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Biographie und Lebenswelt
Informelle und non-formale Lernwelten
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Seminarinhalte und -aufgaben
Überblick über informelles und non-formales Lernen Recherchieren und Schreiben eines Papers zu: „Informelles und non-formales Lernen bis Einführung in das narrative Interview Durchführung eines narrativen Interviews über informelles lernen Auswertung der Interviews, Schlussbericht
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Lebenslanges Lernen Bildungspolitisch motivierte Beschäftigung mit veränderten gesellschaftlichen Bedingungen Pädagogisch interessierte Perspektive auf die Bedingungen und Möglichkeiten biographischen Lernens der Gesellschaftsmitglieder
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Bildungsprozesse werden im Neoliberalismus umgewandelt in Eigentumsoperationen mit Wissen als Ware
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Formale Lernprozesse in den klassischen Bildungsinstitutionen Nicht-formale Lernprozesse - jenseits der etablierten Bildungseinrichtungen Informelle Lernprozesse, die nicht notwendig intendiert sind und im alltäglichen Leben gleichsam en passant „mitlaufen.
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Die Dysfunktionalität der etablierten Bildungsinstitutionen Ausdehnung primärer „Beschulung“ - drastische Veränderung der Rahmenbedingungen und der Qualität des Lernprozesses
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Vor allem so genannte bildungsferne Milieus und deren Bildungsstrategien werden aber durch eine Reihe von sozial erzeugten Hemmnissen daran gehindert, Bildungsmöglichkeiten zu erkennen und zu nutzen
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Wer den Weg zu (Weiter-)Bildung zwischen dem 15. und dem 30
Wer den Weg zu (Weiter-)Bildung zwischen dem 15. und dem 30. Lebensjahr nicht findet, der ist meist in seinem weiteren Leben systematisch von einem möglichen Aufstieg durch Weiterbildung ausgeschlossen.
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Marktbenachteiligungen aufgrund der unzureichenden schulischen Vorbildung
Lernbenachteiligung durch fehlende lebenslagenspezifische Bildungskonzepte Rechtsbenachteiligungen in Form von Ausschlüssen oder erschwerten Zugängen zum höheren Bildungswesen
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Bildung als biographischer Prozess Bildung schließt die Gestaltung von alltäglichen und lebensgeschichtlichen Erfahrungen, Übergängen und Krisen ein. Lebensgeschichtliches Lernen ist also immer an den Kontext einer konkreten Biographie gebunden
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Grundfragen unseres Seminars
In welchen Lernkulturen und Abhängigkeiten von Mentalitäten und Milieus entwickelt sich individuelles Lernen? Welche impliziten Lernpotenziale und Lernprozesse zeigen sich in sozialen Milieus und Gruppen (z.B. innerhalb von Familien und zwischen Generationen)? Wo und wann wird Lernen für Menschen jenseits der „Belehrung“ wichtig?
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Biographieforschung
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Bios = Leben Graphein = Schreiben
Biographie Bios = Leben Graphein = Schreiben “Life can only be understood backwards but must be lived forwards.” (Sòren Kierkegard) „Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält.“ (Max Frisch)
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Begründungen Nichthintergehbarkeit des Subjektiven
Soziale Strukturen, die von Individuen aktualisiert werden Subjektivität und Struktur Es gibt keine Erfahrung an sich - die konkrete Biographie begrenzt uns räumlich und zeitlich Bio = sozialweltliches Orientierungsmedium. Nicht das Individuum ist Thema soziologischer Biographieforschung, sondern das soziale Konstrukt „Biographie Ereignisse sind nur in ihrem Verlauf wahrnehmbar Das „Ganze“ ist dabei ein unstabiles (herzustellendes) Beziehungsgefüge
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Potentiale und Anstoß zur Beschäftigung mit (der eigenen) Biographie
Zwei Zugänge Lebenslauf Lebensgeschichte Life-course Life-story Struktur Subjektivität Makroperspektive Mikroperspektive Sequentielle Ordnungen gesellschaftlich Beziehungsformen zw. Subjekt vorgegebener Muster. und Gesellschaft, Individuum Leben in Übergängen und Struktur Statuspassagen Ungelebtes Leben Potentiale und Anstoß zur Beschäftigung mit (der eigenen) Biographie
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Mit Biographien arbeiten ist der Versuch der Rekonstruktion dessen, was Menschen aus der Welt gemacht haben, in der sie sich vorfanden Die Moderne verwandelt Leben in Entscheidungen Biographien bilden Schnittpunkte zwischen Individuum und Gesellschaft Wie bauen Gesellschaftsmitglieder gemeinsam Biographien auf? Welche Baupläne werden dabei verwendet und umgestaltet? Wie erleben Gesellschaftsmitglieder ihre Welt als real, objektiv gegeben, während sie sie selber interpretativ mitbauen?
