderlichkeit zur Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten, sofern nicht die Inter-essen oder Grundrechte und Grundfreiheiten überwiegen. Schrank, AR-Neuerungen

66 Bedingungen für die Einwilligung
Art. 7 (1) Nachweispflicht des Verantwortlichen (2) Bei schriftlicher Erklärung, die noch andere Sachver-halte betrifft, muss schon das Ersuchen um Einwilligung verständlich, leicht zugänglich und in klarer einfacher Sprache so erfolgen, dass es von den anderen Sachverhal-ten klar zu unterscheiden ist. Bei sonstiger Unwirksamkeit. (3) Jederzeitiger einfacher Widerruf der Einwilligung ex nunc. Davon muss Betroffener vor Einwilligung in Kenntnis gesetzt sein. (4) Besondere Freiwilligkeitsbeurteilung („relatives“ Koppelungsverbot; Koppelung kann starkes Indiz für fehlende Freiwilligkeit sein) Schrank, AR-Neuerungen

67 Besondere Kategorien pers.bez. Daten (1)
Art. 9 Abs. 1: Die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie von genetischen Daten, biometri-schen Daten zu eindeutigen Identifizierung, Gesundheits-daten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung ist untersagt. Abs. 2 Ausnahmen: a) Ausdrückliche Einwilligung für bestimmte Zwecke, außer dem steht Unionsrecht oder nationales Recht entgegen; b) Erforderliche Verarbeitung zur Ausübung von zulässigen Rechten oder Pflichten aus dem Arbeitsrecht, Sozialrecht und dem Sozialschutz; d) Schrank, AR-Neuerungen

68 Besondere Kategorien pers.bez. Daten (2)
Fortsetzung Art. 9 Abs. 1: d) Verarbeitung (auf Grundlage geeigneter Garantien) durch politisch, weltanschaulich, religiös oder gewerk-schaftlich ausgerichtete Stiftungen, Vereinigungen oder Organisationen ohne Gewinnerzielungsabsicht im Rah-men ihrer rechtmäßigen Tätigkeiten und ohne Offenle-gung der Daten, außer bei Einwilligung; e) durch den Betroffenen öffentlich gemachte Daten; f) erforderliche Verarbeitung zur Geltendmachung, Aus übung oder Verteidigung von Ansprüchen; h) erforderliche Verarbeitung durch Fachpersonal oder unter dessen Verantwortung für Gesundheitsvorsorge oder Arbeitsmedizin, Beurteilung der Arbeitsfähigkeit etc. Schrank, AR-Neuerungen

69 Österr. Datenschutzgesetz
Zulässigkeit der Bildaufnahme § 12. (1) Eine Bildaufnahme im Sinne dieses Abschnittes bezeichnet die durch Verwendung technischer Einrichtungen zur Bildverarbeitung vorge-nommene Feststellung von Ereignissen im öffentlichen oder nicht-öffent-lichen Raum zu privaten Zwecken. Zur Bildaufnahme gehören auch dabei mitverarbeitete akustische Informationen. … (2) – (3) (4) Unzulässig ist 1. eine Bildaufnahme ohne ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person in deren höchstpersönlichen Lebensbereich, 2. eine Bildaufnahme zum Zweck der Kontrolle von Arbeitnehmern, 3.-4. Schrank, AR-Neuerungen

70 Zusammenfassung aus AR-Sicht
Der neue DS steht den Erfordernissen der Personalverrech-nung und der Anwendung von Arbeitsrecht im Wesentli-chen nicht entgegen. Einzel-Einwilligungen der AN bedarf es mE aber bei sach-lich nicht erforderlichen Übermittlungen personenbezoge-ner AN-Daten an Dritte sowie bei solchen Auswertungen. Wo sie datenschutzrechtlich erforderlich sind, lassen sie sich durch BV mit dem BR nicht ersetzen. Nach dem ArbVG erforderliche Zustimmungen (BV) des BR bleiben, wo sie bisher nötig sind. Bisher nicht nötige BV werden aus Anlass der Neuerungen weder erforderlich noch sichern BV immer ab. Bildaufnahmen zur AN-Kontrolle und damit vielfach der Arbeitsvorgänge sind nun nach ö. DSG unzulässig, auch (lex posterior), wenn sie durch BV gedeckt sein sollten. Schrank, AR-Neuerungen

71 E. Sonst praktisch wichtiges Rechtsprechungs-Update
Schrank, AR-Neuerungen

72 Schrank, AR-Neuerungen
Nachfolgende Leitsätze   finden Sie zusammen mit den o       Sachverhalten, o       Prozessverläufen, o       Volltexten der Entscheidungsgründe o       sowie Anmerkungen zu Bedeutung und Auswirkungen   in LE-AS: Leitentscheidungen der Höchstgerichte zum Arbeits- und Sozialrecht   Aufbereitet und kommentiert für die Praxis von F. Schrank   Grundwerk inkl. Ergänzungen in derzeit zwanzig DIN A-5 Bänden, Stand Ergänzungslieferungen Feber 2018, Juni 2018 und Oktober    seit im Verlag LexisNexis Wien Schrank, AR-Neuerungen

73 Schrank, AR-Neuerungen
Vertragsfragen Schrank, AR-Neuerungen

74 Schrank, AR-Neuerungen
Freie Dienstverträge: Bildungsberater, Verkauf von Schulungen und Kursen, Vorgabe Schema Gesprächsführung sachliche Weisung? LE-AS Nr. 19, §§ 1153, 1164a ABGB   Wird für einen Bildungsberater, der potenzielle Kunden besuchen und Schulungen und Kurse verkaufen sollte, von einem freien Dienstvertrag ausgegangen, ist dies nicht zu beanstanden, wenn er die Arbeitszeit und den Arbeitsumfang selbst bestimmen konnte, die der Entgeltberechnung zugrunde gelegte Anzahl der Kundenkontakte nicht verbindlich, ein Arbeitsort grundsätzlich nicht vorgegeben und ein fixer Bürotag pro Woche nur für die ersten 4–6 Wochen vorgesehen war (um ihn in die Lage zu versetzen, danach die Tätigkeit selbstständig zu verrichten), ihm keine Betriebsmittel zur Verfügung gestellt waren und er sich ohne Mitteilung an den Dienstgeber vertreten lassen oder Beratungsgespräche tauschen konnte und er von der Möglichkeit eines Tausches Gebrauch gemacht hat Dass für die Vertretung nur fachlich geeignete Personen in Frage kommen werden, begründet noch keine Pflicht zur höchstpersönlichen Leistung Der Dienstnehmer war auch weder verpflichtet, seine Dienste kontinuierlich zu erbringen noch seine Arbeitskraft ausschließlich für den Dienstgeber zur Verfügung zu stellen Ein bestimmtes Schema für die Gesprächsführung, die unterstützende und folgenlose Nachbe- sprechung und Analyse von Gesprächen begründen noch keine persönliche Weisungsunterworfenheit, zumal sachliche Weisungen mit frei­en Dienstverträgen nicht unvereinbar sind.   OGH , 9 ObA 50/18w OLG Graz , 7 Ra 61/17w-25 Schrank, AR-Neuerungen

75 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsübung: Vertrauen-Dürfen in Gleichbehandlung? Ruhepausen–Anrechnung auf Arbeitszeit bzw. Bezahlung? LE-AS Nr.33, § 863 ABGB, § 10a Abs. 6 S 1 DO Post (Post-KollV), § 11 Abs. 1 AZG Art. 4 RL 93/104/EG Nach stRsp gehören Ruhepausen grundsätzlich nicht zur Arbeitszeit und sind daher nicht zu bezahlen, sofern nicht etwas anderes vereinbart wurde – etwa durch Betriebsübung – oder in einem Kollektivvertrag vorgesehen wird. 2. Für das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs aufgrund einer (günstige-ren) Betriebsübung ist entscheidend, welchen Eindruck die Arbeitnehmer bei sorgfältiger Überlegung von dem schlüssigen Erklärungsverhalten des Arbeitgebers haben durften. 3. Aus dem Kollektivbezug der Verpflichtung ist zu unterstellen, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmer bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen auch gleich behandeln wollte Es ist daher nur zu prüfen, ob die Arbeitnehmer auf die Verbindlichkeit der Vergünstigung vertrauen durften Ob jeder einzelne Arbeitnehmer darauf vertraut hat, ist nicht zu prüfen. 6. Im Anlassfall bedarf es jedoch noch ergänzender Feststellungen zur Frage, ob dem Feststellungsinteresse eine betriebliche Übung zur Gewährung bezahlter Pausen innerhalb der Dienstzeit zugrunde liegt und die Pausen deshalb auf die Dienstzeit anzurechnen sind. 7. Soweit sich übernommene Vertragsbedienstete ebenfalls auf eine betriebliche Übung stützen, ist überdies § 18 Abs. 1 S 2 PTSG beachtlich, wonach ihre am Tag vor Inkrafttreten des PTSG ( ) bestehenden Rechte gewahrt werden. OGH , 9 ObA 74/17y OLG Linz , 11 Ra 17/17z-26, LG Salzburg , 56 Cga 70/16k-22 Schrank, AR-Neuerungen

76 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsübung: Sittenwidrige Aufkündigung von Sonder- konditionen gegenüber ehemaligem AN als Revanche? (1) LE-AS Nr.4, §§ 863, 879 ABGB Das Hinnehmen einer rechtswidrigen Auflösung einzelner bankrechtlicher Verträge lässt noch keinen Verzicht auf daraus abgeleitete Schadenersatzansprüche erschließen. 2. Grundsätzlich kann eine Arbeitgeberleistung, die als Betriebsübung in den Arbeitsvertrag Eingang gefunden hat, auch an Voraussetzungen gebunden sein, bei deren Wegfall auch die Einstellung der Leistung möglich wird. 3. Eine betriebliche Übung, Arbeitnehmern einer Bank Sonderkonditionen für ihre Geschäfts- verbindungen zu gewähren, nämlich günstigere Entgelte für die jeweiligen Leistungen, erstreckt sich im Regelfall nicht auch auf das Eingehen der Geschäftsverbindungen als solche, muss es der Arbeitgeberin als Bank doch freistehen, solche Geschäftsbeziehungen im Einzelfall, z.B. nach Maßgabe der Bonität eines Mitarbeiters, auch abzulehnen. 4. Zwar kann eine betriebliche Übung vom Dienstgeber im Allgemeinen nicht einseitig wider- rufen werden, doch geht es bei der Aufkündigung der Bank-Geschäftsbeziehungen nach Maßgabe der vereinbarten Kündigungsmöglichkeiten, die eine begründungslose, fristgebundene Kündigung der jewei- ligen Verträge vorsahen, nicht um den Widerruf der betrieblichen Sonderkonditionen-Übung als solcher Ob in der Ausübung eines solchen Kündigungsrechts gegenüber einem einzelnen, der DG missliebig gewordenen ehemaligen Mitarbeiter und seiner Frau ein rechtswidriger Entzug des Rechts auf die Sonderkonditionen liegt, ist daher nicht an den Grundsätzen der Beendigung einer betrieblichen Übung, sondern daran zu messen, ob die Kündigung in dieser Form ausgeübt werden durfte. Schrank, AR-Neuerungen

77 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsübung: Sittenwidrige Aufkündigung von Sonder- konditionen gegenüber ehemaligem AN als Revanche? (2) LE-AS Nr.4, §§ 863, 879 ABGB Daran ändert auch nichts, dass die Sonderkonditionen für den AN einen entgeltwerten Vorteil aus dem Arbeitsverhältnis darstellen, weil dieser Vorteil nur mit der jederzeitigen Kündbarkeit der jeweiligen Geschäftsbeziehung eingeräumt wurde und auch nur in diesem Umfang Inhalt des Arbeits- vertrags werden konnte. 7. Wie jedes Recht darf auch ein freies Kündigungsrecht nicht in sittenwidriger (schikanöser) Weise ausgeübt werden Eine gegen die guten Sitten verstoßende missbräuchliche Rechtsausübung liegt vor allem dann vor, wenn demjenigen, der sein Recht ausübt, jedes andere Interesse abgesprochen werden muss als eben das Interesse, dem anderen Schaden zuzufügen Schikane liegt aber auch dann vor, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht, wenn unlautere Motive der Rechtsausübung augenscheinlich im Vordergrund stehen und daher andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten, wenn sohin unlautere Motive der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegen Beweispflichtig dafür ist der die Schikane Behauptende Begründet aber der Ablauf eines Geschehens die Vermutung der Schädigungsabsicht, ist es Sache des Kündigenden, einen gerechtfertigten Beweggrund für sein Verhalten zu behaupten und zu beweisen. OGH , 9 ObA 1/18i OLG Innsbruck , 15 Ra 62/17f-35, LG Innsbruck , 75 Cga 84/15i-30 Schrank, AR-Neuerungen

78 Entgelte, Ausbildungskosten
Schrank, AR-Neuerungen

79 Schrank, AR-Neuerungen
Einstufung: Transparenz – Dienstzettel Richtige Einstufung auch bei Überzahlung einklagbar? LE-AS Nr:45, §§ 2 Abs. 2 Z. 7 und Z. 9, Abs. 6, 2g AVRAG, § 6 Abs. 3 AngG § 17 Abs. 4 Satz  3 RKV Angestellte Handwerk und Gewerbe, Dienstleistung, Information und Consulting   Bestreitet der Dienstgeber die Einstufung in eine Verwendungsgruppe, ist der Dienstnehmer davon nicht bloß „theoretisch möglich“ betroffen, sondern konkret aktuell In Bezug auf den Bestand und Inhalt dieser Rechte ist daher die Feststellungsklage zulässig, ohne Rücksicht darauf, ob eine Leistungsklage auf fällig gewordene Leistungen möglich ist oder nicht Der Gesetzgeber verlangt, dass ein AN über die Hauptpunkte des AV nachweislich informiert sein soll, damit er vor Unkenntnis seiner Rechte geschützt ist (ua § 6 Abs. 3 AngG und § 2 AVRAG) Deren Zweck ist es auch, dem AN ein Instrument zur Beweissicherung in die Hand zu geben Haben sich die vertraglichen Bedingungen – etwa kraft neuer Abrede – geändert, hat der AN Anspruch auf Anpassung bzw. Änderung des Dienstzettels Die verpflichtende Angabe des Grundgehalts soll va iZm „All-in-Vereinbarungen“ das nötige Maß an Transparenz für den Arbeitnehmer sicherstellen Auch wenn § 2g AVRAG, wonach bei Pauschalentgelten die Nichteinhaltung dieser Ver­pflichtung zu einem zwingenden Ist-Grund­gehalt oder Ist-Grundlohn führt, noch nicht anwendbar ist, zeigt sie doch das fortgesetzte Bemühen des Gesetzgebers um Trans­parenz, um Unsicherheiten über die wesentlichen Eckpunkte des Arbeitsvertrags zu vermeiden Dies gilt auch für den im Anlassfall anzuwendende KollV.   OGH , 9 ObA 92/17w OLG Wien , 8 Ra 23/17m-12, ASG Wien , 29 Cga 117/16m-5 Schrank, AR-Neuerungen

80 Schrank, AR-Neuerungen
Einstufungskriterien: „Bauhilfsarbeiter“ oder „Eisenbieger“? Unvermögen zum Planlesen LE-AS Nr:47, KollV Arbeiter Bauindustrie und Baugewerbe Das Unvermögen zum Lesen von Plänen (der Konstruktionszeichnungen) steht einer Einstufung als Eisenbieger zwingend entgegen. 2. Für die Einstufung in eine Verwendungsgruppe kommt es auf die Tätigkeitsmerkmale, auf den Inhalt der Arbeit und die vorwiegend ausgeübte tatsächliche Tätigkeit an Wird aus dem Unvermögen eines Arbeiters zum Lesen von Plänen geschlossen, dieser sei bloß Bauhilfsarbeiter (und kein Eisenbieger), so ist dies nicht korrekturbedürftig. 4. Für einen Berufsschutz muss der Arbeitnehmer über die Kenntnisse oder Fähigkeiten verfügen, die üblicherweise von ausgelernten Facharbeitern des jeweiligen Berufs in dessen auf dem Arbeitsmarkt gefragten Varianten (Berufsgruppe) unter Berücksichtigung einer betriebsüblichen Einschulungszeit verlangt werden. 5. Das Lesen eines Bewehrungsplans und die anschließende Verlegung der Bewehrungen anhand desselben ist Kern der Beschreibung des Berufs eines Eisenbiegers. 6. Auch ein angelernter Beruf wird erst ab dem Zeitpunkt ausgeübt, ab dem die Anlernung abgeschlossen ist und der Arbeitnehmer über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die den in einem Lehrberuf erworbenen gleichzuhalten sind. OGH , 9 ObA 15/18y OLG Graz , 6 Ra 56/17b-26 Schrank, AR-Neuerungen

81 Schrank, AR-Neuerungen
Sonderzahlungen: Aliquotierung bei Fälligkeit? Bereits für später vereinbarte einvernehmliche Auflösung LE-AS Nr.13, §§ 6, 7 ABGB, § 15 Abschnitt A Abs. 2, 4, 6, 7 und 9 Arb-KollV Nahrungsmittelindustrie   Im Falle einer einvernehmlichen Auflösung vor dem innerbetrieblich für alle AN festgelegten Auszahlungszeitpunkt hat der AN Anspruch (nur) auf den aliquoten, entsprechend der zurückgelegten Dienstzeit im Kalenderjahr berechneten Anteil des Urlaubszuschusses, auch wenn das AV erst nach diesem Auszahlungszeitpunkt endet. Dies aus folgenden Gründen: Der normative Teil eines Kollektivvertrags ist gemäß den §§ 6 und 7 ABGB nach seinem objektiven Inhalt auszulegen. Führt der Wortsinn zu keinem eindeutigen Ergebnis, ist objektiv-teleologisch nach dem Sinn und Zweck zu fragen, den die Regelung vernünftigerweise haben kann. Weist der KollV eine planwidrige Lücke auf, ist diese im Weg der Analogie zu schließen Bereits die Gegenüberstellung von Beendigungsarten in Abs. 6 und in Abs. 7 des § 15 KollV lässt deutlich erkennen: Bei einer „neutralen“ Beendigungsart soll der aliquote Anteil des UZ gebühren. Hingegen werden andere Beendigungsarten damit pönalisiert, dass kein Anspruch auf UZ besteht Bestimmte Beendigungsarten, wie die unberechtigte Entlassung, die Beendigung durch Fristablauf und auch die einvernehmliche Lösung scheinen hingegen nicht auf Eine Gesamtschau des § 15 KollV ergibt: Mit ihren Regelungen verfolgen die KollV-Parteien ua den Zweck, den UZ grundsätzlich nur aliquot zu gewähren. Steht bereits vor dem Fälligkeitszeitpunkt fest, dass das AV nicht das ganze Kalenderjahr andauern wird, besteht bei Ende durch eine verpönte Beendigungsart kein Anspruch auf den aliquoten Urlaubszuschuss Die einvernehmliche Auflösung gegenüber den „neutralen“ Beendigungsarten mit der Gewährung des gesamten Urlaubszuschusses zu privilegieren, ist mit dem Zweck der Urlaubszuschussregelungen nicht vereinbar, weshalb eine planwidrige Unvollständigkeit vorliegt Da die einvernehmliche Auflösung eine „neutrale“ Beendigungsart iSd § 15 Abs. 6 KollV ist, hat die Lückenschließung schon zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs zur Kündigung des AN bzw. AG so zu erfolgen, dass auch bei einvernehmlicher Auflösung vor Auszahlung der UZ nur entsprechend der bereits bekannten Dauer im Kalenderjahr gewährt wird Dieses Ergebnis wird auch dem Aspekt des engen Zusammenhangs zwischen dem Urlaubsver- brauch und der Höhe des Urlaubszuschusses (hier beides aliquot) gerecht.  OGH , 9 ObA 141/17a Schrank, AR-Neuerungen

82 Schrank, AR-Neuerungen
Provisionsentfall wegen vorzeitiger einvernehmlicher Vertragsauflösung? LE-AS Nr. 16, § 11 Abs. 3 AngG Der Provisionsanspruch besteht auch dann, wenn die Nichtausführung eines vermittelten Geschäfts und die Vertragsbeseitigung auf ein Verhalten des Arbeitgebers zurückzuführen ist, für das kein wichtiger Grund in der Person des vermittelten Dritten vorlag Die Beweislast für einen wichtigen Grund auf Seiten des Dritten trifft den Arbeitgeber. 3. Ein wichtiger Grund für die vorzeitige einvernehmliche Beendigung ist nicht dargetan, wenn für sie nur der Umstand ursächlich war, dass es bei einigen Filialleitern des Kunden beträchtlichen Widerstand gegen die Übertragung der Leistungen gab, es zu einer Reihe von Beanstandungen kam und die Qualität der Leistungen in Zweifel gezogen wurde. 4. Darin liegt kein wichtiger in der Person des Geschäftspartners liegender Grund für die vorzeitige Vertragsbeendigung. 5. Gründe des kaufmännischen Entgegenkommens sind dem typischen unternehmerischen Risiko zuzuordnen, das den bereits verdienten Provisionsanspruch nicht beseitigt. 6. Das gilt umso mehr für eine Schlechterfüllung des Vertrags, die zu einer einseitigen Kündigung durch den Dritten führt, die der Arbeitgeber durch die einvernehmliche Vertragsbeendigung abgewendet haben will. OGH , 8 ObA 9/18h OLG Wien , 10 Ra 65/17b-65 Schrank, AR-Neuerungen

83 Schrank, AR-Neuerungen
Ausbildungskosten: Transparenz für Entgeltfortzahlungen LE-AS Nr.13, § 2d Abs. 2 AVRAG, § 879 ABGB Soll der AN zum Rückersatz von Ausbildungskosten verpflichtet werden, so muss noch vor einer bestimmten Ausbildung eine schriftliche Vereinbarung darüber geschlossen werden, aus der auch die konkrete Höhe der zu ersetzenden Ausbildungskosten hervorgeht Dieser Rsp liegt der Gesetzeszweck zugrunde, für den AN Transparenz über die Bedingun- gen für den Rückersatz der Kosten seiner Ausbildung zu schaffen. Ihm soll ersichtlich sein, auf welche Verpflichtungen er sich künftig einlässt, weil er nur so die finanzielle Tragweite der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in jenem Zeitraum, für den eine Kostenerstattungspflicht vereinbart wurde, ermessen kann Diese Grundsätze sind auf die Vereinbarung der Rückforderung des während einer Ausbildung fortgezahlten Entgelts übertragbar, weil auch diese Vereinbarung nach dem Gesetzeszweck so gestaltet sein muss, dass sie zu keiner wesentlichen und einseitigen Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers führt. 4. Ob eine Vereinbarung iSd § 2d Abs. 2 AVRAG dem Transparenzgrundsatz ent-spricht, kann regelmäßig nur aufgrund der Umstände des Falls beantwortet werden Die Rückforderung von „1/60 der Kosten der bezahlten Dienstfreistellung“ trägt dem Transparenzgrundsatz nicht ausreichend Rechnung, wenn der Vereinbarung jegliche betragliche Präzisierung fehlt, sodass aus ihr die konkrete Höhe des zu erset-zenden Entgelts nicht hervorgeht und zudem die Vereinbarung auch keinen Hinweis auf das zeitliche Ausmaß der kursbedingten Dienstfreistellung enthält, sodass das Ausmaß des zu erwartenden Rückersatzanspruchs aus diesem Titel im Dunkeln bleibt. 7. Eine exakte Ausweisung des Rückzahlungsbetrags ist nicht erforderlich, um die Rückzahlungsvereinbarung in Bezug auf das während der Ausbildung fortgezahlte Entgelt transparent zu gestalten. OGH , 9 ObA 7/18x OLG Wien, , 9 Ra 97/17a-15 Schrank, AR-Neuerungen

84 Dienstverhinderungen, Urlaub
Schrank, AR-Neuerungen

85 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeitsunfälle: Nachhauseweg zwecks eigenwirtschaftlicher Tätigkeit (um E-Card für Behördenweg zu holen)? LE-AS Nr.8, § 175 Abs. 2 Z. 1 ASVG Versichert ist der mit der Beschäftigung zusammenhängende direkte Weg zur und von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte, der in der Absicht zurückgelegt wird, die versicherte Tätigkeit aufzunehmen bzw. nach ihrer Beendigung wieder in den privaten Wohnbereich zurückzukehren. 2. Auch wenn sich der Unfall des Versicherten auf dem direkten Weg als der streckenmäßig oder zeitlich kürzesten Verbindung zwischen Arbeitsstätte und Wohnhaus ereignete, ist nach der allgemeinen Regel des § 175 Abs. 1 ASVG ein hinreichender sachlicher Zusammenhang zwischen der realisierten Unfallgefahr und dem Weg erforderlich Unfallversicherungsschutz liegt daher nicht vor, wenn sich der Unfall in einer Phase des Weges ereignet, der ausschließlich persönlichen, eigenwirtschaftlichen Interessen diente. Diesfalls war der geschützte Lebensbereich nur Schauplatz, nicht aber Ursache des Verletzungsereignisses Auf dem Arbeitsweg nach Hause und umgekehrt darf die Absicht nicht nur auf das Erreichen des geschützten Ziels gerichtet sein, sondern auch darauf, dort jene Tätigkeit zu verrichten, um derent- wegen dieser Weg geschützt ist, wie zB Arbeit oder Inanspruchnahme der Wohnfunktionen. 5. Diese Voraussetzung ist aber nicht erfüllt, wenn der Versicherte den Weg zur Wohnung nicht aus dem Grund, um dort – nach Beendigung der Arbeitszeit – seine Freizeit zu verbringen (die Wohnfunktion in Anspruch zu nehmen), wählte. 6. Befand er sich auf dem Weg zu einer eigenwirtschaftlichen Verrichtung (Wahrnehmung eines Behördentermins) und nahm er dafür nicht den direkten Weg sondern einen Umweg über seine Wohnung, um dort seine e-card für den Behördentermin zu holen, löst ein Unfallereignis auf diesem „Umweg“ den Unfallversicherungsschutz nicht aus. 7. Der Umstand, dass er für den restlichen Tag „frei“ bekommen hatte, ändert nichts am Charakter dieses Weges, der unabhängig vom Freigeben durch die Vorgesetzte eigenwirtschaftlichen Zwecken diente. 8. Zusammenfassend diente die Fahrt vom Arbeitsplatz zum Wohnort ausschließlich eigenwirtschaftlichen (persönlichen) Interessen, sodass sie nicht versichert war. OGH , 10 ObS 49/18f Schrank, AR-Neuerungen

86 Schrank, AR-Neuerungen
Unfallversicherung: Gang in Betriebsküche zur Nahrungsauf- nahme und zurück – eigenwirtschaftlich oder geschützt? (1) LE-AS Nr. 7, § 175 Abs. 1, 2 Z 7 ASVG § 175 Abs. 2 Z 7 ASVG schützt während der Arbeitszeit auf dem Weg von und zur Nahrungsauf- nahme sowie bei dieser selbst, soferne diese in der Nähe der Arbeitsstätte erfolgt oder erfolgen soll Dieser Bestimmung bedarf es für Nahrungsaufnahmefälle innerhalb des Betriebsgebäudes nicht, wenn sich die Qualifikation als Arbeitsunfall aus der Generalklausel des § 175 Abs. 1 ASVG ergibt, also wenn sich der Unfall im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versiche- rung begründeten Beschäftigung ereignet hatte Jene Rsp, welche die zur Befriedigung der lebensnotwendigen Bedürfnisse zählende Nahrungs- aufnahme zumindest überwiegend dem privaten unversicherten Lebensbereich zuordnet, betrifft Fälle, in denen sich die Unfälle in der eigenen Wohnung oder außerhalb der Arbeitszeit ereigneten bzw. die Tätigkeit weder betrieblichen Interessen noch der Verfolgung eines lebensnot-wendigen Bedürfnisses diente. 4. Selbst wenn das Unfallgeschehen (Einräumen von Essgeschirr und Besteck im Geschirrspüler der Betriebsküche nach Nahrungsaufnahme am Nachtarbeitsplatz) rein eigenwirtschaftliche Tätigkeit wäre, führt diese nach ihrer Art und Dauer nur zu einer geringfügigen Unterbrechung der versicherten Tätigkeit, die den Versicherungsschutz nicht entfallen lässt, weil noch ein innerer Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit besteht. Schrank, AR-Neuerungen

