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Vertiefungsvorlesung im Bereich ‚Römisches Recht’: LV-Nr

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Präsentation zum Thema: "Vertiefungsvorlesung im Bereich ‚Römisches Recht’: LV-Nr"—  Präsentation transkript:

1 Vertiefungsvorlesung im Bereich ‚Römisches Recht’: LV-Nr. 324514
sowie Lehrangebot für das rechtswissenschaftliche Diplom- und Doktoratstudium und andere Studiengänge III. Teil: SoSe 2017 Synthetisches Rechtsdenken – Beispiele aus antiker und moderner Rechtsgeschichte unter Berücksichtigung von Alter Geschichte, Altorientalistik sowie Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie und Evolutionsbiologie von Prof. Heinz Barta

2 1. Stunde, I. Zum ‚Graeca‘-Projekt II. Einteilung der Wissenschaften III. Normgenerator Familie

3 I. Zum ‚Graeca‘-Projekt im Harrassowitz-Verlag/Wiesbaden
Band I: 2010 Band II/1: 2011 Band II/2: 2011 Band III/1: 2014 Band III/2: in Vorbereitung Band IV: in Vorbereitung

4 Harrassowitz-Verlag/Wiesbaden (2010)
Band I Harrassowitz-Verlag/Wiesbaden (2010)

5 Band I Harrassowitz-Verlag/Wiesbaden: 2010
Die vier Bände sind das Ergebnis langjähriger Beschäftigung mit den Griechen u. ihrem rechtshistorischen Umfeld. Es geht dabei um die Frage, ob die weit ver-breitete Auffassung zutrifft, dass Europas rechtliche Wurzeln ausschließlich in der römischen Antike zu suchen sind – ein Eindruck, den nicht zuletzt die Wissenschaft vermittelt. Im Gegenteil zu dieser bislang vorherrschenden Meinung, ist jedoch nachzuweisen, dass vieles, was bislang als römisch galt, in Wirklichkeit aus dem antiken Griechenland (u. bei genauerem Hinsehen zum Teil auch aus dem Alten Orient) stammt: Bd. I bietet eine allgemeine Einleitung u. entwickelt ‚Historische Perspektiven‘. – Bd. II befaßt sich mit Drakon u. Solon (als wichtigen Gesetzgebern u. Rechtsden-kern). Bd. III geht auf den kulturellen Gesamtkontext ein u. behandelt die für das griechische Rechtsdenken wichtigen Gebiete der Dichtung (anhand von Aischylos u. Euripides) u. Geschichtsschreibung (Thukydides) sowie die frühe juristische Pro-fessionalisierung in Griechenland. – Bd. IV widmet sich den Denkern Platon, Aristoteles u. Theophrast, geht Fragen des Rechts, der Religion u. der Gerechtigkeit in frühen Gesellschaften nach u. wagt schließlich einen Ausblick in Gegenwart u. Zukunft. Das ‚Graeca‘-Projekt zielt auf Interdisziplinarität u. will Brücken schlagen: - zur Alten Geschichte, - zur Altorientalistik, - Ägyptologie, - Archäologie, - Altphilologie, - Religionswissenschaft, - R-Philosophie, R-Soziologie u. R-Anthropologie, aber auch VerglVHF u. Evolutionsbiologie

6 Band II/1 und II/2 Harrassowitz-Verlag/ Wiesbaden: 2011

7 Band II/1 und II/2 Harrassowitz-Verlag/Wiesbaden: 2011
(1) Das Graeca-Projekt geht der Bedeutung der antiken griechischen u. eingeschränkt der orientalischen Rechtsentwicklung für Europa nach. Gilt es doch in Rechtsgeschichte u. Rechtswissenschaft als ausgemacht, dass alles Recht Europas aus Rom stammt. – Griechenland habe alles Mögliche für Europa erdacht, nicht aber Nennenswertes im Bereich des Rechts. – Aber das griechische u. das orientalische Rechtsdenken waren für Rom wichtiger als bisher angenommen. Grundlegende Rechtsentwicklungen stammen von den Hellenen u. von den Völkern des Alten Orients: Nämlich die Rechtswissenschaft selbst, aber auch ihre Teildisziplinen Rechtsgeschichte, Rechtsvergleichung, Rechtspolitik, Gesetzgebung/Le-gistik u. Rechtsphilosophie. Das Gesetz (als gesellschaftliches Steue-rungsmittel), die Kodifikation, die Bedeutung der Publikation von Gesetzen od. die Grundregeln der Rechtsanwendung u. -fortbildung, das Verfahrens-, Verwaltungs-, Völker- u. Verfassungsrecht sowie das Urkunden-, Archiv- u. Vertragswesen uam. entwickelten die Hellenen u. die Völker des Alten Orients. Wie war ein solches Verzeichnen der historischen Entwicklung möglich?

8 Band II/1 und II/2 Harrassowitz-Verlag/Wiesbaden: 2011
(2) Gründe: Die Römer haben trotz bedeutender Transfers, Rezeptionen etc. die Leistungen der Griechen u. des Alten Orients geschmälert u. das Christentum hat diese Sichtweise – wie spätere Wissenschaft – noch vertieft. Christliche Denker hielten es für selbstverständlich, dass etwa der Persönlichkeits(rechts)schutz bis hin zur Menschenwürde – Schöpfungen des Christentums seien. … Bd. II/1 enthält das Entstehen der Verschuldenshaftung u. des Rechtssubjekts (sog. Emergenz der Person) samt den subjektiven Rechten, das Verständnis des griechischen Vertrages u. die Entwicklung des gesetzlichen u. gewillkürten Erbrechts (insb. des Testaments). – Bd. II/2 enthält die (für das Entstehen der Rechtswissenschaft/Rewi) bedeutende Rechtsfigur der Epieikeia (aequitas, equity, Billigkeit), die Hybrisklage als Keimzelle des griech. u. europ. Persönlichkeits-schutzes, Solons Konzept der ‚Eunomia’ (im Vergleich mit der ägyptischen Ma‘at) u. damit die Fundierung des europ. Gerechtigkeits- u. Rechtsstaatsdenkens, die Genese von Individualeigentum, Seelgerätstiftung u. die hellenistische Totenkultstiftung uam. – Der Schwerpunkt beider Bände liegt auf der archaischen Rechtsentwicklung. … Diese u. weitere Themen sind über die Rewi u. Rechtsgeschichte hinaus auch für die Wissenschaftsgeschichte, die Alte Geschichte u. die Altorientalistik, aber auch für die (Rechts)Philosophie u. Philosophiegeschichte, die Religionsgeschichte, die (Rechts)Soziologie, die Philologie u. weitere Disziplinen von Interesse

9 Harrassowitz-Verlag/Wiesbaden (2014)
Band III/1 Harrassowitz-Verlag/Wiesbaden (2014)

10 Band III/1 Harrassowitz-Verlag/Wiesbaden: 2014
An den Griechen läßt sich Kulturentstehung als Zusammenspiel der kreativen Kräfte in einer Gesellschaft studieren: So wurden die Griechen zu Erfindern von ‚Politik’ u. ande-ren Gesellschaftsdisziplinen, Philosophen interessierten sich über die eigene Disziplin hinaus für Dichtung, Geschichte, Mathematik od. Zoologie u. das Recht. Bürgerinnen u. Bürger gingen ins Theater, erfreuten sich an Kunstwerken auf der Agora u. in Hei-ligtümern od. besuchten Herodots Geschichtsvorträge. – Ähnliches galt für die Teil-nahme am öffentl. Leben, das erstmals unvermittelt gelebt werden konnte – in der Volksversammlung (Ekklesia), dem Volksgericht (Heliaia), im Rat (Boulé) od. bei den zahlreichen Festen u. Wettkämpfen ….. Daraus resultierte wissenschaftlich gelebte Interdisziplinarität: Aristoteles lehrte in jungen Jahren an Platons Akademie ‚Rhetorik’, schrieb parallel eine ‚Poetik’ u. später eine ‚Politik’, interessierte sich für Recht, Verfassung u. Solons Gesetzgebung u. ver-faßte daneben zahlreiche philosophische Werke. – Aus dieser Kultur entwickelte sich die griech. Philosophie u. es entstanden neue Wissenschaftsdisziplinen; Logik, Mathematik, Grammatik, Geographie, Geschichtsschreibung u. (anders als oft kolportiert) die Juris-prudenz …! Die großen Geister der Griechen blieben nicht unter sich, sondern waren bestrebt, ihr Wissen anderen Menschen zugänglich zu machen; man denke an das Theater od. die Vorlesungen von Platon, Aristoteles u. Theophrast in Akademie, Lykeion, Peripatos od. die Epitaphioi Logoi großer Männer wie Perikles, Gorgias od. Demosthenes. Das zeugt von gelebtem Bürgersinn: Kultur diente den Einzelnen u. dem Gemeinwesen. – Bd. III/1 geht beispielhaft auf die Beziehungen von Dichtung u. Geschichtsschreibung, Recht u. Gerechtigkeitsdenken u. im zweiten Teilband auf die bereits hochentwickelte griech. Rechtspraxis ein, die bedeutendes geleistet hat, wovon Rom u. Europa profitierten. – Gesetzgebung, Kautelarjurisprudenz u. das Rechtsdenken von Philosophen u. Rhetoren führte zum Entstehen einer griech. Jurisprudenz (als Wissenschaft) …

11 II. ‚Graeca non leguntur‘? (1)
‚Graeca‘-Projekt → Ergebnis langjährigen Befassens mit den ‚Griechen‘: Ausgangspunkt: Überlegung, nicht alles stammt aus Rom …! Aber auch die Griechen haben manches aus dem Alten Orient übernommen → Rezeptionen, Transfers, Kontaktzonen (zB Levanteküste, Ägypten) … Griechen u. Alter Orient haben zur europ. Rechtsentwicklung wesentlich beigetragen: Die Wissenschaft ist nicht ohne Schuld, dass …! Beispiel: Standardwerke des ‚Römischen Rechts‘ (zB Kaser/Knütel, Röm. PrivatR, 19. Aufl.!) betrachten bis heute das Entstehen der Verschuldenshaftung als Leistung röm. Juristen, ohne zu erwähnen, dass die entscheidenden Schritte aus dem antiken Griechenland stammen; s. → ‚Graeca‘, Bd. II/1, Kap. II 4 u VL-2015: Stunden: u Mit der griech. Herkunft (mancher Rechtsentwicklung) wird meist auch der Alte Orient übergangen, dem die europ. Kultur auch rechtlich viel verdankt! → Etwa: Gesetz, Kodifikation + Publikation, Urkundenwesen uam. – Lit.: W. Burkert, Die Griechen u. der Orient (2003): Ein sehr lesenswertes Buch …! Erste Kodifikationen, Ende des 3. Jts.: - Codices Urnamma (~ 2050 v.), - Ešnunna (~ 1920 v.), - Lipit Eštar (~ 1870 v.), - Hammurabi (~ 1750 v.) Großer Entwicklungsvorsprung des Alten Orients: Seßhaftwerdung, Göbekli Tepe (Link in VL 201. ….); Lit.: K. Schmidt, Sie bauten die ersten Tempel (2006)*

12 II. Einteilung der Wissenschaften und Teildisziplinen der Rechtswissenschaft sowie Standort der Jurisprudenz im Kanon der Wissenschaften

13 II. Einteilung der Wissenschaften (1) Nach H
II. Einteilung der Wissenschaften (1) Nach H. Dahmer, Soziologie nach einem barbarischen Jahrhundert (2001) Naturwissenschaften Mischdisziplinen Kulturwissenschaften* Physik Medizin Geisteswissen- schaften Theoret. Physik Psychologie Geschichte Biophysik Philosophie Technik Astronomie etc. Sprachen etc. Soziobiologie Chemie Sozialwissen- schaften Architektur etc Biochemie etc. Ökonomie Biologie Soziologie * Der Begriff ‚Humanwissen-schaften‘ faßt, unabhängig von der hier getroffenen Einteilung, alle Dis-ziplinen zusammen, die den Men-schen zum Gegenstand haben. – Da-durch werden aber Methodenunter-schiede verwischt …! VerglVH-Forschung: K. Lorenz + Evolutionsbiologie: E. O. Wilson PolWiss Rechtswissen- schaft Theologie etc.

14 II. Einteilung der Wissenschaften (2)
Worin besteht der Unterschied?  Was will die Einteilung vermitteln? Die Naturwissenschaften  behandeln thematisch das, was der Mensch ‚vorgefunden‘ hat; insbes. die Natur (Flora wie Fauna) → Damit befassen sich: Physik, Chemie, Biologie, Astronomie, Botanik, Evolutionsbiologie … etc. Die Kulturwissenschaften  behandeln das, was der Mensch (selber) ‚geschaffen‘ hat u. weiterhin schaffen wird; Philosophie, Theologie, Soziologie, ReWi … etc. Wozu dient die ‚eigene‘ Standortbestimmung?  zB für die ReWi: sie ist eine Umsetzungsdisziplin u. daher auf Zusam-menarbeit mit anderen Disziplinen angewiesen!  Schon hier zeigt sich die Problematik des Rechtspositivismus …!

15 III. Normgenerator Familie – Entstehung von Recht und Rechtsgebieten

16 III. Normgenerator Familie – Entstehung von Recht und Rechtsgebieten (1)
Die Familie ist nicht nur die Keimzelle des Staates, sondern auch des Rechts; u. zwar des PrivatRs u. des öffentlRs … ‚Rechtliche‘ Verwandtschaft zw. den zahlreichen Poleis des griech. Rechts- u. Kulturkreises zeigte sich nicht in allen Gebieten gleicher-maßen … Familien-, Sachen- u. Erbrecht weisen die stärksten Ähnlichkeiten auf …! Vom Kernbereich Familie(n Recht) aus entwickelten sich die Bereiche des privaten u. öffentlichen Rechts Schritt für Schritt, beginnend mit dem Sachen- u. Erbrecht … Man kann sagen: Die Bedeutung der Familie (in der Frühzeit) reicht weit über das FamR hinaus, denn auch Brauch, Autorität, Ordnung u. Moral (die für das Entstehen des Staates u. seiner Organe von Bedeutung sind) werden in der Familie geprägt …!