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Das Interpretative Paradigma
Wilson (1973): Interpretationsleistungen der Subjekte (lehnt die Übernahme einer naturwissenschaftlichen Methodologie ab). Normatives Paradigma: Unabhängige, sogenannte objektive Wirklichkeitsbereiche Frage: Wie konstruieren Menschen ihre Wirklichkeit? Ansetzen an der Alltagswelt der Betroffenen. Handeln ist zentral für die Herstellung von Sinn und Bedeutung
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Symbolischer Interaktionismus
Prämisse der Interaktionsbedingtheit individueller Bedeutungszuschreibungen Jegliches soziale Handeln ist symbolisch vermittelt, in unterschiedlichen sozialen Handlungskontexten wirken unterschiedliche Gültigkeitskriterien. Global wirken hier folgende Mechanismen: Menschen handeln Dingen, Situationen u. dgl. gegenüber auf der Grundlage der Bedeutungen, die diese Dingen, Situationen u. dgl. für sie besitzen. Die Bedeutung dieser Dinge, Situationen wird konstruiert und entsteht in sozialer Interaktion. Die Bedeutungen werden in interpretativen Prozessen hergestellt und modifiziert (vgl. Blumer 1973, S. 81).
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Was leistet biographieorientierte Sozialforschung?
Untersuchung von Unbekanntem und Neuem Die subjektiven Deutungen der Situation der Alltagshandelnden erfassen oder sichtbar machen Rekonstruktion latenten Sinns Rekonstruktion der Komplexität von Handlungsstrukturen am Einzelfall Deskription sozialen Handelns und sozialer Milieus empirisch begründete Hypothesen- und Theoriebildung Hypothesen- und Theorieüberprüfung am Einzelfall
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Sozialwissenschaft untersucht eine bereits interpretierte Welt
Alfred Schütz: Sozialwissenschaft liegt eine bereits entsprechend der Relevanzstrukturen der in der Sozialwelt lebenden Menschen gegliederte und gedeutete Welt vor Konstruktionen ersten Grades: Menschen haben diese Welt im voraus gegliedert und interpretiert Konstruktionen zweiten Grades sind Konstruktionen jener Konstruktionen, die im Sozialfeld von den Handelnden gebildet werden. Soziale Ordnung eines Feldes rekonstruieren Selbst- und Weltreferenz im Subjekt durch Sprache Latente und manifeste Strukturen
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Interview Durchführung
Narratives Interview Narrare = erzählen narrativ = nicht Frage und Antwort F. Schütze: Das narrative Interview ist ein sozialwissenschaftliches Erhebungsverfahren, welches den Informanten zu einer umfassenden und detaillierten Stegreiferzählung persönlicher Ereignisverwicklungen und entsprechender Erlebnisse im vorgegebenen Themenbereich veranlaßt. Hauptmethode = Stegreiferzählung
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Erzählen Erzählatmosphäre - Interaktionsrahmen Erzählen kostet Zeit
Herausstellen der Erzählenden Methodische Kontrolle - herauslocken Vorbereitung Wirkliches Interesse Offenlegen des Zweckes Offenlegen der InterviewerInnen - etwas von eigener Person einbringen Zeit und gleichbleibendes Interesse Ratifizierung des Erzählschemas (Methode verstanden?) Zurückhaltung in der Erzählung Vermeidung von Warum, Wozu Fragen in den ersten Interviewphasen Verschieben gezielter Fragen auf Nachfragephase Keine Angst vor Fehlern
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Ablauf - Phasen Einstiegssphase - Aufwärmen, Absichten
Phase der Haupterzählung - Beginn der Erzählung - keine Chronologie Nachfragephase - Erläuterung Bilanzierungsphase - Sinn der Geschichte
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(Raum zur Gestaltentwicklung geben)
Mögliche Einstiege (Raum zur Gestaltentwicklung geben) Wir interessieren uns in einem Seminar an der Universität für die Lebensgeschichten von Menschen und wie sie abseits von Institutionen lernen. Ich möchte Sie deshalb bitten, mir allgemein Ihre Lebensgeschichte zu erzählen, alles was Ihnen hier wichtig ist, alle bedeutsamen Ereignisse und Erlebnisse, in denen sie etwas gelernt haben, was für sie wichtig ist. Ich werde Sie dabei nicht unterbrechen, und nur im Anschluss daran einige Klärungsfragen stellen. Sie können sich so viel Zeit dazu lassen, wie Sie möchten.