87 Schrank, AR-Neuerungen
Unfallversicherung: Gang in Betriebsküche zur Nahrungsauf- nahme und zurück – eigenwirtschaftlich oder geschützt? (2) LE-AS Nr. 7, Zudem wird für Verrichtungen, die sowohl privaten als auch betrieblichen Interessen dienen – gemischte Tätigkeiten – Versicherungsschutz bejaht, wenn diese Tätigkeit im Einzel-fall dazu bestimmt war, auch betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen. 6. Das Freihalten eines Bildschirmarbeitsplatzes von benutztem Essgeschirr und das Einräumen in den Geschirrspüler in der unmittelbar daneben befindlichen Betriebsküche ist entweder als geringfügige Unterbrechung oder als im nicht gänzlich untergeordneten betrieblichen Interesse erfolgt zu beurteilen und unter § 175 Abs. 1 ASVG zu subsumieren. 7. Dass sich ein gleicher Unfall auch im privaten Bereich ereignen hätte können („Alltagsunfall“ durch Stolpern beim Gehen ohne äußere Ursache), reicht zur Verneinung des Schutzes nicht aus, wenn sich der Versicherte (wieder) im „wesentlich betrieblichen Zwecken dienenden Teil des Gebäudes“ befindet. 8. Die ungeklärte Stolperursache geht zu Lasten des VTrägers, wenn dieser nicht nachweisen kann, dass kein in der betrieblichen Sphäre liegender Umstand kausal war und der betriebliche Zusammenhang gelöst wurde. OGH , 10 ObS 111/17x Schrank, AR-Neuerungen

88 Schrank, AR-Neuerungen
Krankenstände: Verlängerung Entgeltfortzahlung durch Feiertage? Im aufrechten Dienstverhältnis? Nach Ende? LE-AS Nr.2, § 2 Abs. 1 EFZG, § 8 Abs. 1 bis 2a AngG, § 9 Abs. 1 ARG   Welche Regelung bei Zusammentreffen der Entgeltfortzahlungstatbestände für Feiertage und Krankenstände anzuwenden ist und ob ein solcher Feiertag bei der Maximaldauer des Entgeltfortzah- lungsanspruchs nach § 2 Abs. 1 EFZG einzurechnen ist oder das Ende der Entgeltfortzahlung um einen Tag hinausschiebt, hat der OGH in 9 ObA 2060/96y bereits wie folgt beantwortet: Da die Arbeit an einem Arbeitstag, der auf einen Feiertag fällt, schon a priori ausfällt, ist es ohne Belang, ob der Arbeitnehmer an diesem Tag gesund oder krank ist Der Einwand, die Arbeit sei nicht wegen des Feiertags, sondern wegen der Krankheit ausgefallen, könnte nur für den Fall zulässig vereinbarter Feiertagsarbeit zutreffen, soll es nicht zu einem gleich- heitswidrigen (gesunde – kranke Arbeitnehmer) Wertungswiderspruch kommen An einem Feiertag, an dem der Arbeitnehmer nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, ist er auch nicht im Sinne des EFZG „an der Leistung seiner Arbeit verhindert“ Dieser gesetzliche Feiertag, für den somit keine Entgeltfortzahlung nach § 2 Abs. 1 EFZG gebührt, schiebt daher das Ende der Entgeltfortzahlung um einen Tag hinaus Eine Arbeitsverhinderung kann nur in Zeiten bestehen, in denen der Arbeitnehmer zur Arbeits- leistung überhaupt verpflichtet ist (9 ObA 11/13b; 9 ObA 10/18p). Für die Frage ausnahmsweiser Arbeitspflicht am Feiertag (im Anlassfall 8.12.) trifft den Dienstgeber die Beweislast Für einen Feiertag, der nicht in den Zeitraum des noch aufrechten Arbeitsverhältnisses fällt, gebührt kein Feiertagsentgelt nach § 9 Abs. 1 ARG. Solche Tage nach beendetem Arbeitsverhältnis sind daher in die Entgeltfortzahlungsdauer einzuberechnen Anders als Feiertage im aufrechten Dienstverhältnis verlängern Feiertage nach Ende des Arbeitsverhältnisses die Anspruchsdauer nach § 2 Abs. 1 EFZG nicht.   OGH , 9 ObA 13/18d OLG Graz , 6 Ra 47/17d-17, LGZ Graz , 36 Cga 23/17f-10 Schrank, AR-Neuerungen

89 Schrank, AR-Neuerungen
Krankenstände: Entgeltausfallsprinzip Sonderzahlungen: Nicht erfüllte Wartezeit bei Ende? LE-AS Nr.4, §§ 2, 3 und 5 EFZG, §§ 8 Abs. 1 und 2, 9 Abs. 1 AngG Pkt 14 Arbeiter- KollV Hotel- und Gastgewerbe   Nach § 5 EFZG bleibt der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die nach diesem Bundesgesetz vorgesehene Dauer u.a. bestehen, wenngleich das Arbeitsverhältnis früher endet, wenn der Arbeit- nehmer während einer Arbeitsverhinderung gekündigt wird Dies soll verhindern, dass sich der AG von der Pflicht zur Entgeltfortzahlung dadurch befreit, dass er während der Arbeitsverhinderung das DV durch Kündigung oder ungerechtfertigte Entlassung löst Der Zeitpunkt des rechtlichen Endes des Arbeitsverhält­nisses wird durch die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung nicht hinausgeschoben Für diese ist vom arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff auszugehen, der auch anteilige Sonderzahlungen beinhaltet, wenn und soweit darauf ein Anspruch besteht Wie schon in ähnlichen Zusammenhängen entschieden, ist daher ein Anspruch, der nur dann entstanden wäre, wenn das Arbeitsverhältnis fiktiv über den Termin der (rechtmäßigen) Beendigung hinaus gedauert hätte, bei der Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen Da eine Auflösung während des Krankenstands zulässig und nicht rechtswidrig ist, nimmt § 5 EFZG dem Arbeitgeber auch nicht die Möglichkeit, einen Kündigungstermin so zu wählen, dass ein von der Dauer der Dienstzeit abhängiger Anspruch nicht mehr entstehen kann Entsteht der Anspruch auf Jahresremuneration erst nach Ende, umfasst daher der Fortzahlungs- anspruch auch im weiter dauernden Krankenstand keine solche.   OGH , 8 ObA 53/17b OLG Graz , 6 Ra 20/17h-12, LG Leoben , 25 Cga 93/16g-8 Schrank, AR-Neuerungen

90 Schrank, AR-Neuerungen
Krankenstände: Erneute Bekanntgabepflicht bei Kranken- standsverlängerung nach angekündigter Rückkehr? LE-AS Nr.5, § 4 Abs. 1, Abs. 4 EFZG, § 8 Abs. 8 AngG   Der Inhalt der Meldung ist einerseits auf das Fernbleiben vom Dienst und andererseits auf die Krankheit (den Unglücksfall) als Grund gerichtet. Die Krankheit selbst muss dabei weder benannt noch müssen die körperlichen oder seelischen Beschwerden erklärt werden, es reicht bloß „Krankheit“ aus Enthalten die Bekanntgabe und die Vorlage einer ärztlichen Bestätigung keine Angaben zur voraussichtlichen Dauer, verletzt dies keine Nachweispflicht, wenn die Vorlage einer weitergehenden Bestätigung nicht verlangt wurde Grundsätzlich löst nur der Beginn des Krankenstands die Verpflichtung zur Krankmeldung aus, nicht jedoch das Hinzutreten einer weiteren Erkrankung bei Fortdauer des ununterbrochenen Krankenstands oder dessen Verlängerung. Dies auch, wenn der AN selbst eine „voraussichtliche Dauer“ seiner Arbeitsunfähigkeit, sei es von sich aus oder auf Drängen des Arbeitgebers, bekannt gibt Auch von einem Arzt können über den tatsächlichen Krankheitsverlauf immer nur unverbindliche und unsichere Prognosen abgegeben werden; umso mehr gilt dies mangels Einschätzbarkeit des Verlauf für den Arbeitnehmer Ergibt sich in der Folge über den bekannt gegebenen Tag hinaus eine Arbeitsverhinderung, ent- steht keine neuerliche Pflicht zur Mitteilung der fortdauernden Verhinderung. Das Gesetz räumt nur dem Arbeitgeber die Möglichkeit ein, eine Bestätigung über die Fortdauer zu verlangen Hat der Dienstnehmer nicht eine voraussichtliche Dauer des Krankenstands bekanntgegeben, sondern – von sich aus – angekündigt, am nächsten Tag die Arbeit wieder anzutreten, hat er vielmehr dessen Ende gemeldet. Dadurch hat er aber eine Situation geschaffen, in der der AG berechtigt davon ausgehen konnte, dass die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt ist und einer Arbeitsaufnahme am nächsten Tag keine Hindernisse entgegenstehen Daraus resultiert bei einer neuerlichen oder fortdauernden Dienstverhinderung auch eine neue Meldepflicht. Aufgrund dieser Verletzung der Meldepflicht steht für den nachfolgenden Zeitraum bis zur neuerlichen Kontaktaufnahme mit dem Arbeitgeber nach § 4 Abs. 4 EFZG kein Entgelt zu.   OGH , 9 ObA 105/17g Schrank, AR-Neuerungen

91 Schrank, AR-Neuerungen
Ungerechtfertigtes Fernbleiben trotz Krankschreibung? LE-AS Nr.6, § 63 Abs. 2 lit. b und c Nö LVBG 1. Dem Arbeitnehmer muss in aller Regel (aber nicht ausnahmslos!) der gute Glaube zugebilligt werden, sich für arbeitsunfähig zu halten, wenn der Arzt zur Feststellung seiner Arbeitsun-fähigkeit gelangt. 2. Diese Erfahrungssätze nehmen dem Arbeitgeber aber nicht das Recht, den Beweis anzutreten, dass der Arbeitnehmer trotz Vorlage einer Krankenstandsbescheinigung arbeitsfähig war und davon auch Kenntnis hatte oder nach den Umständen des Falls offenbar haben müsste. 3. Dies wäre etwa der Fall, wenn der Arbeitnehmer die ärztliche Bestätigung durch bewusst unrichtige Angabe gegenüber dem Arzt erwirkt hätte oder wenn der betreffende, objektiv arbeitsfähige Arbeitnehmer die Unrichtigkeit dieser ärztlichen Bescheinigung kannte oder kennen musste. 4. Ging ein Arbeitnehmer nach einer Auseinandersetzung mit dem Betriebsleiter nicht deshalb zum Hausarzt, weil er sich so krank fühlte, sondern weil er seinen Dienst ohne seinen LKW nicht durchführen wollte, ist es vertretbar, davon auszugehen, dass er unter diesen Umständen die Unrichtigkeit der ärztlichen Bescheinigung kennen musste. OGH , 9 ObA 37/18h OLG Wien , 7 Ra 131/17m-29 Schrank, AR-Neuerungen

92 Schrank, AR-Neuerungen
Grob genesungsbeeinträchtigendes Verhalten? LE-AS Nr.24 § 82 lit. f GewO 1859, § 27 Abs. 1 AngG 1. Aus dem Arbeitsvertrag besteht für den Arbeitnehmer die Verpflichtung, sich bei Krankheit und einer dadurch ausgelösten Arbeitsunfähigkeit so zu verhalten, dass die Arbeitsfähigkeit möglichst bald wiederhergestellt wird. 2. Schon die Eignung des Verhaltens, den Krankheitsverlauf negativ zu beeinflussen oder den Heilungsprozess zu verzögern, kann den Entlassungsgrund verwirklichen. 3. Wesentlich bleibt aber, dass das objektiv sorgfaltswidrige Verhalten dem Arbeitnehmer auch subjektiv vorwerfbar ist. 4. Ein Dienstnehmer darf ärztlichen Anordnungen jedenfalls nicht schwerwiegend bzw. betont und im erheblichen Maß zuwiderhandeln und die nach der allgemeinen Lebenserfahrung allgemein üblichen Verhaltensweisen im Krankenstand nicht betont und offenkundig verletzen. 5. Genesungswidriges Verhalten – Hantieren mit einem 510 kg schweren Anhänger; An- und Abkoppeln; Bewegen des Anhängers zwischen Grundstück mit Einfahrtsrampe und davor abgestelltem PKW in gebückter Körperhaltung; Notwendigkeit, sich gegen den Anhänger zu stemmen – ist einem DN, der seit Jahren an Wirbelsäulenbeschwerden litt und sich im Krankenstand im Anschluss an einen Urlaub und an eine seine Arbeitsunfähigkeit bedingenden Akutphase befand, aufgrund der er am Vortag und am Tag des Vorfalls in fachärztlicher Behandlung Infiltrationen, Schmerzmittel und Kortison erhielt, als objektiv sorgfaltswidrig und subjektiv vertretbar vorwerfbar. 6. Die Genesungswidrigkeit war dem Dienstnehmer auch bewusst, zumal ihm sein Arzt erklärt hatte, Lastbewegungen mit vorgebeugtem Oberkörper zu vermeiden. 7. Von einem Arbeitnehmer in dieser Situation kann erwartet werden, den Heilungsprozess nicht durch Bewegungsabläufe zu beeinträchtigen, die auch ohne genaue ärztliche Anweisung als der Genesung abträglich erkennbar sind. 8. Dass eine Weiterbeschäftigung aufgrund dieses Verhaltens in Zusammenschau mit weiteren, geringeren Dienstpflichtverletzungen (Überschreitung der Ausgehzeiten, verspätete Einlesungen der aus dem Verkauf von Fahrkarten erzielten Einnahmen) unzumutbar ist, ist vertretbar. OGH , 9 ObA 150/17z Schrank, AR-Neuerungen

93 Schrank, AR-Neuerungen
Lange Freistellungen: Schwankendes Entgelt Jahresdurchschnitt? Neutralisierung Ausfallszeiten? LE-AS Nr.12, § 1155 Abs. 1 erster Halbsatz ABGB Gemäß § 1155 Abs. 1 erster Halbsatz ABGB erhält der Arbeitnehmer sein Entgelt auch für Dienstleistungen, die nicht zustande gekommen sind, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seiten des Arbeitgebers liegen, daran verhindert worden ist § 1155 ABGB beruht auf dem Lohnausfallsprinzip. Danach gebührt dem Arbeitnehmer jenes Entgelt, das er bekommen hätte, wenn er wie bisher weiter gearbeitet hätte Davon sind auch die Entgelte für regelmäßig geleistete Überstunden umfasst. 4. Bei schwankendem Entgelt führt idR der Jahresdurchschnitt zu einem einigermaßen befriedigenden Ergebnis. Dies vor allem dann, wenn der Dreizehnwochenzeitraum unter den im konkreten Fall gegebenen Umständen für die Beurteilung nicht ausreicht. Schwankten die Überstunden erheblich, ist ein einjähriger Beobachtungszeitraum zugrunde zu legen. 5. Bei der Ermittlung der anrechenbaren Überstunden ist nur von den ausbezahlten Überstunden auszugehen. Der Abbau von Zeitguthaben durch Zeitausgleich hat keinen Entgeltcharakter; er führt vielmehr zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit Soweit Zeitguthaben durch Zeitausgleich verbraucht wurden, liegen keine Überstunden vor Für eine besondere „Neutralisierung“ von Nichtarbeitszeiten (Urlaub, Krankheit) besteht keine Veranlassung: 8. Sind für den Dienstnehmer im Beobachtungszeitraum solche Nichtarbeitszeiten nicht in einem atypischen Ausmaß entstanden, kann davon ausgegangen werden, dass er auch dann, wenn er während der (zweijährigen) Dienstfreistellung gearbeitet hätte, in (annähernd) gleichem Ausmaß Urlaube und Krankenstandszeiten gehabt hätte. 9. Aus § 6 UrlG kann jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass bei § 1155 ABGB und einem einjährigen Beobachtungszeitraum zu unterstellen wäre, dass der Dienstnehmer im gesamten Jahr keinen Urlaub verbraucht (und daher ohne Unterbrechungen Überstunden geleistet) hätte. OGH , 8 ObA 7/17p Schrank, AR-Neuerungen

94 Schrank, AR-Neuerungen
Unwirksame Kündigung – Entgeltrisiko des DG Auch während Dienst- bzw. Arbeitsunfähigkeit? LE-AS Nr.14, § 1155 ABGB Für einen Entgeltanspruch nach § 1155 ABGB ist – auch bei unwirksamer Kündigung und Berufsunfähigkeitspensionsbezug – allein entscheidend, ob der Dienstnehmer zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seiten des Dienstgebers lagen, daran verhindert worden ist Die Leistungsbereitschaft ist nicht nur eine Frage des Wollens, sondern auch des Könnens Kann der Dienstnehmer die Dienstpflicht aus Gründen, die in seiner Sphäre liegen (zB mangelnde Dienstfähigkeit), nicht erfüllen, wird er nicht durch Umstände, die auf Dienstgeberseite liegen, am Dienst gehindert Entfällt der Dienst aus Gründen in der Sphäre des Dienstnehmers, kommt § 1155 ABGB nicht zum Tragen; die Problematik verlagert sich in den Bereich der Entgeltfortzahlung. 5. Ist der Dienstnehmer arbeitsunfähig, kommt seine Beschäftigung schon aufgrund der Fürsorgepflicht nicht in Frage. 6. Einer wirksamen Karenzierung während seiner Berufsunfähigkeit bedarf es daher zur Ablehnung von Entgeltnachzahlungen nicht. OGH , 9 ObA 80/17f OLG Graz , 7 Ra 84/16a-37 Schrank, AR-Neuerungen

95 Schrank, AR-Neuerungen
Unwirksame Kündigung – Entgeltrisiko des DG Zwischenverdienst? Absichtliches Versäumen? (1) LE-AS Nr.15, § 1155 Abs HS ABGB, § 61 Abs. 1 ASGG Der vorläufige Weiterbestand des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Verbindlichkeitswirkung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 ASGG ermöglicht die Anwendbarkeit des § 1155 Abs. 1 ABGB, der ein bestehendes Arbeitsverhältnis voraussetzt. 2. Danach gebührt dem Dienstnehmer das Entgelt auch für Dienstleistungen, die nicht zustande gekommen sind, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Dienstgebers liegen, daran verhindert worden ist; er muss sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwen-dung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. 3. Die Einrechnungsverpflichtung besteht grundsätzlich auch bei Annahmeverzug des Dienstgebers, zB bei ungerechtfertigter Entlassung (Entlassungsanfechtung). 4. Absichtliches Versäumen liegt nicht erst vor, wenn der Arbeitnehmer ein ihm konkret angebotenes zumutbares Vertragsanbot ausschlägt, um die Anrechnung zu verhindern, sondern bereits dann, wenn er keine Bemühungen anstellt, eine Zwischenarbeit zu finden, obwohl ihm bekannt sein muss, dass dies erfolgsversprechend sein könnte Von absichtlichem Versäumen des Erwerbs ist daher auch auszugehen, wenn der AN in der Einschätzung aller Umstände, insb der Tatsache, dass er an seinem Arbeitsplatz keinesfalls benötigt wird, und bei Vorhandensein reeller Chancen keine Anstrengungen unternimmt, sich eine Ersatz- beschäftigung zu verschaffen, die ihm nach Treu und Glauben zumutbar ist und seiner Qualifikation und seiner bisherigen Beschäftigung im Rahmen des Arbeitsvertrags entspricht. 6. Die Behauptungs- und Beweislast für die Anrechnungsvoraussetzungen trifft den AG. Schrank, AR-Neuerungen

96 Schrank, AR-Neuerungen
Unwirksame Kündigung – Entgeltrisiko des DG Zwischenverdienst? Absichtliches Versäumen? (2) LE-AS Nr.15, Ein Arbeitnehmer war weder arbeitsunwillig noch ohne Anstrengungen für eine Ersatzbe- schäftigung, wenn er, mögen diese Versuche auch erfolglos geblieben sein, in Kontakt mit dem AMS war, sich in einer Spezialberatung für berufliche Rehabilitation befand, seine Jobsuche, nachdem ihm (im Bankensektor) keine offenen Stellen zur Bewerbung angeboten werden konnten, auf Zeitungsinserate und eine Internetplattform konzentrierte und versuchte, über persönliche Kontakte eine Beschäftigung zu erlangen, auch eine ihm angebotene geringfügige Beschäftigung annahm und an einer Bewerbungs- beratung teilnahm Dass es ihm „vorrangig um den Abschluss des Gerichtsverfahrens“ geht, ist nicht verwerflich, wenn – anders als in 9 ObA 90/13w – aufgrund der fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten in seinem angestammten Tätigkeitsbereich eine berufliche Neuorientierung notwendig ist und er mit einem baldigen Verfahrensabschluss rechnen kann. 9. Zumutbarkeit einer anderen Zwischenbeschäftigung wird angenommen, wenn sie der Qualifikation und bisherigen Beschäftigung des Arbeitnehmers entspricht und auch sonst nach Treu und Glauben zumutbar ist Hätte ein Zwischendienstverhältnis eine markante Einkommenseinbuße bedeutet (Netto- Verringerung von 44 % inkl Sonderzahlungen bzw. 51 % exkl Sonderzahlungen) und wäre es auch mit einer qualitativen Verschlechterung durch differenzierte und höhere körperliche Anforderungen einherge- gangen sowie mit notwendiger geografischer und beruflicher Mobilität zu rechnen gewesen, über- spannen die Stellen die Mobilitätsanforderungen und liegen sie zudem neben oder unter der Qualifikation, sind sie unzumutbar. Schrank, AR-Neuerungen

97 Schrank, AR-Neuerungen
Unwirksame Kündigung – Entgeltrisiko des DG Zwischenverdienst? Absichtliches Versäumen? (3) LE-AS Nr.15, Erfordert die Tätigkeit (Versicherungsvermittler) eine mehr-monatige Einschulungsphase, darf der Arbeitnehmer – anders als etwa bei einschulungsfreien Hilfstätigkeiten – einen neuen Arbeit- geber darauf aufmerksam machen, dass er bei Obsiegen des Gerichtsverfahrens das Zwischendienst- verhält-nis – schon um die Pflicht zur Leistungsbereitschaft in seinem Stammdienstverhältnis nicht zu verletzen – unverzüglich wieder beenden würde In gleicher Weise ist er nicht verpflichtet, bei einer Bewerbung Einschränkungen seines Gesundheitszustands oder eine begünstigte Behinderteneigenschaft zu verschweigen Auch dass sich der Arbeitnehmer mit Förderung und Unterstützung des AMS als Berater (für Lichttherapie) selbständig machte und diese Tätigkeit nicht von Beginn an gewinnträchtig war, ist kein „absichtliches Versäumen“ einer Erwerbschance iSd § 1155 ABGB Unter solchen Umständen kann dem Arbeitnehmer nicht zum Vorwurf gemacht werden, es während des laufenden Feststellungsverfahrens trotz reeller Chancen „absichtlich“ iSd § 1155 Abs. 1 ABGB versäumt zu haben, sich eine zumutbare Ersatzbeschäftigung zu verschaffen. OGH , 9 ObA 148/17f OLG Graz , 6 Ra 63/17m-29 LG Klagenfurt , 34 Cga 34/16z-25 Schrank, AR-Neuerungen

98 Schrank, AR-Neuerungen
Krankenstand im Urlaub? Mitteilungspflicht zwecks Unterbrechung des Urlaubs LE-AS Nr. 2, § 5 Abs. 3 Satz 1 UrlG, § 8 Abs. 8 AngG, § 4 Abs. 1 EFZG Die Verpflichtung, bei Erkrankung während eines Urlaubs die Erkrankung dem Arbeitgeber nach dreitägiger Krankheitsdauer unverzüglich mitzuteilen, bezweckt u.a., dass der Arbeitgeber die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer erfährt, damit er allenfalls (bei einer länger andauernden Erkrankung) entsprechende betriebliche Dispositionen treffen kann Die Mitteilung muss erkennen lassen, dass der Arbeitnehmer infolge Krankheit arbeitsunfähig ist. 3. Vage Angaben, etwa zum Arzt zu gehen, reichen nicht Die Auslegung des Inhalts einer Erklärung ist eine Einzelfallbeurteilung. 5. Im Anlassfall ist vertretbar, aus der SMS der Arbeitnehmerin sei nicht ersichtlich gewesen, dass die von ihr angeführten gesundheitlichen Probleme bereits ein Ausmaß erreicht haben, mit dem eine Dienstverhinderung einhergeht, also dass die SMS keine Arbeitsunfähigkeit erkennen ließ. OGH , 9 ObA 43/18s OLG Graz , 6 Ra 11/18m-15 Schrank, AR-Neuerungen

99 Schrank, AR-Neuerungen
Erhöhtes Urlaubsausmaß: Vordienstzeitenanrechnungen: Begrenzungen unionsrechtskonform? LE-AS Nr.2, §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 2 Z 1 und Abs. 3 UrlG I. Dem EuGH wird zur Vorabentscheidung vorgelegt: Sind Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung 492/2011/EU über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, wie der im Ausgangsverfahren (§ 3 Abs. 2 Z 1 iVm § 3 Abs. 3 und § 2 Abs. 1 des Urlaubsgesetzes, UrlG) entgegenstehen, wonach einem Arbeitnehmer, der insgesamt 25 Dienstjahre aufweist, diese aber nicht beim selben österreichischen Arbeitgeber absolviert hat, ein Jahresurlaub nur im Ausmaß von fünf Wochen gebührt, während einem Arbeitnehmer, der 25 Dienstjahre beim selben österreichischen Arbeitgeber erbracht hat, ein Anspruch auf sechs Wochen Urlaub pro Jahr zusteht? II. Zwischenfragen 1. Ist für eine mittelbare Ungleichbehandlung die gesicherte Annahme erforderlich, dass inländische AN weniger häufig den Arbeitsplatz wechseln als Wanderarbeitnehmer? 2. Ist die in Rede stehende Beschränkung der Anrechnung von Vordienstzeiten bei 'anderen' Arbeitgebern sowohl geeignet als auch ausreichend aktuell, um einen ausländischen AN daran zu hindern oder davon abzuhalten, den Arbeitsplatz nach Österreich zu verlegen? 3. Ist die fragliche Regelung ausreichend aktuell und in ihren Aus¬wirkungen ausreichend gewiss, um einen inländischen AN daran zu hindern oder davon abzuhalten, den Arbeitsplatz von Österreich ins Ausland zu verlegen, wenn er beabsichtigt, später wieder nach Österreich zurückzukehren und in Österreich zu arbeiten? 4. Ist die volle Anrechnung der Vordienstzeiten nur beim selben Arbeitgeber (für die Bemessung des Urlaubsausmaßes) geeignet und angemessen, um das beschäftigungspolitische Schutzziel der Belohnung der Betriebstreue zu einem bestimmten einzelnen Arbeitgeber zu verwirklichen? OGH , 8 ObA 33/17m OLG Linz , 12 Ra 26/17f-12, LG Wels , 18 Cga 108/16g-8 Schrank, AR-Neuerungen

100 Elternansprüche; Diskriminierungsschutz
Schrank, AR-Neuerungen

101 Schrank, AR-Neuerungen
Karenz: Hemmt sie die Lehrlingsbehaltezeit? LE-AS Nr.5, §§ 14 Abs. 2 lit. e, 13 Abs. 3, 18 Abs. 1 BAG, § 1158 Abs. 1 ABGB § 6 Abs. 1 Z 2 APSG, § 130 Abs. 2 ArbVG, §§ 10a Abs. 1, 15 ff MSchG   Der Zweck der Behaltefrist liegt darin, dem ausgelernten Lehrling den Einstieg in das Arbeitsleben zu erleichtern, ihn erste praktische Erfahrungen als Arbeitnehmer im erlernten Beruf sammeln zu lassen und ihm eine Vervollkommnung seiner in der Lehrzeit erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen sowie erfor- derlichenfalls das Aufsuchen eines Arbeitsplatzes zeitlich zu ermöglichen Dafür, dass die Behaltefrist erst zu dem Zeitpunkt zu laufen beginne, zu dem die Arbeit nach dem Ende einer Karenz wieder aufgenommen wurde, ist jedoch keine gesetzliche Grundlage ersichtlich Die Weiterverwendungspflicht schließt auch bei Ende des Lehrverhältnisses durch erfolgreiche Ablegung der Lehrabschlussprüfung an das Ende des Lehrverhältnisses an Eine Fristenhemmung für die Weiterverwendung ausgelernter Lehrlinge ist gesetzlich bei der Leis- tung des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes und bei der Bewerbung um die Bestellung zum Mit- glied des Jugendvertrauensrates, bei der Bestellung zum Mitglied des Wahlvorstandes und bei der Wahl zum Mitglied des JVR angeordnet, nicht aber bei Inanspruchnahme einer Elternkarenz Für befristete Dienstverhältnisse – zu denen auch ein mit der Dauer der Weiterverwendungspflicht vertraglich befristetes Dienstverhältnis zählt – sieht § 10a MSchG nur eine Ablaufhemmung bis zum Beginn des Beschäftigungsverbots vor, außer die Befristung erfolgt aus sachlich gerechtfertigten Gründen oder ist gesetzlich vorgesehen Eine dem § 6 Abs. 1 Z 2 APSG entsprechende Fortlaufhemmung enthält das MSchG dagegen nicht Die sachliche Rechtfertigung der unterschiedlichen Regelungen liegt darin, dass der von § 6 APSG erfasste Hemmungsgrund (Ablegung des Wehr- bzw. Zivildienstes) auf einer gesetzlichen Pflicht beruht, während die Elternkarenz auf einem einseitigen Gestaltungsrecht beruht. Auch eine planwidrige gesetzliche Lücke liegt nicht vor § 13 Abs. 3 BAG bezieht sich ausdrücklich auf die Dauer des Lehrverhältnisses, damit aber gerade nicht auf ein erst daran anschließendes, auf die Dauer der Weiterbeschäftigungspflicht befristetes DV Der Ergänzungslehrvertrag will die Erreichung des Lernziels (Lehrabschluss) auch dann sicher- stellen, wenn sich dies durch einen persönlichen Hinderungsgrund verzögert Diese Sicherstellung des Lehrabschlusses ist bei erreichtem Lehrabschluss nicht erforderlich. OGH , 9 ObA 99/17z Schrank, AR-Neuerungen