17 III. Normgenerator Familie – Entstehung von Recht und Rechtsgebieten (2)
In frühen Gesellschaften (zB in Ägypten) ist nicht das Individu-um, sondern die Familie (über die in ihr existierenden Mitglieder u. Generationen hinweg), das handelnde, leidende u. Verant-wortung tragende Subjekt!  Zur Entwicklung des Rechtssub-jekts s. VL 2015: ‚Emergenz der Person‘! (3. u. 4. Std.) Beispiele: - Blutrache (als familiär-verwandtschaftlich organisierte Rechtsdurchsetzung) od. - Familien-ET (in der Form von Mit-ET als älteste Eigentumsart); s.  ‚Graeca‘, Bd. III/2, Kap. VI 2b: ‚Miteigentum‘ (in Vorbereitung) Die Organisation der griech. Familie wurzelte in der Idee des Hauses/  …  Nachbarschaft/Geitonía  Dorf/Kóme  Polis … (Hesiod) Das griech. Haus war offener konzipiert als das römische, in dem der Hausvater lebenslang seine Hausgewalt über alle Mitglieder innehatte … Auf die familienrechtl. Stellung der Ehefrau sowie der Haussöhne u. -töchter s.  VL 2015: ‚Emergenz der Person‘ I (6)

18 III. Normgenerator Familie – Entstehung von Recht und Rechtsgebieten (3)
Die Familie war Keimzelle rechtlicher Grundmuster u. von Nor-mativität  Erkenntnisse der Evolutionsbiologie … Die Annahmen von Marcel Mauss u. Claude Levy-Strauss, wonach Inzestvermeidungs- u. Nahrungsverteilungsregeln als älteste Normen im Schoße von Familie u. Verwandtschaft entstanden sind, sind größten Teils überholt …! s. anschließend  Folie 4 f Aus den Bereichen Familie, Verwandtschaft, Freundschaft stammen aber erste Gedanken des Ausgleichs zw. Gruppe- u. Individuum u. das wichtige Prinzip der Gegenseitigkeit/Reziprozität … Lit.: - B. Malinowski, Gegenseitigkeit und Recht (1926/1983);* - R. Thurnwald (1934)* Aus diesem Regelungsrahmen stammen erste Rechtsschöpfungen: - Schenkung ( Prototyp der unentgeltl. Rechtsgeschäfte/Verträge u. - Tausch ( Prototyp der entgeltl. Rechtsgeschäfte/Verträge) Lit.: - M. Mauss, Die Gabe. Form u. Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften (1950/1968); - C. Levy-Strauss, Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft (1984)

19 III. Normgenerator Familie – Entstehung von Recht und Rechtsgebieten (4)
Das Sozialleben der letzten gemeinsamen Vorfahren des Men-schen (vor ~ 6 Mio. J. in Afrika) war bereits hoch entwickelt: Schimpansen u. Bonobos lebten in hochkomplexen sozialen Gruppen, die einige Dutzend Mitglieder beiderlei Geschlechts umfaßten …! Schon damals existierten Praktiken, die für das Verständnis der Inzest-vermeidung u. das Entstehen von Exogamieregeln wichtig sind; Tomasello (2016, 39): „Die [Schimpansen- und Bonobo-Männchen] leben ihr ganzes Leben in derselben Gruppe im selben Gebiet; die Weibchen [dagegen!] wandern in der frühen Adoleszenz zu einer benachbarten Gruppe aus.“! Das zeigt, dass Inzestvermeidung u. Exogamieregeln eine genetische, also dem Menschen angeborene Wurzel haben, die idF kulturell genutzt werden konnte.  Damit steht fest: dieses für die menschliche Ent-wicklung fundamentale Regelwerk wurde nicht erst durch Religion, einen weisen Gesetzgeber od. wissenschaftliche Einsicht geschaffen, sondern wurzelt schon in der Natur unserer tierischen Vorfahren! !

20 III. Normgenerator Familie – Entstehung von Recht und Rechtsgebieten (5)
Der Mensch ist das Ergebnis des Zusammenwirkens von ‚Natur‘ u. ‚Kultur‘; sog. Gen-Kultur-Koevolution (E. O. Wilson): Schulbeispiele dafür sind Laktosetoleranz u. die kulturelle Universalie Inzestvermeidung (samt Westermarck-Effekt), was in der menschlichen Entwicklung zu Heiratsregeln u. Exogamienormen führte …! Es gibt 2 Gründe für die Inzestvermeidung  einen, wie erwähnt, genetisch-biologischen (bedingt durch rezessive = dh. auf Erbanlagen zurückgehende Gene) u. den Westermarck-Effekt = d. i. die weltweit beobachtete sexuelle Unattraktivität zw. eng verwandten od. schon im Kleinkindalter miteinander aufwachsenden Personen derselben Herkunftsgruppen  Langzeitstudie in China … Beide Ursachen führten nicht erst beim Menschen, sondern schon im Tierreich (zB auch bei Löwen) u. sogar bei Pflanzen zu Methoden der Inzuchtvermeidung …! Diese Regeln zählen mit jenen zur Nahrungsbeschaffung u. Nahrungsaufteilung zu den ältesten der Menschheit …!

21 III. Normgenerator Familie – Entstehung von Recht und Rechtsgebieten (6)
Erste Arbeitsteilung – Erster Gesellschaftsvertrag: „Mit den Lagerstätten rund um das Feuer kam die Arbeitsteilung. …“ (E. O. Wilson: 2013); s. VL 2016: I. u. II. Arbeitsteilung ist ein zentraler Bereich der sog. Eusozialität … … das ist ein Prädikat für Lebewesen, die ihren Nachwuchs (über Generationengrenzen hinweg) gemeinschaftlich aufziehen …! Eusozialität ist in der Gesamtevolution eine Rarität …!  bei en Evolutionslinien im Tierreich: nur 19 Mal (zB Ameisen, Termiten, Bienen) + Mensch! Geschlechterbeziehung der Frühzeit  Ergebnis früher Arbeitsteilung … Beherrschung des Feuers  ~ 1 Mio Jahre … Feuer  Lagerstätte  Sprachentwicklung  Kommunikation  Arbeitsteilung zw. den Geschlechtern: Egalität …! Erster Gesellschaftsvertrag …!

22 III. Normgenerator Familienrecht – Entstehung von Rechtsgebieten (7)
Was hat sich aus Familie u. Familienrecht entwickelt? Zunächst persönliche (Rechts)Beziehungen: → Personen- + Ehe- + Kind-schaftsR  Zahlreiche Änderungen: zB Züchtigung … Dann Beziehungen zu Sachen:  Sachenrecht … vom FamilienET (Mit-ET!) zum  Allein- od. Individual-Eigentum Weiters  Erbrecht (als Rechtsgang nach dem Tod; Rechtssprichwort: ‚Das Gut rinnt wie das Blut‘) u. zwar: gesetzliches u. gewillkürtes Erbrecht (Testament); all das sind bereits griech. Entwicklungen! Das Erbrecht diente nicht nur der  Vermögensweitergabe, sondern auch der  Sicherung des Ahnenkults; gr. Nomizómena, lat. sacra … In frühen Gesellschaften genügte lange das Sachenrecht; später trat das Schuldrecht (verfeinernd) hinzu! – Erst spät wurden sog. Allgemeine Teile geschaffen (19. Jh.): u. zwar im SchuldR, SchadenersatzR u. ein ‚Allgemeiner Teil‘ (für das gesamte PrivatR) …

23 III. Normgenerator Familienrecht – Entstehung von Rechtsgebieten (8)
Kultur = menschliches Lernen + Selbstausdruck des Menschen  letzteres vornehmlich in Kunst u. Literatur, was mittelbar ebenfalls dem gesellschaftl. Lernen dient …  griechische Tragödie u. zuvor schon Homers Epen! Der Bereich des Rechts wurde in den Kulturvorgang des gesellschaftlichen Lernens eingeklinkt Kultur fördert – auch in Teilbereichen – individuelles u. kollektives Lernen …! Recht ist gesellschaftl. geronnene Erfahrung u. zwar die bislang wirkungsvollste Form (von Normativität), um individuell u. kollektiv Erlerntes u. Erkanntes zu speichern u. dauerhaft als Orientierung (an die Gemeinschaft) weiterzu-geben …!  Verhaltenssteuerung …

24 III. Normgenerator Familienrecht – Entstehung von Rechtsgebieten (9)
Kultur dient dem Überleben des Menschen, vergleichbar der von der Natur allen anderen Lebewesen – durch einen deutlich besser ausgeprägten Instinkt – mitgegebenen Programmierung …! Das Medium Recht gestattet dem Menschen gesellschaftl. Lernen konti-nuierlich weiterzutreiben u. zu einem prozeßhaften Geschehen zu machen … Die griechische Entwicklung zeigt, daß normatives gesellschaftl. Lernen selbst wiederum einem Lernprozeß unterliegt, denn sie reicht vom  Alten Nomos (~ Nomologisches Wissen) über den  autoritativen Thesmos (Drakon, Solon …) hin zum  demokratischen Neuen Nomos (Kleisthenes), der grundsätzlich dem modernen Gesetzesverständnis entspricht Die europäische (Grundlagen)Kultur der Griechen nützte viele Formen des gesellschaftlichen u. normativen Lernens, was uns heute noch Vorbild sein kann: Dichtung, Religion, Kunst, Architektur, Philosophie u. Sport …

25 III. Normgenerator Familienrecht – Entstehung von Rechtsgebieten (10)

26 Vom Familien- zum Individualeigentum
2. u. 3. Stunde, u : Vom Familien- zum Individualeigentum Überblick I. Beispiele aus dem geltenden Recht II. Die Eigentums-Entwicklung in der RG „Der Mensch wird frei geboren, und überall ist er in Ketten.“ Jean-Jacques Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag oder Die Grundsätze des Staatsrechtes (Reclam, 1971)

27 I. Beispiele aus dem geltenden Recht
2. u. 3. Stunde, u : I. Beispiele aus dem geltenden Recht

28 Vom Familien- zum Individualeigentum – I. … (1)
„Sachenrecht erscheint, verglichen mit dem Personen- u. Familien-, aber auch dem Erbrecht, als trockene Materie, u. im Vergleich mit dem schmiegsamen, anpassungsfähigen, fein differenzierten Schuldrecht hat es etwas Klobiges, Ungefüges. Man übersehe aber nicht, daß es auch sehr fein ausgearbeitete u. höchst schwierige Teile wie das Hypothekenrecht enthält u. Schauplatz starker menschlicher Leidenschaften, des Dranges zum Besitz, des Kampfes um Grund u. Boden, ist. Das Eigentum ist ein Pfeiler unserer Gesellschaftsordnung, der Boden die Grundlage menschlicher Tätigkeit u. staatlicher Macht. Ohne Be-herrschung der Güter kann der Mensch nicht leben. Das fängt mit der Tat-sache des Besitzes an. Auch wenn der Laie zwischen tatsächlicher u. rechtli-cher Herrschaft nicht klar unterscheidet, erlebt schon das Kind, ja selbst das Tier, eigenen Besitz u. achtet fremden. Über eigenes Gut zu verfügen u. frem-des zu achten ist ein Grundsatz unserer Lebensordnung.“ Franz Gschnitzer, Sachenrecht (1968)*

29 Vom Familien- zum Individualeigentum – I. … (2)
Das Eigentum/ET bildet das Zentrum des Sachenrechts, dem die Aufgabe zukommt, Sachen (iSd § 285 ABGB) – u. zwar bewegliche wie unbewegliche (§ 293), körperliche wie unkörperliche (§ 292), also Vermögensobjekte aller Art rechtlich erkennbar u. verläßlich an Personen/Rechtssubjekte zuzuordnen; u. zwar an natürliche u. juristische Personen! Es geht – kurz gesagt – darum zu klären: … wem, was gehört u. wem, welche Rechte an Sachen zustehen (zB Dienstbarkeiten/Servituten) u. ob Sachen belastet sind (mit Pflichten/Lasten: zB Hypotheken, Reallasten) Das Sachenrecht ist das Recht der Sachgüterzuordnung …!

30 Vom Familien- zum Individualeigentum – I. … (3)
Das ABGB von 1811/12 umschreibt das ET in den §§ 353 ff: § 353: „Alles, was jemandem zugehört, alle seine körperlichen und unkörperlichen Sachen, heißen sein Eigentum.“  ET im objektiven Sinn § 354: „Als ein Recht betrachtet, ist Eigentum das Befugnis, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten, und jeden andern davon auszuschließen.“ ET im subjektiven Sinn § 362: „Kraft des Rechtes, frei über sein Eigentum zu verfügen, kann der vollständige Eigentümer in der Regel seine Sache nach Willkür benützen oder unbenützt lassen; er kann sie vertilgen, ganz oder zum Teile auf andere übertragen, oder unbedingt sich derselben begeben, das ist, sie verlassen.“ Rechte des Eigentümers § 364 regelt Beschränkungen des ETs u. die §§ 364a-c den sog. Immissionsschutz; § 365: Enteignung; § 366: ET-Klage/rei vindicatio; § 523: actio negatoria  ETs-Freiheitsklage § 295 offenbart die Schönheit der Sprache u. die Verständlichkeit des ABGB  Volksgesetzbuch: K. A. v. Martini

31 Vom Familien- zum Individualeigentum – I. … (4)
Ähnlich wie das ABGB regeln auch das dtBGB (von 1900) u. das Schweizerische ZGB (von 1907) das Eigentum: Das dtBGB regelt in den §§ 903 ff das ET: „Der Eigentümer einer Sache kann soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. […]“ Das SchwZGB regelt das ET in den Art. 641 ff: „Wer Eigentümer einer Sache ist, kann in den Schranken der Rechtsordnung über sie nach seinem Belieben verfügen.[…]“ Als Ausnahme von § 285 bestimmt § 285a ABGB (1988): „Tiere sind keine Sachen; sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Die für Sachen geltenden Vorschriften sind auf Tiere nur anzuwenden, als keine abweichende Regelungen bestehen.“ – Vgl. § 903 dtBGB u. Art. 641a SchwZGB sind dem ABGB gefolgt …

32 Vom Familien- zum Individualeigentum – I. … (5)
Das ET – sein Erwerb u. Erhalt – wird von der gesamten RO ge-schützt; nicht nur vom PrivatR, auch vom StrafR (Diebstahl, Betrug, Sachbeschädigung), Verwaltungs- u. VerfassungsR (GrundR-Schutz)! Art. 5 des StaatsgrundG von 1867: Das Eigentum ist unverletzlich. Eine Ent-eignung gegen den Willen des Eigentümers kann nur in den Fällen u. in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt. § 365 ABGB + EisbEnteignungsG Art. 14 des BonnGG von 1949: (1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemein-heit dienen. Art. 17 der Allg. Erklärung der Menschenrechte von 1948: (1) Jeder Mensch hat allein od. in der Gemeinschaft mit anderen Recht auf Eigentum. (2) Niemand darf willkürlich seines Eigentums beraubt werden. Europ. Konvention zum Schutze der MenschenRe u. Grundfreiheiten (EMRK 1950) – Erstes Zusatzprotokoll, Art. 1: Jede natürliche od. juristische Person hat ein Recht auf Achtung des ETs. Niemandem darf sein ET entzogen wer-den, es sei denn, dass das öffentl. Interesse es verlangt, u. nur unter den durch Gesetz u. durch die allg. Grundsätze des VöRs vorgesehenen Bedingungen …

33 Vom Familien- zum Individualeigentum – I. … (6)
Eigentumsformen (des geltenden Rechts): Der Gesetzgeber des ABGB ging von dem in der Mo-derne häufigsten Fall aus  dem Allein-ET … Ein Haus od. Auto kann aber auch mehreren Personen ,gehören‘ … … das ABGB spricht dann von Mit-ET/condominium: § 361 ABGB enthält eine klug gefaßte Legaldefinition, in der alle Arten des Mit-ETs (s. Folie 7) Platz finden: „Wenn eine noch ungeteilte Sache mehrern Personen zugleich zugehört; so entsteht ein gemeinschaftliches ET. In Beziehung auf das Ganze werden die Mit-ETü für eine einzige Person angesehen; insoweit ihnen aber gewisse, obgleich unabgesonderte Teile angewiesen sind, hat jeder Mit-ETü das vollständige ET des ihm gehörigen Teiles.“

34 Vom Familien- zum Individualeigentum – I. … (7)
Wir unterscheiden heute zwischen: Allein-ET u. Mit-ET iwS (§§ 361, 825 ff ABGB)  hier ist erneut zu unterscheiden: Schlichtes/ideelles Mit-ET (auch Quoten- od. Bruchteils-ET genannt);  hier ist das Recht, nicht die Sache geteilt …! Gesamt(hand)-ET;  nur gemeinsame Verfügung Wohnungs-ET/WEG 2002; früher 1975 u als Sonder-form sowie Realgeteiltes od. Stockwerk-ET  nur bis 1879: hier ist die Sache selbst (zB ein Haus) geteilt!