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Die Haupterzählung soll durch keinerlei (Nach-) Fragen unterbrochen oder gelenkt werden Wird (nach Schütze) durch drei Erzählzwänge gesteuert: Gestaltschließungszwang: Zwang, angefangene Themen oder Erzählstränge auch abzuschließen Kondensierungszwang: Zwang, die Erzählung soweit zu verdichten", dass sie nachvollziehbar bleibt. Detaillierungszwang: Zwang, Hintergrund- oder Zusatzinformationen einzubringen, die für das Verständnis der Erzählung erforderlich sind - auf den Punkt kommen. Diese Zwänge sollen dafür sorgen, dass die wichtigsten Ereignisse berichtet werden. Die Haupterzählung wird meist durch eine Erzählkoda abgeschlossen, eine Äußerung, die das Ende der Erzählung signalisiert, wie z. B. "Ja, das wär's eigentlich".
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Zweiter Teil: Die Nachfragephase
Wichtig, dass Nachfragen wirklich narrativ sind. Die Handhabung dieses Nachfrageteils setzt hohe Aufmerksamkeit und Konzentration (besonders während des ersten Teils des Interviews) voraus, da sich InterviewerInnen z.B. Stellen mangelnder Plausibilität merken müssen, um im Nachfrageteil, der mitunter erst 30 – 50 Minuten später einsetzen kann, zu dieser Stelle zurückzukehren, um über eine immanente Frage einen erneuten Erzählimpuls zu platzieren.
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Grundtypen des Nachfragens
1. Ansteuern einer Lebensphase: Können Sie mir über die Zeit (Kindheit, etc.) noch etwas mehr erzählen? 2. Ansteuern einer benannten Situation: Sie erwähnten vorhin wie sie ... Können Sie mir diese Situation noch einmal genau erzählen? Ansteuern einer Belegerzählung zu einem Argument: Können Sie sich noch an eine Situation erinnern, in der ... (Wie ging es dann weiter? Was berührt Sie heute noch sehr.)
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Erzählgenerierendes Nachfragen
„... als ich mit der Ausbildung fertig war, kam noch die Geschichte mit der Schwangerschaft. Anfang 85 habe ich dann zu arbeiten begonnen, aber dann keine Lust mehr dazu gehabt“ Offenes Nachfragen: Können Sie noch einmal etwas genauer erzählen, wie das damals war, als Sie das Studium beendet haben? Oder: Sie erwähnten eine Schwangerschaft. Möchten Sie darüber noch etwas erzählen? Keinesfalls Warum-Fragen: Warum hatten Sie keine Lust mehr zu arbeiten? Geschichte ansteuern, die hinter Argument, Gefühl, ... liegt: Können Sie sich noch an eine Situation erinnern, in der Ihnen klar wurde, dass Sie mit der Arbeit aufhören?
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Keine Warum-Fragen, sondern Wie-Fragen stellen
Rollen im Interview Keine Warum-Fragen, sondern Wie-Fragen stellen Es gibt verschiedene Standardmuster, wie das erste Hauptsegment eines Interviews bei umsichtig gestellter offener Eingangsfrage gestaltet wird: 1. chronologisches Erzählmuster 2. Schlüsselsituationen des eigenen Lebens 3. Selbsttypisierungen (Künstlerbiographien), d.h. dem Interviewer werden gleichsam Verstehensanweisungen gegeben. 1) InformantInnen sind grundsätzlich ExpertInnen für die eigene Biographie und nicht für ein Thema. Das bedeutet, dass InterviewerInnen hauptsächlich Lernende sind, weil sie in der Regel nichts von den Interviewten wissen. 2) InterviewerInnen sollte die Interviewten vorher nicht kennen, weil sonst argumentative und narrative Abkürzungen auftreten. 3) InterviewerInnen dürfen das Detaillierungsniveau nicht durch Nachfragen bestimmen, die auf die Variierung des Detaillierungsniveaus abzielen.