102 Schrank, AR-Neuerungen
Nach Karenz Versetzung wieder in den Verkauf? LE-AS Nr.3, § 15 MSchG, §§ 1151, 1153 ABGB   Durch die Inanspruchnahme einer Karenz wird der Arbeitsvertrag nur insofern abgeändert, als für einen befristeten Zeitraum die Arbeits- und die Entgeltpflicht ruhen Der Dienstgeber ist daher verpflichtet, eine DN nach der Karenz in der gleichen Verwendung weiter zu beschäftigen, zu der sie seinerzeit vertraglich aufgenommen und auch tatsächlich eingesetzt worden war Die Zuweisung einer mit der früheren Tätigkeit identen Beschäftigung ist nicht erforderlich Aus arbeitsvertraglicher Sicht ist nur entscheidend, ob die Anordnung (Weisung) über einen Wechsel des Tätigkeits-bereichs oder des Tätigkeitsorts des Dienstnehmers durch den Inhalt des Arbeitsvertrags gedeckt ist oder sich aus vereinbarten Gestaltungsvorbehalten ergibt Einer „Versetzungsanweisung“ ist nur insoweit Folge zu leisten, als auch der neue Arbeitsplatz in vereinbarten örtlichen oder sachlichen Tätigkeitsbereich fällt Davon zu trennen ist die Frage, ob mit der Verwendung in einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Tätigkeit eine (konkludente) Änderung der vertraglich geschuldeten Leistung einhergeht, etwa auch nach Maßgabe einer beruflichen Spezialisierung Aus bloß längerer Verwendung an einem bestimmten Arbeitsplatz kann aber für sich allein noch nicht geschlossen werden, dass sich der vereinbarte Aufgabenkreis auf diese zuletzt ausgeübte Tätigkeit beschränkt habe. Ob die angeordnete Änderung des Tätigkeitsbereichs durch den Arbeitsvertrag gedeckt ist, ist daher im Wege der Vertragsauslegung zu beurteilen Dass bei einer „vornehmlich zur Verrichtung folgender Arbeiten aufgenommene: Verkäuferin“ – auch wenn sie zwischendurch im Büro für den Einkauf im Onlineshop zuständig war – die nach ihrer Rückkehr aus der Karenz aus Einsparungsgründen zugewiesene Verkaufstätigkeit in einer Filiale noch innerhalb der vertraglich geschuldeten und auch jahrelang erbrachten Leistung lag, ist vertretbar.   OGH , 9 ObA 6/18z OLG Wien , 10 Ra 68/17v-8 Schrank, AR-Neuerungen

103 Schrank, AR-Neuerungen
Elternteilzeit: Betriebsgröße „großer Anspruch“ – Kriterien für Grenzzahl 20 Dienstnehmer LE-AS Nr. 8, § 15h Abs. 1 Satz 1 Z. 2 iVm Abs. 3 Satz 1 MSchG, § 8 Abs. 3 VKG 1. Für die Ermittlung der Dienstnehmeranzahl ist „maßgeblich, wie viele Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen regelmäßig im Betrieb beschäftigt werden“. Die Mindestzahl von 21 Dienstnehmern verhindert, dass der Arbeitgeber in kleineren Betrieben (solchen mit nicht mehr als 20 Dienstnehmern) beim Personaleinsatz vor unlösbare Probleme gestellt wird. 2. Erst ab dieser Anzahl von DN in einem Betrieb verfügt ein AG typischerweise über hinrei-chende personelle Kapazitäten, um die Arbeit auf andere zu verteilen oder sonst Abhilfe zu schaffen. 3. Es kommt allein auf die Zahl der Dienstnehmer, somit die „Zahl der verfügbaren Köpfe“ an. 4. Irrelevant ist, ob es sich um befristet oder unbefristet aufgenommene AN handelt, ebenso mangels Relevanz des Umfangs der Beschäftigung, ob ein Dienstnehmer nur geringfügig beschäftigt ist. 5. Zumal „Dienstnehmer“ im Sinne des Arbeitsvertragsrechts zu verstehen ist, sind auch GmbH-Geschäftsführer mit Dienstvertrag und leitende Angestellte mitzuzählen. 6. Auch dem Betrieb überlassene Arbeitnehmer zählen mit. 7. Auch die Antragstellerin selbst ist bei der Beschäftigungszahl zu berücksichtigen. 8. Umstritten ist die Zählung von karenzierten Dienstnehmern und/oder des für solche aufgenommenen Ersatzpersonals: 9. Wurde eine Ersatzarbeitskraft aufgenommen, ist gleichgültig, ob man sie oder die karenzierte Person mitzählt. 10. Ob karenziertes Personal, für das keine Ersatzarbeitskraft aufgenommen wurde, mitzuzählen ist, kann offen bleiben, wenn selbst bei der Rechtsansicht, dass karenzierte Dienstnehmer unberücksich-tigt bleiben, die Anzahl von 20 überschritten wird, weil jedenfalls vorhandene Karenzvertretungen zu berücksichtigen sind. OGH , 9 ObA 39/18b OLG Linz , 12 Ra 70/17a-53, LG Linz 24. August 2017, GZ 9 Cga 10/16i-47 Schrank, AR-Neuerungen

104 Schrank, AR-Neuerungen
Elternteilzeit-Durchsetzung: „Großer Anspruch“ Trotz Ablehnung Teilzeitarbeit kein Entlassungsgrund LE-AS Nr. 7, §§ 15j Abs. 4, 15k MSchG, §§ 8b, 8c VKG 1. Liegen die Voraussetzungen des „großen Anspruchs“ vor, genügt es für die Durchsetzung, die begehrte Maßnahme rechtzeitig und ausreichend präzisiert dem AG schriftlich bekanntzugeben und weder in eine Rücknahme noch eine inhaltliche Änderung des Begehrens einzuwilligen. 2. Diesfalls liegt es dann am Dienstgeber, aktiv iSd § 15k MSchG erforderlichenfalls mittels Klagsführung gegen die Dienstnehmerin vorzugehen. 3. Gab die DN rechtzeitig (im Juni 2015) dem DG mündlich und schriftlich ihr Ansinnen auf Inanspruchnahme der Elternteilzeit (beginnend mit bis zum 7. Geburtstag des Kindes im Ausmaß von 18 Wochenstunden, Montag bis Donnerstag von 8 Uhr bis 12:30 Uhr) bekannt, entsprach dies den Erfordernissen einer rechtzeitigen und präzisen Bekanntgabe nach § 15j Abs. 4 MSchG. 4. Unterlässt der Dienstgeber in einem solchen Fall rechtzeitige aktive Schritte iSd § 15k MSchG, arbeitet die Dienstnehmerin ab dem bekannt gegebenen Zeitpunkt berechtigt lediglich in dem rechtzeitig und präzis bekanntgegebenen Ausmaß, sodass der Entlassungsgrund einer Arbeitsver-weigerung nicht verwirklicht ist und ihr wahlweise Kündigungsentschädigung gebührt. OGH , 9 ObA 39/18b OLG Linz , 12 Ra 70/17a-53, LG Linz 24. August 2017, GZ 9 Cga 10/16i-47 Schrank, AR-Neuerungen

105 Schrank, AR-Neuerungen
Religionsdiskriminierende Karfreitagsregelung? LE-AS Nr.5, Art. 21, 10, 20, 47 GRC, Art. 1, 2 Abs. 2 lit. a, 2 Abs. 5, 7 Abs. 1 RL 2000/78/EG, §§ 2, 7 Abs 2 und 3, 9 ARG   Vorabentscheidungsantrag an den EuGH Steht das Unionsrecht bei privaten Arbeitsverhältnissen einer Regelung entgegen, nach der nur für Angehörige der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch- methodistischen Kirche auch der Karfreitag ein Feiertag ist, für den bei Beschäftigung trotz Feiertags- ruhe neben dem Entgelt für die infolge des Feiertags ausgefallene Arbeit auch Entgelt für die geleistete Arbeit gebührt, anderen Arbeitnehmern, die diesen Kirchen nicht angehören, jedoch nicht? Wird das Unionsrecht durch diese nationale Regelung, die nur einer verhältnismäßig kleinen Gruppe von Angehörigen bestimmter (anderer) Kirchen Rechte und Ansprüche einräumt, deshalb nicht berührt, weil diese Maßnahme in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, insbesondere des Rechts auf Freiheit der Religionsausübung, notwendig ist? Ist die nationale Regelung eine positive und spezifische Maßnahme zugunsten der Angehörigen der genannten Kirchen zur Gewährleistung deren völliger Gleichstellung im Berufsleben, um Benachteili- gungen dieser Angehörigen wegen der Religion zu verhindern oder auszugleichen, wenn ihnen damit das gleiche Recht auf Religionsausübung während der Arbeitszeit an einem für diese Religion hohen Feiertag eingeräumt wird, wie es sonst für die Mehrheit der Arbeitnehmer dadurch besteht, dass an den Feier- tagen der Religion, zu der sich die Mehrheit der Arbeitnehmer bekennt, generell arbeitsfrei ist? Bei Bejahung einer Diskriminierung: Hat nach dem Unionsrecht der private Arbeitgeber, solange vom Gesetzgeber keine diskriminierungsfreie Rechtslage geschaffen wurde, allen Arbeitnehmern, unge- achtet ihrer Religionsangehörigkeit, die dargelegten Rechte und Ansprüche in Bezug auf den Karfreitag zu gewähren? Oder hat die Regelung insgesamt unangewendet zu bleiben, sodass diese Rechte und Ansprüche am Karfreitag keinem Arbeitnehmer zuzugestehen sind?   OGH , 9 ObA 75/16v Schrank, AR-Neuerungen

106 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsrätewesen Schrank, AR-Neuerungen

107 Schrank, AR-Neuerungen
Leitende: Bereichsleiter mit Personalkompetenz LE-AS Nr. 14,  §§ 36 Abs. 2 Z 3, 105 ArbVG 1. Maßgeblich für betriebsverfassungsrechtlich leitende Angestellte ist, ob der Arbeitnehmer durch seine Position an der Seite des Arbeitgebers und durch Ausübung von Arbeitgeberfunktionen in einen Interessengegensatz zu anderen Arbeitnehmern geraten kann. 2. Bei den Arbeitgeberfunktionen steht der Einfluss auf die Eingehung und Auflösung von Arbeitsverhältnissen im Vordergrund. 3. Wesentlich ist auch die Ingerenz in Gehaltsfragen, bei Vorrückungen, bei der Urlaubseintei-lung, Anordnung von Überstunden, Ausübung des Direktionsrechts und Aufrechterhaltung der Disziplin. 4. Entscheidend ist, ob der Mitarbeiter rechtlich und nicht nur faktisch befugt war, eine selbständige Personalkompetenz eigenständig auszuüben. 5. Völlige Weisungsfreiheit ist hingegen nicht erforderlich und kann mit Rücksicht auf die Arbeitnehmereigenschaft auch des leitenden Angestellten nicht verlangt werden. 6. Ist ein Angestellter auf der ersten Betriebsebene – und nur dem GF unterstellt – tätig, in die Festlegung der Strategie des Unternehmens eingebunden (etwa bei Preisgestaltung und Planungsver-antwortlichkeit), berechtigt, Personal aufzunehmen und zu kündigen, trägt er die Gesamtverantwortung für seinen Bereich mit eigenem Budget und ist er wirtschaftlich betrachtet für ca. 20 % des Gesamtum-satzes alleinverantwortlich, ist es jedenfalls vertretbar, ihn als leitenden Angestellten anzusehen. 7. Dass die formale Zeichnungsbefugnis bei der Geschäftsführung lag, schadet ebenso wenig wie das Fehlen einer Prokura, Handlungsvollmacht oder von Zeichnungs- bzw. Vertretungsbefugnissen nach außen, da dies über den maßgebenden Einfluß auf die Betriebsführung allein noch nichts aussagt. 8. Zur Beurteilung kommt es nicht auf den Wortlaut der Vereinbarung an, sondern auf die tatsächliche Ausgestaltung der in der Folge gelebten Rechtsbeziehung, ist doch davon auszugehen, dass die Parteien den Vertrag regelmäßig auch so verstehen, wie sie ihn vollziehen bzw. steht es ihnen ja auch frei, diesen entsprechend zu ändern. OGH , 9 ObA 66/18y Schrank, AR-Neuerungen

108 Schrank, AR-Neuerungen
Leitende Angestellte: Primaria mit Personalkompetenz? LE-AS Nr. 15, §§ 36 Abs. 2 Z 3, 105 Abs. 3 Z. 2 ArbVG, § 21 Satz 1 K-KAO (§ 42 KAKuG) 1. Für die Frage, ob ein Mitarbeiter als leitender Angestellter iSd § 36 Abs. 2 Z 3 ArbVG anzusehen ist, dem maßgebender Einfluss auf die Führung des Betriebs zusteht, ist va die Entscheidungsbefugnis im personellen Bereich maßgeblich. 2. Diese bewirkt den Interessengegensatz zu den übrigen Belegschaftsmitgliedern, welcher der Ausnahmebestimmung des § 36 Abs. 2 Z 3 ArbVG zugrunde liegt. 3. Entscheidend ist, ob der Mitarbeiter rechtlich und nicht nur faktisch befugt war, eine selbständige Personalkompetenz eigenständig auszuüben. 4. Ist eine Primaria ärztliche Leiterin zweier Ambulatorien, in denen unter ihr ua mehrere Krankenschwestern, eine Sekretärin, eine Laborantin, eine angestellte Ärztin sowie – auf Werkvertrags-basis – weitere Ärzte arbeiten, umfasst ihr Tätigkeitsbereich nach dem Dienstvertrag auch „die Einstel-lung von Ärzten und des übrigen medizinischen Personals“ und lag sowohl bei Begründung als auch bei Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Pflegekräften die letzte Entscheidung bei ihr, ist ihre Qualifizierung als leitende Angestellte iSd § 36 Abs. 2 Z 3 ArbVG nicht korrekturbedürftig. 5. Kommen einem Primar nicht nur geringe Befugnisse in Personalangelegenheiten – bloß ein Vorschlagrecht – zu, sondern hat dieser in Personalangelegenheiten Entscheidungskompetenz, ist er als leitender Angestellter zu qualifizieren. 6. Zweck der Bekanntgabe der Kündigung nach § 21 Satz 1 K-KAO (§ 42 KAKuG) ist, dass der Landeshauptmann die Aufgaben als Organ der sanitären Aufsicht wahrnehmen kann. 7. Aus § 21 K-KAO kann nicht die Unwirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses abgeleitet werden. OGH , 9 ObA 35/18i OLG Graz , 7 Ra 51/17z-26 Schrank, AR-Neuerungen

109 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsratswahlen: Einheitliche Stimmzettel und Fraktionsstimmzettel? Aushändigung letzterer unmittelbar vor dem Wahllokal? Stimmenbewertung? (1) LE-AS Nr.3,  §§ 56, 59 Abs. 1 ArbVG, 24 Abs. 1, 3 Satz 1, 5b Satz 2, 6 Z 1, Abs. 7, 34 Abs. 1 BRWO Aus § 59 Abs. 1 letzter Satz ArbVG ergibt sich nach den Gesetzesmaterialien, dass der Wähler nicht gehalten ist, den einheitlichen Stimmzettel zu verwenden, sondern „zulässigerweise“ auch einen anderen Stimmzettel verwenden kann. Damit lässt das Gesetz indirekt zu, dass von den Fraktionen (weiterhin) Fraktionsstimmzettel ausgegeben werden Fraktionsstimmzettel sind bei BR-Wahlen zulässig und auch verfassungsrechtlich unbedenklich Auch der systematische Einsatz von Fraktionsstimmzetteln liegt in deren Natur. Auch steht es jeder Wählergruppe frei, einen eigenen Fraktionsstimmzettel zu verwenden oder dies zu unterlassen Erhalten die Wähler beim Betreten des Wahllokals ein Kuvert samt einheitlichem Stimmzettel ausgehändigt, ist sichergestellt, dass jeder Wähler die freie Wahl hat Die Verteilung der Fraktionsstimmzettel direkt vor den Wahllokalen – nämlich am Gang – stellt keinen Wahlanfechtungsgrund dar, zumal das NRWO-Verbot der Wahlagitation in der Nähe des Wahl-ortes für Betriebsratswahlen weder unmittelbar noch analog gilt Die Verbreitung nichtamtlicher Stimmzettel durch eine Wählergruppe ist der Wahlwerbung zuzu-rechnen und kein Teil des Wahlverfahrens. Damit wurde auch keine Situation geschaffen, die (tragfä-hige) Rückschlüsse auf das Wahlverhalten zugelassen hätte, sodass das absolute Wahlgeheimnis verletzt wäre. Jedem Wähler ist es leicht möglich, zwecks Vermeidung des Anscheins, er habe nicht mit dem Fraktionsstimmzettel gewählt, einen nicht verwendeten Fraktionsstimmzettel beim Verlassen der Wahlzelle zu verbergen, zB in der Hosentasche oder Handtasche. Schrank, AR-Neuerungen

110 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsratswahlen: Einheitliche Stimmzettel und Fraktionsstimmzettel – Stimmenbewertung? (2) LE-AS Nr.3,   Zur Auszählung: Schon die Verwendung eines eigenen Stimm­zettels oder eines Fraktionsstimmzettels beim Wahl­vorgang lässt – anders als im Falle eines einheitlichen Stimmzettels – einen hinreichend eindeutigen Schluss auf den Wählerwillen zu Völlig unerheblich ist, wer diesen „anderen Stimmzettel“ erstellt hat und durch welche Schrift-zeichen – hand- oder maschinengeschrieben oder (wie hier) gestempelt – der Wählerwille ausgedrückt wird, weil der Wahlvorgang (in der Wahlzelle und abseits der Briefwahl) grundsätzlich die Abgabe des Stimmzettels ist (§ 24 Abs. 2 BRWO) Nur beim einheitlichen Stimmzettel tritt noch das Ausfüllen desselben hinzu Bei einem anderen Stimmzettel besteht der Wahlvorgang in dessen Verwendung, sodass auch mit einem im Vorhinein ausgefüllten Stimmzettel gewählt werden kann Enthält das Wahlkuvert einen gültigen und einen leeren (unausgefüllten) Stimmzettel, so liegt eine gültige Stimme für die wahlwerbende Gruppe vor, auf welche der Fraktionsstimmzettel hinweist.   OGH , 8 ObA 61/17d OLG Linz , 11 Ra 10/17w-30, LG Linz , 7 Cga 37/16w-19 Schrank, AR-Neuerungen

111 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsratsmitglieder: Ausfallsentgelt oder mehr bei Teilzeit (1) LE-AS Nr.3, §§ 39 Abs. 3, 115 Abs. 1, 116 ArbVG, § 37 Abs. 3 dt BetrVG, Art 3 RL/117 EWG   Gemäß § 115 Abs. 1 ArbVG ist das Mandat des Betriebsratsmitglieds ein Ehrenamt, das, soweit nicht anderes bestimmt wird, neben den Berufspflichten auszuüben ist Die Ehrenamtlichkeit des Mandats iSd § 115 ArbVG bedeutet, dass das Mandat grundsätzlich außerhalb der Arbeitszeit wahrzunehmen ist. Die vertragliche Arbeitspflicht wird nicht suspendiert oder eingeschränkt. Zugleich ist klargestellt, dass die Ausübung der Betriebsratstätigkeit unentgeltlich zu erfolgen hat und eine gesonderte (über die Lohnfortzahlung für eine erforderliche Freistellung hinausgehende) Entlohnung für die Betriebsrat-Tätigkeit weder vorgesehen noch gewollt ist. Was über den Lohnfortzahlungsanspruch hinausgeht, ist eine verbotene Bevorzugung Vorrangiger Schutzzweck ist die Wahrung der Objektivität der Interessenvertretung bzw. der Gegnerunabhängigkeit Die Unentgeltlichkeit des Ehrenamts ist damit entscheidender Wert der repräsentantiven Mitbestimmung Als besondere Regelung berücksichtigt § 116 ArbVG, wonach den Mitgliedern des Betriebsrats die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten erforderliche Freizeit unter Fortzahlung des Entgelts zu gewähren ist, dass eine Mandatsausübung nicht stets außerhalb der Arbeitszeit möglich ist und gewährt daher einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht während der Arbeitszeit, wenn und soweit dies für die Erfüllung der Obliegenheiten erforderlich ist Es muss sich um eine Tätigkeit handelt, die zu den Aufgaben des Betriebsrats zählt und während der Arbeitszeit erfolgen muss (zweckgebundener Freizeitanspruch). Erfasst sind nur jene Betriebsratstätigkeiten (Mandatsausübungshandlungen), die außerhalb der Es muss sich um eine Tätigkeit handelt, die zu den Aufgaben des Betriebsrats zählt und während der Arbeitszeit erfolgen muss (zweckgebundener Freizeitanspruch).   Schrank, AR-Neuerungen

112 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsratsmitglieder: mehr Entgelt bei Teilzeit? (2) LE-AS Nr.3, Erfasst sind nur jene BR-Tätigkeiten (Mandatsausübungshandlungen), die außerhalb der Arbeitszeit unmöglich oder nur unverhältnismäßig erschwert ausgeübt werden können, wozu es einer Interessenabwägung bedarf Etwa auch für fraktionelle Tätigkeiten ist der Anspruch auf Freizeit unter Fortzahlung des Entgelts grundsätzlich nicht ausgeschlossen., jedoch ist dem Gedanken des § 39 Abs. 3 ArbVG folgend, zu verlangen, dass diese außerhalb der Arbeitszeit stattfinden, wenn sie ohne weiteres nach Arbeitsschluss oder vor Arbeitsbeginn erledigt werden können Ähnlich muss für die Anberaumung eines Sitzungstermins bei unterschiedlich gelagerten Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder der Termin für die meisten Betriebsratsmitglieder außerhalb ihrer gewöhnlichen Arbeitszeit liegen Allgemein gilt auch hier der Grund­satz, dass die Belegschaftsorgane ihre Tätigkeit tunlichst ohne Störung des Betriebs zu vollziehen haben Für den die Zeit der Freistellung betreffenden Anspruch auf Entgeltfortzahlung ist das Ausfalls- prinzip maßgeblich. Die Regelung verwirklicht damit einerseits das Beschränkungs- und Benachteili- gungsverbot, andererseits das Privilegierungsverbot Damit unterscheidet sich die österreichische auch von der deutschen Rechtslage: Nach § 37 Abs. 3 dt BetrVG gebührt zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbe- dingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fort- zahlung des Arbeitsentgelts Einen solchen Ausgleich für außerhalb der Arbeitszeit erbrachte Mandatstätigkeiten sieht das österr. ArbVG nicht vor, womit der Grundsatz der Ehrenamtlichkeit noch mehr in den Vordergrund tritt Kommt ein Teilzeit-Betriebsratsmitglied der vertraglichen Arbeitspflicht von (hier) 30 Stunden pro Woche vollumfänglich nach, wurde es in diesem Ausmaß zur Gänze bezahlt und die Mandatsarbeit daneben, dh in der arbeitsfreien Zeit, geleistet, lässt sich dafür aus § 116 ArbVG kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung ableiten. Schrank, AR-Neuerungen

113 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsratsmitglieder: Mehr bei Teilzeit? (3) LE-AS Nr.3, Ein solcher ergibt zur Vermeidung einer unzulässigen mittelbaren Diskriminierung von Frauen auch nicht aus der Entscheidung des EuGH Rs C-360/90 Bötel Dort war der Fall zu beurteilen, ob es mit dem Entgeltdiskriminierungsverbot vereinbar ist, wenn eine gesetzliche Regelung zwar Betriebsratsmitgliedern für Arbeitszeit, die wegen der Teilnahme an Schulungen (welche für die Betriebsratsarbeit erforderliche Kenntnisse vermitteln) ausfällt, Vergütung sichert (Lohnausfallprinzip), jedoch teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitgliedern, die für die Schulung über ihre individuelle Arbeitszeit hinaus Zeit aufwenden müs­sen, einen Ausgleich in Freizeit und/oder Geld für diesen zusätzlichen Zeitaufwand auch bis zur Höhe der betrieblichen Vollarbeitszeit verweigert, obwohl der Anteil der Frauen, die von dieser Regelung betroffen werden, wesentlich höher ist als der Anteil der Männer. Der EuGH bejahte in seinem Fall eine mittelbare Diskriminierung In der Folge hielt der EuGH in der Rs C-457/93 Lewark fest, dass der Wille des deutschen Gesetzgebers, durch das Prinzip der Unentgeltlichkeit des Betriebsratsamts die Unabhängigkeit der Betriebsrats höher zu bewerten als wirtschaftliche Anreize für die Ausübung des Betriebsratsamts, ein legitimes sozialpolitisches Ziel darstelle, das für sich genommen nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun habe Die zudem judizierte Eignung und Erforderlichkeit der Ungleichbehandlung wurde in der Folge vom deutschen BAG mit Urteil vom , 7 AZR 581/92, bejaht Wurde im Anlassfall nicht einmal ansatzweise vorgebracht, warum die Situation mit der Ausgangslage in jener Rechtssache vergleichbar wäre (zumal die österreichische Rechtslage keinen dem § 37 Abs. 3 dt BetrVG vergleichbaren Anspruch auf entgeltpflichtigen Freizeitausgleich kennt), ist auf bloß allgemeinen Überlegungen zu einer mittelbaren Dis­kriminierung nicht weiter einzugehen.   OGH , 9ObA72/18f OLG Innsbruck , 13 Ra 8/18a-17 LG Innsbruck , 76 Cga 42/17y-12 Schrank, AR-Neuerungen

114 Schrank, AR-Neuerungen
BR-Einsichtsrecht in Dienstverträge und Vordienstzeitenanrechnungen? LE-AS Nr.4, § 89 Z 1 und 2 ArbVG 1. Dem Betriebsrat ist Einsicht in die Vordienstzeitenanrechnungen (Vordienstzeiten-Beiblätter) der von ihm vertretenen Mitarbeiter zu gewähren. 2. Ein darüber hinausgehendes Recht auch auf Einsicht in die Dienstverträge besteht nicht. 3. Der Betriebsrat kann seine Überwachungsrechte wirkungsvoll nur dann wahrnehmen, wenn er in Kenntnis der dafür erforderlichen Information ist bzw. sich diese durch Einsicht in die entspre-chenden Unterlagen beschaffen kann. 4. Nur wenn er in sämtliche abrechnungsrelevanten Dokumente und Aufzeichnungen des Betriebs Einsicht nehmen kann, kann er auch seiner Pflicht (6 ObA 1/14m mwN) nachkommen, die Einhaltung der die Arbeitnehmer des Betriebs betreffenden Rechtsvorschriften zu überwachen. 5. Diese verpflichtende Konnexität zwischen Einsicht und Erforderlichkeit stellt eine inhaltliche Einschränkung des Überwachungsrechts nach § 89 Z 1 ArbVG dar. 6. Zur Überprüfung der korrekten Anrechnung von Vordienstzeiten benötigt der Betriebsrat im konkreten Fall aber nicht zwangsläufig auch die Einsicht in die Einzelarbeitsverträge. 7. Dafür genügen die ihm vom Dienstgeber im Rahmen des im Betrieb installierten Administrationssystems ohnehin bereits zur Verfügung gestellten Informationen im Zusammenhang mit der Einsicht in die Vordienstzeitenanrechnungen (Vordienstzeiten-Beiblätter). 8. Ob dem Betriebsrat in einer anderen Konstellation Einsicht auch in die Arbeitsverträge bzw. ein Überwachungsrecht betreffend die Einhaltung einzelvertraglicher Vereinbarungen zusteht, muss hier nicht näher erörtert werden. OGH , 9 ObA 115/17b OLG Graz , 6 Ra 6/17z-10, LG Graz , 36 Cga 123/16k-6 Schrank, AR-Neuerungen