35 Vom Familien- zum Individualeigentum – II.
II. Die Eigentums-Entwicklung in der Rechtsgeschichte

36 Vom Familien- zum Individualeigentum – II. … (8)
Für die ET-Ordnung der Frühzeit gilt  der kollektivisti-sche Charakter tritt deutlich hervor (E. Weiss): … alle Sachherrschaft stand ursprünglich einer Personen-Gesamtheit zu: Volk, Stamm, Klan, Familie … … zur Begriffserklärung: ,Totenteil‘ = was Verstorbenen mit ins Grab gegeben wurde; die Grabbeigabe …  setzte ET voraus! Bei den Hellenen – als europ. Ursprungskultur – gab es früh Individual-ET, aber zunächst nur an Fahrnis … Die ET-Entstehung war (über das ET hinaus) wichtig, weil damit der Prozeß der gesellschaftlichen Individualisierung parallel verlief, der wiederum für die polit. Genese von Gemeinwesen von größter Bedeutung war; s. VL 2015, 3. u. 4. Std. Lit.: E. F. Bruck, Totenteil u. Seelgerät (1926/1970)* + Graeca, Bd. II/2, II 19 – Brucks Stär-ke liegt in seiner umfassenden kulturhistor. u. interdisziplinären Orientierung

37 Vom Familien- zum Individualeigentum – II. … (9)
Beim Entstehen von Individual-ET spielte der Toten-kult eine wichtige Rolle  aber Fam-ET ist älter …! Totenkult war als Ahnenkult wichtig  Tod wirkte als Kulturgenerator … Die Entwicklung des Fahrnis-ETs beginnt mit der Praxis des Totenteils/Grabbeigabe  gedacht als Fortsetzung des Individual-ETs des Verstorbenen über den Tod hinaus … Die Rechtsentwicklung geht von der Hausgemeinschaft/ Oíkos aus  die Stellung des Hausvaters war bei den Griechen eine andere als in Rom (des pater familias)  Er war nur Verwalter/Treuhänder des Fam-ETs Lit.: J. Assmann, Der Tod als Thema der Kulturtheorie. Mit einem Beitrag von Th. Macho (2000)*

38 Vom Familien- zum Individualeigentum – II. … (10)
Wie wurde Individual-ET an Fahrnis in der Frühzeit er-worben: Raub  ,Odyssee‘ u.  Krieg waren rechtlich anerkannte ET-Erwerbstitel …! Das ,Recht des Siegers‘ war umfassend u. erstreckte sich auf alle dem Besiegten gehörenden Dinge, auch den Leichnam. – Nach Hektors Tötung durch Achill (Ilias XXIV 672) erbittet Priamos von diesem den Leichnam seines Sohnes  jedoch frühe völkerrechtl. Regeln der Totenbergung; s. Graeca, Bd. I 9 Schwieriger Übergang vom (‚absoluten‘) Individual-ET des Ver-storbenen am Totenteil, zum (‚relativen‘) Individual-ET, das vererbt wurde; u. vom Fam-ET zum Individual-ET des Kyrios … Beginn in homer. Zeit  Solon: VerfügungsR bei Sohnlosigkeit! – Abschluß der Entwicklung: 2. Hälfte des 5. Jhs. v.: Rednerzeit

39 Vom Familien- zum Individualeigentum – II. … (11)
Was war die Konsequenz des Fam-ETs …?  Kein ErbR, da dieses Individual-ET voraussetzte …! Wirtschaftlich wertvolle Güter – Viehherden, Acker-gerät u. Grund-ET – gehörten der Hausgemeinschaft, nicht dem Hausherrn …! Diese Rechtslage galt auch im german. Rechtskreis …! Allmählich wurden Gegenstände des persönlichen Bedarfs – Kleidung, Werkzeuge, Schmuck, Waffen, Jagdhunde – Kyria u. Kyrios mit ins Grab gegeben od. mit ihnen verbrannt …! Auch diese Praxis verhinderte das Entstehen von ErbR, zeigt aber, daß Individual-ET anerkannt war!

40 Vom Familien- zum Individualeigentum – II. … (12)
Das Entstehen von Individual-ET war auch deshalb von Bedeutung, weil damit der Prozeß der gesellschaftlichen Individualisierung der Gemeinschaftsmitglieder (Emer-genz der Person) verknüpft war; s. VL 2015: 3. u. 4. Std. Wohlstand, Reichtum förderte das Sozialprestige …! Merke: Das Kollektiv-ET ging entwicklungsgeschichtl. dem Individual-ET voran, so wie das Fahrnis-ET dem Liegen-schafts-ET/ET an Grund u. Boden … E. F. Bruck untersucht in seinem Hauptwerk ,Totenteil u. Seelgerät‘ (1926) das Entstehen von Individual-ET an Fahrnis u. geht dabei vom Totenteil aus  Beginn mit kretisch-mykenischer Praxis + Zeit Homers

41 Vom Familien- zum Individualeigentum – II. … (13)
E. F. Bruck (1926) hat gezeigt, daß seit homerischer Zeit klar zw. FamET u. IndivET unterschieden wurde … Die homer. Epen kennen danach schon ein VerfügungsR Ein-zelner (über best. individuell erworbene Vermögensteile), wo-mit die Ur-Stufe eines umfassenden FamETs überwunden ist … Schadenersatzleistungen (mit Bußcharakter; sog. ) u. Weihegeschenke u. Opfergaben an die Götter wurden aus dem IndivET geleistet  setzte VerfügungsR voraus …! IndivET (in ‚Ilias‘ u. ‚Odyssee‘) wird mit /ktéma, / ktémata od. /ktérea od. /ktésis bezeichnet …  von  = sich erwerben, verschaffen, in seinen Besitz bringen (sei es durch friedliche od. gewalttätige Mittel)!

42 Vom Familien- zum Individualeigentum – II. … (14)
Ktérea/ gehören dem Eigentümern nicht nur zu Lebzeiten, sondern werden ihm mit ins Grab od. auf den Scheiterhaufen gegeben  nicht das Vieh; allenfalls werden (stellvertretend) einzelne Tiere geopfert …! Das Vieh fällt (als wichtigster Vermögensteil) den Erben zu  Es war Grundlage der wirtschaftlichen Existenz der Familie! Die homerische Zeit kannte 3 Vermögensmassen: Grund u. Boden: oikos/ od.  = Haus u. Hof + Liegenschaften  im ET der Familie Lebensmittel: Feldfrüchte (aller Art), Wein, Vieh - , , ,   im ET der Familie Individueller Selbsterwerb: /ktémata, /ktérea od.   hier bestand freie Verfügung + Grabbeigabe/Schei-terhaufen: später  Erbschaft …!

43 Vom Familien- zum Individualeigentum – II. … (15)
In den folgenden Jhn. wird das FamET zugunsten des Indiv -ETs (immer mehr) zurückgedrängt …! Zur Zeit Solons ist dieser ‚Prozeß‘ bereits weit fortgeschritten u. wird von Solon zusätzlich gefördert  Beseitigung bestehender Verfügungsschranken:  bei Sohnlosigkeit wurde Adoption außerhalb der Verwandtschaft möglich …! Das Recht von Gortyn (~ 450 v.) kennt nur noch Reste des einstigen FamETs (latente Mitberechtigung der Kinder); Das Athen der Redner (letztes Viertel des 5. Jhs. v.) zeigt bereits eine individualistisch gestaltete ET-Ordnung … Im Hellenismus ist dieser ‚Prozeß‘ weitgehend abgeschlossen …!

44 Vom Familien- zum Individualeigentum – II. … (16)
Gründe für den Verfall des Totenteils …(E. F. Bruck)? In nachhomer. Zeit verschwinden die Waffen rasch aus den Gräbern  Das vererbbare Vermögen gewinnt an Bedeutung  der Totenteil schwindet! Ursache war ein Wandel religiöser, politischer u. rechtlicher Anschauungen …! Der alte Glaube von der erdengleichen Fortsetzung des Lebens im Jenseits – Idee des lebenden Leichnams – verschwindet …! An seine Stelle tritt die Vorstellung vom Fortleben der Seele/  … Psyché = der ins Schattenhafte umgesetzte, entmaterialisierte Leib, das schemenhafte Abbild (Eídolon/) des Verstor-benen …

45 Vom Familien- zum Individualeigentum – II. … (17)
Exkurs: Totenbeigaben in mykenischer Zeit … repräsentieren nicht mehr das Ausgangsstadium der Ent-wicklung, wie es sich noch in ägypt. Königsgräbern od. Gräbern südruss. Skythenfürsten zeigt …  Frau folgte dem Mann nicht mehr ins Grab, auch Rosse u. andere Dinge fehlen bereits …! Es wurden Ersatzstücke mit ins Grab gegeben: eigens ange-fertigte Schilder, Schwerte, Diademe, Terrakotasurrogate von Pferden u. sog. Konkubinatsfiguren … Alte Sitte wird nicht mehr buchstäblich befolgt  Abschwä-chung der Totenbeigabe  Übergangsstadium Abspaltungen vom Totenteil  Heergewäte (= Kriegsausrüstung des Erblassers) u. Gerade (= Kleider + Schmuck der Mutter) werden Töchtern u. Söhnen überlassen Die kretisch-myken. Zeit kannte diese Abspaltungen noch nicht!

46 Vom Familien- zum Individualeigentum – II. … (18)
Weiterentwicklungen (des FamETs) im MA: H. E. Troje (1972)* vermittelt Einblick in die Verfügungsbe-schränkungen im MA u. der Neuzeit; sog. Ius Protimesios/ Protomiseos (auch Retrakts-, Einstands-, Näher- u. VorkaufsRe genannt) … Etymologie:  (Verbum/) bedeutet etwas vorziehen, einen Vorrang einräumen, verleihen … Rechtlich wird damit einem näherstehenden Personenkreis (insbes. Verwandten od. Nachbarn) beim Verkauf von Liegenschaften vor fernerstehenden Personen ein bevorzugtes Erwerbsrecht eingeräumt … Antike  Byzanz (Gesetz des Kaisers Romanos Lakapenos: 922 n.)  Kaiser Friedrich II., Constitutio Sancimus  Bedeutung im gesamten Hl. Röm. Reich Dt. Nation  Moderne …

47 Vom Familien- zum Individualeigentum – II. … (19)
Damit schließt sich der Kreis u. die Entwicklung ist dort angelangt, wo wir begonnen haben  Folien I. ‚Beispiele aus dem geltenden Recht zeigen‘ … Das ET ist das stärkste u. umfassendste SachenR od.dingliche Recht Man muß seine Befugnisse daher nicht einzeln aufzählen, viel-mehr gewährt es ‚jeden‘ Umgang mit Sachen, der in einer Gesellschaft erlaubt ist … Man kann es verschenken od. verkaufen, vermieten od. verpachten etc., idR auch zerstören od. sich seiner begeben, dh. es derelinquieren … ET sollte nicht Selbstzweck sein, sondern dem Menschen dienen; Sicherheit, Freiheit etc. – Angebracht ist weder seine Verherrlichung, noch seine Verteufelung …!

48 Vom Familien- zum Individualeigentum – II. … (20)
Gab es in griechischer Zeit ET? Es wird immer wieder die Meinung vertreten, die Griechen hätten kein ET gekannt … Diese Irrlehre krankt schon daran, dass sie nicht erklären kann, wie dann das griech. Erbrecht funktioniert haben soll …! Tatsächlich existierte – wie wir gesehen haben – schon in homerischer Zeit IndivET an Fahrnis (iS eines auschließlichen VerfügungsRs)  Totenteil …! Daß das griechische – wie das germanische – Recht nicht so streng (wie später das römR) zw. Besitz u. ET voneinander schied (obwohl es diese Unterscheidung kannte!), ändert daran nichts …! Juristisches Halbwissen (wie bei Hans Albert Rupprecht (etwa 1984, 132 f)* ist stets gefährlich …!