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Narrationen entfalten oft eine befreiende Kraft (Sich-Aussprechen); es darf aber keinesfalls eine Therapiesitzung daraus werden. Klare Unterscheidung zur therapeutischen Situation über das Setting. Der Begriff bezeichnet das Normengeflecht, das in bestimmten institutionellen Situationen verhaltensleitend wird. Setting in der Supervision (Reflexion und Psychohygiene) Setting in der Schule (Subjektorientierung, Frontal- vs. Gruppenunterricht) Setting in der Psychotherapie (Arbeit an den inneren Landkarten - Veränderungsabsichten) Das Setting im narrativen Interview dient einzig und allein der Datenerhebung. Ethisches Problem: Sind InformantInnen nur Datenlieferanten? Da es sich um eine menschliche Beziehung handelt, die in der Regel hohe intime Anteile aufweist, gilt die Regel, dass InterviewerInnen zur Nachbetreuung grundsätzlich bereit sein müssen. Nachbetreuungen haben aber grundsätzlich die Funktion, Abhängigkeiten und Erwartungen abzubauen.
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Das Forschungstagebuch
Die Vorbereitung eines Interviews gehört zum Forschungsprozess und sollte dokumentiert werden: Auswahl der InterviewpartnerInnen, Kriterien der Auswahl, welche Verabredungen dabei getroffen wurden, wie der erste Kontakt zustande kam, ob man den oder die Befragten bereits länger oder persönlich kennt (Freunde, Bekannte, eigene Familie, ...) Kontextinformationen sollten festgehalten werden, da diese den Interviewverlauf mitbestimmen können) Erläuterung dazu, was man von den Befragten erfahren möchte (Gegenstand und Thema der Arbeit), in welcher Form das Interview stattfinden soll, die Klärung der Anonymisierung, Absprachen über eine mögliche Veröffentlichung, Absprachen zum weiteren Umgang mit dem Material (bzw. Einsicht in das eigene transkribierte Interview), Absprachen über spätere Gegenleistungen (Rückgabe des getippten Interview als „Geschenk“).
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Der Rahmen (das Setting)
Nachbereitung: Schriftliche Fixierung des Gesprächsverlaufs und der Eindrücke, die im Verlauf des Interviews entstanden sind. Der Rahmen (das Setting) Anzustreben ist immer ein Einzelinterview in einem störungsfreien Raum. Weitere interessierte Zuhörende, hereinkommende oder durchlaufende Besucher stören den Interviewverlauf oder machen ein Interview gänzlich unmöglich. Dabei sollte geklärt sein, dass man für das Interview ausreichend Zeit zur Verfügung hat, auf beiden Seiten sollten kein Termindruck entstehen. Auch sollte der Rahmen, in dem das Gespräch stattgefunden hat, im Forschertagebuch beschrieben werden, Störungen oder Unterbrechungen des Interviews (durch Klingeln, Telefongespräch, Besuch, Heimkehr des Partners, Kinder etc.) sollten benannt werden. Manchmal erhält man im Anschluss an ein Gespräch (oder schon in der „Aufwärmphase“) zentrale Informationen, die wesentlich zum Verständnis beitragen und deshalb aufgeschrieben werden sollten.