115 Schrank, AR-Neuerungen
BR-Fonds: Rückforderung BR-Umlage durch Arbeitnehmer Korrekter Umlagenbeschluss? LE-AS Nr. 5, §§ 45 Abs. 3, 73 Abs. 2 ArbVG, § 1 Abs. 2 und 3 BRF-VO, § 5 Abs. 4 BR-GO Allfällige Gründe für die Unwirksamkeit des Umlagenbeschlusses sind grundsätzlich vom Kläger nachzuweisen. 2. Ist dies nicht gelungen, sind abgezogene Umlagen nicht vom BR-Fonds rückforderbar. 3. Nach § 45 Abs. 3 ArbVG hat die Einberufung der Betriebs-(Gruppen-, Betriebshaupt-)ver- sammlung unter gleichzeitiger Bekanntgabe der Tagesordnung zu erfolgen. 4. Die Abstimmung über die Einhebung und Höhe der Betriebsratsumlage muss nach § 73 Abs. 2 ArbVG über Antrag des Betriebsrats erfolgen, was im Anlassfall auch erfolgt ist. 5. Nach § 1 Abs. 3 BRF-VO „soll“ darüber hinaus der Antrag auf Einhebung der Betriebsrats- umlage bestimmte Angaben, ua die Verwendung der Mittel, enthalten. 6. Dies wird – ebenso wie die Kundmachung – als bloße Ordnungsvorschrift verstanden, deren Verletzung keine Nichtigkeit begründet. 7. Eine geheime Abstimmung über die Betriebsratsumlagen ordnet das Gesetz nicht an. 8. Mit § 73 Abs. 2 Halbsatz 1 ArbVG, wonach die Betriebs-(Gruppen-)versammlung die Einhebung und Höhe der Betriebsratsumlage auf Antrag des Betriebsrats beschließt, ist es im Gesetz grundgelegt, dass die Betriebsratsumlagen von Betrieb zu Betrieb variieren können. OGH , 8 ObA 11/18b OLG Graz , 6 Ra 54/17h-45 Schrank, AR-Neuerungen

116 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsrat und Beurteilungssysteme: „soft skills“-Persönlichkeitstests für Verkaufsschulungen und Rekrutierung von Führungskräften? LE-AS Nr.2, § 96a Abs. 1 Z 2 ArbVG, § 16 ABGB   Setzt ein Unternehmen bei Verkaufsschulungen und zur Re­krutierung von Führungskräften ein Bewertungsverfahren zur Beurteilung der in Frage kommenden Arbeitnehmer ein, mit welchem aus- schließlich „soft skills“ – Neigungen, Interessen und andere Persönlichkeitsmerkmale wie Belastbarkeit, Frustrationstoleranz und höchstpersönliche „Werte“ – abgefragt werden nicht aber „hard skills“, also die Fachkompetenz der Arbeitnehmer, ist dessen Verwendung ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats (mit Betriebsverein­barung nach § 96a Abs. 1 Z 2 ArbVG) unzulässig Ob auch von einem Personalfragebogen nach § 96 Abs. 1 Z 2 ArbVG auszugehen wäre, ist nicht weiter zu prüfen Durch ein solches Testverfahren wird massiv die Persönlichkeit der getesteten Personen berührt. Sein Einsatz ist nicht durch überwiegende betriebliche Interessen gerechtfertigt Auch wenn die der Beurteilung zugrunde liegenden Testergebnisse dem Arbeitgeber nicht bekannt werden, enthält die Auswertung, von deren Validität der Arbeitgeber offenbar ausgeht, eine umfassende Beurteilung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers Mag zwar die Auswertung nicht zum Personalakt gegeben werden, kommt sie dem Arbeitgeber aber zu und ist sie weitere fünf Jahre lang beim extern beauftragten Unternehmen abrufbar, stellt sie ein gewichtiges Beurteilungskriterium dar, wenn sie nach Angaben des Arbeitgebers zu 15-20% für die Auswahl von Führungskräften relevant ist, womit sie ein gewichtiges Beurteilungskriterium darstellt Aufgrund der großflächigen Verwendung der Tests ist auch von einem generellen Verfahren auszugehen, nicht bloß von individuellen Maßnahmen.   OGH , 9 ObA 94/17i OLG Innsbruck , 15 Ra 27/17h-32 Schrank, AR-Neuerungen

117 Arbeitskräfteüberlassung
Schrank, AR-Neuerungen

118 Schrank, AR-Neuerungen
„Payrolling“: Arbeitsvermittlung oder Überlassung? (1) LE-AS Nr.8, §§ 3 und 4 AÜG, § 2 Abs. 4 AMFG Auch das sogenannte „Payrolling“, bei dem der Überlasser sich faktisch auf die Aufgaben einer Verrechnungsstelle beschränkt und der Beschäftiger fast alle AG-Funktionen übernimmt, insbesondere über die Auswahl der einzustellenden Personen sowie deren Kündigung entscheidet, kann grundsätzlich Arbeitskräfteüberlassung sein Der Überlasser ist Arbeitgeber im arbeitsrechtlichen Sinn, der Beschäftiger ist derjenige, der die Arbeitskräfte für betriebsbezogene Aufgaben einsetzt und die Arbeitsleistung faktisch entgegennimmt Den Beschäftiger treffen nur einzelne Arbeitgeberpflichten, etwa Schutz- und Sorgfaltspflichten 4. Der Anwendungsbereich des AÜG ist nicht von der internen Verteilung der Verantwortungs- bereiche zwischen dem Überlasser als Arbeitgeber und dem Beschäftiger abhängig. 5. Arbeitsvermittlung liegt hingegen vor, wenn ein Arbeitsverhältnis gerade nicht mit dem Vermitt- ler selbst, sondern mit einem Dritten zustandekommen soll. 6. In diesem Sinn gilt nach § 2 Abs. 4 AMFG als Arbeitsvermittlung auch die Überlassung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte, sofern der Überlasser nicht die Pflichten des Arbeitgebers trägt. 7. Diese nicht zivil-, sondern verwaltungsrechtliche Bestimmung grenzt den Umfang des Gewerbes der Arbeitskräfteüberlasser von jenem der Arbeitsvermittlung ab, die nur im Rahmen des § 4 AMFG ausgeübt werden darf. 8. Ob der Überlasser die Pflichten eines AG trägt, ist allein nach dem rechtlichen Verhältnis zwischen ihm und dem AN zu entscheiden und nicht nach der Vereinbarung Überlasser/Beschäftiger. 9. Die Zahlung des Entgelts zählt zu den zentralen Vertragspflichten des DG im arbeitsvertragli- chen Synallagma. Verpflichtet sich der Überlasser im eigenen Namen gegenüber dem AN zur Entgeltzahlung, übernimmt er Pflichten und Risiken des AG, sodass von bloßer Arbeitsvermittlung keine Rede sein kann Für diese Beurteilung spielt es grundsätzlich keine Rolle, wie der Überlasser seine Personalkosten an seinen Kunden weiterverrechnet Im Rahmen der Arbeitskräfteüberlassung ist es geradezu selbstverständlich, dass im Ergebnis alle Personalkosten (einschließlich der vorhersehbaren Zeiten der entlohnungspflichtigen Nichtbeschäfti- gung, Verwaltungskosten und Gewinnspanne) wirtschaftlich am Ende zur Gänze von den Beschäftigern getragen werden sollen und die Überlasser ihre Preise dementsprechend zu kalkulieren trachten. Schrank, AR-Neuerungen

119 Schrank, AR-Neuerungen
„Payrolling“: Arbeitsvermittlung oder Überlassung? (2) LE-AS Nr.8, Die Weiterverrechnung des Aufwands hat damit, wer als AG anzusehen ist, nichts zu tun Verpflichtet sich ein Beschäftiger auch zur Übernahme des Risikos sämtlicher Entgeltfortzah- lungsansprüche und entscheidet er über den Bestand, wäre es mit dem Schutzzweck des AÜG unvereinbar, damit einem Arbeitnehmer, der typischerweise überhaupt keinen Einblick in die Vertragsbeziehung zwischen Überlasser und Beschäftiger hat, in einem solchen Fall jeglichen Anspruch gegen den Partner seines schriftlichen Arbeitsvertrags zu versagen (wie durch die Vorinstanzen im Ergebnis geschehen) Dies bedarf im Übrigen auch schon deswegen keiner vertieften Betrachtung, wenn sich die Beschäftigerin im „Payroll“-Rahmenvertrag nur zur Bezahlung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden der überlassenen Mitarbeiter verpflichtet hat und daher über diese für eine Arbeitskräfteüberlassung typische Bezahlung der Stundensätze hinaus keine Übernahme arbeitsrechtlicher Risiken vereinbart worden ist, insbesondere auch nicht des Risikos von zusätzlichen Aufwendungen, die sich aus einer rechtlichen Qualifikation der „Aufträge“ als echte Arbeitsverträge ergeben könnten Dieses „wirtschaftliche Wagnis“ des Arbeitgebers trägt vielmehr die Überlasserin Von diesen Grundsätzen ausgehend erweist sich das Ergebnis der Klagsabweisung durch die Vorinstanzen, die Überlasserin sei im vorliegenden Verfahren nicht passiv legitimiert, als korrekturbedürftig Hat das Erstgericht ausgehend von seiner vom OGH nicht geteilten Rechtsansicht noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, die eine Beurteilung von Grund und Höhe der einzelnen Klagsforderungen ermöglichen würden, ist ihm die neuerliche Entscheidung nach entsprechender Verfahrensergänzung aufzutragen Zur Vermeidung von allfälligen Missverständnissen ist festzuhalten, dass die Bestimmungs- merkmale der persönlichen Abhängigkeit eines Dienstnehmers sich beim überlassenen Arbeitnehmer typischerweise im Beschäftigerbetrieb (und nicht beim Überlasser) manifestieren. OGH , 8 ObA 51/17h Schrank, AR-Neuerungen

120 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeitsvertragszurechnung zum Beschäftiger? LE-AS Nr.9, § 3 und 4 AÜG, § 2 Abs. 4 AMFG, § 3 Abs. 1 AVRAG Hatte der Überlasser gegenüber den Arbeitnehmern sämtliche Pflichten als Arbeitgeber zu tragen, insbesondere die Anmeldung zur Sozialversicherung, die Bezahlung mindestens der durch die Kollektivverträge geregelten Löhne sowie die Entrichtung aller Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge, war von ihr mit den Arbeitnehmern auch keine Vereinbarung getroffen, dass die Entlohnung nur nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden erfolge, und hatte sich der Beschäftiger auch nicht dazu verpflichtet, der Überlasserin deren wirtschaftliches Überlasserwagnis abzunehmen, geht die Berufung auf verbotene Arbeitsvermittlung nach § 2 Abs. 4 AMFG ins Leere Aus dem gleichen Grund kommt auch der Frage einer bloßen „Scheinbeschäftigung“ bei einem Arbeitskräfteüberlasser keine Entscheidungsrelevanz zu. 3. Die Verneinung eines Betriebsteilüberganges auf den Beschäftiger mangels Nichtübernahme von Verwaltungspersonal durch die Vorinstanzen ist vertretbar begründet, wenn nicht feststeht, dass das Verwaltungspersonal nur „zur Verschleierung der tatsächlich bestehenden Dienstverhältnisse“ zum Beschäftiger diente und die Überlasserin das wirtschaftliche Risiko der Arbeitskräfteüberlassung trug. 4. Ist eine Arbeitskräfteüberlassung dahin ausgerichtet, dass der Arbeitnehmer dem Beschäftiger- betrieb nicht bloß – wie für Arbeitskräfteüberlassungen typisch – vorübergehend, sondern für außerge- wöhnlich lange Zeit überlassen wird, so kann es sich im Einzelfall als sachgerecht erweisen, die Rechts- stellung des Arbeitnehmers jener des Dienstnehmers des Beschäftigers anzunähern. 5. Parteien des Arbeitsvertrags bleiben aber auch in diesem Fall allein der AN und der Überlasser, weshalb daraus für ein Begehren auf Feststellung eines AV zum Beschäftiger nichts zu gewinnen ist. 6. Für ein direktes Arbeitsverhältnis mit dem Beschäftiger lässt sich auch nicht mit Erfolg auf EuGH Rs C-242/09 verweisen, wonach bei dauerhafter Überlassung im Konzern auch der Beschäftiger „Ver¬äußerer“ iSv Art. 2 Abs. 1lit. a der RL 2001/23/EG sein kann, obwohl zwischen ihm und den überlassenen Arbeitskräften keine arbeitsvertragliche Beziehung besteht, wenn im Anlassfall schon kein Konzernverhältnis vorliegt, welches aber für diese E tragend war. OGH , 8 ObA 13/18x Schrank, AR-Neuerungen

121 Schrank, AR-Neuerungen
Überlassung: Begriff und Abgrenzung von Werkverträgen (1) LE-AS Nr.5, §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 2, 17 Abs. 2 AÜG, Art. 1 Abs. 3 lit. c RL 96/71   Die Rechtsfrage, ob es sich bei dem Vertragsverhältnis zwischen dem ungarischen und österreichi- schen Unternehmen um einen („echten“) Werkvertrag oder um einen Vertrag betreffend grenzüberschreiten- de Arbeitskräfte­überlassung handelt, ist nicht ausschließlich nach innerstaat­lichem Recht zu beantworten Da die in Rede stehenden Bestimmungen des AÜG auch der Umsetzung von Unionsrecht dienen, sind dessen Vorgaben bei der Umsetzung und Vollziehung zu berücksichtigen Vor diesem rechtlichen Hintergrund sind die Kriterien, die für die Arbeitskräfteüberlassung iSd Art. 1 Abs. 3 lit. c der RL 96/71 entscheidend sind, auch maßgebend für die Beurteilung, ob (grenzüberschreitende) Arbeitskräfteüberlas­sung iSd §§ 3 und 4 AÜG vorliegt. Nur bei Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben kommt eine uneingeschränkte Anwendung des AÜG in Betracht Hat das LVwG sich bei der Beurteilung auf die VwGH-Ju­dikatur zu § 4 AÜG bezogen, seine Ansicht ausschließlich auf die Erfüllung des § 4 Abs. 2 Z 2 AÜG gestützt (die Arbeiten seien nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmers geleistet worden) und den Einwand, dieses Kriterium stelle – aus unionsrechtlicher Sicht – nach aktueller Judikatur des EuGH im Urteil vom „Martin Meat“ (C- 586/13) kein ausreichendes Abgrenzungskriterium dar, womit weitere Kriterien als entscheidend zu berücksichtigen seien, keiner inhaltlichen Überprüfung unterzogen, hat es damit die Rechtslage verkannt Aus diesem Urteil des EuGH, C-586/13, ergibt sich, dass für die Beurteilung, ob ein Sachverhalt als grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung zu beurteilen ist und die Meldepflicht nach § 17 Abs. 2 AÜG nach sich zieht, aus unionsrechtlicher Sicht „jeder Anhaltspunkt“ zu berücksichtigen und somit unter mehreren Gesichtspunkten (nach dem „wah­ren wirtschaftlichen Gehalt“) zu prüfen ist (vgl. zur „Gesamtbe- urteilung aller Umstände“ auch Art. 4 Abs. 1 der Durchsetzungs-RL 2014/67/EU, samt dortigem fünften Erwägungsgrund). Schrank, AR-Neuerungen

122 Schrank, AR-Neuerungen
Überlassung: Begriff und Abgrenzung von Werkverträgen (2) LE-AS Nr.5, Im Speziellen sind von entscheidender Bedeutung, ob die Ver­gütung/das Entgelt auch von der Qualität der erbrach­ten Leistung abhängt bzw. wer die Folgen nicht vertragsgemäßer Ausführung der vertraglich festgelegten Leis­tung trägt (Rn 35 ff EuGH-Urteil), ob der für einen Werkvertrag essenzielle „gewährleistungstaugliche“ Erfolg vereinbart wurde (VwGH 2012/09/0130, mwN), wer die Zahl der für die Herstellung des Werkes jeweils konkret eingesetzten AN bestimmt (Rn 38) und von wem die AN die genauen und individuellen Weisungen für die Ausführung ihrer Tätigkeiten erhalten (Rn 40 EuGH-Urteil) Daher sind in einem Fall wie dem vorliegenden (im Regelfall nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung) eindeutige Sachverhaltsfeststellungen zu den ausschlaggebenden Kriterien zu treffen, um in rechtlicher Gesamtbeurteilung fallbezogen das Vorliegen von grenzüberschreitender Arbeitskräfteüber- lassung bejahen oder verneinen zu können Fehlen eindeutige Feststellungen des entscheidungsrelevanten Sachverhalts, weil es insbesondere nicht genügt, lediglich vom Vorliegen eines einzigen für das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung bedeutsamen Kriteriums auszugehen (dass das Material und Werkzeug nach den Vertragsbestimmungen durch die Auftraggeberin bereitgestellt werde) bzw. wurden, ausgehend von einer unzutreffenden Rechts­ ansicht, die maßgebenden Feststellungen zum Tatbestandselement der grenzüberschreitenden Überlassung von Arbeitskräften nicht getroffen, ist das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben Selbst im Falle der Verneinung des Vorliegens von Arbeitskräfteüberlassung ist jedoch eine Meldepflicht für die (der Erfüllung eines Werkvertrages dienende) grenzüberschreitende Entsendung von Arbeitnehmern unionsrechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen (Santos Palhota, C-515/08).   VwGH , Ra 2017/11/0068 LVwG Tirol , LVwG-2016/18/ Bezirkshauptmannschaft Imst Schrank, AR-Neuerungen

123 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeitskräfteüberlassung oder Werkvertragserfüllung? Bearbeitung (ua. Biegen von Betonstahl)? (1) LE-AS Nr.6, §§ 3 Abs. 3, 4 Abs. 2 AÜG, § 7d Abs. 1 und 2, 7i Abs. 4 Z 3 AVRAG idF vor LSD-BG aktuell §§ 2 Abs. 2, 22 Abs. 2, 28 Z 3 LSD-BG   Zur Abgrenzung von Werkvertragserfüllungen und Arbeitskräfteüberlassungen sind als wesentlich anzusehende Kriterien jedenfalls, ob der für einen Werkvertrag essenzielle „ge­währleistungstaugliche“ Erfolg vereinbart wurde, wer die Zahl der für die Herstellung des Werkes jeweils konkret eingesetzten Arbeitnehmer bestimmt und von wem die Arbeitnehmer die genauen und individuellen Weisungen für die Ausführung ihrer Tätigkeiten erhalten. Diese Kriterien sind unter folgenden Umständen bei einem Rahmenvertrag samt zugehörigem Leistungsverzeichnis betreffend die Bearbeitung (u.a. Biegen) von Betonstahl nicht bzw. nicht mängelfrei herangezogen: Gegen einen Werkvertrag (und für die Qualifikation als Arbeitskräfteüberlassung) lässt sich das Fehlen einer Festlegung des konkreten Beginnes und Endes der Arbeiten am jeweils zu erbringenden Werk nicht ins Treffen führen, wenn die konkreten Informationen darüber, wie die jeweiligen Eisenstücke gebogen hät- ten werden müssen, von einem Mitarbeiter des Bestellers an den Vorarbeiter der Auftragnehmerin in Form von „Etiketten“ übergeben wurden, und zwar zwei bis vier Tage bevor die betreffenden Eisenstücke hätten abgeliefert werden müssen, sodass es offenbar doch einen vereinbarten Fertigstellungszeitpunkt gab Für den „essenziellen“ gewährleistungstauglichen Erfolg ist insbesondere auch entscheidend, ob das Entgelt neben der Menge des bearbeiteten Materials (hier: Betonstahls) auch von der Qualität abhängt. Für einen solchen spricht es, wenn das Verwaltungs­gericht von (nicht näher präzisierten) Regelungen zur Gewährleistung in der Rahmenvereinbarung ausgeht und feststellt: „Es wurden etliche Gewährleistungsfälle zwischen der Firma T. Kft. und der B. GmbH abgewickelt.“ Schrank, AR-Neuerungen

124 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeitskräfteüberlassung oder Werkvertragserfüllung? Bearbeitung (ua. Biegen von Betonstahl)? (2) LE-AS Nr.6,   Wird das Vorliegen einer Dienst- und Fachaufsicht durch den Besteller im Wesentlichen damit begrün- det, dass durch die Übergabe der „Etiketten“ die Arbeit für jedes zu bearbeitende Eisenstück durch die Auftraggeberin definiert und die zeitliche Abfolge der Arbeiten vorgegeben worden sei, spricht dies aller- dings die Dienst- und Fachaufsicht (die gegenüber dem Arbeitnehmer ausgeübt wird) nicht an Diese umfasst vielmehr etwa die Einteilung der konkreten Arbeits- und Pausenzeiten der AN bzw. Anord­nun­gen und Kontrollen des jeweiligen AN hinsichtlich der Fertigung des konkreten Werkstückes Auch stellt EuGH C-586/13, Rn 40 klar, dass „zwischen der Beaufsichtigung und Leitung der Arbeit- nehmer selbst und der vom Kunden durchgeführten Überprüfung der ordnungsgemäßen Erfüllung eines Dienstleistungsvertrags zu unterscheiden“ ist Wenn der Werkbesteller das jeweils herzustellende Werk definiert und dem Vertragspartner (seinem Vorarbeiter) durch Etiketten bekanntgibt und anschließend die Vertrags­erfüllung (also die Herstellung des Werkes) kontrolliert, spricht für das Vorliegen eines Werkvertrag und gegen eine Arbeitskräfteüberlassung Ein Straferkenntnis muss im Rahmen der Gesamtbeurteilung jedenfalls auch Ausführungen hinsichtlich des Kriteriums enthalten, wer die Zahl der für die Herstellung des Werkes jeweils konkret eingesetzten Arbeitnehmer bestimmt. Die Gesamtbeurteilung darf der mietweisen Beistellung der für die Arbeiten erforderlichen Maschinen durch den Besteller keine entscheidende Bedeutung beimessen.   VwGH , Ra 2018/11/0014 LVwG OÖ , LVwG /34/NMa/FE, BH Perg Schrank, AR-Neuerungen

125 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeitskräfteüberlassung oder Werkvertragserfüllung? „Revisionsarbeiten inkl. Montage“ (1) LE-AS Nr.7, §§ 3 Abs. 3, 4 Abs. 2, 17 Abs. 7, 22 Abs. 1 Z 2 AÜG, §§ 7d Abs. 1 und 2, 7f Abs. 1 Z 3, 7i Abs. 1 und 4 Z 3, AVRAG, aktuell §§ 2 Abs. 2, 21 Abs. 3, 22 Abs. 2, 26 Abs. 2, 27 Abs. 1, 28 Z 3 LSD-BG   Dass bei einem Rahmenvertrag samt zugehörigem Leistungsverzeichnis betreffend „Revisionsarbeiten inkl. Montage (Beseitigung von Mängeln an Maschinen“ eingesetzte (hier polnische) Arbeiter weiterhin im Dienst der Auftragnehmerin verblieben sind, ist kein Unterscheidungsmerkmal, da auch bei einem Werkver- trag der Hersteller des Werkes sich seiner eigenen Arbeitnehmer bedient Auch dass „weltweit Arbeitnehmer der (Auftragnehmerin) zu Arbeitseinsätzen in der Industriemontage geschickt“ werden, liefert keinen sachgerechten Hinweis für die Beantwortung der Frage, ob der tatsäch- liche Gegenstand der Dienstleistung der Wechsel der Arbeitnehmer in den Aufnahmemitgliedstaat war Bei einem „Montage-Werkvertrag“ sprechen Feststellungen wie die Verantwortung des Auftragnehmers für die Einhaltung aller technischen und sicherheits- und gesundheitsrechtlichen Vorschriften, Leistungs- erbringung nach einem Leistungsverzeichnis, Montagebeginn und -ende, Pönale, Gewährleistung für fach- und plangerechte Ausführung 24 Monate ab mängelfreier Abnahme, Garantiedauer 24 Mo­nate ab Inbetrieb- nahme der Gesamtanlage) für die Vereinbarung eines gewährleistungstauglichen Erfolges und damit gegen eine Arbeitskräfteüberlassung Ausführungen zum Kriterium, wer die Zahl der für die Herstellung des Werkes jeweils konkret einge- setzten Arbeitnehmer bestimmt, sind für die Abgrenzung unverzichtbar Wer den Arbeitnehmern die genauen und individuellen Weisungen erteilt hat, lässt sich nicht mit einem bloßen Hinweis auf „Feststellungen (siehe oben)“, aus denen sich ergebe, dass die Dienst- und Fachauf- sicht bei der Bestellerin gelegen sei, beantworten. Schrank, AR-Neuerungen

126 Schrank, AR-Neuerungen
Arbeitskräfteüberlassung oder Werkvertragserfüllung? „Revisionsarbeiten inkl. Montage“ (2) LE-AS Nr.7,   Aus Feststellungen, wonach die Arbeiten zumindest einmal pro Woche von der Bestellerin kontrolliert worden seien und einer ihrer Arbeitnehmer auf der Baustelle anwesend gewesen sei und auch kontrolliert habe, dass alle nötigen Materialien, wie etwa Schrauben, vorhanden seien, bzw. habe diese erforderlichen- falls sofort besorgt, damit die Arbeitspartie nicht aufgehalten würde, und auch die Stundenaufzeichnungen der polnischen Arbeiter kontrolliert, abgezeichnet und ebenso wie seine eigenen an die Bestellerin weitergeleitet habe, ist noch keine Dienst- und Fachaufsicht ableitbar Diese umfasst etwa Anordnungen und Kontrollen der AN hinsichtlich der konkreten Arbeitsschritte Gemäß EuGH C-586/13 ist „zwischen der Beaufsichtigung und Leitung der Arbeitnehmer selbst und der vom Kunden durchgeführten Überprüfung der ordnungsgemäßen Erfüllung eines Dienstleistungsvertrags zu unterscheiden“ So kann der Kunde den AN des Dienstleistungs­erbringers sogar „bestimmte allgemeine Anweisungen erteilen, ohne dass damit in Bezug auf diese Arbeitnehmer die Ausübung einer Leitungs- und Aufsichts- befugnis ... verbunden ist, sofern der Dienstleistungserbringer seinen AN die genauen und individuellen Weisungen erteilt, die er für die Ausführung der betreffenden Dienstleistung für erforderlich hält“ Erteilt der Vorarbeiter der Auftragnehmerin den Arbeitnehmern die genauen und individuellen Weisungen zur Ausführung der mit der Bestellerin vereinbarten Dienstleistung, liegt die Fach- und Dienstaufsicht nicht bei der Bestellerin.   VwGH , Ra 2018/11/0026 und LVwG OÖ, LVwG /9/BMa und /9/BMa/TK, BH Grieskirchen Schrank, AR-Neuerungen

127 Beendigungs- und Bestandschutzfragen
Schrank, AR-Neuerungen

128 Schrank, AR-Neuerungen
Probezeitvereinbarung in unmittelbarem Anschluss an Dienstverhältnis mit anderer Tätigkeit? LE-AS Nr. 3, § 19 Abs. 2 AngG Ein Arbeitsverhältnis auf Probe kann nur für die Höchstdauer von einem Monat vereinbart und während dieses Zeitraums von jedem Vertragsteil jederzeit gelöst werden Es handelt sich dabei um eine Auflösung besonderer Art. 3. Das Probearbeitsverhältnis soll dem Arbeitgeber die Möglichkeit geben, sich davon zu überzeugen, ob der Arbeitnehmer sich für die zugedachte Stelle eignet; umgekehrt soll auch der Arbeit- nehmer Gelegenheit haben, die Verhältnisse im Betrieb kennenzulernen Der Gefahr einer Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften trägt der Gesetzgeber durch die enge zeitliche Beschränkung der Probezeit auf einen Monat Rechnung Ein Probearbeitsverhältnis kann grundsätzlich bereits vor seiner Effektuierung (durch Antritt) durch einseitige Erklärung eines Vertragspartners ohne weitere Rechtsfolgen aufgelöst werden. 6. Selbst dann, wenn zwischen ihnen vorher bereits ein DV bestanden hat, steht es den Parteien grundsätzlich frei, zu Beginn des Dienstverhältnisses eine Probezeit zu vereinbaren, sofern nicht unter den gegebenen Umständen eine Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften zu befürchten ist Ist der Gegenstand der Probedienstleistung ein anderer als die frühere Tätigkeit des AN, so ist auch im Anschluss an ein früheres DV in einem neuen DV die Vereinbarung einer Probezeit zulässig Maßgeblich ist, ob es durch die Probezeitvereinbarung zur Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften kommt. 9. Das ist nicht ersichtlich, wenn eine Arbeitnehmerin bereits Masterarbeiten auf Basis einer gesonderten Vereinbarung als nebenberufliche Tätigkeit betreut hatte und künftig hauptberuflich als Professorin für die Arbeitgeberin tätig sein sollte In einem solchen Fall ist vertretbar, dass beide Verträge, auch wenn sie zeitlich unmittelbar aufeinander folgen sollten, inhaltlich unterschiedliche Tätigkeiten zum Gegenstand hatten und daher die Vereinbarung einer Probezeit von einem Monat im Rahmen des später beginnenden Vertrags zulässig war. OGH , 8 ObA 31/18v OLG Graz , 6 Ra 13/18f-17 Schrank, AR-Neuerungen