49 Vom Familien- zum Individualeigentum – II. … (21)
ET war stets (in Europa wie anderswo)durch 2 Ideen cha-rakterisiert (mit kulturell unterschiedlicher Gewichtung): a) Ein umfassendes GebrauchsR u. … b) ein ebensolches VerfügungsR (über das im ET stehende Substrat, also bewegl. u. unbewegl. Sachen u. Rechte …)! Da jedoch frühes ET kollektiv angelegt war, wurden diese Kriterien zugunsten von Gruppe u. Gemeinschaft da u. dort eingeschränkt … … etwa dadurch, dass über das ET nur gemeinsam verfügt werden konnte ( FamET) od. … … dass Gemeinschaftsmitgliedern (u. Nachbarn) ein Aufgriffs-, Näher- od. RetraktsR zugestanden wurde …! s. Folie II 18 u. Graeca, Bd. II/2, Kap. II 19 (S. 302 f): Ius protimeseos … 49

50 Genese des griechischen Erbrechts
4. u. 5. Stunde, u : Genese des griechischen Erbrechts Überblick I. Allgemeine Bemerkungen II. Zur Entstehung des Erbrechts Das ErbR dient (wie das FamR u SachR) der Ordnungsfunktion des Rechts; zu den Rechtsfunktionen  VL 2015, 2. Stunde IV.: Gesellschaftsfunktio-nen des Rechts – Darstellung des ErbRs in ‚Graeca‘, Bd. II/1, Kap. II 10 (S. 496 ff) mwH: ‚Zur Entwicklung der Verfügungen von Todes wegen‘

51 Genese des griech. Erbrechts (1)
Wir haben mit dem griech. ErbR bereits Be-kanntschaft gemacht u. kennen seine gene-tische Verbindung mit dem SachenR u. FamR …! Kurz:  Ohne IndivET, kein ErbR …! Das IndivET entwickelte sich – wie wir gesehen haben – nur langsam neben u. aus dem FamET …! Wie Familie ( FamR) war auch der Tod (in ho-hem Maße!  ErbR) Kulturgenerator  Jan Ass-mann (2000)* u. Thomas Macho* …

52 Genese des griech. Erbrechts (2)
Der Tod stellte früh eine Herausforderung für den Men-schen dar u. wurde zum  Kultur- u. Rechtsgenerator …! Erste Hinweise auf eine Auseinandersetzung mit dem Tod gehen bereits auf den Neandertaler zurück: ~ J. v.  erste Bestattungen …! Der Tod verlangte ua. nach menschlicher Vor- u. Fürsorge für Überlebende  insbes. Kinder u. Angehörige … Darin liegt eine Wurzel rechtl. Entwicklung zum ErbR u. weitere Rechtsinstitute wie die Schenkung (auf den Todesfall) … Dazu kam auch  Angst vor den Toten (u. ihrer Wiederkehr) …! Der Tod förderte religiöse Überlegungen für die Zeit ‚danach‘  Zwei Konzepte: a) Lebender Leichnam u. später b) Psyche/ …  s. Folie ‚Vom FamET zum IndivET‘ (II 16)

53 Genese des griech. Erbrechts (3)
Der Tod verlangte weitere familien- u. erbrechtli-che Klarstellungen sowie Vorsorge…: Etwa das sog.  Trauerjahr …, vor allem mußte Vorsorge für den  Ahnenkult (früher wich-tig, da er die Familientradition repräsentierte! Hier entwickelte sich der Gedanke der Universalsukzession: Pflege der Nomizó-mena/lat. sacra  E. F. Bruck, Totenteil u. Seelgerät (1926) …! Schlüsselrolle spielten die Söhne …! Vorsorge für Vermögenstransfer mußte getroffen werden …! Die Adoption (bekannt seit Homer) ‚Ilias‘ IX 493 ff: Adoption Achills durch Phoinix) unterstützte beides (Ahnenkult + Vermö-genstransfer)  Kürzere Lebenserwartung, Kriege …!

54 Genese des griech. Erbrechts (4)
Graphische Darstellung: Die Rahmenvorstellungen des gesetzl. ErbRs stammen aus ältes-ter Zeit u. bezweckten  der Familie, ihren Ahnenkult u. das Familienvermögen/Oikos zu erhalten; u. dies auch dann, wenn keine eigenen Hauserben/Gnésioi existierten  Ermöglicht wurde dies durch Adoption/Eispoíesis + Recht des Epíkleros … Elterliche Teilung (s. Folie 10) Gesetzliches ErbR Gewillkürtes = Testament

55 Genese des griech. Erbrechts (5)
Rückblick auf den Prozeß der Menschwerdung  VL 2016: Beherrschung des Feuers (~ 1 Mio. J.) + Lagerbildung + Sprache + Ernährungsvorsorge (Sicherung eines Fleischanteils) förder-ten Paarbildungen u. Kinderzuordnung: Beginn der Familie ... – Dazu  Bremer Vortrag: Pkt. III 2: Präadaptionen d. Mensch-werdung …! Menschliche Neotenie forderte Arbeitsteilung u. förderte Paar- u. Familienbildung (bei grundsätzlicher Egalität)!  Erster Gesellschaftsvertrag! … E. Durkheim, N. Luhmann: …? Zusammenleben u. Überleben in Gemeinschaften waren von Fortpflanzungsverhalten u. Tod bestimmt  Kulturelle Kon-troll-Mechanismen + Ritualisierung: Geburt, Geschlechtsreife, Heirat, Tod etc.  FamR + ErbR …!

56 Genese des griech. Erbrechts (6)
Umfeld des Todes war ursprünglich mit existenzieller Angst, Schmerz u. Trauer verbunden  daher Bestreben nach kollektiver Bewältigung … Beispiele in allen Kulturen: zB im Film ‚Alexis Sorbas‘; in Rom: Machtdemonstration, aber auch Luxusverbote (Solon) … Bräuche u. Sitten, die den Tod zum gemeinschaftlich-gesell-schaftlichen Ereignis machten, gingen weithin verloren … Übriggeblieben ist der Tod als Einzelereignis u. Forschungsge-genstand wissenschaftl. Disziplinen: Medizin, Religion, Philoso-phie, Volkskunde, Recht …  Diss.: Susanne E. Rieser (1991) Rechtlich hat der Tod seine Bedeutung weithin behalten …! Regeln des ErbRs (gesetzl. u. gewillk.) dienen  Überlebenden (deren Überlebenssicherung) …!

57 Genese des griech. Erbrechts (7)
Voraussetzungen des Entstehens von ErbR: Es entstand als normatives Instrument der Familie u. zählt mit FamR u. SachR zu den ältesten Rechtsge-bieten … Werte von Familie u. Verwandtschaft prägten auch das griech. ErbR … Das gesetzliche ErbR = FamilienerbR: Es folgte der al-ten Regel/Sitte: ‚Das Gut rinnt wie das Blut‘! s. Paren-tel- od. Verwandtschaftslinien-Ordnung  Folie 12 Zusammenwirken von Individuum u. Gemeinschaft; s. Folie 13: Kaduzität Bedeutung von Rechtssprichwörtern …!

58 Genese des griech. Erbrechts (8)
Bedeutung der Sozialnormen (iSv Nomologisches Wissen nach Max Weber) Sitte (nach K. Meuli) = die verpflichtende Formel des Vorbildlichen; s. ‚Graeca‘, Bd. I, Kap. I 7 (S. 233 f) Moral (nach E. R. Dodds) = ‚grows out of his [sc. man‘s] relation to his fellow-men‘; s. ‚Graeca‘, Bd. I, Kap. I 7 (S. 285)  M. Tomasello (2016) Recht (als GewohnheitsR u. gesatztes Recht) regelt die ‚Grenzen des für die Gemeinschaft (noch) Tragbaren‘ … Religion (nach E. R. Dodds) = ‚religion grows out of man‘s relationship to his total enviroment‘; s. ‚Graeca‘, Bd. I, Kap. I 7 (S. 285)

59 Genese des griech. Erbrechts (9)
Sozialnormen/Nomologisches Wissen (M. Weber, RS): Sie lehren, dass sich Normativität schrittweise entwickelt hat:  Gewohnheit  Brauch  Sitte  Moral  Recht  Religion Ursprünglich bildeten die Sozialnormen ein  normatives Amalgam (ohne strikte Trennung, mit breiten Übergängen) …! Allmähliche Trennung der einzelnen Elemente voneinander über lange Zeiträume  bis heute nicht abgeschlossen! Auch bei uns, nicht nur im Islam! – Kunst  Religion  Recht: Innsbruck (Kruzifix des Bildhauers Wach auf der Innbrücke) … Solon stellte für Athen u. Griechenland politische u. rechtliche Weichen; auch für das ErbR  liberalere Handhabung der Ver-mögensnachfolge (über Verwandtschaft hinaus)  sein Gesetz änderte alte Sitte u. förderte die Rechtssubjektivität …!

60 Genese des griech. Erbrechts (10)
Vor Entwicklung des ErbRs gab es die sog. Elterliche Teilung (als frühe Form der Erbsitte): Lit.: E. Rabel (1907) + E. F. Bruck (1926) Sie stand zw. gesetzlichem u. gewillkürtem ErbR sowie … zw. Rechtsgeschäften unter Lebenden u. von Todes wegen … sowie zw. der Schenkung unter Lebenden u. auf den Todesfall: 2 Formen der donatio mortis causa als: d. m. c. imminente pericula  ‚Odyssee‘ (XVII 78 ff: Telemach schenkt wertvolle Gastgeschenke für den Fall, dass er …)! d. m. c. sola cogitatione Zwecke (der Elterlichen Teilung): Instrument für den in den Kampf ziehenden Familienvater …! Diente aber auch der Abschichtung von Söhnen  Kolonisa-tion, Militär, aber auch bei Verurteilungen/Zahlung …

61 Genese des griech. Erbrechts (11)
Das gesetzliche ErbR als Familien-ErbR: … folgte der  Abstammung (nächste Verwandte), aber auch räumliche Nähe von Personen zum/zur Verstorbenen wurde berücksichtigt … u. damit schließlich auch  die Gatten …! Das gesetzliche Erbrechtssystem bildete das Verwandtschaftssystem (mit Ergänzungen) ab: Erben wurden grundsätzlich nach verwandtschaft-licher/familiärer Nähe berufen … Näheres  Parentelsystem (das noch heute gilt) …!

62 Genese des griech. Erbrechts (12)
Griechische Parentelordnung (nach Verwandt-schaftslinien) gilt als gesetzl. Erbordnung (bis heute!): Erste Parentel  Nachkommen (des Verstorbenen): Kinder, Enkel etc. Zweite Parentel  Vorfahren (Vater, Großvater), bei den Griechen aber nicht deren Nachkommen (also Geschwister des Erblassers u. deren Nachkommen); sie bildeten eine eigene … Dritte Parentel  Geschwister (u. deren Nachkom-men/Geschwisterkinder …) Vierte Parentel  Urgroßeltern (?): umstritten

63 Genese des griech. Erbrechts (13)
Das griech. Recht kannte bereits: Kaduzitätsregeln … iSv ErbR der Gemeinschaft … ein RepräsentationsR = EintrittsR, wenn Erbberech-tigte vorverstorben waren; Beispiel: Sohn im Krieg gefallen, dann erbten vorhandene Enkel neben den noch lebenden Geschwistern des Vorverstorbenen Enterbung vom Haussöhnen war nur durch öffentl. Rechtsakt möglich  Apokeryxis … Als Folge des indoeurop. Patriarchats bestand inner-halb der einzelnen Linien/Parentele ein Vorzug des männl. Geschlechts – Verwandte der Mutterseite wur-den erst berufen, wenn Verwandte der Vaterseite fehlten …

64 Genese des griech. Erbrechts (14)
Der gesetzlichen Regelung des ErbRs gingen als Normquellen ( Sozialnormen) voraus: Erbsitte u. Erbgewohnheitsrecht Die gesetzliche od. Intestat-Erbfolge ist älter als die testamentarische …! Die kollektive (Familien-) Erbfolge ist älter als die heute übliche Individual-Erbfolge  Restfamilie (Haussöhne + Mutter + Schwestern) setzte als Kollektiverbin, bisherige Hausgemeinschaft als Erbengemeinschaft fort  MitET …

65 Genese des griech. Erbrechts (15)
Wir kennen bereits die Unterscheidung zw. (älterem) gesetzlichen u. (jüngerem) gewillkürtem ErbR: … Erbfolge kraft genereller Norm  indivduelle Anordnung! ‚Gewillkürt‘ meint  willentlich angeordnete Erbfolge …! = Testament, gr. diathéke/… Das Testament wurde nicht, wie mitunter behauptet, schon durch Solon geschaffen, sondern erst später; 6./ 5. Jh. v. … langsamer Entstehungsprozeß in der Praxis …! Interessanter Aspekt der Rechts- u. Wissenschaftsgeschichte: Nahezu alle bedeutenden Rechtsentwicklungen u. Rechtsfigu-ren – darunter das Testament – wurden von der Praxis ge-schaffen  sog. Kautelarjurisprudenz + Gerichtsbarkeit + Ge-setzgebung; daher Vorsicht bei Differenzierungen zw. Pr&Th!

66 Genese des griech. Erbrechts (16)
Zum Testament (als Rechtsgeschäft u. einseitige, letztwillige Verfügung): § 552 ABGB: „Die Anordnung, wodurch ein Erblasser sein Vermögen, oder einen Teil desselben einer od. mehreren Personen widerruflich auf den Todesfall überläßt, heißt eine Erklärung des letzten Willens.“ § 553 ABGB: „Wird in einer letzten Anordnung ein Erbe eingesetzt, so heißt sie Testament; enthält sie aber nur andere Verfügungen, so heißt sie Kodizill.“ § 578 ABGB: „Wer schriftlich u. ohne Zeugen testieren will, der muß das Testament od. Kodizill eigenhändig schreiben, u. eigenhändig mit seinem Name unterfertigen. Die Beisetzung des Tages, des Jahres, u. des Ortes, wo der letzte Wille errichtet wird, ist zwar nicht notwendig, aber zur Vermeidung von Streitigkeiten rätlich.“  Holographes Testament – Kluge Vorschrift!

67 Genese des griech. Erbrechts (17)
Griech. Testamentsentstehung hatte 2 (voneinander unabhängige u. grundverschiedene) Wurzeln: Schenkung auf den Todesfall  … Legatentestament u. b) Adoption  … Adoptionstestament Beide Wurzeln existierten bereits in homer. Zeit, nicht aber das Testament selbst …! Adoptionstestament  öffentl. Rechtsakt/Volksversammlg Legatentestament  privater, indiv. Rechtsakt Diese Entstehungsgründe sind von universalgeschichtl. Bedeutung … Beide Testamentsformen sind gewohnheitsrechtl. entstanden … Solons sog. TestamentsG hatte mit Testamentsentstehung nichts zu tun …! Griech. Testament war Grundlage des röm. u. modernen europ. Testaments!

68 Genese des griech. Erbrechts (18)
Zur Diathéke/… - Es ist zu unterscheiden zw.: Entstehung des Testaments als einseitiger, letztwilliger, rechtsgeschäftlicher Verfügung, die erst mit dem Tode (des/r Erblassers/in) rechtlich wirksam wird (sog. Testamentsform) u. Entwicklung der Testierfreiheit (in materieller Hinsicht), also der grundsätzlichen, individuellen Zulässigkeit u. Möglichkeit letztwilliger Verfügungen …! Die (materielle) Verfügungfreiheit über vorhandenes Vermögen ist durch Um- u. Weiterbildung des alten FamETs in  IndividualET möglich geworden; s. Folien: ET-Entstehung … Zuerst bei Fahrnis, dann bei Liegenschaften …!