129 Schrank, AR-Neuerungen
Eventualkündigungen? Änderung der Verhältnisse zwischen Eventualkündigung und Folgekündigung LE-AS Nr. 6, §§ 105 Abs. 3 Z 1 lit. i, Abs. 3 Z. 2 ArbVG, § 1159 Abs. 1 ABGB Eine Eventualkündigung durch den Arbeitgeber während der Dauer des Kündigungsanfech- tungsverfahrens iSd § 105 Abs. 3 Z 2 ArbVG ist zulässig Sie ist als Kündigung unter einer Rechtsbedingung aufzufassen, sodass dies zu keiner unzumutbaren Ungewissheit für den gekündigten Arbeitnehmer führt. 3. Daher begegnet der Ausspruch einer Eventualkündigung im Laufe eines ersten Kündigungs- anfechtungsverfahrens „aus Vorsichtsgründen“ keinen Bedenken. 4. Das Bestreben des Arbeitnehmers, nicht gekündigt zu werden, stellt angesichts der grundsätz- lichen Kündigungsfreiheit im österr. AR keinen durch § 105 Abs. 3 Z 1 lit. i ArbVG geschützten Anspruch dar Eine Eventualkündigung (nur) in Reaktion auf die Anfechtung der ersten Kündigung ist auch kein verpöntes Motiv iSd § 105 Abs. 3 Z 1 lit. i ArbVG Liegt der (sachliche) Grund sowohl für die erste als auch die zweite Kündigung im Wegfall des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers (Schließung des Instituts) und stimmte im Unterschied zur ersten Kündi- gung nicht nur der BR der Eventualkündigung zu, sondern versuchte der AG davor auch erfolglos, in Ent- sprechung seiner sozialen Gestaltungspflicht einen adäquaten Ersatzarbeitsplatz zu finden, ist – schon in Anbetracht der damit verbundenen Änderung der Verhältnisse zwischen der Kündigung und der Folge- kündigung – kein zu missbilligendes Motiv ersichtlich; eine solche Kündigung ist auch nicht sittenwidrig. OGH , 8 ObA 14/18v OLG Graz , 6 Ra 59/17v-29 Schrank, AR-Neuerungen

130 Schrank, AR-Neuerungen
Massenkündigungen: Kündigungsabsicht und Auflösungs- angebote? Schwellenwert (Zeitraum und Streuung)? OGH , 9 ObA 119/17s, LE-AS Nr. 4, § 45a Abs. 1 Z. 2, Abs. 2, Abs. 5 Z. 1 AMFG Die Absicht zur schwellenwertüberschreitenden Beendigung der Dienstverhältnisse von (im Anlassfall sieben) Mitarbeitern innerhalb von 30 Tagen ist schon mit den (im Anlassfall zwischen und Anfang November 2013) unterbreiteten einvernehmlichen Angeboten auszumachen. 2. Die Verständigungspflicht wird nämlich schon dann ausgelöst, wenn ein AG beabsichtigt, eine den jeweiligen Schwellenwert überschreitende Anzahl von AV innerhalb von 30 Tagen aufzulösen. 3. Damit kann sie nicht erst an den Ausspruch der Kündigung oder die erfolgte einvernehmliche Auflösung anknüpfen. 4. Die Absicht des AG, AV aufzulösen, kann sowohl zu einseitigen, empfangsbedürftigen Kündi- gungen als auch zu annahmebedürftigen Anboten von Aufhebungsverträgen führen. 5. Heranzuziehen sind die Zeitpunkte des beabsichtigten Ausspruchs der Kündigung bzw. der einvernehmlichen Lösung Das Abstellen auf den Zeitpunkt des Ausspruchs von Kündigungen soll vom – irrelevanten – Zeitpunkt des Endes nach Ablauf der Kündigungsfrist abgrenzen. 7. Bei einem Beschäftigungsstand von 119 wäre der Schwellenwert daher schon mit der Absicht überschritten, die Dienstverhältnisse von mehr als 5,95 Mitarbeitern innerhalb von 30 Tagen zu beenden. 8. Die 30-tägige Frist des § 45a Abs. 1 AMFG wandert kontinuierlich. Der AG kann daher durch die zeitliche Streuung von Kündigungen das Erreichen des Schwellenwerts dieser Bestimmung verhindern Dazu muss die Streuung der Kündigungen über einen längeren als 30-tägigen Zeitraum schon in der ursprünglichen Absicht des Dienstgebers zur Beendigung der Dienstverhältnisse gelegen sein Dies gilt aber nicht, wenn sich die Kündigungserklärungen entgegen der ursprünglichen Intention – etwa infolge längerer Bemühungen um den Erhalt der Arbeitsplätze – nur faktisch über einen längeren Zeitraum erstrecken, würde doch sonst der Zweck des Frühwarnsystems verfehlt Spiegelte sich die Absicht, innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen die Dienstverhältnisse von (mindestens) sieben Mitarbeitern zu beenden, bereits in den Angeboten zu den einvernehmlichen Auflö- sungen wider, hätte er seiner Anzeigepflicht nach § 45a Abs. 1 AMFG zu entsprechen gehabt Die (bereits außerhalb der 30-Tage-Frist erfolgte) Kündigung wurde daher mangels Frühwarn- anzeige zutreffend iSd § 45a Abs. 5 Z 1 AMFG für rechtsunwirksam erklärt. Schrank, AR-Neuerungen

131 Schrank, AR-Neuerungen
Dienstgeberkündigungen: Betriebsratsvorverfahren Gültige Verständigung: An den Vorsitzenden auch im Urlaub? LE-AS Nr. 8, §§ 68 Abs. 4, 71, 105 Abs. 1 und 2 ArbVG Die Information über die beabsichtigte Kündigung ist eine das betriebsverfassungsrechtliche Vorverfahren einleitende Willenserklärung, zu deren Entgegennahme der zur Vertretung nach außen berufene Betriebsratsvorsitzende, bei dessen Verhinderung sein Stellvertreter, berufen ist. 2. Sind aber zwei (von insgesamt mehreren) Vorstandsmitglieder(n) gemeinsam vertretungs- berechtigt, so genügt es, wenn eines dieser beiden Vorstandsmitglieder das andere zur Vornahme eines bestimmten Geschäfts ermächtigt. 3. Die durch eines der beiden kollektivvertretungsbefugten Vorstandsmitglieder, welches dazu auch vom Obmann ermächtigt war, unterzeichnete schriftliche Verständigung des Betriebsratsvorsitzenden von der beabsichtigten Kündigung ist daher wirksam. OGH , 9 ObA 42/18v OLG Graz , 7 Ra 53/17v-17 Schrank, AR-Neuerungen

132 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsratsvorverfahren: Kündigungsausspruch nach Stellungnahme BR – Vertrauensschutz des Arbeitgebers Beschlussfassung im Urlaub des Vorsitzenden? LE-AS Nr. 8, §§ 68 Abs. 4, 71, 105 Abs. 1 und 2 ArbVG Der Betriebsinhaber ist weder berechtigt noch verpflichtet, Untersuchungen über die interne Willensbildung des Betriebsrats anzustellen. 2. Er kann daher, wenn ihm eine dabei allenfalls unterlaufene Verletzung der Vorschriften über die interne Willensbildung des Betriebsratskollegiums nicht bekannt war und auch nicht auffallen musste, auf die Erklärungen des Betriebsratsvorsitzenden vertrauen Die Beurteilung, ob dem Betriebsinhaber eine Verletzung der Vorschriften über die Willens- bildung der Betriebsratskollegien hätte bekannt sein müssen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. 4. Dass dem Betriebsratsvorsitzenden die Kündigungsabsicht während dessen Urlaubs zuging, steht einer zulässigen Beschlussfassung des Betriebsrats nicht per se entgegen Eine zwischen der Verständigung des BR-Vorsitzenden und dessen Stellungnahme (beide mit ) liegende Zeitspanne von rund sechs Stunden verpflichtete den Betriebsinhaber mangels weiterer Anhaltspunkte nicht, an einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung zu zweifeln, nimmt doch § 68 Abs. 4 ArbVG ausdrücklich auf die Möglichkeit der schriftlichen oder fernmündlichen Beschlussfassung Bezug. 6. Betriebsratsbeschlüsse dürfen auch mittels , telefonisch oder auf vergleichbarer Weise gefasst werden, wenn kein Betriebsratsmitglied diesem Verfahren widerspricht. 7. Der Betriebsinhaber durfte daher vertrauen, dass die Äußerung des Betriebsratsvorsitzenden durch eine entsprechende Willensbildung des Betriebsratskollegiums gedeckt ist. OGH , 9 ObA 42/18v OLG Graz , 7 Ra 53/17v-17 Schrank, AR-Neuerungen

133 Schrank, AR-Neuerungen
Wesentliche Interessenbeeinträchtigung: Ausmaß – Hochrechnung Teil- auf Vollzeit? Diäten? Mehraufwand Kinderbetreuung? Sozialer Status? OGH , 9 ObA 56/18b, LE-AS Nr.27, §§ 105 Abs. 3 Z. 2, 106 Abs. 2 Satz 1 ArbVG Bei der Ermittlung des erzielbaren Einkommens kann vom hochgerechneten Bruttomonats- gehalt (hier: von €) 14 Mal jährlich für eine Vollzeitbeschäftigung ausgegangen und bei einem infolge Sachverständigengutachtens erzielbarem Bruttomonatseinkommen von € für eine Vollzeitbeschäfti- gung auf keine größere finanzielle Einbuße als 15 % geschlossen werden Der Vergleich von Teil- und Vollzeitbeschäftigung ist nicht grundsätzlich unzulässig. Es wurde auch nicht aufgezeigt, warum in dieser Berechnung eine Diskriminierung teilzeitbeschäftigter DN läge. 3. Der Wegfall von Diäten – die nach dem Dienstvertrag als Pauschalabgeltung für den als tat- sächlich entstandenen Aufwand vereinbart waren – als Entgeltbestandteil setzt die Feststellung voraus, in welchem Ausmaß sie allenfalls einkommenserhöhend waren Steht nicht fest, in welchem Ausmaß die Diäten einkommenserhöhend waren, wohl aber, in welcher Höhe sie geleistet wurden, ist die Annahme vertretbar, dass sie insb im Vergleich zu den steuerli- chen Sachbezugswerten nicht unrealistisch hoch waren, weshalb ihr Zweck in der Abdeckung des mit der Arbeitsleistung zusammenhängenden finanziellen Aufwands bestanden hat, zumal sie bei krankheits- bedingter Abwesenheit auch nicht ausbezahlt wurden Wäre durch die Aufnahme einer Tätigkeit im Außendienst die Erzielung von Diäten im gleichen Umfang wie beim AG möglich, bedarf die Nichtberücksichtigung des Wegfalls der Diäten keiner Korrektur. 6. Erleidet der Arbeitnehmer aufgrund des höheren Fahraufwandes für einen Vergleichsarbeits- platz finanzielle Einbußen, muss dies festgestellt werden. 7. Das Ergebnis kann aber – wie im Anlassfall – auch sein, dass der AN unter Bedachtnahme auf eine Erhöhung ihrer monatlichen Einsatztage und eine Verlängerung ihrer Arbeitswege (samt der hierdurch anfallenden Fahrtkosten) keine finanziellen Einbußen von mehr als 15 % hinzunehmen hätte. 8. Nachteile bei der Kinderbetreuung müssen ebenfalls feststellbar sein. Dies kann aber auch ergeben, dass kein durch den Verlust der Beschäftigung erhöhter Mehrkostenaufwand feststellbar ist. 9. In einer langen Betriebszugehörigkeit und im Wegfall des sozialen Status (hier: einer Flugbe- gleiterin) sind vertretbar keine solchen Umstände zu sehen, die in einer Gesamtsicht zur wesentlichen Beeinträchtigung der Interessen führen. Schrank, AR-Neuerungen

134 Schrank, AR-Neuerungen
Wesentliche Interessenbeeinträchtigung: Einbuße 20%, Erwerbschance binnen 5 Monaten, 2 Kinder? LE-AS Nr.28, § 105 Abs. 3 Z. 2 ArbVG Das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung wesentlicher Interessen ist nur dann erfüllt, wenn die durch die Kündigung bewirkte finanzielle Schlechterstellung ein solches Ausmaß erreicht, dass sie eine fühlbare, ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage zur Folge hat, ohne dass aber eine soziale Notlage oder eine Existenzgefährdung eintreten müsste In die Untersuchung ist nicht nur die Möglichkeit der Erlangung eines neuen einigermaßen gleichwertigen Arbeitsplatzes, sondern vielmehr die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des Arbeit- nehmers und seiner Familienangehörigen einzubeziehen Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. 4. Dass die gegenständliche Kündigung bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung noch nicht zu einer Beeinträchtigung wesentlicher Interessen führte, ist nicht korrekturbedürftig, wenn der im Kündi- gungszeitpunkt mehr als sechseinhalb Jahre beim Dienstgeber beschäftigte Dienstnehmer, der für zwei Kinder sorgepflichtig ist, damit rechnen kann, mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb von fünf Monaten eine seiner letzten Position vergleichbare unselbständige Anstellung mit einer Gehaltseinbuße von ca. 20 % zu finden. OGH , 9 ObA 63/18g OLG Wien , 10 Ra 109/17y-60 Schrank, AR-Neuerungen

135 Schrank, AR-Neuerungen
Personenbedingte Kündigungsgründe: Hohe Krankenstände, Zukunftsprognose, soziale Gestaltungspflicht bei Älteren (1) Nr.24, § 105 Abs. 3 Z. 2 lit. a ArbVG Als personenbezogene Kündigungsgründe können auch Krankenstände herangezogen werden. 2. Dabei ist nicht nur die Dauer der bisherigen Krankenstände zu berücksichtigen, sondern auch die zukünftige Entwicklung der Verhältnisse nach der Kündigung so weit einzubeziehen, als sie mit der angefochtenen Kündigung noch in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. 3. Bei Kündigung wegen überhöhter Krankenstände muss der Arbeitgeber eine Zukunftsprognose über die weitere Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers anstellen Ein verständiger und sorgfältiger AG muss objektiv berechtigt davon ausgehen können, dass Krankenstände in erhöhtem Ausmaß mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft zu erwarten sind Eine ungünstige Prognose kann etwa aus der anhaltend steigenden Zahl der Krankheitstage bei regelmäßigen Krankenständen abgeleitet werden Allerdings sind Krankenstände in der Vergangenheit für die künftige Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers nicht aussagekräftig, wenn die Krankheit überwunden wurde Insoweit sind auch Art und Ursache der Erkrankung für die Zukunftsprognose von Relevanz. 8. Auch im Rahmen der personenbezogenen Kündigungsgründe ist bei der Kündigung älterer und langjährig beschäftigter Arbeitnehmer vom Arbeitgeber die soziale Gestaltungspflicht zu beachten Sie haben Anspruch auf Schonung, weshalb der Arbeitgeber versuchen muss, sie auf einem ihren geminderten Kräften entsprechenden Arbeitsplatz zu verwenden Die soziale Gestaltungspflicht verpflichtet den Arbeitgeber aber nur insoweit zum Anbot freier Arbeitsplätze, als diese der bisherigen Berufspraxis des Arbeitnehmers entsprechen. Dabei muss dem Arbeitnehmer im Rahmen des Zumutbaren Gelegenheit zur Umschulung und Einarbeitung gegeben werden Lediglich für eine ungewöhnliche Möglichkeit der Weiterverwendung im Betrieb muss der Arbeitnehmer selbst initiativ werden und sich um diese Stellen bewerben. Schrank, AR-Neuerungen

136 Schrank, AR-Neuerungen
Personenbedingte Kündigungsgründe: Hohe Krankenstände, Zukunftsprognose, soziale Gestaltungspflicht bei Älteren (2) Nr.24, Hatte ein Arbeitnehmer in einem Jahr 122 Kalendertage Krankenstand und nach einem Wechsel des Arbeitsplatzes und kurzfristiger Besserung im übernächsten Jahr zu weiteren 112 Krankenstandstagen, liegen Krankenstände in einem solchen weit überdurchschnittlichen Ausmaß vor, die auf dem Arbeitsmarkt auch von einem verständigen Arbeitgeber nicht mehr akzeptiert werden Wies der Arbeitnehmer zusätzlich selbst auf bleibende Beeinträchtigungen (der Hebeleistung und der Fingersensibilität) hin, wobei er selbst von einer Besserung dieser Situation weder vor noch nach seiner Operation ausging, musste der Arbeitgeber aufgrund der Entwicklung der vorangehenden Jahre und der Äußerungen des Arbeitnehmers von derartigen Krankenstände auch in Zukunft ausgehen Der Arbeitgeber verletzt seine soziale Gestaltungspflicht nicht, wenn er dem Arbeitnehmer aufgrund seiner Beeinträchtigungen mehrfach der Wechsel des Arbeitsplatzes ermöglichte, ihn auch für Arbeiten einsetzte, deren Bewertung niedriger war als der Lohn, den er erhielt, ihn auch auf eigenen Wunsch in eine andere Abteilung versetzt hatte, es dort nur zu einer vorübergehenden Besserung, dann wieder zu vermehrten Krankenständen kam, er nach der Operation nicht erreichbar war und ein Gesprächstermin von ihm mangels Bereitschaft nicht wahrgenommen wurde Zwar liegt die Behauptungs- und Beweislast für das Nichtvorhandensein anderer Arbeitsplätze grundsätzlich beim Arbeitgeber, doch ist dieser gerade bei krankheitsbedingten Ausfällen, die auf eine allgemeine Minderung des Gesundheitszustands zurückzuführen sind, auch auf eine gewisse Mitwirkung des Arbeitnehmers angewiesen, da nur dieser die eigene Leistungsfähigkeit beurteilen kann. OGH , 9 ObA 137/17p OLG Innsbruck , 15 Ra 55/17a-41, LG Feldkirch , 35 Cga 126/15y-37 Schrank, AR-Neuerungen

137 Schrank, AR-Neuerungen
Personenbedingte Kündigungsgründe: Hohe Krankenstände, Zukunftsprognose (1) Nr.25, § 42 Abs. 2 Z 2 Wr. VBO 1995, § 105 Abs. 3 Z 2 lit. b ArbVG Für überhöhte Krankenstände besteht in Bezug auf deren Häufigkeit und Dauer keine starre Grenze Bei der Annahme überdurchschnittlicher Krankenstände orientiert sich die Rsp an Kranken- ständen, die jährlich sieben Wochen und darüber ausmachen Beim Erfordernis des „längeren Zeitraums“ wird darauf abgestellt, dass sich die über dem Durchschnitt liegenden Krankenstände über mehrere Jahre erstreckten. 4. Kommen solcherart überhöhte Krankenstände als Kündigungsrechtfertigungsgrund in Betracht, so muss der Dienstgeber eine objektive Zukunftsprognose über die weitere Dienstfähigkeit anstellen, die im zeitlichen Zusammenhang mit dem Kündigungszeitpunkt zu erstellen ist. 5. Eine ungünstige Prognose kann etwa aus der anhaltend steigenden Zahl der Krankheitstage bei regelmäßigen Krankenständen oder aus einer objektivierten Verschlechterung des Grundleidens abgeleitet werden Auch darf die Art der Erkrankung samt deren Ursache und die daraus ableitbare gesundheitliche Situation des Dienstneh-mers und Eignung für die Erfüllung der Dienstpflichten in der Zukunft nicht außer Betracht bleiben. 7. Schließlich trägt der für das Vorliegen des Kündigungsgrundes behauptungs- und beweis- pflichtige Dienstgeber das Risiko, dass sich der von ihm angenommene Kündigungsgrund später (im gerichtlichen Verfahren) als nicht berechtigt erweist. Schrank, AR-Neuerungen

138 Schrank, AR-Neuerungen
Personenbedingte Kündigungsgründe: Hohe Krankenstände, Zukunftsprognose (2) Nr.25, Nur wenn die Arbeitnehmerin zum Kündigungszeitpunkt entweder grundsätzlich für ihre Arbeit körperlich ungeeignet oder aufgrund ihres damaligen Gesundheitszustands weiterhin mit überhöhten Krankenständen in der Zukunft zu rechnen war, dann war die Kündigung wegen Verwirklichung des Kündigungsgrundes nach § 42 Abs. 2 Z 2 VBO 1995 berechtigt. 9. Allerdings fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die Annahme, dass die vor Ausspruch der Kündigung – alleine auf Grundlage der vergangenen Krankenstände – erstellte negative Zukunftsprognose zutreffend war, wenn eine solche weder allein aus einer anhaltend steigenden Zahl der Krankheitstage bei regelmäßigen Krankenständen (Reduktion der Krankenstandstage ab dem Jahr 2015) noch aus einer objekti- vierten Verschlechterung der Grundleiden abgeleitet werden kann Kann aber schon nicht beurteilt werden, ob die Arbeitnehmerin – abgestellt auf den Kündi- gungszeitpunkt – aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, ihre Tätigkeit als Kontrollorin (ohne Intensivkontrollen) auszuüben, wenn diese Frage „aufgrund von zwei im Juni 2016 eingeholten Privat- gutachten aus den Fachgebieten der Orthopädie und der Inneren Medizin“ zu bejahen ist, sind die Urteile der Unterinstanzen aufzuheben, zumal wenn auch Feststellungen zu den Behauptungen fehlen, sie habe (auch) ihre Wirbelsäulenbeschwerden zum Kündigungszeitpunkt bereits soweit überwunden gehabt, dass (auch) daraus in Zukunft keine vermehrten Krankenstände mehr zu erwarten wären. OGH , 9 ObA 153/17s Schrank, AR-Neuerungen

139 Schrank, AR-Neuerungen
Verhaltensbedingtes: Unverträglichkeit, persönliche Differ- enzen mit Vorgesetztem, anmaßende Kommunikation etc LE-AS, Nr.16, § 105 Abs. 3 Z. 2 lit. a ArbVG Allgemein reicht es aus, dass die in der Person des Arbeitnehmers gelegenen Umstände die betrieblichen Interessen soweit nachteilig berühren, dass sie bei objektiver Betrachtungsweise einen verständigen Betriebsinhaber zur Kündigung veranlassen würden und die Kündigung als gerechte, dem Sachverhalt adäquate Maßnahme erscheinen lassen Berühren sie die betrieblichen Interessen in erheblichem Maße, überwiegen sie das (wesentliche) Interesse an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses. 3. Die Gründe müssen nicht so gravierend sein, dass sie die Weiterbeschäftigung unzumutbar machen oder gar das Gewicht eines Entlassungsgrundes erreichen, sie müssen aber eine Weiterbeschäftigung doch in erheblichem Ausmaß als nachteilig erscheinen lassen. 4. Derartige personenbezogene Umstände sind etwa eine Unverträglichkeit gegenüber Mitarbei- tern, aber auch Verletzungen in der Ordnung des Betriebs, persönliche Differenzen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber oder die Störung des Betriebsfriedens; ebenso auch der fortgesetzte Gebrauch beleidigender Äußerungen. 5. Machte der AN nach zwei Abmahnungen in einer -Korrespondenz seinem Vorgesetzten – zu dem das Verhältnis bereits angespannt war – Vorhalte über dessen Arbeitsweise und thematisierte er Umstände aus dessen Privatleben, die dieser unpassend und anmaßend empfand, verfasste er auch an den Leiter der Strafabteilung einer Bezirkshauptmannschaft eine inhaltlich unangemessene („mein Ein- druck, dass Sie sich willkürlich über Vorschriften hinwegsetzen bzw. sie nach Ihrem Gutdünken beugen“), obwohl sein Vorgesetzter wiederholt erklärt hatte, dass ein professionelles und seriöses Auftreten für ihn hohe Priorität habe, und überschritt er seine Zuständigkeit, obwohl ihm sein Vorgesetzter mehrfach die Wichtigkeit der Zuständigkeitsregelungen kommuniziert hatte, ist es – unter Bedachtnahme auf die Differen- zen mit seinem Vorgesetzten und dem Fehlen von Anhaltspunkten für eine Bereitschaft zur Verhaltens- änderung – nicht korrekturbedürftig, seine Weiterbeschäftigung in einem so erheblichen Ausmaß als nachteilig anzusehen, dass es die Kündigung rechtfertigt. OGH , 9 ObA 44/18p Schrank, AR-Neuerungen

140 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsbedingte Kündigungsgründe: Soziale Gestaltungs- pflicht: Einsparung bei 10 Mitarbeitern? OGH , 9 ObA 12/18g, LE-AS Nr. 26, § 105 Abs. 3 Z. 2 lit. b ArbVG Eine Kündigung ist durch betriebliche Erfordernisse begründet, wenn sie im Interesse des Betriebs notwendig ist. Bei betrieblicher Rationalisierung ist die Zweckmäßigkeit und Richtigkeit der Maß- nahme grundsätzlich dem wirtschaftlichen Ermessen des Betriebsinhabers vorbehalten. Die konkrete Kündigung muss aber zur Verwirklichung des beabsichtigten Erfolgs geeignet sein Der AG muss sich nur gefallen lassen, dass das Gericht überprüft, ob sie tatsächlich zur Kos- tensenkung führt; ist dies der Fall, ist sie ein zur Zweckerzielung geeignetes Mittel und sachlich begründet. 3. Die Reduktion von Lohnkosten kann grundsätzlich eine geeignete Besserungsmaßnahme sein. 4. Im Rahmen der Prüfung der Betriebsbedingtheit einer Kündigung ist auch die Einhaltung der sozialen Gestaltungspflicht zu überprüfen. Diese verpflichtet den Arbeitgeber zu prüfen, ob noch einschlä- gige Stellen im Betrieb vorhanden sind, die er dem zu kündigenden Arbeitnehmer anbieten muss Bei sozial benachteiligenden Kündigungen muss demnach der AG alle Möglichkeiten zur Wei- terbeschäftigung ausschöpfen, um trotz Rationalisierungsmaßnahmen die bisherigen AN zu beschäftigen Eine Kündigung ist erst dann begründet, wenn im gesamten Betrieb für den AN kein Bedarf mehr gegeben ist und dem AG keine Maßnahme zumutbar ist, die eine Weiterbeschäftigung ermöglicht. 7. Der Arbeitgeber hat alle Umstände zu behaupten und zu beweisen, die für die Annahme des Ausnahmetatbestands der „betrieblichen Erfordernisse“ wesentlich sind. 8. Bei Unternehmen mit ca. 10 Mitarbeitern ist auch die Kündigung eines Arbeitnehmers geeignet, eine nicht unwesentliche Einsparung zu bewirken Wird die in einem solchen Unternehmen verrichtete Arbeit auf die anderen verbleibenden Mit- arbeiter aufgeteilt, gibt es für ihn keine andere geeignete Stelle und können auch alternative Maßnahmen zur Kündigung (Teilzeit, geringerer Lohn) kein vergleichbares Einsparungspotenzial bewirken, liegen betriebs- bedingte Kündigungsgründe vor War in einem solchen Unternehmen eine einzige Dienstnehmerin mit Sekretariatsarbeiten befasst, wurden diese auf die verbleibenden Mitarbeiter aufgeteilt und gab es keine andere geeignete Stelle, die sie hätte ausüben können, und hätte mit möglichen Alternativen (Teilzeitbeschäftigung, geringerer Lohn) das Einsparungspotenzial nicht im selben Ausmaße erreicht werden können, lagen damit betriebsbedingte Gründe für die Kündigung vor, die die Interessen der erst seit ca. 2,5 Jahren im Unternehmen tätigen AN unter Berücksichtigung der Gesamtumstände überwiegen. Schrank, AR-Neuerungen

141 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsbedingte Kündigungsgründe: Angespannte wirtschaftliche Lage? LE-AS Nr.10, § 105 Abs. 3 Z. 2 lit. b ArbVG Im Fall einer betrieblichen Rationalisierung ist die Beurteilung der Zweckmäßigkeit und Richtigkeit der Maßnahmen grundsätzlich dem wirtschaftlichen Ermessen des Betriebsinhabers vorbehalten. 2. Die konkrete Kündigung muss sich aber zur Verwirklichung des beabsichtigten Erfolgs eignen Die Maßnahmen und die jeweils abgeleitete Erforderlichkeit der Kündigung müssen rational nachvollziehbar sein Eine angespannte wirtschaftliche Lage des Unternehmens allein begründet noch kein ausreichendes „betriebliches Erfordernis“ für die Kündigung. 5. Der Arbeitgeber hat im Fall der Kündigungsanfechtung alle Umstände zu behaupten und zu beweisen, die für die Annahme des Ausnahmetatbestands „betrieblicher Erfordernisse“ der Kündigung wesentlich sind. 6. Dazu fehlt ausreichendes Tatsachensubstrat, wenn offen bleibt, ob es sich um einen aussagekräftigen massiven oder nur kurzen saisonalen Umsatzrückgang gehandelt hat. OGH , 9 ObA 51/18t OLG Graz , 6 Ra 63/17g-22 Schrank, AR-Neuerungen

142 Schrank, AR-Neuerungen
Entlassungen Unverzüglichkeit: Äußerung zu aufgeklärtem Sachverhalt? Bargutschrift gegen Retourware an Mitarbeiter OGH , 9 ObA 54/18h, LE-AS Nr.25, § 27 Z. 1 dritter Fall AngG Die Gründe für eine vorzeitige Beendigung müssen bei sonstigem Verlust des Auflösungsrechts unverzüglich nach ihrem Bekanntwerden geltend gemacht werden. 2. Bekannt geworden ist der Entlassungsgrund dem Dienstgeber, sobald ihm die für die Beurteilung des Vorliegens eines Entlassungsgrundes wesentlichen Einzelheiten zur Kenntnis gelangt sind, wobei er die zur Feststellung des Sachverhalts erforderlichen und ihm zumutbaren Erhebungen ohne Verzögerung durchführen muss. Seiner Kenntniserlangung ist jene durch Stellvertreter oder durch ganz oder teilweise mit Personalagenden befassten leitende Angestellte gleichzuhalten. 3. Anerkanntermaßen ist es dem Arbeitgeber zuzubilligen, vor der Entlassung dem Dienstnehmer Gelegenheit zu geben, sich zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern, sei es schriftlich in einer Stellung- nahme, sei es mündlich in einem Gespräch, und so die Entlassung allenfalls noch abzuwenden, sodass in der Eröffnung einer solchen Äußerungsmöglichkeit keine konkludente Verzichtserklärung zu erblicken ist. 4. Ob eine Entlassung rechtzeitig oder verspätet vorgenommen wurde, lässt sich nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilen Erlangt der Personalchef am Donnerstag von einem Vorfall vom Vortag (Mittwoch) Kenntnis, werden Ermittlungen noch am selben Tag aufgenommen (der Personalchef suchte die Filiale auf, versuchte das retournierte Material zum Käufer zurückzuverfolgen und ging es noch am folgenden Tag [Freitag] um die Suche weiterer Vorfälle nach ähnlichem Muster im EDV-System) und am Folgetag (Freitagmittag) abge- schlossen, hält sich die Beurteilung der schließlich erst am Montag in der Früh nach einem Gespräch, um dem Dienstnehmer Gelegenheit zur Äußerung zu den Vorwürfen zu geben, ausgesprochene Entlassung als noch rechtzeitig im Rahmen der Rsp, wenn der Dienstnehmer nach Aufforderung zu einem sofortigen Gespräch telefonisch erklärt hatte, bereits im Wochenende zu sein. 6. Der Vorfall am Mittwoch betraf einen Regionalleiter, der Retourware in eine Filiale brachte und – obgleich eine Anweisung an alle Mitarbeiter die Aushändigung von Bargutschriften an Mitarbeiter verbot und er wegen Verstoßes dagegen bereits einmal verwarnt worden war – Filialmitarbeiter anwies, ihm eine Bargutschrift auszuhändigen. Schrank, AR-Neuerungen

143 Schrank, AR-Neuerungen
Entlassungen: Ungerechtfertigtes Fernbleiben nach kurzer Dienstfreistellung und Nichtreaktion auf Arbeitsbereitschaft? LE-AS Nr.21, § 27 Z. 4 erster Fall AngG Der Entlassungsgrund ungerechtfertigten Fernbleibens setzt auch eine schuldhafte, also entweder vorsätzliche oder zumindest fahrlässige Arbeitsversäumnis voraus Unverschuldeter Irrtum über die Verpflichtung zur Arbeit schließt die Berechtigung zur Entlassung dagegen aus. Kein pflichtwidriges Unterlassen der Dienstleistung liegt daher auch dann vor, wenn der Ange-stellte berechtigter- bzw. in von ihm nicht verschuldeter Weise annehmen durfte, dass seine Arbeitsleistung nicht verlangt wird Konnte der Dienstnehmer das Verhalten des Dienstgebers nur im Sinne eines Verzichts auf weitere Arbeitsleistung deuten, dann darf von ihm auch keine besondere Initiative zur Klärung der Rechtslage verlangt werden. 5. Er kann in diesem Fall vielmehr damit rechnen, dass ihn der DG entweder zur Wiederaufnahme der Arbeit auffordern oder aber das Dienstverhältnis auf die im Gesetz vorgesehene Art beenden werde. 6. Schlug der AG einer Arbeitnehmerin zunächst eine einvernehmliche Auflösung zum Monats- ende mit Dienstfreistellung vor, sprach er, als sie dies zwei Tage später ablehnte, die Kündigung (zum Monatsende) aus und stellte er sie für die folgenden zwei Arbeitstage dienstfrei, reagierte er aber nicht auf ihre schriftliche Mitteilung, arbeitsbereit zu sein, konnte die AN aufgrund des Gesamtverhaltens des AG zumindest berechtigt Zweifel daran haben, dass er an einer weiteren Arbeitsleistung interessiert sei Infolge seiner Nichtreaktion durfte sie auch davon ausgehen, dass er auf die Arbeitsleistung verzichtet. Auch wenn dies unrichtig war, ist die Beurteilung, dass ihr das nicht als schuldhaft vorzuwerfen ist, nicht unvertretbar. OGH , 8 ObA 16/18p OLG Linz , 11 Ra 63/17i-16 Schrank, AR-Neuerungen

144 Schrank, AR-Neuerungen
Entlassungen: Ungerechtfertigtes Fernbleiben: Wiederholte Überziehung der Pausen? LE-AS Nr. 22, § 82 lit. f 1. Fall GewO 1859, § 27 Z Fall AngG, § 11 AZG Der Entlassungstatbestand des § 82 lit. f 1. Fall GewO 1859 ist iSd § 27 Z 4 AngG auszulegen und erfasst jede mit der Verpflichtung, die vereinbarte oder ortsübliche Arbeitszeit einzuhalten, unvereinbare absichtliche Unterbrechung oder länger dauerndes Aufgeben der Arbeit Das Dienstversäumnis muss erheblich sein und eines rechtmäßigen Grundes entbehren; dies ergibt sich schon aus der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung Erheblich ist ein Versäumnis, wenn es nach der Dauer der versäumten Arbeitszeit, nach Maßgabe der Dringlichkeit der zu verrichtenden Arbeit oder aufgrund des Ausmaßes des infolge des Versäumnisses nicht erzielten Arbeitserfolgs oder der sonstigen dadurch eingetretenen betrieblichen Nachteile besondere Bedeutung besitzt Die Erheblichkeit des Arbeitsversäumnisses ist vom Arbeitgeber nachzuweisen. 5. Arbeitspausen können nur dann tatbestandsmäßig sein, wenn sie eine zumindest nicht unerhebliche Zeit andauern und sich auf die übliche Arbeitsleistung auswirken. 6. Bei jahrelang praktizierter Ausdehnung der Mittagspause und einer in der Praxis flexiblen, auch 15 Minuten überschreitenden Handhabung der Pausenzeit durch die Mitarbeiter muss der Arbeitnehmer vor der Entlassung ermahnt worden sein und den Auftrag erhalten haben, von der gegen die Pausenregelung verstoßenden Praxis abzugehen. Ist dies nicht geschehen, hat der Arbeitgeber kein erhebliches Dienstver- säumnis dargetan, das eine Weiterbeschäftigung unzumutbar machte. 7. Verließ der Arbeitnehmer die Baustelle um etwa 12:00 Uhr, um Material vom Geschäftsstandort zu holen, und war er bis 14:00 Uhr noch nicht zur Baustelle zurückgekehrt, ist jedoch offen, ob und wie lange er im Zeitraum seiner Abwesenheit (vom Arbeitsplatz) die Arbeitsleistung pflichtwidrig unterließ, geht diese Unklarheit des Sachverhalts überdies zu Lasten des Arbeitgebers. 8. Steht nur fest, dass der AN die ihm (nach § 11 AZG in der Dauer von 30 Minuten pro Arbeitstag) zustehende Ruhepause einmal um 30 Minuten sowie einmal um acht Minuten überzog, ist dieses Überziehen ohne Verwarnung und striktes Einhalteverlangen für eine berechtigte Entlassung nicht erheblich genug. OGH , 8 ObA 7/18i Schrank, AR-Neuerungen

145 Schrank, AR-Neuerungen
Vertrauensunwürdigkeit: unbefugtes eigenmächtiges Löschen einer wichtigen Datei vom Dienst-PC? LE-AS Nr.118, § 27 Z. 1 letzter Fall AngG Das unbefugte, eigenmächtige Löschen einer im Betrieb ver-wendeten Datei (für die Patientenbetreuung besonders wichtige Behandlungsschema-Vorlage einer Krankenanstalt) vom Dienst- PC des Dienstgebers stellt einen gravierenden Eingriff in die Interessenssphäre des Arbeitgebers dar, der objektiv dessen Befürchtung rechtfertigt, dass seine Interessen und Belange durch den Arbeitnehmer gefährdet seien. 2. Dies insbesondere unter Berücksichtigung des eigennützigen Motivs und der sonstigen Begleitumstände (Verstoß gegen das Verbot, die betreffende Station aufzusuchen). 3. Dass in der Rsp in manchen Aspekten noch gravierendere Vorfälle auch als Entlassungsgrund bestätigt wurden, bedeutet nicht, dass jedes im Vergleich dazu geringfügigere Fehl- verhalten anders zu qualifizieren wäre. OGH , 8 ObA 48/17t OLG Wien , 8 Ra 124/16p-30 Schrank, AR-Neuerungen

146 Schrank, AR-Neuerungen
Entlassung: Eigennützige Marktleiterin (1) Gutscheinverwendung und Brötchenrichtenlassen für private Zwecke? Beweislast für Rechtfertigung bei Fehlverhalten? LE-AS Nr.119, § 27 Z. 1 zweiter und letzter Fall AngG   Der Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit ist nur anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Insbesondere hängt es von diesen ab, ob ein Fehlverhalten objektiv geeignet war, das Vertrauen des AG soweit zu erschüttern, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar ist An das Verhalten von AN in leitender Position wird dabei durchgängig ein strengerer Maßstab angelegt Schädigungsabsicht oder Schadenseintritt ist bei der Vertrauensunwürdigkeit nicht erforderlich; ent- scheidend ist die Vertrauensverwirkung, bei der auch nicht jeder einzelne Vor­fall für sich allein beurteilt und damit das Gesamtergebnis zerpflückt werden darf, sondern das Gesamtbild des Ver­haltens des Arbeitnehmers berücksichtigt werden muss Dabei ist auch die Dauer des Arbeitsverhältnisses zu berück­sichtigen; ein Arbeitnehmer, der sich während eines lang­jährigen Arbeitsverhältnisses immer wohlverhalten hat, darf einen größeren Vertrauensvorschuss erwarten als einer, der sich einer Verfehlung bereits schuldig gemacht hat Zur Relation der Dauer des Arbeitsverhältnisses zur Schwere des Entlassungsgrundes lassen sich aber ebenfalls keine generellen, vom Einzelfall losgelösten Aussagen treffen Das Vorliegen eines Entlassungsgrundes hat der Arbeitgeber zu behaupten und zu beweisen. Schrank, AR-Neuerungen

147 Schrank, AR-Neuerungen
Entlassung: Eigennützige Marktleiterin (2) LE-AS Nr.119,   Der Arbeitnehmer trägt dagegen die Behauptungs- und Beweislast für Gründe, die die – ansonsten gegebene – Berechtigung zur Entlassung aufheben oder ausschließen Hat eine Marktleiterin einen Gutschein eingelöst, obwohl diese Gutscheine von Mitarbeitern nicht für private Einkäufe verwendet werden dürfen, ist ein Fehlverhalten nachgewiesen, für dessen Rechtfertigung (Zuwendung durch einen Vorgesetzten) sie beweispflichtig gewesen wäre Wird dieses Verhalten trotz des geringen Gutscheinwerts in Zusammenhalt mit dem Umstand, dass die Marktleiterin sich von anderen Mitarbeiterinnen regelmäßig (über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren wöchentlich bzw. 14-tägig) 15–20 Brötchen herrichten ließ, dafür nur den Materialwert bezahlte und damit die Arbeitsleistung der Mitarbeiter regelmäßig für private Zwecke nutzte, auch vor dem Hinter- grund der langen Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht mehr als vernachlässigbares Fehlverhalten angesehen, stellt dies keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar Darauf, ob der Dienstnehmerin die Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens etwa aufgrund einer Weisung offenkundig war, kommt es nicht an, es genügt vielmehr, dass ihr diese bei pflichtgemäßer Sorgfalt bewusst werden musste.   OGH , 8 ObA 1/18g OLG Graz , 7 Ra 34/17x-22 Schrank, AR-Neuerungen

148 Schrank, AR-Neuerungen
Beharrliche Pflichtverletzung: Trotz Belehrung Verweigerung steuerlicher Alternativberechnung über Kundenwunsch LE-AS Nr.52, § 27 Z. 4 zweiter Fall AngG   Der Entlassungsgrund des § 27 Z 4 AngG, zweiter Tatbestand, ist verwirklicht, wenn sich der Angestellte beharrlich weigert, seine Dienste zu leisten oder sich den durch den Gegenstand der Dienstleistung gerechtfertigten Anordnungen des Dienstgebers zu fügen Das Vorliegen kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden Weigert sich eine Dienstnehmerin trotz Belehrung durch den Geschäftsführer, die von einem Kunden des Dienstgebers über eine Rechtsanwalt angeforderte steuerliche Berechnung alternativ auch auf Basis einer bestimmten, in einer Fachzeitschrift vertretenen Rechtsauffassung vorzuneh­men, verwirklicht dies vertretbar einen Entlassungsgrund, wenn nicht hervorkam, dass die Anordnung dem Gesetz, einem Kollektivvertrag, einer Betriebsvereinbarung, dem Dienstvertrag oder den guten Sitten widersprochen hätte Geht es lediglich um eine hypothetische Berechnung auf Basis einer anderen Rechtsauffassung und gerade nicht um eine Vertretung oder rechtliche Begutachtung durch die angestellte Steuerberaterin, entfernen sich standesrechtliche Überlegungen vom Sachverhalt Die Beurteilung, die Weigerung sei bereits beharrlich gewesen, ist ebenfalls nicht unvertretbar Gleiches gilt für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.   OGH , 9 ObA 149/17b OLG Wien , 8 Ra 47/17s-19 Schrank, AR-Neuerungen

149 Schrank, AR-Neuerungen
Beharrliche Pflichtverletzungen: Provokanter Alkoholkonsum im Dienst? LE-AS Nr.52, § 45 Abs. 1 Wr VBO Die Beurteilung, ob ein gerechtfertigter Grund für die vorzeitige Auflösung des Dienst- verhältnisses verwirklicht wurde, als auch ob die Auflösung mit der gebotenen Unverzüglichkeit ausgesprochen wurde, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. 2. Der bewusst („provokanten“) vorschriftswidrige Alkoholkonsum während der Dienstzeit, anschließende Versuche, sich vorweg der Befragung zu entziehen und dazu einen Alkoholkonsum zu leugnen, unter Bezichtigung mehrerer Zeugen implizit der Unwahrheit, und das Lenken eines Fahrzeugs in alkoholisiertem Zustand sind vertretbar als ein insgesamt die sofortige Beendigung des Dienstverhält- nisses rechtfertigendes Verhalten zu werten. OGH , 8 ObA 17/18k OLG Wien , 7 Ra 118/17z-44 Schrank, AR-Neuerungen

150 Schrank, AR-Neuerungen
Vorzeitiger Austritt wegen Entgeltvorenthaltung? Geringe Höhe letzlich berechtigter Überstundenforderung LE-AS Nr.5, § 26 Z. 2 AngG, § 82a Abs. 1 lit. d GewO Von einem „ungebührlichen Vorenthalten“ des Entgelts spricht man regelmäßig dann, wenn der Anspruch weder bestritten noch bezweifelt, das Entgelt jedoch bei Eintritt des Fälligkeitstermins nicht oder nicht zur Gänze geleistet wird. 2. Bloß objektive Rechtswidrigkeit, insbesondere wenn über das Bestehen des Anspruchs verschiedene Rechtsmeinungen vertreten werden können und daher der Ausgang eines Rechtsstreits nicht abzusehen ist, genügt nicht. 3. Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber wusste oder infolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht hätte wissen müssen, dass seine Vorgangsweise unrechtmäßig ist. 4. Auch berechtigt nicht jede, sondern nur eine wesentliche Vertragsverletzung zum Austritt, wenn die weitere Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht einmal mehr für die Kündigungsfrist objektiv zugemutet werden kann Wird diese auch bei vorzeitigen Austritten unabdingbare Voraussetzung des Beendigungs- rechts – unter Beachtung der geringen Höhe der letztlich als berechtigt erachteten Überstundenforderung – vertretbarerweise verneint, ist der Austritt ohne wichtigen Grund erfolgt Dies im Anlassfall auch vor dem Hintergrund, dass der AG deshalb keine Arbeitsaufzeich- nungen führte, weil er die AN, die bereits 28 Jahre im Betrieb arbeitete, als „gleichsam zur Familie gehö- rend“ betrachtete und zu ihr großes Vertrauen hatte, sodass man auch nicht genau darauf achtete, wann sie kam und ging; zudem hatte sie bislang die Gehaltsabrechnungen unbeanstandet unterfertigt und konfrontierte sie den AG erstmals mit einer Überstundenforderung (resultierend aus den letzten drei Jahren), unter Ankündigung des Ausstritts bei Nichtbegleichung der Forderung binnen 10 Tagen. OGH , 8 ObA 28/18b OLG Graz , 7 Ra 68/17z-15 Schrank, AR-Neuerungen

151 Schrank, AR-Neuerungen
Kündigungsentschädigung: Zeitausmaß inklusive Kündigungsschutzzeit: Begünstigte Behinderte LE-AS Nr.8, § 8 Abs. 2 BEinstG, § 1158 Abs. 3 ABGB, §§ 21, 29 AngG   Der DN hat im Fall unwirksamer Auflösung bei besonderem Kündigungsschutz das Wahlrecht zwischen Geltendmachung der Unwirksamkeit und einer Kündigungsentschädigung bei rechtswidriger Beendigung Ein derartiges Wahlrecht wird auch dem begünstigten Behinderten eingeräumt Die Rsp wendet in diesem Fall (wegen der Ähnlichkeit zu einem auf Lebenszeit oder für länger als fünf Jahre abgeschlossenen Arbeitsverhältnis) § 1158 Abs. 3 ABGB und § 21 AngG analog an Sie bemisst die Kündigungsentschädigung daher unter Bedachtnahme auf eine Kündigungsfrist von sechs Monaten, sofern nicht aufgrund von Gesetz, Kollektiv- oder Dienstvertrag eine längere Kündi- gungsfrist besteht Auch die Kündigungstermine sind einzuhalten Die Kündigungsentschädigung ist ein Schadenersatzanspruch, der gemäß § 29 AngG in Höhe der vertragsmäßigen Ansprüche auf das Entgelt für jenen Zeitraum gebührt, der bis zur Beendigung durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit oder durch ordnungsgemäße Kündigung durch den Dienstgeber hätte verstreichen müssen Auf eine durch Kollektiv- oder Dienstvertrag längere Kündigungsfrist als sechs Monate oder einen nicht eingehaltenen Kündigungstermin muss sich der Dienstnehmer berufen Ist dies unterblieben, muss der Dienstgeber daher für die Kündigung, deren Wirksamkeit eine begünstigt Behinderte (unter Hinweis auf die ihr zustehende sechsmonatige Kündigungsentschädigung) ausdrücklich akzeptierte, nur eine sechsmonatige Kündigungsentschädigung leisten.   OGH , 9 ObA 51/17s OLG Graz , 7 Ra 66/16d-13 Schrank, AR-Neuerungen

152 Abfertigungs-, Verfalls- und Firmenpensionsfragen
Schrank, AR-Neuerungen

153 Schrank, AR-Neuerungen
Abfertigungsfaktor: Auch bereits abgefertigte Zeiten? Neuabschluss nach Insolvenzaustritt - Zusammenrechnung oder Erwerb einer neuen Abfertigung? LE-AS Nr.14, § 23 Abs. 1 AngG, Art. VII Abs. 3 ArbAbfG Dass eine kurze (16-tägige) Unterbrechung mit Auszahlung der Abfertigung und Sozialver- sicherungsabmeldung das Dienstverhältnis in abfertigungsrechtlicher Hinsicht nicht unterbricht, ist aufgrund ihrer Kürze und der sachlichen Zusammengehörigkeit der Zeiten nicht zweifelhaft. 2. Bereits abgefertigte Zeiten sind jedoch für Entstehen und Höhe eines weiteren Abferti- gungsanspruchs (aus den Folgezeiten) nicht mehr zu berücksichtigen, soweit sie bereits für die gezahlte Abfertigung rechtlich notwendig waren Die Rsp leitet dies aus analoger Anwendung der Übergangs- und Schlussbestimmung Art. VII Abs. 3 ArbAbfG ab. 4. Es kann daher für das „neue“ AV sogar dann, wenn der Abfertigungsanspruch bereits zwölf Monatsentgelte betrug und ausbezahlt wurde, ein weiterer gesicherter Abfertigungsanspruch entstehen Für die Berechnung des neuen Abfertigungsanspruchs sind nur jene Zeiten auszuscheiden, die für den damaligen (bereits ausbezahlten) Abfertigungsanspruch notwendig waren. 6. In dieser Berechnung liegt auch kein „Widerspruch zur Maximalgrenze“ von 12 Monats- entgelten. Dies schon deshalb, weil § 23 AngG – anders als Art. VII Abs. 3 ArbAbfG – keine Aussage zur Bedeutung einer „Zwischenabfertigung“ trifft. 7. War die mit 6 Monatsentgelten abgefertigte Zeit nur knapp über den dafür nötigen 15 Jahren und haben die seither zurückgelegten Zeiten als solche etwas über 25 Jahre erreicht, kürzen daher die früheren 6 Monatsentgelte die nunmehrige „neue“ Abfertigung von 12 Monatsentgelten nicht. OGH , 9 ObA 155/17k Schrank, AR-Neuerungen

154 Schrank, AR-Neuerungen
Abfertigung: Bemessungsgrundlage Überstunden-Geldersatz für offene Zeitguthaben? LE-AS Nr.5, § 23 Abs. 1 AngG, § 19e Abs. 1 AZG War vereinbart, die durchschnittlich im Monat geleisteten Überstunden durch Zeitausgleich abzugelten, kann ein Teil davon aber nicht mehr vor Beendigung ausgeglichen werden, ist der dafür bezahlte Geldersatz in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung, Kündigungsentschädigung und Urlaubsentschädigung nicht einzubeziehen. 2. Derartigen bloß einmaligen Zahlungen mangelt es an den Minimalvoraussetzungen für die Annahme eines regelmäßigen Charakters dieses Bezuges (RIS-Justiz RS ) Es macht auch keinen Unterschied, ob der Geldersatz einmalig am Ende ausbezahlt wird oder ob der Arbeitgeber – gewissermaßen als Vorgriff auf diese Einmalzahlung – über die letzte Zeit der Beschäftigung des Dienstnehmers Teilleistungen auf diesen Anspruch erbringt Anderes könnte nur dann gelten, wenn eine Übereinkunft dahin besteht, vom Ausgleich eines Zeitguthabens durch Zeitausgleich abzugehen und dem Arbeitnehmer die Gutstunden regelmäßig als Überstunden zu entlohnen. 5. Konsumierte der Dienstnehmer üblicherweise die Freizeitguthaben, stimmte er aber nach seiner Kündigung nur dem – projektbezogenen – Vorschlag zu, zu arbeiten und die „verbleibenden Freizeitguthaben“ ausbezahlt zu erhalten und verbrauchte er auch nach dem Ausspruch der Kündigung noch Freizeitguthaben durch Zeitausgleich, lässt sich vertretbar aus der bloßen Einwilligung in diesen projektbezogenen Vorschlag eine generelle Abgehensvereinbarung auch nicht ableiten. OGH , 9 ObA 144/17t OLG Wien , 8 Ra 66/17k-17 Schrank, AR-Neuerungen

155 Schrank, AR-Neuerungen
Abfertigung: Mischberechnungen Voll- und Teilzeit Arbeitszeitherabsetzung über 50: Vereinbarungsgrenzen? LE-AS Nr. 2, § 23 AngG, §§ 14 Abs. 2 und 4, 16 AVRAG § 14 Abs. 4 AVRAG modifiziert die Abfertigungsregeln nach AngG, ArbAbfG und GAngG bei Herabsetzung der Normalarbeitszeit durch Vereinbarung nach § 14 Abs. 2 AVRAG: 2. Hat die Vereinbarung zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits länger als zwei Jahre gedauert, so ist nach § 14 Abs. 4 Satz 2 AVRAG – sofern keine andere Vereinbarung abgeschlossen wird – bei der Berechnung einer zustehenden Abfertigung für die Ermittlung des Monatsentgelts vom Durchschnitt der während der für die Abfertigung maßgeblichen Dienstjahre geleisteten Arbeitszeit auszugehen. 3. Aus § 16 AVRAG folgt, dass eine „andere Vereinbarung“ nur eine für den AN im Vergleich zu der in § 14 Abs. 4 Satz 2 AVRAG angeordneten Durchschnittsbetrachtung günstigere Regel sein kann Eine anlässlich der Herabsetzung der Normalarbeitszeit getroffene Vereinbarung, wonach künftige Abfertigungsansprüche unter Abbedingung einer Durchschnittsbetrachtung aller maßgeblichen Dienstjahre gemäß § 23 AngG nur nach dem jeweiligen (letzten) Teilzeitentgelt auf Basis von 29 Stunden berechnet werden, ist daher unwirksam. OGH , 8 ObA 29/18z OLG Linz , 12 Ra 7/18p12, LG Linz , 9 Cga 74/17b-8 Schrank, AR-Neuerungen

156 Schrank, AR-Neuerungen
Kollektivvertragliche Verfallsklauseln: Beginn der Verfallsfrist? Steht LSD-BG-Verstoß dem Verfall entgegen? LE-AS Nr.28, §§ 879, 1486 ABGB, § 29 LSD-BG, § 19 Pt 2 Arbeiter-KollV holz- und kunststoffverarbeitendes Gewerbe (Kunststoffverarbeitung) Kollektivvertragliche oder einzelvertragliche Ausschlussfristen, die eine Verkürzung der Verjährungsfrist auch für nach dem Gesetz unabdingbare Ansprüche vorsehen, sind nach stRsp zulässig, sofern dadurch die Rechtsverfolgung nicht übermäßig erschwert wird Diese Rechtsansicht gründet darauf, dass zwischen der vertraglichen Unabdingbarkeit eines Anspruchs und der Frist für dessen Geltendmachung zu unterscheiden ist. Verfallsfristen von drei bzw. vier Monaten sind in Kollektivverträgen durchaus üblich und werden akzeptiert Eine Verfallsbestimmung bezweckt, dem Beweisnotstand bei späterer Geltendmachung zu begegnen. Sie soll aber auch für eine möglichst rasche Bereinigung noch offener Ansprüche sorgen Müssen alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit Ausnahme des reinen Lohnanspruchs bei sonstigem Verfall innerhalb von vier Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden, bietet die Regelung für eine Differenzierung nach der Beweisbarkeit keine Anhaltspunkte Beginnt der Lauf der Verfallsfrist ausdrücklich mit der Fälligkeit, liefe eine Interpretation, wonach die Frist „frühestens mit Kenntnis vom Bestehen einer offenen Entgeltforderung“ zu laufen beginne, dem Bereinigungszweck zuwider Eine Sittenwidrigkeit des Verfallseinwands setzt voraus, dass dem Arbeitgeber rechtsmissbräuchliches Verhalten vor­­zuwerfen ist Dieses muss von der Absicht getragen sein, die Anspruchsdurchsetzung durch den Arbeitnehmer zu verhindern oder zumindest ernsthaft zu erschweren Aus einer Verletzung des LSD-BG (Ungehorsams-Verwal­tungsübertretung nach § 29 LSD-BG, Verletzung des Lohndumpingverbots) lässt sich kein Rückschluss auf die (weitere) Wirksamkeit kollektivvertraglicher Verfallsfristen ziehen.   OGH , 9 ObA 136/17s OLG Graz , 7 Ra 29/17i-14 Schrank, AR-Neuerungen

157 Schrank, AR-Neuerungen
Kollektivvertragliche Verfallsklauseln: Unvereinbar mit Lohndumpingverbot? Fehlen einer Gehaltsabrechnung? (1) LE-AS Nr.29, §§ 879, 1486 Z 5 ABGB, § 7i Abs. 3 AVRAG, § 29 Abs. 1 und 4 LSD-BG Pkt. 6 lit.c Angestellten-KollV Hotel- und Gastgewerbe   Nach stRsp ist zwischen der vertraglichen Unabdingbarkeit eines Anspruchs und der Frist für dessen Geltendmachung zu unterscheiden und kann auch bei unabdingbaren Ansprüchen eine kürzere als die dreijährige gesetzliche Verjährungsfrist für die Geltendmachung vereinbart werden An der Zulässigkeit vertraglicher Verfallsfristen hat der OGH unter Auseinandersetzung mit den teilweise kritischen Stim­men in der Literatur ausdrücklich festgehalten Auch das strafbare Lohndumpingverbot vermag an dieser Zulässigkeit nichts zu ändern Das LSD-BG sieht keine Strafbefreiung bei Verjährung oder Verfall des vorenthaltenen Entgelts vor. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall Bei fortgesetzten Entgeltverkürzung liegt nach § 29 Abs. 4 LSD-BG ein Dauerdelikt vor und beginnt die dreijährige Verfolgungsverjährungsfrist erst mit Fälligkeit des Entgelts für den letzten Lohnzahlungs- zeitraum der Unterentlohnung Da die Frist für die Strafbarkeitsverjährung fünf Jahre beträgt, können selbst nach § 1486 Z 5 ABGB bereits verjährte vorenthaltene Entgelte von der Strafbarkeit erfasst werden Kollektivvertragliche Verfallsklauseln widersprechen nicht den von der Strafbestimmung geschützten Mindestentgeltbedingungen, sondern sind selbst Teil der Bestimmungen über das kollektivvertragliche Entgelt, auf welche das Lohndumpingverbot abstellt Vertragliche Verfallsklauseln unterliegen aber der Sittenwidrigkeitsprüfung nach § 879 ABGB und können dieser nicht standhalten, wenn sie die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren Eine viermonatige Verfallsklausel erschwert die Geltendmachung weder in zeitlicher Hinsicht, noch unter dem Gesichtspunkt des nötigen Aufwands übermäßig.  Schrank, AR-Neuerungen