69 Genese des griech. Erbrechts (19)
Zum sog. TestamentsG Solons: Wortlaut des Gesetzes nicht erhalten  daher Streit …! Wortlaut mußte aus Belegstellen attischer Redner erschlossen werden; Isaios, Demosthenes, Isokrates, Hypereides sowie Platon, Aristoteles, Plutarch bezeugen es jedoch … Es geht bei Solon um das VerfügungsR bei Kinder- od. Sohn-losigkeit … - Letztwillig verfügen/vermachen (…/diatíthestai tá heautoú) konnte derjenige, der keine Kinder hatte …! Wer Töchter hinterließ, konnte nur zusammen mit diesen über seinen Nachlaß verfügen; sog. ErbtochterR/Epikleros … Solon hat nicht das Testament geschaffen, … er wollte nur ein freies VerfügungsR (zu Lebzeiten!) dessen begründen, der keine Kinder hatte, sohnlos war …  Vor Solon konnten kinderlose Erblasser einen Adoptivsohn nur dem Kreis der Verwandtschaft/gens entnehmen …!

70 Genese des griech. Erbrechts (20)
Zusammenfassung – Ausblick: Das griech. ErbR war bereits hoch entwickelt u. kannte alle wesentlichen Lösungen eines ErbRs …! Einfluß auf Rom ist nicht mehr explizit beweisbar, in vielem aber sehr wahrscheinlich …! Das sollte nicht überraschen, ist doch die JurPr im antiken Griechenland entstanden …! – Griechenland kannte auch professionelle Juristen u. der erste europ. Rechtswissen-schaftler war ein Grieche: Antiphon aus Rhamnus/Attika …! Griech. Rewi entstand aus einer Synthese von Gesetzgebung, Richtertum, Kautelarjurisprudenz u. (erster) Theorie: Philosophie, Rhetorik/Logographen, Sophistik … Die grundlegenden Methoden der Rewi (nicht nur die allg. wissenschaftl.) stammen aus dem antiken Griechenland  RG, RV, RPhil, RPol, Auslegung, Lückenfüllung, Analogie uam.: Das wird geleugnet! RG  klittert RG …!

71 I. Was haben wir bisher gemacht?
6. Stunde, : Diskussion, Fragen, Literatur … (1) I. Was haben wir bisher gemacht? Zum Graeca-Projekt … Einteilung der Wissenschaften … Normgenerator Familie, Entstehung von Rechtsgebieten … Vom Familien- zum Individualeigentum … Genese des griechischen Erbrechts … II. Wie geht es weiter? In den nächsten 3 Stunden befassen wir uns mit: ‚Antiker und moderner Demokratie‘ … und darauf folgt III. der Vortrag von Frau Prof. Sandra Lippert aus Montpelliere/F über die ‚RG des alten Ägypten‘

72 Diskussion, Fragen, Literatur … (2)
6. Stunde, : Diskussion, Fragen, Literatur … (2) Literatur-Überblick Karlheinz Schüssler, Pharao Cheops u. die Magier. Altägypt. Märchen u. Erzählungen … : 2003, Manesse Dieter Kurth, Der Oasenmann, eine altägypt. Erzählung: 2003 Erik Hornung, Altägypt. Dichtung: 2004 (ausgewählt, übersetzt u. erläutert von E. H.), Reclam Jan Assmann, Der Tod als Thema der Kulturtheorie. Todesbilder u. Totenriten im Alten Ägypten: 2000, (+ Beitrag von Thomas Macho, Tod u. Trauer im kulturwissenschaftl. Vergleich), edition Suhrkamp Jan Assmann, Weisheit u. Mysterium. Das Bild der Griechen von Ägypten: 2000 Walter Burkert, Die Griechen u. der Orient: Beck, 2003 Eberhard F. Bruck, Totenteil u. Seelgerät im griech. Recht: 1926/1970 Klaus Schmidt, Sie bauten die er-sten Tempel … Die archäologische Entdeckung am Göbekli Tepe: 2006 E. R. Dodds, The Greeks and the Irrational: 1951/1997,TB Hans Erich Troje, Europa u. griech. Recht: 1971, Antrittsvorlesung Heinrich Weinstock, Die Tragödie des Humanismus: 1953/1989 Sandra Lippert, Einführung in die altägypt. Rechtsgeschichte: 2008, LIT-Verlag 72

73 Diskussion, Fragen, Literatur … (3)
6. Stunde, : Diskussion, Fragen, Literatur … (3) Literatur-Überblick Edward O. Wilson, Der Sinn des menschlichen Lebens: 2015 Richard Dawkins, das egoistische Gen/The Selfish Gene: 2007, Jubiläumsausgabe Michael Tomasello, Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation: stw 2004 Michael Tomasello, Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Den-kens. Zur Evolution der Kognition: stw 2006 Michael Tomasello, Warum wir kooperieren: Suhrkamp, 2010 Michael Tomasello, Eine Naturge-schichte der menschlichen Moral: Suhrkamp, 2016 Max Weber, Rechtssoziologie: 1967, 2. Aufl.: Luchterhand, vergr. Helmut Dahmer, Soziologie nach einem barbarischen Jahrhundert: 2001, WUV Ernst Topitsch, Mythos, Philoso-phie, Politik: 1969, 2. Aufl. Ernst Topitsch, Vom Ursprung u. Ende der Metaphysik: 1958/1972, dtv Jürgen Ritsert, Ideologie. Theore-me u. Probleme der Wissenssozi-ologie: 2002/2015 Christian Meier, Die Entstehung des Politischen bei den Griechen: 1983, stb Edward O. Wilson, Die soziale Eroberung der Erde: 2013 (TB) 73

74 Diskussion, Fragen, Literatur … (4)
Literatur zu ‚Antike und moderne Demokratie‘: Jean Jacques Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag; Reclam 1971 Moses I. Finley, Antike u. moderne Demokratie; Reclam, 1980 Konrad H. Kinzl (Hg.), Demokratia. Der Weg zur Demokratie bei den Griechen. Mit einer Einleitung von Kurt A. Raaflaub; WBG 1995 Jochen Bleicken, Die athenische Demokratie; 1995, 4. Aufl., UTB Angela Pabst, Die athenische Demokratie; 2003, Beck-Wissen Charlotte Schubert, Perikles; WBG, 1994 Egon Flaig, Die Mehrheitsentscheidung. Entstehung u. kulturelle Dynamik; 2013,F. Schöningh Egon Flaig (Hg.), Genesis und Dynamiken der Mehrheitsent-scheidung, unter Mitarbeit von Elisabeth Müller-Luckner (2013); darin E. Flaig, Die Mehr-heitsentscheidung – ihre multiple Genesis u. ihre kulturelle Dynamik, S. VII-XXXII: Zusammenfassung seiner Position

75 Diskussion, Fragen, Literatur … (5)
Zitate zur gegenwärtigen Krise der Demokratie: „Eine wirklich politische Gesellschaft, in der Diskussion u. Beratung zu den wesentlichen Techniken des Gemein-schaftslebens gehören, ist eine Gesellschaft voller Risiken. Es ist unvermeidlich, daß die Erörterungen sich von Zeit zu Zeit von taktischen Problemen auf die grundlegenden Fragen verlagern, daß nicht nur die unmittelbare Politik derer, die jeweils die Regierungsgewalt ausüben, in Frage gestellt wird, sondern [auch] die ihr zugrunde liegenden Prinzipien […].“ – S. 105 „Die Möglichkeit, daß eine bestimmte Interessengruppe die demokratischen Spielregeln aufgibt, weil ihre Mitglieder der Überzeugung sind, ihre Ziele auf demokratischem Wege nicht erreichen zu können, muß einfach einkalkuliert werden.“ – S. 75 Moses I. Finley, Antike u. moderne Demokratie (1980) 75

76 Diskussion, Fragen, Literatur … (6)
Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Zustand der modernen Demokratie ein? Krisenhaft …? In Europa …, weltweit …? Was können wir dagegen tun …? Worin erblicken Sie Ihren Beitrag …? Können wir von der Antike lernen …? Worin liegen die Stärken u. Schwächen Europas …? Was halten Sie von Mitbestimmung/Partizipation (auf allen Ebenen der Gesellschaft)? … usw. 76

77 Antike und moderne Demokratie …
7., 8. u. 9. Stunde: 8. 5., u Antike und moderne Demokratie … Sich in Zeiten der Krise der Demokratie mit dieser Regie-rungsform zu befassen, ist kein Luxus, vielmehr Notwendig-keit. – Ein Rückblick auf die Antike verlangt aber heute danach zu fragen: Was sagt uns die Antike heute noch? Sagt sie uns noch etwas? Läßt sich daraus etwas lernen …? Sigmund Freud:  Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft …! Überblick: I. Einleitung, II. Plädoyer für ein Öffnen historischer Disziplinen in Richtung Natwissenschaften, III. Wissen-schaftstheorie u. Ideologiekritik, IV. …

78 Antike und moderne Demokratie … (1)
Zitate zur gegenwärtigen Krise der Demokratie: „Eine wirklich politische Gesellschaft, in der Diskussion u. Beratung zu den wesentlichen Techniken des Gemein-schaftslebens gehören, ist eine Gesellschaft voller Risiken. Es ist unvermeidlich, daß die Erörterungen sich von Zeit zu Zeit von taktischen Problemen auf die grundlegenden Fragen verlagern, daß nicht nur die unmittelbare Politik derer, die jeweils die Regierungsgewalt ausüben, in Frage gestellt wird, sondern [auch] die ihr zugrunde liegenden Prinzipien […].“ – S. 105 „Die Möglichkeit, daß eine bestimmte Interessengruppe die demokratischen Spielregeln aufgibt, weil ihre Mitglieder der Überzeugung sind, ihre Ziele auf demokratischem Wege nicht erreichen zu können, muß einfach einkalkuliert werden.“ – S. 75 Moses I. Finley, Antike u. moderne Demokratie (1980) 78

79 Antike und moderne Demokratie … (2)
‚Demokratie als kulturelles Lernen‘ Der politisch-rechtliche Hintergrund des Entstehens von Demokratie im antiken Griechenland – Unter Berücksichtigung von F. Braudels Geschichtsverständnis, E. O. Wilsons und M. Tomasellos Evolutions-biologie sowie E. Flaigs ‚Mehrheitsentscheidung’* von Heinz Barta *Beitrag zur Tagung: ‚Der Alte Orient und die Entstehung der Athenischen Demokratie‘, Bremen/Hanse-Wissenschaftskolleg, Freitag, 3. Juni bis Samstag, 4. Juni – Das Tagungsprogramm findet sich im ‚Anhang’ 79

80 Antike und moderne Demokratie … (3)
„Es ist nicht einfach zu verstehen, daß ein Volk, das nichts von der Möglichkeit einer Demokratie weiß, Demokratien schafft. Das kann nicht gerade nahegelegen haben. Sonst hätten die Griechen doch wohl kaum die Ausnahme von der Regel der Genese von Hochkulturen gebildet. Denn was immer man zu ihren Gunsten vorbringen kann: Es ist nicht auszumachen, daß sie von vornherein ‚begabter‘ als so viele andere Völker gewesen wären.“ Christian Meier, Die Entstehung des Politischen bei den Griechen (1983, 12) Dieser Text zeigt, wie eindimensional in der Alten Geschichte noch in den 1980er-Jahren gedacht wurde u. wie groß der Erkenntnisgewinn seither durch das Einbeziehen neuer Disziplinen ( Evolutionsbiologie u. weiterer Diszipli-nen wie der Philosophie oder Soziologie, kaum noch der Antiken RG) u. neuer Denkansätze in der Geschichtswissenschaft ist;  F. Braudel, E. Flaig etc.! 80

81 Antike und moderne Demokratie … (4)
„Der Befund der Politischen Anthropologie lässt keinen Zweifel: Die weitmeisten Ethnien und Kulturen in der Weltgeschichte be-vorzugten das Konsensprinzip. Nur sehr wenige pflegen die Mehrheitsentscheidung. Diese entstand also auf einem schma-len Sonderweg. Ihn konkret nachzuzeichnen ist unmöglich; aber es lassen sich die Bedingungen angeben, welche vorlagen, damit diese Weise des Entscheidens emergierte.“ Egon Flaig, Die Mehrheitsentscheidung … (2013c , XVI f) Dieser Text betont die Bedeutung der Mehrheitsentscheidung, von der wir noch mehr hören werden! – Aber erstaunlich bleibt es allemal, dass die Mehrheitsentscheidung entwicklungsgeschichtlich die Ausnahme u. nicht die Regel der gesellschaftlichen Entwicklung war …! – Es ist daher danach zu fra-gen, was so viele Gesellschaften davon abgehalten hat, die Mehrheitsent-scheidung zu entwickeln od. zu übernehmen?! 81

82 Antike und moderne Demokratie … (5)
I. ,Einleitung‘: Ich will zeigen, wie Demokratie entstanden ist und warum gerade im antiken Griechenland … Und was uns antike Demokratie – nach 2000-jährigem Dornröschenschlaf – heute noch zu sagen hat … Es gibt reichlichen Diskussionsstoff … Ich behandle das Thema nicht auf herkömmliche historische Weise …! Er-gänzung durch  + RG + F. Braudels Geschichtsphilosophie + Evolutions-biologie: E. O. Wilson u. M. Tomasello + E. Flaigs Mehrheitsentscheidung Das Befassen mit antiker (Rechts)Geschichte u. ihren (klassischen) Werken verlangt gewisse histor. Kenntnisse, deren Aneignung Zeit u. Energie kostet, aber auch intellektuelle Belohnungen bereithält …! Die Voraussetzungen der Demokratie waren doch sehr vielgestal-tig, weshalb es versch. disziplinäre Bezüge braucht …! 82

83 Antike und moderne Demokratie … (6)
War es Zufall, dass im griech. Kulturbereich: Eine hohe Sprachkultur existierte … das Politische (Ch. Meier, 1983), aber auch die Goldene Regel, die Mehrheitsentscheidung (E. Flaig), die Emergenz der Person, eine hohe Rechtsentwicklung ( allg. Normativität) u. schließlich die Demokratie entstanden sind …? Bestehen hier Zusammenhänge? – Ch. Meiers Aussage, die ich meinem Text als Motto vorangestellt habe, verbleibt aporetisch, was – cum grano salis – auch für das Zitat von E. Flaig gilt, dessen Erklärung von Mehrheitsentscheidung u. Demokratie der Ergänzung bedarf …!  Gefahr monokausaler Erklärungen …! 83

84 Antike und moderne Demokratie … (7)
Die Richtung meiner Antwort liegt – ausgehend von der Topographie Griechenlands u. der Gunst der Geschichte – darin, dass die Griechen, die sich ihnen bietenden his-torischen Möglichkeiten genutzt u. einen einzigartigen kulturellen Lernprozeß eingeleitet haben …! – Ich habe dies mit den Stichworten: Sprache, Agonalität, Indivi-dualisierung (mit Gemeinschaftsbezug), Politik, Norma-tivität u. dadurch erlangte Kreativität versehen ... Eingebettet in diese Entwicklung erscheint es als kein Zufall, dass dieser Kulturkreis (im Rahmen des Entstehens der ersten ,europä-ischen‘ Hochkultur)manch bahnbrechende Entwicklungen hervor-gebracht hat …! – Trotz in anderen Bereichen zeitbedingter Be-schränktheit  etwa Sklaverei (seit dem 8. Jh. v.), Kriege etc. 84

85 Antike und moderne Demokratie … (8)
II. Plädoyer für ein Öffnen histor. Disziplinen in Richtung Naturwissenschaften „Obwohl die beiden großen Wissenschaftszweige, Natur- u. Geistes-wissenschaften, sich in der Beschreibung unserer Spezies radikal unterscheiden, ist das kreative Denken ihr gemeinsamer Ursprung.“ – Edward O. Wilson, Der Sinn des menschlichen Lebens (2015, 35) Wilsons Vorschlag betrifft vornehmlich: Alte Geschichte, Altorientalistik, (Antike) RG, (R)Phil, (R)Soz … uam. Evolutionsbiologie geht von Darwins Lehre aus …!  Lit.: s. VL 2016 Interdisziplinarität ist keine Einbahnstraße …! Eigenes Wissen ( von RG, Alter Geschichte, Soziologie od. Philosophie) kann in eine hermeneutische Arbeitsbeziehung eingebracht werden …! Ängste, dass dadurch ein wissenschaftlicher Einheitsbrei entsteht, sind unbegründet … Die gegenseitige Nichtbeachtung der großen Wissenschaftsbereiche – Na-tur- u. Kulturwissenschaften hat ausgedient …! Es braucht Kooperation …! 85

86 Antike und moderne Demokratie … (9)
Gelungene Interdisziplinarität ist mit dem Orchester-spiel der Musik zu vergleichen; insbes.  Kammermusik! Geht es doch auch bei gemeinsamer wissenschaftlicher Arbeit (zw. versch. Disziplinen) darum, um durch aufeinander abgestimmte Tätigkeiten, … ein gemeinsames Ziel zu erreichen …, … was inhaltliche u. methodische Abstimmung u. Rücksicht aufeinander verlangt, aber auch … … ein ständiges im Auge behalten des gemeinsamen Zieles u. möglichst auch Freude am Gelingen des gemeinsamen Werks …! Das Ergebnis ist in der Musik, zB erhebender Wohlklang u. Schönheit – in der Wissenschaft hermeneutisches Gelingen u. einfühlsame u. umfassende Erklärung eines Phänomens …! Diese Form der Interdisziplinarität steckt noch in den Kinderschuhen …! 86

87 Antike und moderne Demokratie … (10)
Fortsetzung interdisziplinärer Überlegungen: Unterscheide:  Interdisziplinarität u. Intradisziplinarität Die Gefahren der Spezialisierung sind groß …! Mensch = Produkt einer Gen-Kultur-Koevolution (es geht um den evolutionsbiolog. Hintergrund der Menschwerdung): … u. darum, bislang einander fremd gebliebene Wissen-schaftsbereiche einander näher zu bringen, da bisher zu wenig berücksichtigt wurde, daß der Mensch nicht nur ein Produkt seiner Gene, sondern in mühevoller Gen-Kultur-Koevolution entstanden ist …! Bei der Menschwerdung u. der geschichtlichen Fortentwicklung des Menschen geht es um eine Verknüpfung von ,Natur‘ u. ,Kultur‘  E. O. Wilson: Multilevel-Selektion …! 87

88 Antike und moderne Demokratie … (11)
Zu E. O. Wilsons Kooperationsangebot/-aufforderung: Wilson will den (immer noch bestehenden) tiefen Graben zw. NatWi u. Kulturwissenschaften wenigstens verringern … Das setzt voraus, daß die empirischen Ergebnisse der Evolu-tionsbiologie dieser Kooperation als Grundlage dienen … … denn die Natur(entwicklung) ging der Kultur(entwicklung) voran … Aber die vielfältigen kulturellen Anpassungsleistungen (im Kampf ums Überleben) haben ebenfalls den Weg der Natur (Vererbung) gewählt  Epigenetik: zB Laktosetoleranz, Inzest-vermeidung … ,Natur‘ u. ,Kultur‘ bildeten danach in der menschlichen Evolu-tion keine Gegensätze, sondern einen gemeinsamen u. auf-einander aufbauenden Entwicklungsstrang …! 88

89 Antike und moderne Demokratie … (12)
III. Geschichte, Antike RG u. Wissenschaftstheorie …: Auch historische Fächer brauchen Wissenschaftstheorie (iSv Spielregeln für wissenschaftliches Arbeiten)… (Rechts)Geschichte ist eine empirische Disziplin … Empirische Disziplinen benötigen eine (leitende) Hypothese … Daran fehlt es meist nicht! – Dabei darf jedoch der Einfluß die-ser Hypothese auf die (Tatsachen)Erkenntnis nicht unterschätzt werden; denn  schlechte Hypothesen verleiten zu schlechten, selbstreferentiellen Ergebnissen; self-fullfilling prophecies …! Es braucht ein Gleichgewicht von guter Hypothesenbildung u. strenger Hypothesenprüfung …  sog. Falsifizierung! Oft wird stattdessen alle Kraft in das Absichern fragwürdiger Standpunkte gelegt …! 89

90 Antike und moderne Demokratie … (13)
Ideologiekritik: (J. Ritsert, 2015) Alle Wissenschaft braucht diese (hier nur angedeutete) Form wissen-schaftl. Kontrolle; denn nicht immer ist Erkenntnisgewinn u. Wirk-lichkeit (Wahrheit?) ihr Ziel …! – F. Bacon wußte das bereits: „Der menschliche Verstand ist kein reines Licht, sondern Eigensinn und Affekte trüben ihn; dadurch macht er denn aus den Wissen-schaften Alles, was er will. Und der Mensch glaubt leicht, was er gern will. So übergeht er das Schwierige, weil er beim Untersuchen die Geduld verliert; das Nüchterne, weil es seine Hoffnungen beengt; die tiefere Naturforschung, wegen seines Aberglaubens; das Licht der Erfahrung aus Hochmut und Anmaßung, damit es nicht scheine, daß er seinen Geist mit gewöhnlichen, geringfügigen Dingen beschäftige; ungewöhnliche Ansichten endlich wegen der herrschenden Meinung; kurz, auf unendliche und oft unmerkliche Weise überwältigen und vergiften unsere Neigungen die klare Ansicht.“ – Francis Bacon, Novum Organon: Aphorismus 49 (1974) 90

91 Antike und moderne Demokratie … (14)
Fortsetzung der Ideologiekritik: Oft fehlt die Bereitschaft, Neues od. Kritisches gewissenhaft zu prüfen u. erst recht es anzuerkennen; Th. S. Kuhn: 1973 u. 1978 Macht, Schulenbildung, Einflußkartelle, Geld od. curriculare Egoismen (wie die bedingungslose Förderung des eigenen Fachs ( etwa des römRs!) sowie Narzißmen verhindern eine ge-wissenhafte wissenschaftliche Prüfung neuer Vorschläge, aber auch die Kooperation mit anderen Disziplinen …! Das ist für das behandelte Thema wichtig …! RG, Geschichte, aber auch andere Disziplinen brauchen das Kor-rektiv der ‚Ideologiekritik‘ …! Sichtweisen ändern sich u. dürfen nicht eingefroren werden …! Wissenschaft ist gut beraten, sich nicht im Elfenbeinturm zu ver-stecken u. nicht nur Fachkontakte zu pflegen!  Öffentlichkeit! 91

92 Antike und moderne Demokratie … (15)
Hans Erich Troje hat beherzigenswerte ideologiekri-tische Sätze zur griechischen RG geschrieben (‚Euro-pa u. griechisches Recht‘, 1971, 8): „Von zwei Seiten vor allem stellt[e] griechisches Recht eine Bedrohung herrschender Strömungen und Mächte dar. Es bedroht[e] aristokratisch-feudalistisch verfaßte Staaten mit dem Gegenmodell einer zu politischer Mündigkeit aller Glieder strebenden Gesellschaft, der Demokratie, einerseits, mit dem Gegenmodell einer Monarchie als einer von starker, den Kampf gegen Feudalmächte nicht scheuender Zentralmacht durch-walteten Gesellschaft andererseits. Jenes ist vor allem in der Blüte Athens, dieses vor allem in der Blüte Konstantinopels praktisch vorgelebt und theoretisch begründet worden. Das aristokratische Rom und aristokratisch verfaßte Europa wehr[t]en sich sowohl gegen den ‚Unsinn’ athenischer Demokratie wie gegen den Schrecken byzantinischer Sozialreformen und Wirtschaftslenkung.“

93 Antike und moderne Demokratie … (16)
Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Zustand der modernen Demokratie ein? Krisenhaft …? In Europa …, weltweit …? Was können wir dagegen tun …? Worin erblicken Sie Ihren Beitrag …? Können wir von der Antike lernen …? Worin liegen Europas Stärken u. Schwächen …? Was halten Sie von Mitbestimmung/Partizipation (auf allen Ebenen unserer Gesellschaften: etwa den Universitäten!) …? … Usw. 93

94 Antike und moderne Demokratie … (16a)
Studium – Bildung – Ausbildung Zu erinnern ist daran: das Studium soll fachliche Ausbildung u. Bildung fördern …! … u. wahre Bildung verpflichtet zur Übernahme staats-bürgerlicher Verantwortung …! … Der weit verbreitete Rückzug ins Private gefährdet unsere demokratische Zukunft …! Staatsbürgerliche Verantwortung verlangt mehr als eine Ausrichtung an Karriere, Sport u. Familie! – Wir haben eine ‚westliche Individual- u. Gemeinschafts-Tradition‘ zu verteidigen …!  Beginn in Griechenland! Jede Generation braucht Anpassungen …! 94

95 Antike und moderne Demokratie … (16b)
F. Braudels gegliedertes Geschichtsverständnis: B. unterschied in La Mediterranée/‚Das Mittelmeer‘ (1966/2001) drei historisch relevante Ebenen: (1) Die Landschaft als topographische Grobstruktur  erzeugt: unbewegl. Geschichte – l‘histoire naturelle (2) Gruppen etc., Institutionen der Menschen, die dort leben  erzeugt über Generationen hinweg eine Geschichte langsamer Rhytmen /longue durée (3) Ereignisgeschichte  als Geschichte der in diesen Räu-men u. Strukturen lebenden u. handelnden Menschen/ l‘histoire événementíelle Diese Schichten greifen ineinander u. beeinflussen sich, stehen nicht beziehungslos nebeneinander …!

96 Antike und moderne Demokratie … (16c)
Zusammenspiel von Braudels Ebenen schafft verschie-dene Möglichkeiten, nicht nur eine einzige, die alles andere ausschließt: Es wäre unrichtig, B. einen histor. Determinismus zu unterstellen, der Zufälligkeiten u. Diskontinuitäten sowie subjektive Kräfte ausschließt …! Unterschiedliche Geschichtsverläufe zeigen, dass von be-stehenden Möglichkeiten ein unterschiedlicher Gebrauch (in der Geschichte) gemacht wurde …! Bs. Denken betont den Konnex von ‚Landschaft, Klima u. Charakter‘ … – Für die Griechen war der Zusammenhang von erster u. zweiter ‚Ebene‘ von großer Bedeutung  Ergebnis: auffallend viele interessante Einrichtungen u. bedeutende Menschen u. Werke (in nahezu allen Kulturbereichen) …!

97 Antike und moderne Demokratie … (16d)
Landschaft, Klima u. die dafür geschaffene politische Struktur waren anregend …: Das galt für das Mutterland (mehr 700 Poleis!), die vielen Inseln u. Halbinseln, die kleinasiatische Küste u. die zahlrei-chen Kolonien (mehr als 200!) im gesamten mediterranen Raum, insbes. der Megále Hellás/Magna Graecia u. im Schwarzmeergebiet …  großes Kreativitätspotenzial! Das spiegelt die RG: Kolonisation  KollisionsR, VölkerR, lex Rhodia de iactu uam., vor allem aber das Entstehen der Polis, als struktureller Entsprechung von Topographie (Klein-teiligkeit der Landschaften: zB Attika od. Peloponnes), Klima u. sich daraus entwickelnder Kultur …! Mediterraner Raum wurde zum lebendigen Zentrum der entwickelten antiken Welt …!

98 Antike und moderne Demokratie … (17)
Vielzahl griech. Poleis u. Kolonien förderte das Miteinander-Vergleichen u. Sich Messen an Anderen u. fachte obendrein den Wettbewerb an … Agonalität war den Griechen in die Wiege gelegt …!  Ge-samtkulturelles Phänomen: zB Pindars ‚Epinikien‘ Wirkmächtige Anpassungs- u. Selektionsmechanismen beherrschten die hellenische Kultur …! In  Politik, Sport (Olympia etc.), Kultur (Dramenauswahl u. Reihung, Rhetorik), Militär (Tapferkeitsbeurteilungen), gruppeninterner u. externer Vergleich zw. Gruppen  Peleus, der Vater Achills, rät seinem Sohn: ‚Immer der Erste/Beste zu sein u. ausge-zeichnet vor andern‘ Konkurrenzkampf griech. Adelsfamilien … Agonalität förderte die Individualselektion in der Gruppe u. den Vergleich der Gruppen miteinander  Gruppenselektion

99 Antike und moderne Demokratie … (18)
Braudel u. die Evolutionsbiologie: Neben der Kleinteiligkeit griech. Landschaften war das Meer wichtig …!  Seereich u. Demokratie …! (M. I. Finley) Durch Gruppenvergleich u. Gruppenkonkurrenz hervorge-brachte (innere) Gruppenwerte (Kommunikation, Koope-ration u. Solidarität) sind die entscheidenden Werte in menschlichen Gemeinschaften  E. O. Wilson: „Zusammen-halt u. Kooperation innerhalb der Gruppe […] kürten schließ-lich den Sieger“  Eusozialität … Schwierigkeit (bis heute): Erreichte innere Gruppenwerte, auf andere Gruppen/Gemeinschaften zu übertragen …! Bedeutung der sog. ‚Goldenen Regel‘: erste Umschreibung bei Homer (‚Odyssee‘ VI 188 f)  Nymphe Kalypso …

100 Antike und moderne Demokratie … (19)
Bedeutung der Sprache für das Entstehen der Demo-kratie: Sprache der Griechen war hoch entwickelt … Sprache u. Klima … Dichtung/Theater, Geschichtsschreibung, Rhetorik, Philo-sophie, Jurisprudenz, Beginn von Wissenschaft … Bedeutung der Kommunikation … Goldene Regel … Mehrheitsentscheidung … Sprachentwicklung als Voraussetzung des Entstehens von entwickelter Gemeinschaft …! Demokratie  Fähigkeit politisch zu kommunizieren!?