158 Schrank, AR-Neuerungen
Kollektivvertragliche Verfallsklauseln: Fehlen einer Gehaltsabrechnung? (2) LE-AS Nr.29,   Soweit in Entscheidungsleitsätzen mitunter davon die Rede ist, dass die Verfallsfrist erst mit der Aushändigung einer ordnungsgemäßen Lohnabrechnung beginne, betreffen sie kollektivvertragliche Regelungen, die dieses Erfordernis aus­drücklich vorsehen, oder besondere Fallkonstellationen, in denen sich der Dienstnehmer nur durch eine Abrechnung Klarheit über offene Ansprüche verschaffen konnte Lässt der Kollektivvertrag die Frist zur Geltendmachung etwaiger Differenzen nicht erst mit der Über- gabe der verpflichtenden Gehaltsabrechnung beginnen, sondern unabhängig davon mit der Fälligkeit, könn- te die Verletzung der Abrechnungspflicht den Beginn der Verfallsfrist nur hemmen, wenn nicht oder nur schwer beurteilbar ist, ob für eine bestimmte Periode noch Entgeltansprüche offen sind Auf die Bestimmbarkeit der Höhe des Rückstands kommt es nicht an, weil Pkt 6 lit. c KV keine Bezifferung verlangt Für die rechtzeitige Geltendmachung reicht es bereits aus, wenn der Arbeitgeber aus der Einmahnung erkennen kann, welche Ansprüche der Art und Periode nach gemeint sind Haben die offenen Beträge nur das laufende Monatsgehalt betroffen, hat das Fehlen einer Gehalts- abrechnung zu keiner Vereitelung oder Erschwerung der rechtzeitigen Geltendmachung der kollektiv- vertraglichen Mindestgehälter geführt, sodass das Ergebnis des Verfalls zu billigen ist.   OGH , 8 ObS 9/17g OLG Graz , 7 Rs 24/17d-15, LG Leoben , 21 Cgs 162/16w-11 Schrank, AR-Neuerungen

159 Schrank, AR-Neuerungen
Berufung auf Verfall trotz Verstoß gegen KollV zulässig? LE-AS Nr.30, § 879 ABGB Ein allgemeiner Rechtssatz, dass sich der AG immer dann nicht auf die Verfallsklausel aus einem Kollektivvertrag berufen könne, wenn er selbst gegen kollektivvertragliche Bestimmungen verstoßen habe (z.B. seiner KollV-Verpflichtung zur monatlichen Lohnabrechnung), ist dem Gesetz nach stRsp fremd. 2. Die Berufung auf eine für sich allein betrachtet noch nicht sittenwidrige Verfallsklausel kann lediglich unter gewissen weiteren Umständen sittenwidrig sein: 3. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die rechtzeitige Geltend- machung eines Anspruchs in einer Art und Weise erschwert oder praktisch unmöglich macht, die die spätere Berufung auf die Verfallsklausel als rechtsmissbräuchlich erscheinen lässt Für diesen Einwand trifft den Arbeitnehmer die Behauptungs- und Beweislast Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt auch vor, wenn es der Arbeitgeber geradezu darauf anlegt, die (rechtzeitige) Anspruchsdurchsetzung zu verhindern Dazu müsste aber ein bewusstes rechtsmissbräuchliches Verhalten von der Absicht getragen sein, die Anspruchsdurchsetzung durch den AN zu verhindern oder zumindest ernsthaft zu erschweren. 7. Auch der Rsp, es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn es der Arbeitgeber beharrlich unterlassen hat, dem Arbeitnehmer eine ordnungsgemäße Lohnabrechnung im Sinn des Kollektivvertrags auszufolgen, liegt zugrunde, dass der Arbeitgeber durch sein Verhalten die Geltendmachung der Ansprüche erschwert oder praktisch unmöglich macht Auch dort, wo der KollV den Beginn der Verfallsfrist nicht auf eine ordnungsgemäße Lohnab- rechnung, sondern auf die Beendigung des DV abstellt, ist zu behaupten und zu beweisen, dass ihm der AG die rechtzeitige Geltendmachung eines Anspruchs erschwert oder praktisch unmöglich machte. 9. Ob ein Verhalten des Arbeitgebers als gegen Treu und Glauben verstoßend anzusehen ist, kann aber immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. OGH , 8 ObA 35/18g Schrank, AR-Neuerungen

160 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsübergangsbedingter Pensionskassensystemwechsel – Abfindung nach „Wegfall“ der bisherigen Pensionszusage? (1) LE-AS Nr.3, § 5 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 AVRAG, §§ 5 Abs. 2 und 7 Abs. 3 BPG, Art. 3 Abs. 3 Betriebsübergangs-RL (RL 2001/23/EG), KollV Bord („OS KV Bord 2008“) und Pkt. 10. (63) ZusatzkollV 2 („KV-alt“) § 5 Abs. 2 AVRAG ist nicht auf den Wegfall einer individualrechtlichen Pensionszusage einge- schränkt, sondern erfasst generell den Wegfall „der“ betrieblichen Pensionszusage, sohin auch infolge Be- triebsübergangs, insb. infolge KollV-Wechsels oder -wegfalls oder durch Wegfall der Betriebsvereinbarung. 2. Wegfall „der“ betrieblichen Pensionszusage meint nicht irgendeine, sondern die nicht übernommene Pensionszusage des Veräußerers. 3. § 5 Abs. 3 AVRAG normiert ausdrücklich einen Auszahlungsanspruch des Arbeitnehmers und steht einer zwingenden Einbringung in das System des Erwerbers entgegen. 4. Eine Differenzrechnung wird nicht angeordnet. 5. Dem AN steht es nach § 5 Abs. 3 AVRAG frei, über die Abfindung iSd BPG zu verfügen Er kann daher den Unverfallbarkeitsbetrag ua in die Pensionskasse, eine Einrichtung iSd § 5 Z 4 PKG, eine betriebliche Kollektivversicherung oder eine Gruppenrentenversicherung eines neuen Arbeit- gebers übertragen (Verwendungsoption) Lehnt der Erwerber den Eintritt in eine betriebliche Pensionszusage ab, entsprechen die Rechtsfolgen einer Teilkündigung des Dienstverhältnisses durch den Erwerber. 8. Der Erwerb weiterer Anwartschaften in dieser Pensionszusage endet Der Arbeitnehmer beginnt ab dem Übergangsstichtag neu mit dem Erwerb von Anwartschaften nach den dortigen Regeln Wird das Dienstverhältnis durch Kündigung beendet, treten hinsichtlich der betrieblichen Pensionszusage jene Konsequenzen ein, die sich aus den Regelungen des BPG (bei pensionskassen- finanzierter kollektivvertraglicher Pensionszusage konkret § 5 BPG) ergeben Der Arbeitnehmer hat diesfalls Anspruch auf den Unverfallbarkeitsbetrag, den er in mehreren Varianten veranlagen oder sich abfinden lassen kann Sein Verfügungsrecht ist aber davon unabhängig, ob ihm in einem nachfolgenden neuen DV wieder eine betriebliche Pensionszusage gewährt wird und ob diese günstiger oder weniger günstig ist. Schrank, AR-Neuerungen

161 Schrank, AR-Neuerungen
Betriebsübergang: Pensionskassensystemwechsel – (2) LE-AS Nr.3, Der Unverfallbarkeitsbetrag repräsentiert aber nur den pro rata temporis ausfinanzierten Wert einer beitragsorientierten Pensionszusage Der versicherungsmathematische Barwert einer (bedingt) leistungsorientierten Pensionszusage (wie im Anlassfall), ist idR höher als das angesparte Kapital, weil der ehemalige Dienstgeber zu Nach- schüssen verpflichtet ist, wenn es die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen erfordert Dem entsprechend ordnet § 5 Abs. 2 AVRAG für leistungsorientierte Pensionszusagen, direkte Leistungszusagen und leistungsorientierte Versicherungsverträge die Berechnung der Abfindung nach dem Teilwertverfahren und den für die Bildung der Rückstellung geltenden Grundsätzen an Mit dieser Abfindung erhält der Arbeitnehmer – iSd Interessenwahrungsprinzips der Betriebsübergangs-RL– den bis zum Übergangsstichtag berechneten anteiligen Wert der infolge betriebsübergangsbedingter Teilkündigung beendeten leistungsorientierten Pensionszusage Diese Abfindung weist keine Überschneidung mit künftigen Ansprüchen aus einer Pensions- zusage des Erwerbers auf Vom errechneten Teilwert der beitragsorientierten Pensionszusage ist der sich nach den PK- Rechnungsvorschriften ergebende Unverfallbarkeitsbetrag, der einen Anspruch gegenüber der Pensionskasse begründet, abzuziehen Dabei ist die in Art. 3 Abs. 3 Betriebsübergangs-RL normierte Ausnahme vom zwingenden Rechtsübergang nach der Rsp des EuGH eng auszulegen Es sind nur solche Leistungen als Leistungen bei Alter anzusehen, die von dem Zeitpunkt an gezahlt werden, zu dem der AN das normale Ende seiner beruflichen Laufbahn erreicht Verpflichtungen, die mit der Gewährung eines vorzeitigen Ruhestands zusammenhängen und sich aus einem Arbeitsvertrag, Arbeitsverhältnis oder einem für den Veräußerer verbindlichen KollV ergeben (hier: die im Zusatzkollektivvertrag 2 geregelte Vorpension bei Dienstgeberkündigung) gehen unter den in Art. 3 Abs. 1 BÜ-RL festgelegten Voraussetzungen zwingend auf den Erwerber über Diese Leistungsanwartschaften sind bei der Teilwertberechnung auszuscheiden. OGH , 8 ObA 73/16t OLG Wien , 8 Ra 49/16h-11, ASG Wien , 2 Cga 63/16w-7 Schrank, AR-Neuerungen

162 Schrank, AR-Neuerungen
Pensionskassenregelungen: Sonderdotierung zugunsten aktiver, nicht auch ausgeschiedener Mitarbeiter? LE-AS Nr.1, § 18 Abs. 1 und 2 BPG Nach § 18 Abs. 1 und 2 BPG hat der Arbeitgeber den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz einzuhalten. § 18 BPG wird als Ausformulierung des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungs- grundsatzes verstanden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz schließt nicht aus, unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Leistungen zu gewähren, wenn sie nur in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen Pensionierte DN gehören nicht mehr zur Belegschaft und werden nicht mehr vom Betriebsrat vertreten Betriebsvereinbarungen können deshalb für zum Abschlusszeitpunkt bereits aus dem Betrieb ausge- schiedene Arbeitnehmer idR weder Rechte begründen noch abändern. Der Arbeitgeber könnte sich daher mangels Regelungskompetenz des Betriebsrats durch Betriebsvereinbarung nicht wirksam zu einer Leistung eines Sonderbeitrags für bereits ausgeschiedene, gegenüber der Pensionskasse leistungs- berechtigte Arbeitnehmer verpflichten Das gilt auch, wenn das DV bei Abschluss der Betriebsvereinbarung gerade noch aufrecht war Auch hindert der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht daran, in zeitlicher Hinsicht bei Leistungen zu differenzieren Liegt der Behandlung der Bessergestellten ein erkennbares und generalisierbares Prinzip zugrunde, besteht keine Verpflichtung des Dienstgebers, die zugunsten der Anwartschaftsberechtigten vereinbarte Sonderleistung auch den ausgeschiedenen Dienstnehmern und jenen, die nicht die in der Betriebsver- einbarung normierten Stichtagsvoraussetzungen erfüllen, zu gewähren Dass eine einmalige Sonderdotierung zur Deckungsrückstellung nur für zu einem bestimmten Stichtag aktive Arbeitnehmer keine unsachliche Ungleichbehandlung darstellt, ist nicht korrekturbedürftig Auch hat der Betriebsrat mit dem Verzicht auf die Mindestbeteiligung keine Regelung zu Lasten der bereits Leistungsberechtigten getroffen Da der ausgeschiedene AN nicht in den zwischen Betriebsinhaber und BR wirkenden schuld­recht­lichen Teil der PK-Betriebsvereinbarung eintritt, steht ihm kein schuldrechtlicher Anspruch auf bestimmte Beteili- gungsverhältnisse an der PK zu. Eine Verschlechterung der Rechtsposition ist daraus nicht ersichtlich. OGH , 8 ObA 29/17y Schrank, AR-Neuerungen

163 Schrank, AR-Neuerungen
PK-Regelungen: Notwendiges Vertragsmuster: Genügt bei betriebsverfassungsrechtlich leitenden Angestellten einzelvertraglicher Verweis auf BV? LE-AS Nr.4, § 3 Abs. 2 BPG Eine Einzelvereinbarung – mit der die Regelungen einer Betriebsvereinbarung parallel auch für den Arbeitnehmer gelten sollten – erfüllt mit dem Verweis auf eine Auslagerungs-Betriebsvereinbarung die Mindestvoraussetzungen einer Grundlagenvereinbarung gemäß § 3 Abs. 2 BPG Eine Vertragsgestaltung mit Verweistechnik entspricht nämlich grundsätzlich den Vorgaben des § 3 Abs. 2 BPG. 3. Auch nach hA kann eine im Betrieb geltende Betriebsvereinbarung als Vertragsmuster herangezogen werden. 4. Eine entsprechende Individualvereinbarung kann selbst dann Inhalt des Einzelarbeitsvertrags werden, wenn Angebot und Annahme zumindest konkludent erfolgen Die Bezugnahme auf eine Auslagerungs-Betriebsvereinbarung entspricht auch dem Zweck der Regelung, dass alle AN eines Betriebs unabhängig von einer Vertretung durch den Betriebsrat oder der Gel- tung eines KollV gleichmäßig in den Genuss einer betrieblichen Pensionszusage kommen können sollen Dies stellt in besonderer Weise die Einhaltung des Gleichbehandlungsgebots sicher. 7. Gilt eine Auslagerungs-Betriebsvereinbarung infolge wirksamen individualvertraglichen Verweises für den AN, so ist die Frage seiner Position als leitender Angestellter nicht relevant. OGH , 9 ObA 96/17h OLG Wien , 8 Ra 76/16d-36 Schrank, AR-Neuerungen

164 Schrank, AR-Neuerungen
Firmenpensionen: Widerrufsvorbehalte Kürzung Direktpension wg. verschlechterter Wirtschaftslage? LE-AS Nr.7, §§ 863, 914 ABGB Eine Pensionsvereinbarung ist ein entgeltliches Geschäft, bei welchem der Arbeitnehmer vorgeleistet hat Bei Auslegung der Pensionszusage ist die Formulierung maßgeblich, wie diese unter Beachtung der Übung des redlichen Verkehrs zu verstehen ist. Maßgebend ist dabei nicht nur der Wortlaut, sondern wie die Erklärung inhaltlich verstanden und gehandhabt wurde An die einen Eingriff in Pensionsleistungen rechtfertigenden Sachverhalte ist generell ein strenger Maßstab anzulegen. Widerrufsvorbehalte sind daher immer eng auszulegen. 4. Wird in einer Widerrufsklausel auf die wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft abgestellt, sodass die Aufrechterhaltung der zugesagten Pensionen eine Gefährdung des Weiterbestands der Gesellschaft zur Folge hätte, sind für die ex ante abzugebende Fortbestandsprognose stets die konkreten Verhältnisse von Bedeutung. 5. Die Auslegung der in einer Widerrufsklausel enthaltene Formulierung „Gefährdung des Weiterbestands der Firma“, dass diese Erhalt der operativen Tätigkeit des Unternehmens meint und daher nicht die Verwaltung des Kapitals im Wesentlichen zur Zahlung der Pensionen umfasst, ist vertretbar. 6. Ergeben sich die „Verluste“ daraus, dass sich die Pensionsrückstellungen wegen der Zinssätze erhöht haben und ist aus den Cash-Flow-Berechnungen abzuleiten, dass die Arbeitgeberin über ausreichen- de liquide Mittel verfügt, um auch in künftig ihre Verpflichtungen erfüllen zu können, ist die Rechtsauffas- sung, es sei auch keine Gefährdung des auf Verwaltung des verbliebenen Vermögens ausgerichteten Unternehmens nachgewiesen, nicht korrekturbedürftig. OGH , 9 ObA 128/17i OLG Graz , 6 Ra 21/17f-29 Schrank, AR-Neuerungen

165 Sozialrechtliches: Ausgewählte Leistungsfragen
Schrank, AR-Neuerungen

166 Schrank, AR-Neuerungen
Wochengeldhöhe: Gewinnausschüttungs-Prämie laufendes Entgelt der Sonderzahlung? Rückforderung? (1) LE-AS Nr.11, §§ 49 Abs. 1 und 2, 54, 107 Abs Fall, 162 Abs. 3 und 4 ASVG Das Wochengeld gebührt in der Höhe des auf den Kalendertag entfallenden Teils des durchschnittlichen in den letzten drei Kalendermonaten vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft gebührenden Arbeitsverdienstes, vermindert um die gesetzlichen Abzüge. 2. Arbeitsverdienst ist jeder Geld- und Sachbezug, der im Beobachtungszeitraum von drei Monaten zusteht, unabhängig von der beitrags- oder abgabenrechtlichen Behandlung. 3. Sonderzahlungen sind jedoch lediglich in der Weise zu berücksichtigen, dass der Nettoarbeits- verdienst um einen durch die Satzung der VTräger allgemein festzusetzenden Hundertsatz erhöht wird. 4. Sie sind nach § 54 ASVG daher in obige Arbeitsverdienstbemessung nicht einzubeziehen Sonderzahlungen sind Entgelt, das in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen (idR ein Monat) gewährt wird, wie zum Beispiel der 13. und 14. Monatsgehalt, Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Gewinnanteile oder Bilanzgeld Unter Sonderzahlungen iSd § 49 Abs. 2 ASVG sind verpflichtende oder freiwillige Zuwendungen zu verstehen, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit in bestimmten, über die Beitragszeiträume hinausgehenden Zeitabschnitten wiederkehren, wobei die Regelmäßigkeit der Leistungen im Wesentlichen aus der Dienstgeberzusage oder aus dem tatsächlichen Ablauf der Ereignisse zu beurteilen ist Diese Rechtsprechung steht im Einklang mit der Judikatur des VwGH zur Abgrenzung von Entgelt nach § 49 Abs. 1 ASVG und Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 ASVG Maßgeblich ist nicht nur die Gewährung der Zuwendung in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen, sondern auch, ob diese Zuwendungen mit einer gewissen Regelmäßigkeit in bestimmten, über die Beitragszeiträume hinausreichenden Zeitabschnitten wiederkehrt. Schrank, AR-Neuerungen

167 Schrank, AR-Neuerungen
Wochengeldhöhe: Gewinnausschüttungs-Prämie? (2) LE-AS Nr.11, Umsatzprovisionen sind demnach keine Sonderzahlungen, weil sie bereits mit dem Entstehen des Umsatzes laufend anfallen und daher laufendes Entgelt darstellen; dies auch wenn sie nur jährlich im Nachhinein abgerechnet werden Eine jährlich ausbezahlte (leistungs- bzw. umsatzabhängige) Prämie kann demgegenüber eine Sonderzahlung darstellen. Dies ist bei einer Gesellschafterprämie der Fall, die erst beurteilt und bestimmt werden kann, wenn der Arbeitseinsatz aller Gesellschafter nach Ablauf eines Jahres feststeht und der Anspruch mangels Bezifferbarkeit zu keinem früheren Zeitpunkt entstanden sein kann In diesen Fällen ist nicht von einer Umsatzprämie bzw. Umsatzprovision auszugehen Die „beitragssteuerliche“ Qualifikation ist nicht maßgeblich Nach stRsp ist der Rückforderungstatbestand des § 107 Abs Fall ASVG erfüllt, wenn dem Leistungsempfänger bei einer ihm zumutbaren Aufmerksamkeit auffallen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte 15. Dabei dürfen weder der Grad der pflichtgemäßen Aufmerksamkeit überspannt noch überdurchschnittliche geistige Fähigkeiten verlangt werden Denkbar ist auch, dass bereits die Gewährungsentscheidung materiell unrichtig ist und diese Unrichtigkeit dem Leistungsempfänger auffallen musste Das Vorliegen des Rückforderungstatbestands kann nur im Einzelfall beantwortet werden Ist die Versicherte Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin, hätte sie erkennen müssen, dass ihr täglicher Wochengeldanspruch nur deshalb so hoch war, weil die für das gesamte Jahr gebührende „Prämie“ einbezogen worden war, obwohl in das Jahr nur zwei Monate nach § 162 Abs. 3 ASVG fielen Auch bei ihrem Rechtsstandpunkt, die „Prämie“ sei laufendes Entgelt, wäre nur eine monatsaliquote Berücksichtigung in Frage gekommen. Dies hätte ihr auffallen müssen. OGH , 10 ObS 84/17a OLG Graz , 6 Rs 6/17z-14 Schrank, AR-Neuerungen

168 Schrank, AR-Neuerungen
Wochengeldhöhe: „Mischberechnung“ statt „fixer Höhe bei KBG-Bezugs- und Beschäftigungszeiten? (1) LE-AS Nr.14, §§ 122 Abs. 3, 162 Abs. 3, Abs. 3a Z 2 und Z. 3 ASVG (idF vor BGBl I 2016/53) Ist der Versicherungsfall der zweiten Mutterschaft nach dem Ende der Pflichtversicherung eingetreten, lag aber der Beginn der 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalles noch im Zeitraum des Bestehens einer Pflichtversicherung, dann leitet sich der Anspruch auf Wochengeld für das zweite Kind aus § 122 Abs. 3 ASVG ab In einem solchen Fall umfasst der Beobachtungszeitraum die letzten drei Kalendermonate vor dem Ende der Pflichtversicherung (des Beschäftigungsverhältnisses). 3. Gemäß § 162 Abs. 3 ASVG gebührt das Wochengeld in der Höhe des auf den Kalendertag ent- fallenden Teiles des durchschnittlichen in den letzten 13 Wochen bzw. in den letzten drei Kalendermonaten vor dem Eintritt des Versicherungsfalles gebührenden Arbeitsverdienstes vermindert um die gesetzlichen Abzüge; die auf diesen Zeitraum entfallenden Sonderzahlungen sind nach Maßgabe des Abs. 4 zu berück- sichtigen. 4. Als Arbeitsverdienst sind grundsätzlich keine Geldleistungen nach dem KBGG zu verstehen. 5. § 162 Abs. 3 Satz 4 ASVG sieht jedoch eine Sonderregelung dahin vor, dass dann, wenn in den für die Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes maßgebenden Zeitraum auch Zeiten des Bezugs einer Leistung nach dem KBGG fallen, für diese Zeiten als Arbeitsverdienst jenes Wochengeld gilt, das aufgrund des § 162 Abs. 3a Z 2 ASVG (somit den Bezieherinnen von pauschalem Kinderbetreuungsgeld) gebührt hätte. 6. Beim fehlenden Verweis auch auf § 162 Abs. 3a Z 3 ASVG handelt es sich um eine planwidrige Gesetzeslücke. Diese ist dadurch zu schließen, dass in § 162 Abs. 3 vierter Satz ASVG auch ein Verweis auf § 162 Abs. 3a Z 3 ASVG hineinzulesen ist, der die Bezieherinnen einkommensersetzenden Kinder- betreuungsgelds betrifft. Schrank, AR-Neuerungen

169 Schrank, AR-Neuerungen
Wochengeldhöhe: „Mischberechnung“ statt „fixer Höhe bei KBG-Bezugs- und Beschäftigungszeiten? (2) LE-AS Nr.14, Nach § 162 Abs. 3a Z 2 und 3 ASVG gilt (für Versicherungsfälle vor dem ) abweichend von Abs. 3 für diese Zeiten als Arbeitsverdienst bei pauschalem Kinderbetreuungs-geld das um 80 % er- höhte pauschale Kinderbetreuungsgeld bei der längsten Bezugsvariante und bei einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld in der Höhe des jeweiligen um 25 % erhöhten Kinderbetreuungsgeldes, das bei Eintritt des Versicherungsfalles der Mutterschaft während des Leistungs-bezugs gebührt hätte. 8. Diese Bestimmungen sind so zu verstehen, dass das Wochengeld in der „fixen“ Höhe des § 162 Abs. 3a ASVG (in der um den jeweiligen Prozentsatz angehobenen Kinderbetreuungsgeldhöhe) nur dann gebührt, wenn der zugrundeliegende Versicherungsfall noch während des Bezugs von Kinder- betreuungsgeld eingetreten ist Andernfalls richtet sich die Wochengeldhöhe nach der Berechnungsmethode des § 162 Abs. 3 ASVG; dann ist das im Beobachtungszeitraum bezogene Kinderbetreuungsgeld nur Teil der Bemessungsgrundlage Ist der neuerliche Versicherungsfall der Mutterschaft nicht während des Bezugs des Kinder- betreuungsgeldes eingetreten, da der Bezug für das erste Kind bereits geendet hat, der Versicherungsfall der (neuerlichen) Mutterschaft aber erst danach eintrat, ist die Höhe des Wochengeldes daher nicht in der „fixen“ Höhe des um 80 % bzw. 25 % erhöhten täglichen Kinderbetreuungsgeldes zu bemessen, sondern in Form einer „Mischberechnung“, die dann vorzunehmen ist, wenn im Beobachtungszeitraum neben Zeiten des Bezugs von Arbeitsverdienst auch Zeiten des Bezugs einer Leistung nach dem KBGG vorliegen. OGH , 10 ObS 29/18i Schrank, AR-Neuerungen

170 Schrank, AR-Neuerungen
Erwerbeinkommensersetzendes KBG trotz Beihilfen AMSG? LE-AS Nr.31, § 24 Abs. 1 Z 2 KBGG, § 15 MSchG, §§ 25, 29, 34 Abs. 1 AMSG, §§ 26, 26a AlVG AMSG-Beihilfen zur Deckung des Lebensunterhalts nach § 25 Abs. 1 AMSG und pauschalierte Kursnebenkosten stehen infolge unumgänglicher teleologischer Reduktion des Gesetzeswortlauts, um die sachlich erforderlichen Differenzierungen zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen vorzunehmen, dem Bezug erwerbseinkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes nicht entgegen. 2. Sie stellen keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung iSd § 24 Abs. 1 Z 2 KBGG dar Dass die „Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts“ eher mit der der Arbeitslosigkeit entsprechenden Situation beim Bezug von Weiterbildungsgeld vergleichbar (als mit jener beim Bezug von Bildungsteilzeitgeld) vergleichbar sei, setzt sich darüber hinweg, dass nach der eigenen Systematik des KBGG die in Anspruch genommene Karenzzeit nach dem MSchG der tatsächlichen Ausübung einer kranken- und pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleich-zustellen ist (§ 24 Abs. 2 KBGG). 4. Nach dem AlVG umfassen dessen Geldleistungen zwei Gruppen: (1) Leistungen bei Arbeits- losigkeit und an Arbeitslose sowie (2) arbeitsmarktpolitische Leistungen während eines aufrechten DV (ua Weiterbildungs-, Bildungsteilzeitgeld und Altersteilzeitgeld). 5. Die Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts sowie die Beihilfe zu den pauschalierten Kursnebenkosten ist nicht im AlVG genannt, sondern im AMSG. 6. Nach der Rsp zum Bildungsteilzeitgeld ist § 24 Abs. 1 Z 2 2. HS KBGG teleologisch dahin zu reduzieren, dass dieses den Bezug von Kinderbetreuungsgeld nicht hindert Es handelt sich um arbeitsmarktpolitische Leistungen und nicht um solche bei Arbeitslosigkeit Der Zweck, arbeitslos gewesene Eltern vom Bezug auszu-schließen, trifft mangels Arbeitslosigkeit auf das Bildungsteilzeitgeld nicht zu Keine teleologische Reduktion erfolgt nach der Rsp hingegen im Fall einer Bildungskarenz und Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgelts nach § 11 AVRAG Diesfalls liegt zwar keine Arbeitslosigkeit im rechtlichen Sinn vor, jedoch eine de-facto- Arbeitslosigkeit, weshalb der Bezug von Weiterbildungsgeld einkommensabhängiges KBG ausschließt Nach der Systematik des KBGG ist eine Karenz nach MSchG der tatsächlichen Ausübung einer kranken- und pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichzustellen, weshalb sie keinen mangelnden Konnex zu einer laufenden Erwerbstätigkeit begründen könnte. OGH , 10 ObS 89/17m Schrank, AR-Neuerungen