101 Antike und moderne Demokratie … (20)
Georg Jellinek (1900: 1. Aufl., 1960: 3. Aufl.): Klassiker der ‚Allgemeinen Staatslehre‘ … J. behandelt nur den entstandenen Staat, nicht dessen Entstehung …! Elemente des entstandenen Staates: Staatsvolk, Staatsgebiet, Staatsgewalt … J. geht auch nicht auf das Entstehen der Demokratie ein …! Setzt Demokratie den entstandenen Staat voraus …? Ja! – Recht, Mehrheitsentscheidung u. Goldene Regel setzen jedoch keinen Staat voraus!  auch vorstaatliche Existenz!  zB: Sanktion bei Rügebräuchen!

102 Antike und moderne Demokratie … (21)
G. Jellinek u. die antike Demokratie …? … geht auf Staatsformen ein  Griechenland: Reagenzglas …! + Charakteristik der antiken Demokratie … Identität von Bürger u. Staat …! Seit Kleisthenes völlige Gleichheit beim Erlangen von Äm-tern!  Besetzung durch Los od. Reihendienst … Unmittelbare, absolute Demokratie = Bürgergemeinde übte staatl. Funktionen (Gesetzgebg + Gerichtsbarkeit) selbst aus! Bürgergemeinde = identisch mit Staat; traf höchste u. unver-antwortete Entscheidungen …! Mytilene-Abstimmung! Demokratie braucht (anders als absolute Monarchie) eine Verfassung, als Grundordnung des Staates (Aristoteles) …! Trotz Unterschieden zw. Antike u. Moderne  idente Grund-gedanken: Volksherrschaft + Gleichheit + Bürgerkontrolle …!

103 Antike und moderne Demokratie … (22a)
Fritz Gschnitzer (1986/1995) meinte, antike u. moderne Demokratie hätten nichts miteinander zu tun …! Das trifft nicht zu, mag sich auch vieles geändert haben! Es geht um einen grundsätzlichen Vergleich, nicht um Details …!  Vergleich mit menschlichem Wachstum …! Parallelen: Volksherrschaft, Kontrolle, Gleichheit, Mehrheits-entscheidung, Mißtrauen gegen Verfestigung von Macht, Wahlen/Los … Kerngehalt der Demokratie ist griechischen Ursprungs …! Problem mit Volksführern/Demagogen … (bis heute!) + De-mokratie braucht Werte:  wurde oft vernachlässigt! Vgl. aber schon Solons Werte-Triade …! Problem der Formal-Demokratie …! Heute Tendenzen in …

104 Antike und moderne Demokratie … (22b)
Gschnitzers Widerstand war nützlich, weil dadurch Parallelen u. Unterschiede herausgearbeitet u. Bedenken ausgeräumt werden konnten…! Inhaltlich taugen seine Argumente nichts …!! G.‘s ‚Fremdartigkeitsthese‘-These beruht auf 2 Argumenten:  Frage nach genetischer Verwandtschaft (iSv echter histor. Kontinuität mit ‚unserer heutigen Demokratie‘) u. jener nach einer typologischen Verwandtschaft (iSv Erscheinungsformen u. grundlegenden Strukturen)! Dabei leugnet G. nicht, dass es vielfach eine bemerkenswerte Nähe zw. antiker u. moderner Demokratie gibt!  Er will den advocatus diaboli spielen …! Argumente bleiben fragwürdig, künstlich, gewollt …! Etwa: - Antike Demokratie kurzlebige Schöpfung …?; - es werde mehr Verwandtschaft gesehen, als histor. Wahrheit entspricht (petitio principii: ?); - in Griechenland habe es nicht nur Demokratie gegeben …? - Größen-argument der griech. Poleis …? - Die Kleinheit der Poleis habe eigentlich keine Politik zugelassen …? – Griech. Demokratie war LebensO einer Kriegergesellschaft, moderne Demokratie entfalte sich im Frieden …! 104

105 Antike und moderne Demokratie … (23)
Entwicklung zur griech. Demokratie – kein Zufall: Heute können wir das besser beurteilen, als noch vor 40 J. …! Entwicklungsfaktoren: Emergenz der Person, Verantwort-lichkeit des Einzelnen: Haftung (seit Drakon …), Persönlich-keitsschutz, Verfassung, Instrumente zum Schutz der Demo-kratie u. vor Tyrannis (Ostrakismós, Graphé paranómon), Proto-Rechtsstaatlichkeit (seit Solon) … Demokratie = Glied in langer Kette von Entwicklungsschrit-ten; etwa:  Herrschaft des Gesetzes (seit Solon); jedoch … … in der repräsentativen Demokratie  Parlament ersetzt das Volk, das wiederum … … seit der 2. Hälfte des 20. Jhs. von der  Exekutive abge-löst wird, die ~ politische-technokratische-ökonomische Interessen vertritt …!  Wandel = Gefahr für Demokratie!

106 Antike und moderne Demokratie … (24)
Evolutionsbiologie, Alte Geschichte u. RG Motto von E. O. Wilson (2015, 7): „Geschichte ohne Urgeschichte macht wenig Sinn – u. Urgeschichte ohne Biologie genauso wenig.“ Zu verstehen gilt es zunächst den Zusammenhang von: Individuum u. Gemeinschaft/Gruppe, aber auch die Bedeutung der Gruppe für ihre Mitglieder ( individu-elle Identität) sowie der Mitglieder für die Gruppe/das jeweilige Kollektiv:  kollektive Identität … In dieser Wechselwirkung liegt das Geheimnis funktio-nierender Gesellschaften …!

107 Antike und moderne Demokratie … (25)
Evolutionsbiologie lehrt uns die Bedeutung der Gruppe für das Entstehen von Individual- u. Gruppenwerten  Eusozialität …! Von Bedeutung ist das nicht nur für die Rewi, sondern auch für (Alte) Geschichte, Altorientalistik, Soziologie, Politikwissen-schaft u. weitere Disziplinen … Nicht nur die Evolution des Menschen, auch die des Rechts ist keine Entwicklung auf ein bestimmtes Ziel hin, u. auch keine Wiederkehr des ewig Gleichen …! Vielmehr, der Biologie ver-gleichbar, eine existenzielle Auseinandersetzung um praktisch-theoretisch-politische Anerkennung …! Besser als von einer Wiederkehr des Gleichen, ist auch in der RG – analog zu Darwins Evolutionslehre – von einer natürli-chen Selektion auszugehen  ‚Kampf ums Überleben‘: iSv Bemühungen von Th & Pr um Zweckmäßigkeit, Rechtssicher-heit u. Gerechtigkeit …!

108 Antike und moderne Demokratie … (26)
Evolutionsbiologie u. Normativität: Was entspricht im menschlich-normativen Bereich den biologischen Präadaptionen …? Nomologisches Wissen: iSv einer Genese von früher Normati-vität zu entwickeltem Recht  Orientierungswissen + Weg-weiser zur Eusozialität ! Begriff stammt von M. Weber: …  sich öffnender Fächer normativer Instrumente, die das das Zusammenleben früher Gemeinschaft regeln sollten  unterschiedliche Sollens-Inten-sität …! Nomologisches Wissen u. Sozialnormen sind Synonyma  Normamalgam … offene Übergänge, keine strikte Trennung! Sozialnormen erzeugen (durch Sanktionen) Verhaltensdruck  soziale Kontrolle: noch heute typisch im ländlichen Bereich!

109 Antike und moderne Demokratie … (27)
Normativität als Instrument der Gruppenselektion – Widerstreit zw. Individual- u. Gruppeninteressen: Nach Wilson (2013, 297 f) umfaßte das Individual- u. in-terne Gruppenverhalten folgende Verhaltensreaktionen: Das Streben Einzelner nach höherem Status (iSv Anerken-nung in der eigenen Gruppe); vgl. Achilleus ... Parallel dazu bestand ein Bestreben der Gruppe, hochran-gige Individuen ,zu nivellieren‘ (zB  Ostrakismos, Graphé paranómon) u. darüber hinaus existierte … ein „Impuls [sc. der Gruppe] zu Strafe u. Vergeltung für diejenigen, die sich zu weit von der Gruppennorm ent-fernen“; weiteres Beispiel:  Popularklage … Davon zu unterscheiden sind jene Werte, die im Kampf u. Vergleich mit anderen Gruppen entstanden; Eusozialität!

110 Antike und moderne Demokratie … (28)
Evolutionsbiologie – ‚Erbsünde‘ u. ‚das Böse‘: Mensch trägt sein genetisch-kulturelles Erbe, einem Ruck-sack vergleichbar, mit sich; das führte in der Menschheits-geschichte durch … Ideologien, Fundamentalismen od. polit. Religionen zu Unfrieden, Agg-ressionen, Kriegen u. im 20. Jh. zu Tragödien des Humanismus! Der genetische Rucksack des Menschen, der auch Unperfektes enthält, wurde religiös-christlich zur Erbsünde erhoben u. mit individuellen u. kollektiven Schuldvorstellungen befrachtet …! Daraus entstand die religiöse Kategorie des Bösen  Dualismus: Gut u. Böse …! Bei nüchterner Betrachtung erübrigen sich diese Wertannahmen  Es handelt sich beim ‚Bösen‘ um Verstöße gegen Gemeinschaftswerte od. - normen sowie Verletzungen von Individualwerten …! Wir benötigen, um unsere menschl. Schwächen zu erkennen u. zu er-klären weder die Erbsünde, noch eine Kategorie des Bösen …! Islam  keine Erbsünde, aber Wissenschaftsfeindlichkeit! Wurzel: Essen vom Baum der Erkenntnis  Vertreibung aus dem Paradies …!

111 Antike und moderne Demokratie … (29)
Zum Entstehen von Wissenschaft … Woher stammen die Kriterien u. Verfahren für das Entstehen von Wissenschaft? … wohl aus dem frühen Recht u. Prozeß …! … kontradiktorisches/antithetisches Verfahren: Kläger – Beklagter …! … dazwischen (in der ‚Mitte‘) stand der Richter; Aristoteles, NE Aus dem gerichtlichen Verfahren lassen sich auf einfache Weise alle Kriterien ableiten, die für das Entstehen von Wissenschaft nötig waren …! Insbes. der Beweis u. die Begründung des Ergebnisses/Urteils! Von hier aus dürfte sich wissenschaftl. Denken – über Sophistik, Rhetorik, Logographentum, Philosophie u. Po-litik entwickelt haben …! - Wichtige Rolle der Philoso-phie!  Aristoteles: wissenschaftliches Arbeiten …!

112 Antike und moderne Demokratie … (30)
Entstehen von Gruppen- u. Individualwerten … Gruppen entwickelten – im Kampf um‘s Überleben (mit anderen Gruppen)  interne Gruppenwerte … … sie dienten dem Überleben der Gruppe als Ganzer …! … das waren die Werte der  Eusozialität (zw. Gruppenmitgliedern) … … Gruppenwerte wurden im Rahmen der Individualisierung durch Werte der (einzelnen) Gruppenmitglieder (Individualwerte) ergänzt …! Kollektiv- u. Individualwerte mußten aufeinander abge-stimmt werden …! Dieses Wertintegrat diente dem  Gemeinwohl = Überleben u. Wohlergehen der Gruppe …! Zentrale Rolle der Normativität …! Reflexive Beziehung zw. Gruppe/Gemeinschaft u. ihren Mit-gliedern war auch für andere Fragen von Bedeutung:  Ehre! Lit.: Philipp Ruch: 2017

113 Antike und moderne Demokratie … (31)
Präadaptionen der Menschwerdung: Vgl. Text S. 42 ff: zB … Vom Leben auf Bäumen zum aufrechten Gang … Lagerstättenbildung (samt Konsequenzen) … Mischernährung (mit Fleischanteil)  Gehirnwachstum … Von den Präadaptionen der Menschwerdung zu denen der menschlichen Vergesellschaftung …! Auf die schon im Tierreich üblichen exogamen Partner-schaften u. die daraus entstandenen Exogamieregeln sowie die Inzestvermeidung bin ich eingegangen …! Ebenso auf den Westermarck-Effekt …! Regelhaftigkeit der Natur ( Tierreich) geht auf den Kulturbereich (Menschen) über  Normativität …!

114 Antike und moderne Demokratie … (32)
Epigenetik u. Braudels Verständnisebenen von Geschichte: Epigenetik dient der genetischen Anpassung an bereits menschliche Umwelten  u. zwar natürliche wie kulturelle! Beispiel für  Gen-Kultur-Koevolution …! Epigenetik berücksichtigt neben Landschaft/Topographie, auch Klima u. gesellschaftliche Entwicklungen (Lagerbildung: Arbeitsteilung, Paar- u. Familienbildung) u. schließlich politisch-institutionelle wie künstleri-sche Einflüsse  überhaupt: Kultur …! Zu Präadaptionen auf dem Weg zur Demokratie  s. Text S. 45 ff

115 Antike und moderne Demokratie … (33)
Erste Arbeitsteilung – Erster Gesellschaftsvertrag: S. dazu den Text S. 49 ff E. Durkheim (1893) u. N. Luhmann (1977, dt. Ausgabe) haben diese Entwicklung im Rahmen der Mensch-werdung nicht erkannt …! Arbeitsteilung zw. den Geschlechtern in der Frühzeit war Vorbild der Arbeitsteilung in der Industriellen Revolution …! Arbeitsteilung zw. den Geschlechtern wurde epigenetisch in das menschliche Erbgut eingebettet …! Deshalb noch heute die Schwierigkeiten beim Erreichen der Geschlech-teregalität … Evolutionsbiologie kann Verständnis für die Geschlechter-beziehung schaffen …!

116 Antike und moderne Demokratie … (34)
Gibt es eine ‚Natur des Menschen‘? Dazu im Text S. 53 ff Wichtig für die Frage der Menschenrechte! … und für die Frage des Naturrechts u. der Naturrechtskritik …! Etwa: H. Kelsen u. E. Topitsch …! Ideologiekritik am Naturrecht …! Völliges Versagen der christlich-scholastischen Naturrechtslehre  Johannes Messner …! Man kann nicht einfach von Naturrecht reden, man muß die einzelnen Epochen unterscheiden:  - Reli-giöses-/Göttliches (Recht = Geschenk der Götter  Ideologie), - Gleichsetzung mit Gesetzen der Natur u. schließlich: - Vernunftrecht …!