171 Schrank, AR-Neuerungen
Erwerbeinkommensersetzendes KBG: Unbezahlter Urlaub am Ende des Beobachtungszeitraums? LE-AS Nr.36, § 24 Abs. 1 Z. 2, Abs. 2 Satz 2 KBGG (idF BGBl I 2013/117) Für den Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld ist eine durchgehende in Österreich sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit in den sechs Monaten unmittelbar vor der Geburt bzw. vor dem Beginn des Beschäftigungsverbots erforderlich. 2. Geringfügige Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit – das sind solche bis zu 14 Tagen – sind aber zur Vermeidung von Härtefällen nicht anspruchsschädlich. 3. Nach stRsp ist auch das Nichtbestehen einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit am Ende des sechsmonatigen Beobachtungszeitraums eine den Anspruch nicht hindernde „Unterbrechung“ im Sinn des Gesetzes Es muss sich dabei um eine bloß vorübergehende „Unterbrechung“ handeln. 5. Demnach ist eine Unterbrechung auch dann nicht schädlich, wenn der sechsmonatige Beobachtungszeitraum während oder mit einer Unterbrechung endet. 6. Ist die Erwerbstätigkeit im 6-monatigen Beobachtungszeitraum vor der Geburt durch den Wegfall der Pflichtversicherung infolge Konsumierung eines unbezahlten Urlaubs unterbrochen, steht dies dem Kinderbetreuungsgeld nicht entgegen, wenn im Beobachtungszeitraum nur eine weniger als 14 Kalendertage dauernde „Unterbrechung“ vorliegt, weil die außerhalb des Beobachtungszeitraums (nach der Geburt) gelegenen Zeiten des unbezahlten Urlaubs nicht zu berücksichtigen sind. 7. Auch macht es auch keinen Unterschied, ob der 6-monatige Beobachtungszeitraum mit dem (individuellen) Beschäftigungsverbot vor der Geburt und nicht mit der Geburt. OGH , 10 ObS 25/18a OLG Wien , 8 Rs 78/17z-17 Schrank, AR-Neuerungen

172 Schrank, AR-Neuerungen
Erwerbeinkommensersetzendes KBG: Durchgehende sechsmonatige Beschäftigung - Beendigung und UE? LE-AS Nr.37, § 24 Abs. 1 Z. 2, Abs. 2 KBGG, § 11 Abs. 2 ASVG, § 10 UrlG Das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens soll nur vor der Geburt tatsächlich erwerbstätigen Eltern offenstehen. 2. Dass die Urlaubsersatzleistung einen während des Arbeitsverhältnisses nicht verbrauchten Urlaub abgelten soll und die Pflichtversicherung für die Zeit des Bezugs einer Ersatzleistung für Urlaubsentgelt weiter besteht, ändert nichts daran, dass dieser Anspruch gemäß § 10 UrlG die vorherige und hier auch erfolgte Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit der Erwerbstätigkeit voraussetzt. 3. Eine „tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen (kranken- und pensionsversicherungspflichtigen) Erwerbstätigkeit“ liegt während des Bezugs einer Urlaubsersatzleistung schon nach dem Wortlaut des § 10 UrlG nicht vor. 4. Mangels grenzüberschreitenden Sachverhalts wird mit dem Argument, aus Art. 1 lit. a VO (EG) Nr 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ergebe sich hinsichtlich der Prioritäts- regeln beim Zusammentreffen von Familienleistungen, dass es sich beim Zeitraum des Bezugs einer Urlaubsersatzleistung um eine „Beschäftigung“ iSd § 24 Abs. 2 KBGG handle, wird daher keine Korrekturbedürftigkeit aufgezeigt. 5. Beendete die Versicherte im Zeitraum 6 Monate vor Beginn des Beschäftigungsverbots ihre Erwerbstätigkeit (ihr Arbeitsverhältnis) einvernehmlich und nahm sie eine neue Erwerbstätigkeit (ein neues Arbeitsverhältnis) erst wieder nach etwa einem Monat auf und bezog sie im Zeitraum ihrer Arbeitslosigkeit Urlaubsersatzleistung Dauert bereits der Zeitraum, für den der Versicherten nach Beendigung ihres Arbeitsver- hältnisses die von ihr bezogene Urlaubsersatzleistung angerechnet wird, mehr als 14 Tage, liegt bereits aus diesem Grund die Anspruchsvoraussetzung des § 24 Abs. 1 Z 2 KBGG nicht vor. 7. Einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein Bezug von Arbeitslosengeld von weniger als 14 Tagen anspruchsschädlich ist, bedarf es daher nicht. OGH , 10 ObS 164/17s Schrank, AR-Neuerungen

173 Schrank, AR-Neuerungen
KBG: Fehlende Hauptwohnsitzmeldung Uneinigkeit über die Wohnsitzverlegung des Kindes bei gemeinsamer Obsorge? (1) LE-AS Nr.38, § 137 ABGB, §§ 2 Abs. 1 Z 2 und Abs. 6, 24 Abs. 1 Z 1 KBGG idF BGBl I 2009/116 § 24d Abs. 1 KBGG idF BGBl I 2013/117 bzw. § 24e KBGG idF BGBl I 2016/53, § 7 Abs. 2 MeldeG Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Betreuungsleistungen von jenem Elternteil erbracht werden, der mit dem Kind einen gemeinsamen Haushalt führt. 2. Voraussetzung des Anspruchs eines Elternteils auf Kinderbetreuungsgeld für sein Kind ist daher, dass der Elternteil mit diesem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt Diese Anspruchsvoraussetzung gilt auch für KBG als Ersatz des Erwerbseinkommens. 4. Nach § 2 Abs. 6 KBGG liegt ein gemeinsamer Haushalt nur dann vor, wenn der Elternteil und das Kind auch an derselben Adresse hauptwohnsitzlich gemeldet sind. 5. Während eine idente Hauptwohnsitzmeldung lediglich ein Indiz für das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts bildete, muss seit dem BGBl I 2009/116 kumulativ zum gemeinsamen Haushalt eine „hauptwohnsitzliche Meldung“ am Ort des gemeinsamen Haushalts vorliegen. 6. Ziel und der Zweck dieser – vom VfGH (Erk , G 121/2016) als verfassungskonform bestätigten – Regelung ist nach VfGH und Gesetzesmaterialien allein, den Krankenversicherungsträgern Verwaltungsaufwand zu ersparen, indem aufwendige Prüftätigkeiten vermieden werden Dass dabei – unvermeidbar – Härtefälle auftreten und das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts auf andere Weise nicht nachgewiesen werden kann, hat der VfGH ausdrücklich als nicht unsachlich erachtet Zudem hat der Gesetzgeber seither (Geltung ab ) zwei Ausnahmefälle normiert, indem er eine „großzügige“ Nachfrist von 10 Tagen für die Erbringung des Meldenachweises eröffnet und eine abfedernde Regelung für kranke Kinder in Spitalspflege getroffen hat. 9. Sprechen der Gesetzeswortlaut und die klare gesetzgeberische Absicht gegen eine teleologische Reduktion des § 2 Abs. 6 KBGG, kommt sie nicht in Betracht. Schrank, AR-Neuerungen

174 Schrank, AR-Neuerungen
KBG: Fehlende Hauptwohnsitzmeldung Uneinigkeit über die Wohnsitzverlegung des Kindes bei gemeinsamer Obsorge? (1) LE-AS Nr.38, Auf die Reichweite des Einvernehmlichkeitsgebots (§ 137 ABGB) bzw. die Rechtsfolgen fehlenden Einvernehmens bei Verlegung des Wohnsitzes des Kindes im Inland durch einen gemeinsam obsorgeberechtigten Elternteil muss daher nicht eingegangen werden Klarzustellen ist nur, dass das Innenverhältnis zwischen gemeinsam obsorgeberechtigten Eltern im Fall einer Wohnsitzverlegung des Kindes und die Sorge, es könnte vor Vorliegen einer Gerichts- entscheidung über den Hauptaufenthalt des Kindes durch Handlungen eines Elternteils (hier der Mutter) in das Obsorgerecht des anderen Elternteils eingegriffen werden, von den (verwaltungsrechtlichen) Meldevorschriften für Minderjährige zu trennen ist Meldungen nach dem MeldeG stellen ganz allgemein eher auf das (faktische) Zusammenleben ab. Die Meldepflicht für einen Minderjährigen trifft denjenigen, dem Pflege und Erziehung zustehen; nimmt ein Minderjähriger nicht bei oder mit einer solchen Person Unterkunft, trifft die Meldepflicht den Unter- kunftgeber § 7 MeldeG setzt somit gar nicht voraus, dass der Meldepflichtige die (alleinige oder gemeinsame) Obsorge innehat Kam der Versicherten im maßgebenden Zeitraum die Pflege und Erziehung für ihre Tochter zweifellos zu, liegt eine „rechtliche Unmöglichkeit“ der Meldung des Kindes mangels Einverständnis des (mit ihr gemeinsam obsorgeberechtigten) Vaters nicht vor Kinderbetreuungsgeld steht daher für den Zeitraum ohne Hauptwohnsitzmeldung nicht zu. OGH , 10 ObS 61/18w Schrank, AR-Neuerungen

175 Schrank, AR-Neuerungen
KBG: Fehlende Hauptwohnsitzmeldung Analog Verzicht, daher nur Bezugslücke? LE-AS Nr.40, § 2 Abs. 6 KBGG, § 5b Abs. 3 KBGG (idF BGBl I 2009/116) Zur Frage, ob der nicht durchgehende Bezug von Kinderbetreuungsgeld durch beide Eltern im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 KBGG idF BGBl I 2009/116 anspruchsschädlich sei, ist der OGH jüngst in 10 ObS 46/18i zu folgendem Ergebnis gekommen: 2. Die Verlängerung der Anspruchsdauer über die Vollendung des 30. Lebensmonats hinaus (§ 5 Abs. 2 KBGG idF BGBl I 2009/116) setzt nicht voraus, dass der Bezug von Kinderbetreuungsgeld durch den zweiten Elternteil unmittelbar an den Zeitraum des tatsächlichen Bezugs durch den anderen Elternteil anschließt. 3. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit geschaffen, für einzelne Zeiträume auf das Kinderbetreu- ungsgeld zu verzichten, wodurch der Anspruch auf KBG vorübergehend oder vorzeitig endet. 4. Der Verzicht verkürzt den Anspruchszeitraum. 5. Ein Verzicht bewirkt ebenfalls eine Unterbrechung oder Lücke im Kinderbetreuungsgeldbezug, die für sich alleine einer Fortsetzung des Bezugs nicht entgegensteht Ebenso wie die in 10 ObS 46/18i behandelte verspätete Antragstellung bewirkt die fehlende gemeinsame „hauptwohnsitzliche“ Meldung (§ 2 Abs. 6 KBGG) ungeachtet fristgerechter Antragstellung einen teilweisen Anspruchsverlust Auch die fehlende gemeinsame „hauptwohsitzliche“ Meldung kann jedoch nicht anders behandelt werden als eine durch einen Verzicht entstandene Bezugslücke. OGH , 10 ObS 40/18g Schrank, AR-Neuerungen

176 Schrank, AR-Neuerungen
Rehabilitationsgeld: Bemessungsgrundlage Folgeprovisionen für zurückliegende Leistungen? (1) LE-AS Nr. 16, §§ 44 Abs. 2, 49, 125 Abs. 1, 141 Abs. 1 und 2, 143 Abs. 1 Z. 3, 143a Abs. 2, 293 Abs. 1 lit. a sublit bb ASVG, §§ 4 Abs. 2, 3 Abs. 2, 3 und 5 KVA   Nicht nur arbeitsrechtlich gelten Folgeprovisionen bereits mit dem Abschluss als verdient Auch nach dem Leistungsrecht des ASVG gelten Folgeprovisionen nicht als weitergeleistetes Entgelt, sondern als Entgelt für früher erbrachte Leis­tungen. Sie sind deshalb bei der Berechnung der fortgezahlten Bezüge außer Acht zu lassen und führen nicht zum Ruhen des Krankengelds Da die Bemessung des Krankengelds – und darauf aufbauend die Bemessung des Rehabilitationsgelds – dem Leistungsrecht des ASVG angehört, sind Folgeprovisionen (z.B. vom Versicherten im Februar für Jänner bezogene) kein für den Monat Jänner gebührender Arbeitsverdienst und daher auch nicht in die Bemessungsgrundlage für das Rehabilitationsgeld einzurechnen. Dies aus im Einzelnen folgenden Rechtsgründen: Das Rehabilitationsgeld gebührt im Ausmaß des Krankengelds und ab dem 43. Tag des erhöhten Krankengelds, das aus der letzten versicherten Erwerbstätigkeit gebührt hätte. Dieses beträgt 50 bzw. 60 vH der Bemessungsgrundlage. Bemessungsgrundlage für das Krankengeld ist der für die Beitragsermittlung heranzuziehende Arbeitsverdienst, der dem Versicherten in jenem Beitragszeitraum gebührte, der dem Ende des vollen Entgeltanspruchs voranging Das Rehabilitationsgeld ist eine dem Krankengeld ähnliche Leistung. Dies soll das Prinzip „Rehabili- tation vor Pension“ verstärken und die Rückkehr in die Arbeitswelt fördern Während die Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspension eine Pension war, liegt beim Rehabilitations- geld nach der Systematik des Krankengelds der Fokus auf der Einkommensersatzfunktion Im Beitragsrecht ist die Beitragsgrundlage grundsätzlich der Arbeitsverdienst iSd § 44 Abs. 1 ASVG, mindestens der im Beitragszeitraum gebührende (Anspruchslohnprinzip) Im Anwendungsbereich des § 125 Abs. 1 ASVG kommt es nicht auf das in einem bestimmten Monat erzielte Entgelt an, sondern auf das für einen Monat gebührende Entgelt. Schrank, AR-Neuerungen

177 Schrank, AR-Neuerungen
Rehabilitationsgeld: Bemessungsgrundlage Folgeprovisionen für zurückliegende Leistungen? (2) LE-AS Nr. 16,   Die in der Versicherungsbranche übliche Folgeprovision be­steht darin, dass der Angestellte neben der meist in einem Prozentsatz der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Erstprämie bemessenen Abschluss- provision zusätzliche periodische Vergütungen für die Dauer des Bestands des Versicherungsvertrags erhält, die regelmäßig mit einem Prozentsatz der vom VN zu zahlenden Folgeprämien bemessen werden Auch bei der Folgeprovision handelt es sich dem Wesen nach um eine Vermittlungsprovision, die durch mehr als einmalige Erfolgsvergütung vorgenommen wird. Folgeprovisionen gelten vorbehaltlich der Ausführung des Versicherungsvertrags mit dessen Abschluss als verdient Davon ist auch auszugehen, wenn feststeht, dass der Angestellte im Februar für Jänner Folgeprovisi- onen für Versicherungsverträge erhielt, die er jedenfalls vor dem Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit mit Dezember des Vorjahres abgeschlossen (vermittelt) hat. Damit handelt es sich um zeitverzö- gert ausgezahlte Abschlussprovisionen für vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit vermittelte Verträge Während im Beitragsrecht bei den Provisionen im Vordergrund steht, wann der Anspruch entsteht und welchem Beitragszeitraum dieser deshalb zuzuordnen ist, „stört“ im Leistungsrecht des ASVG der Bezug einer Folgeprovision dort, wo der Dienstnehmer Geldleistungen aus der Sozialversicherung bezieht, die bei einem Erwerbseinkommen ruhen würden (insb bei Krankengeld). Schrank, AR-Neuerungen

178 Schrank, AR-Neuerungen
Rehabilitationsgeld: Bemessungsgrundlage Folgeprovisionen für zurückliegende Leistungen? (3) LE-AS Nr. 16,   Der Gesetzgeber lässt nunmehr Folgeprovisionen nicht als „weitergeleistete Bezüge“ gelten. Deren Weiterbezug führt daher nicht mehr zum Ruhen des Krankengelds. V.a. Provisionsvertreter mit geringem Fixum sollten nicht den Anspruch auf Krankengeld deshalb „verlieren“, weil sie Folgeprovisionen beziehen Nicht nur arbeitsrechtlich gelten daher Folgeprovisionen be­reits mit dem Abschluss als verdient, auch nach dem Leistungsrecht des ASVG gelten Folgeprovisionen nicht mehr als weitergeleistetes Entgelt, sondern als Entgelt für früher erbrachte Leistungen. Sie sind deshalb bei der Berechnung der fortgezahlten Bezüge außer Acht zu lassen und führen nicht zum Ruhen des Krankengelds Da die Bemessung des Krankengelds – und darauf aufbauend die Bemessung des Rehabilitationsgelds – dem Leistungsrecht des ASVG angehört, sind vom Versicherten z.B. im Februar für Jänner bezogene Folgeprovisionen kein für den Monat Jänner gebührender Arbeitsverdienst und daher nicht in die Bemessungsgrundlage für das Rehabilitationsgeld einzurechnen Das Krankengeld – und daher auch das Rehabilitationsgeld – hat schon infolge der Begrenzung seiner Höhe mit 50 % bzw. 60 % der Bemessungsgrundlage nicht die Funktion, alle durch die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bedingten Entgeltverluste auszugleichen.   OGH , 10 ObS 123/17m OLG Graz , 7 Rs 9/17y-12, LGZ Graz , 42 Cgs 70/16f-8 Schrank, AR-Neuerungen

179 Schrank, AR-Neuerungen
Schwerarbeitszeiten: psychische Belastung – Behindertenbetreuung Beschäftigungstherapie? LE-AS Nr. 7, § 607 Abs. 14 ASVG, § 4 Abs. 4 APG, § 4 Abs. 2 BPGG, § 1 Abs. 1 Z 5 SchwerarbeitsV Mit „Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht werden“ bzw. unter „psychisch oder physisch besonders belastenden Arbeitsbedingungen“, fallen nur besonders belastender Schwerarbeit und nicht jede Art der Schwerarbeit in diesem Bereich Welche Tätigkeiten als Schwerarbeit gelten wird durch Verordnung festgelegt. 3. Die SchwerarbeitsV stellt allgemein nicht auf konkrete Berufe ab, sondern auf berufsbedingt belastende Tätigkeiten. Bei medizinischen Berufen sind aber bestimmte – besonders belastende – Pflege- tätigkeiten herausgehoben. 4. Als Indikator für das besondere Ausmaß der psychischen Belastung in § 1 Abs. 1 Z 5 Schwer- arbeitsV wird an den besonderen Behandlungs- oder Pflegebedarf der Patienten und deren besonders schwierige Lebenssituation angeknüpft (zB Pflege Schwerstkranker in der Hospiz- oder Pal-liativmedizin) Unter die SchwerarbeitsV fällt auch die berufsbedingte Pflege von Personen mit einem Pflege- bedarf zumindest der Stufe 5 nach § 4 Abs. 2 BPGG, also von Personen, deren Pflegebedarf längerfristig andauert („Langzeitpflege“) und bei denen ein außergewöhnlicher Pflegebedarf gegeben ist. 6. Maßgeblich ist somit die berufsbedingte Pflege in unmittelbarem Kontakt mit dem Patienten mit erhöhtem Pflegeaufwand und dessen besonders schwieriger Lebenssituation 7. Zudem muss die unmittelbare Pflege am Patienten – zeitlich – überwiegend erbracht werden. 8. Bestehen die Tätigkeiten als in einer Werkstätte eingesetzter Behindertenbetreuer nicht über- wiegend in Pflegetätigkeiten unmittelbar am Patienten, sondern in erster Linie in der Betreuung und Kon- trolle behinderter Personen iZm deren Beschäftigungstherapie bei Montagearbeiten und gehören zur Auf- gabe Arbeiten iZm Körperpflege und Nahrungsaufnahme der zu betreuenden Personen (die keinen höheren Pflegebedarf als Stufe 3 oder 4 BPGG aufweisen) auch, dass er sie fallweise auf die Toilette hebt, sie nach epileptischen Anfällen reinigt und sie bei der Nahrungsaufnahme unterstützt, liegt keine „besonders belastende“ Schwerarbeit vor Pflegetätigkeiten an Schwerstkranken in der Hospiz- oder Palliativmedizin, einer Langzeitpflege an Pfleglingen mit einem Pflegebedarf zumindest der Stufe 5 des BPGG oder der Pflege demenzerkrankter Patienten im geriatrischen Bereich sind sie nicht gleichzuhalten. OGH , 10 ObS 116/17g Schrank, AR-Neuerungen

180 Schrank, AR-Neuerungen
Schwerarbeitszeiten: Tierkrankenpfleger Regelmäßige Nachtdienste ohne „Wechseldienst“? (1) LE-AS Nr. 7, § 1 Abs. 1 Z 1 SchwerarbeitsV, § 4a AZG, § 48 Abs. 4 BDG   Als „Besonders belastende Berufstätigkeiten“ unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen gelten ua alle Tätigkeiten „1. in Schicht- oder Wechseldienst auch während der Nacht (unregel- mäßige Nachtarbeit), dh zwischen 22 Uhr und 6 Uhr, jeweils im Ausmaß von mindestens sechs Stunden und zumindest an sechs Arbeitstagen im Kalendermonat, sofern nicht in diese Arbeitszeit überwiegend Arbeits- bereitschaft fällt“ Reine Nachtarbeit hat nicht als Belastungsmoment in die Schwerarbeitsverordnung Eingang gefunden. Es muss vielmehr ein Schicht- oder Wech­seldienst erbracht werden, dh es muss vor, danach oder zwischen den sechs Nachtdiensten pro Monat zumindest ein Wechsel zu einem Tagdienst stattfinden Wesensmerkmal dieses Tatbestands der SchwerarbeitsV ist der notwendige Wechsel zwischen Tag- und Nachtdienst. § 1 Abs. 1 Z 1 stellt auf „einzelne“ Schichtdienste bzw. Nachtdienste ab Schon von ihrem Wortlaut her lässt diese Bestimmung eine Teilung in den Dienst vor Mitternacht und den Dienst nach Mitternacht nicht zu, auch wenn denkbarer Weise die beiden Teile jeweils mindestens sechs Stunden umfassen könnten. Eine Nachtschicht, welche den Zeitraum zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr umfasst, ist daher als ein Arbeitstag zu werten § 1 Abs. 1 Z 1 stellt nicht auf die Anzahl von Schwerarbeitstagen ab, sondern auf das Vorliegen von lediglich sechs Arbeitstagen im Kalendermonat, an denen unregelmäßige Nachtarbeit geleistet wurde. Bei 24-Stunden-Schichten findet ein Wechsel zwischen Tages- zu Nachtarbeit innerhalb eines Dienstes nicht statt, weil § 1 Abs. 1 Z 1 auf „einzelne“ Dienste abstellt und der Wortlaut dieser Bestimmung eine Teilung eines Dienstes in verschiedene Teile nicht zulässt. Schrank, AR-Neuerungen

181 Schrank, AR-Neuerungen
Schwerarbeitszeiten: Tierkrankenpfleger Regelmäßige Nachtdienste ohne „Wechseldienst“? (2) LE-AS Nr. 7, § 1 Abs. 1 Z 1 SchwerarbeitsV, § 4a AZG, § 48 Abs. 4 BDG   Die besonders belastenden Arbeitsbedingungen liegen im Sinn des § 1 Abs. 1 Z 1 SchwerarbeitsV in der unregelmäßigen Nachtarbeit im Rahmen eines Schicht- oder Wechseldienstes, die notwendigerweise einen Wechsel von einzelnen Tag- und Nachtdiensten voraussetzt. Beginnen die Dienste immer am Tag (zu glei- cher Zeit), fehlt es an einem solchen Wechsel einzelner Dienste im Rahmen eines Schichtplans Dass diese Dienste 24 Stunden dauern, wird von § 1 Abs. 1 Z 1 SchwerarbeitsV ebenso wenig als besonders belastender Umstand berücksichtigt wie reine Nachtarbeit, die hier vom Versicherten überdies nicht unregelmäßig, sondern in jedem seiner Dienste erbracht wird Schwerarbeit liegt vielmehr nur bei Ausübung unregelmäßiger Nachtarbeit im Sinn dieser Bestimmung vor, wofür der Wechsel einzelner Tages- und Nachtdienste im Rahmen des Schicht- oder Wechseldienstes erforderlich ist Die Tätigkeit als Tierpfleger im Tierspital mit regelmäßigen Nachtdiensten im „24/48 Stunden Schicht- /Wechseldienst“, Dienstbeginn um 6:30 Uhr früh bis zum nächsten Tag um 6:30 Uhr morgens bis zur Ablöse durch Kollegen, danach 48 Stunden frei; Beginn eines neuen 24-Stunden-Dienstes dann wieder um 6:30 Uhr morgens, mit durchschnittlich zehn solcher Dienste im Monat, während derer auch nachts, von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr im Ausmaß von 8 Stunden, Arbeit ohne Zeiten der Arbeits- oder Rufbereitschaft verrichtet wird, ist daher nicht als Schwerarbeit zu qualifizieren.   OGH , 10 ObS 104/17t OLG Wien , 8 Rs 104/16x-8, LG Korneuburg , 34 Cgs 68/16a-4 Schrank, AR-Neuerungen

182 Schrank, AR-Neuerungen
Schwerarbeitszeiten: Tätigkeiten mit erhöhter Gefährdung Stadtpolizist mit überwiegendem Außendienst? (1) LE-AS Nr. 8, § 607 Abs. 14 ASVG, § 4 Abs. 4 APG, §§ 1 Abs. 1, 15b Abs. 1 und 2 BDG § 1 Z 4 SchwerarbeitsV BGBl. II 2006/105   § 1 Z 4 der SchwerarbeitsV der Bundesregierung BGBl II 2006/105 ist auf die Tätigkeit eines vertragsbediensteten Stadtpolizisten auch nicht analog anzuwenden: Mit § 1 dieser V wird die SchwerarbeitsV BGBl II 2006/104 auch für Bundesbeamte anwendbar erklärt und zugleich mit ihrer Ziffer 4 um einen zusätzlichen Tatbestand erweitert Voraussetzung dafür, dass das Fehlen dieses oder eines ähnlichen Tatbestands in der SchwerarbeitsV BGBl II 2006/ 104 eine Re­gelungslücke iS einer planwidrigen Unvollständigkeit darstellt, wäre, dass deren Wertungen und Zweck die Annahme rechtfertigen, der Verordnungsgeber habe diesen – nach denselben Maßstäben re­ge­lungsbedürftigen Sachverhalt – übersehen Gegen eine derartige Annahme spricht neben dem zeitlichen Zusammenfallen des Inkrafttretens beider Verordnungen vor allem auch, dass Schwerarbeit durch bestimmte taxativ nebeneinander stehende – sehr unterschiedliche – Einzeltatbestände umschrieben wird, die das Ergebnis eines zähen Ringens der beruflichen Interessenvertretungen darstellen Sind die einzelnen Tatbestände jene, auf die sich die Verhand­lungspartner letztlich einigen konnten, ist nicht zu vermuten, dass eine dem § 1 Z 4 der Verordnung für Beamte entsprechende Regelung nur deshalb nicht geschaffen wurde, weil auf Tätigkeiten mit erhöhtem Gefährdungspotential (wie sie etwa auch die Tätigkeiten eines Personenschützers darstellen könnten) „vergessen“ wurde. Schrank, AR-Neuerungen

183 Schrank, AR-Neuerungen
Schwerarbeitszeiten: Tätigkeiten mit erhöhter Gefährdung Stadtpolizist mit überwiegendem Außendienst? (2) LE-AS Nr. 8,   Da die Verordnung nur auf berufsbedingt belastende Tätigkeiten abstellt, nicht aber auf Berufe bzw. Berufsgruppen, überzeugt auch das Argument nicht, das Vorliegen einer Regelungslücke sei daraus erkennbar, dass der Verordnungsgeber offenbar die – relativ kleine – Berufsgruppe der Bediensteten der Gemeindewachkörper übersehen habe Auch das Vorbringen sonstiger Ungleichbehandlung kann eine analoge Anwendung des § 1 Z 4 der V 2006/105 der Bundesregierung nicht rechtfertigen Da es sich beim öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (das den Ruhestand einschließt) einerseits und bei der Materie der gesetzlichen Sozialversicherung andererseits um tiefgreifend verschiedene Rechtsge- biete handelt, ist es verfehlt, Teilbereiche der diese Materie regelnden Vorschriften herauszugreifen und aus dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes miteinander zu vergleichen Unterschiede zwischen privatrechtlichem und öffentlich-recht­­lichem Dienstverhältnis rechtfertigen es sachlich, die Rechte und Pflichten der Bediensteten jeweils unterschiedlich zu gestalten Eine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Voraussetzungen für eine Pensionsleistung für alle Systeme gleichartig zu regeln, besteht nicht. Allein dass eine Regelung wünschenswert wäre, rechtfertigt noch nicht die Annahme einer Gesetzeslücke.   OGH , 10 ObS 10/18w OLG Linz , 12 Rs 81/17v-20, LG Salzburg , 18 Cgs 204/16g-16 Schrank, AR-Neuerungen

184 Schrank, AR-Neuerungen
Herzlichen Dank! Schrank, AR-Neuerungen


Herunterladen ppt "Arbeitsrechtliche Neuerungen"

Ähnliche Präsentationen


Google-Anzeigen