117 Antike und moderne Demokratie … (35)
Kulturgenerator Mehrheitsentscheidung: s. Text S. 62 ff Conditio sine qua non für das Entstehen von Demokratie …! Voraussetzungen für die Annahme des Mehrheitsprinzips … Wo u. wann kam es zur Mehrheits-E? … (S. 63 f) Mehrheits-E u. richterliche Urteilsfindung … (S. 64) Gesetz, Richtertum u. Demokratie – Chance für Europa …(S. 64 f) Übernationales Rechtsleben – zur künftigen Rolle des EuGH: S. 65 f Auswirkungen mehrheitl. Entscheidens auf Gruppe(nkommunikation): S. 66 f Einzelne u. Gruppe/Gemeinschaft: S. 60 Von der Konsens- zur Mehrheits-E: S. 68 f Paralleles Entstehen von Goldener Regel u. Mehrheits-E: S. 69 f These: S. 70 f Sind Kollektive immer dümmer? – S. 71 f

118 Antike und moderne Demokratie … (36)
Drakon, Solon und die Folgen … Entstehung der attischen Demokratie war ein langgezogener Prozeß, der mit Solon beginnt u. bis Perikles reicht …; kein punktuelles Entstehen! Drakons Zurückdrängen der Blutrache  Kylonischer Frevel … Beginn der Entwicklung zum Rechtssubjekt  Haftungsrechtlicher Zurechnungswandel …! Zurechnungspunkt ist seither nicht mehr die Familie (samt Verwandtschaft), sondern das Individuum …! Freie richterliche Beweiswürdigung der Epheten …! Großtat …! Solon war der bedeutendste griech. Staatsmann/Politiker für das Ent-stehen der Demokratie …  (Peisistratos), Kleisthenes, Ephialtes, Perikles Solons ‚Eunomia‘ als Proto-Rechtsstaatlichkeit u. Weichenstellung zur Volksherrschaft …  Auftrag vom ganzen Volk …! + grundlegende Insti-tutionalisierungen (Ekklesía, Helieía, Boulé) + Popularklage u. Ephesis Solons Werte-Trias …  Solonischer Zivilisationsschub Politische Teilhabe u. staatsbürgerliche Erziehung …  Gemeinschaft Solon setzte auf solidarische bäuerliche Werte, nicht aristokratische …!

119 Antike und moderne Demokratie … (38)
Fortsetzung im Olat-Text …!

120 Entstehung der Rhetorik …
„Die Beschäftigung mit der klassischen antiken Rhe-torik geschieht [noch heute] nicht bloß aus histori-schem oder bloß wissenschaftsgeschichtlichem Interesse, sie hat unmittelbar aktuelle und prakti-sche Bedeutung als notwenige Einführung auch in die moderne oder ‚Neue Rhetorik‘.“ Gert Ueding, Klassische Rhetorik (2000, 3. Aufl.) 120

121 Entstehung der Rhetorik … (1)
Zur Einstimmung Zitate u. Überlegungen…! „Über den Anfang der R. u. ihre weitere Entwicklung gab es, […], hauptsäch-lich zwei antike Traditionen; einmal eine auf den Historiker Timaios zu-rückgehende Version, dann die aristotelische   [technón synagogé, d. h. Zusammenfassung der rhetor. Techniken]. Nach Auffas-sung des Timaios entstand die Rhetorik in Syrakus, wo Korax als Volks-redner auftrat u. wurde durch Gorgias nach Athen verpflanzt. […]“ – Eine größere Nachwirkung war der aristotelischen [Arbeit] beschieden; […] vermittelt durch eine historisch geordnete hellenistische Überarbeitung. […] Danach knüpfte auch Aristoteles (nach Annahme von Vorstufen wie etwa Empedokles) [Quintilian III 1, 8] die Entstehung der R. an die politi-schen Verhältnisse in Sizilien an, brachte aber die rhetorische Leistung des Korax u. Teisias mit der Gerichtsrede in Verbindung […].“ Klaus Schöpsdau, Antike Vorstellungen von der Geschichte der griechischen Rhetorik 167 (1969) 121

122 Entstehung der Rhetorik … (2)
Fortsetzung: „[… Die Rhetorik ist also das] Vermögen, bei jedem Gegenstand das möglicherweise Überzeugende zu erkennen.“ – Definition des Aristo-teles, in: Rhetorik I 2, 1355b, 25. – Dazu U. Schindel, Ursprung u. Grund-legung der Rhetorik in der Antike (1992) – Rhetorik wurde selbst zur Wissenschaft u. förderte Entstehung anderer Disziplinen …! Dieses Verständnis zeigt, dass die Rhetorik eine Art Brücken- od. Über-leitungsfunktion für das Entstehen von Wissenschaft u. Philosophie ge-habt hat. Um dies leisten zu können bediente sie sich der Errungenschaf-ten der Jurisprudenz, insbes. des gerichtlichen Verfahrens, das mit den Anforderungen an das Erbringen von Beweisen u. das Begründen von Aussagen/Behauptungen (Logik!), brauchbare Instrumente zur Verfü-gung stellen konnte + richterliche Tätigkeit. Dazu kam das Auslegen/ Verständnis von Texten (Hermeneutik) u. – um ein non liquet zu ver-meiden – die sog. Lückenfüllung, wenn entschieden werden mußte, aber keine brauchbare Regelung zur Verfügung stand  Analogie …! Aristoteles, Rhetorik (übersetzt u. hg. von G. Krapinger: Reclam, 1999) 122

123 Entstehung der Rhetorik … (3)
Dazu einige Literaturhinweise: Zur Sophistik: - Sammelband hg. von Carl Joachim Classen, Sophistik (WBG, 1976) + - Hellmut Flashar (Hg.), Sophistik, Sokrates, Sokratik, Mathema-tik, Medizin: Die Philosophie der Antike, Bd. II/1 (1998) + - Die Sophis-ten. Ausgewählte Texte, Griechisch/Deutsch: Hg. u. übersetzt von Th. Schirren/Th. Zinsmaier (Reclam, 2003) Zur Rhetorik: - Anargyros Anastassiou/Dieter Irmer (Hg.), Kleinere atti-sche Redner (WBG, 1977) + - Manfred Fuhrmann, Die antike Rhetorik (2003, 5. Aufl.) + - Gert Ueding, Klassische Rhetorik (2000, 3. Aufl.: C. H. Beck Wissen) + - Cicero, De oratore/Über den Redner, Lateinisch/-Deutsch: Übersetzt u. hg. von H. Merklin (Reclam, 1997, 3. Aufl.) + - Marcus Fabius Quintilianus, Ausbildung des Redners, Zwölf Bücher/-Institutionis Oratoriae Libri XII, hg. und übersetzt von Helmut Rahn, Bde. I und II (2006, Sonderausgabe der WBG) Vgl. ferner die Hinweise in  Folie 6 123

124 Entstehung der Rhetorik … (4)
  = Redekunst, Rhetor = der Redner … Woher kommt sie …? Wo lagen ihre Wurzeln …? Die Wurzeln der griech. Rhetorik lagen in der Gerichtsrhetorik um die Mitte des 5. Jhs. v.; genauer: ~ 467/466 v. entstand nach Aristoteles in Syrakus (u. anderen Stadtstaaten Siziliens) nach dem Sturz der Tyrannis u. Einführung der Demokratie die  forensische (iSv gerichtliche) Rhe-torik – Nach einem anderen Autor (Timaios) entstand (aus demselben Hintergrund) zuerst die politische Volksrede für die Volksversammlung … Grund: vielfältige politische Auseinandersetzungen + Flut von ET-Restitutionsprozessen u. anderen rechtlichen Klärungen … Als Erfinder der neuen Überzeugungstechniken (u. der rhetorischen Disposition/Gliederung) gilt  Korax, ein ehemaliger Ratgeber der Tyrannen Gelon u. Hieron (von Syrakus) … T(e)isias, Schüler des Korax, verfaßte bereits ein rhetor. Handbuch … Gorgias v. Leontinoi, Schüler des Teisias, brachte die neue Redetechnik nach Athen; hier:  Weiterentwicklung …

125 Entstehung der Rhetorik … (5)
Rhetorik u. Sophistik … Die Sophistik, ihrerseits sprachinteressiert, übernahm die neue Redetechnik u. entwickelte daraus eine  systemati-sche Argumentationstheorie: Protagoras v. Abdera … Die Sophistik (u. mit ihr die Rhetorik) gewinnen großen Einfluß auf die geistige Entwicklung Athens …  Perikles, ein begnadeter Redner, war mit dem Naturphilosophen Anaxagoras u. dem Sophisten Prota-goras befreundet (beide wurden aus Athen vertrieben: Atimieprozes-se!)  Sophistik: ~ Aufklärung, gewinnt um die Mitte des 5. Jhs. v. (be-günstigt durch den großen Machtzuwachs Athens) an Bedeutung …! Die von der Sophistik geförderte Rhetorik wird zur  Bildungsdisziplin Diese Entwicklung entsprach den gesellschaftl.-staatlichen Bedürfnis-sen:  462 v. (Ephialtes + ‚radikale‘ Demokratie) – Athen benötigte für seine Großmachtstellung Personal  Delisch-Attischer Seebund … Wichtige Rolle Antiphons für den Einfluß von Sophistik u. Rhetorik in Athen …!  s. Graeca-Projekt: Bd. II/1 u. III/2 125

126 Entstehung der Rhetorik … (6)
Einschätzung u. Literatur (zur Rhetorik): Die Literatur zur griech. Rhetorik ist mittlerweile unüberseh-bar. – Ich beschränke mich auf wenige Publikationen u. zwar solche, die nicht mehr der alten ‚Krankheit‘ nachhängen, al-les, was mit griech. Rhetorik zu tun hat, negativ zu bewerten: F. Blass, Attische Beredsamkeit, I-IV (1979, 3. Aufl.) K. Schöpsdau, Antike Vorstellungen von der Geschichte der griechi-schen Rhetorik (1969) U. Schindel, Ursprung u. Grundlegung der Rhetorik in der Antike (1992) Zum Rechtsdenken der Rhetorik verweise ich auf: Erik Wolf, Griech. Rechtsdenken, Bd. III/2, S. 157 ff W. Stroh, Die Macht der Rede. Eine kleine Geschichte der Rhetorik im alten Griechenland u. Rom (2009) H. Hommel, Artikel ‚Rhetorik‘, in: LAW III 2611 ff Beachte: Die negative Einstellung zur (griech.) Rhetorik äußert sich oft schon im Titel mancher Werke: - ‚Kunst der Überredung‘, - ‚Kunst der Überlistung‘ statt - ‚Kunst der Überzeugung‘ (iSv Aristoteles u. Platon) …!

127 Entstehung der Rhetorik … (7)
Gründe für das Entstehen der Rhetorik im antiken Griechenland? – Als tiefere Ursachen für das Entstehen einer ‚Theorie der Rheto-rik‘ nennt U. Schindel (1992) 3 Gründe: Mündlichkeit hatte in der griech. Kultur einen hohen Stellen-wert; G. Kennedy (1963): ‚oral nature of the Greek society‘ … Bereits hohe Rationalität der griech. (Gesamt)Kultur u. … das Entstehen der Demokratie  s. Antike u. moderne D.! Wir wissen: Demokratie war eine singuläre griech. Schöpfung …! Andere Kulturen scheinen auch keine Redetheorien hervorgebracht zu haben …! – Auch nicht Ägypten, trotz Interesse an Sprache! Die homerische Zeit (‚Odyssee‘) kannte schon die (generell seltene) Mehrheitsentscheidung, die für die Redegewandtheit bereits von Be-deutung war; galt es doch zu überzeugen …! Die Rhetorik hatte danach bereits ältere Wurzeln, als das Entstehen der Demokratie …; Odysseus zB war auch ein guter Redner! 127

128 Entstehung der Rhetorik … (8)
Die griechische Rhetorik entwickelte 3 Redegattungen: Das /dikanikón, als Gerichtsrede; zB Gerichtsreden von Antiphon od. Lysias … Das /symbouleutikón, als politisch-beratende Rede; zB Demosthenesreden gegen Philipp II.: Philippika … Das /panegyrikón, als Fest- od. Prunkrede; zB Panegyrikós des Isokrates … Rom hat diese Redegattungen übernommen  Quintilian (s. Folie 3)! + Cicero, De oratore … Heute könnte man als weitere, neue Redegattung die didak-tische Rede hinzunehmen, die unsern Unis fremd blieb …! Rhetorik verstand sich als praktische Philosophie u. zählte zur Bildung …! 128

129 Entstehung der Rhetorik … (9)
Berühmte Redner: Plutarch, Moralia X 341 ff: Der Kanon der 10 besten attischen Redner/ Vitae decem Oratorum wurde erst im Laufe des 2. Jhs. v. geschaffen, wahrscheinlich von Apollodorus v. Pergamon. Die Auswahl (in chrono-logischer Ordnung) wurde danach getroffen, welche Reden für die Be-wahrung u. das Studium am wertvollsten erschienen. Die kurzen, nicht sehr gehaltvollen Lebensgeschichten dieser Redner stellen kein Werk Plutarchs, vielmehr Pseudo-Plutarchs dar … – Wer waren diese 10? Antiphon ( v.)  s. Graeca, Bde. II/1 + III/2 Andokides (~ 468 v.*) Lysias (~ v.)  Reden, 2 Bde.: Ingeborg Huber (2004/2005)* Isokrates ( v.)  Ch. Eucken (1983)* Isaios (~ v.) Lykourgos (~ v.) Hypereides ( v.)  Verteidigung der Hetäre Phryne Demosthenes ( v.)  s. Graeca, Bd. III/2 Aischines (~ v.) Deinarchos (~ 360- nach 292 v.) 129

130 Entstehung der Rhetorik … (10)
Schema der rhetorischen Schultheorie: Die Rede folgte einem inneren logischen Aufbau;  zw. ‚Einleitung‘ u. ‚Epilog‘, stand der zentrale Redekörper des Plädoyers, der wiederum aus zwei Teilen bestand: einem erzählendem Teil (sog. Diégesis) u. einem argumentativen Teil (sog. Apodeíxis = Beweis, Nachweis, Probe), in dem der Redner die Richtigkeit seines Standpunktes darzulegen suchte; Schulbezeichnung: Pístis (iSv Glaubhaftmachung als weniger stringente Form des Beweises; eine Unterscheidung, die bis heute Gültigkeit hat!) – Somit ergibt sich folgender Redeaufbau (der noch heute im Studium brauchbar ist): Einleitung (Prooímion) … Diégesis … Apodeíxis + Pístis … Epilog (Epílogos) iSv zusammenfassendem (beschwörendem) Nach-wort; gerichtet an die Richter od. das jeweilige Publikum … 130

131 Entstehung der Rhetorik … (11)
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132 Entstehung der Rhetorik … (12)
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133 Entstehung der Rhetorik … (13)
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