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Sozialdaten Alter Ausbildung, Weiterbildungen
Erlernter (ausgeübter) Beruf Betrieb: Branche, MitarbeiterInnen, … Seit wann Gewerkschaftsmitglied (aktiv- passiv) Familienstand, Kinder
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Datenproduktion - Transkription
Text ist immer neue Realität. Reduktion von: Interviewsituation auf Tonbandmitschnitt auf Text. Sparsamkeitsregel: Welches Niveau eines Textes brauche ich zur Beantwortung meiner konkreten Fragestellung (Dialekt? Pausen?). Auf die Textgestalt achten Auf die übliche Satzzeichensetzung wird meist verzichtet Eigennamen anonymisieren und durch Großbuchstaben ersetzen. A = InterviewerIn, B = Interviewte; weitere Eigennamen durch doppelte Klammern angeben: C ((Name des Freundes)) Pausen: Dauer der Pause in Sekunden angeben: (4) = vier Sekunden Pause Kommentare, Betonungen: in doppelte Klammern setzen ((schnell gesprochen, lachend, leise, …)) Interviewlücken: Wenn der Inhalt der Äußerungen unverständlich ist: In einfachen Klammern die Dauer mit dem Buchstaben Langeben ( L8 ) Sprachliches Feedback der InterviewerIn: Wird im fortlaufenden Text in einfache Klammern (hm) gesetzt Zeilen mit Nummerierung (Datei, Seite einrichten, Seitenlayout, Zeilennummern)
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Prinzipien einer interpretativen Datenanalyse
Interpretative Analyse (vs. subsumtionslogische Verfahren wie bei der Inhaltsanalyse) Abduktives Vorgehen Sequentielle Analyse (vs. Neugliederung von Texten) Gestalttheoretisches Vorgehen Theoretische Verallgemeinerung am Einzelfall (vs. statistische/numerische Verallgemeinerung) Abduktiver Schluss: Im Unterschied zu einer deduktiven Analyse setzt die Abduktion bei empirischen Phänomenen, bei Fakten an, ohne dabei gleich zu Beginn eine bestimmte Theorie zu verfolgen
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Auswertungsphase In der Biographieforschung wird weitestgehend mit
abduktiven Schlüssen gearbeitet. Phänomene werden hier aufgrund ihrer strukturellen Zusammengehörigkeit, in der funktionalen Bedeutsamkeit für den Gesamtzusammenhang eines Falles gesehen, weshalb sich eine Isolierung dieser aus der Gesamtgeschichte verbietet (siehe die Ausführungen über K. Lewin weiter hinten). In narrativen Interviews müssen die Interviewten sich den Horizont der möglichen Erzählungen, der thematischen Felder, selbst (selektiv) erschließen. Diesen Prozessen ist deshalb auch in der Analyse der Texte nachzugehen. Interpretieren bedeutet hier also die Rekonstruktion der Textbedeutung im Verlauf des Geschehens. Im Laufe einer sequentiellen Analyse wird dem eingelagerten Sinn systematisch nachgegangen, wobei zwei Bereiche hier wesentlich sind: Nicht messlogische, sondern entdeckungslogische Verfahren
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Vier Ordnungsbausteine in der autobiographischen Stegreiferzählung (Schütze)
Homologiethese: Erzählstrukturen entsprechen der Struktur der Erfahrung (Sozialisationstheoretische Begründung) Biographie und Ereignisträger, die eingebettet in die sie umgebenden sozialen Verbindungen sind Ereignis- und Erfahrungsverkettungen Situationen, Lebensmilieus und soziale Welten als Bedingungs- und Orientierungsrahmen sozialer Prozesse Die Grund- oder Gesamtgestalt der Lebensgeschichte
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Kerngeschichten Gestalt der erlebten Lebensgeschichte. Rekonstruktion der funktionalen Bedeutsamkeit eines biographischen Erlebnisses für die Gesamtgestalt der erlebten Lebensgeschichte - Zusammenschau der einzelnen Strukturhypothesen Herauslösung von zentralen Geschichten aus dem Biographiehorizont (Kerngeschichten) Entwicklung der Gesamtgestalt unter Berücksichtigung von Geschichten, Weltbezügen, Idealisierungen und Situierungen in der Lebenswelt des Interviewten: Ich- und Wir-Geschichten, Statuspassagen, Biographische Handlungsschemata
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Biographische Fallrekonstruktion
Es wird nicht nur gefragt, wie sich die einzelnen biographischen Erfahrungen aufgeschichtet haben, sondern auch, in welcher Reihenfolge die BiographInnen sie in ihrer Lebenserzählung präsentieren und in welcher Textsorte 1 Analyse der biographischen Daten (Ereignisdaten) 2 Text- und thematische Feldanalyse (sequentielle Analyse der Textsegmente des Interviews - Selbstpräsentation) 3 Rekonstruktion der Fallgeschichte (erlebtes Leben) 4 Feinanalyse einzelner Textstellen (kann jederzeit erfolgen) 5 Kontrastierung der erzählten mit der erlebten Lebensgeschichte 6 Typenbildung
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Thematische Feldanalyse Rückbinden aller Annahmen an den Text
Ziele der Selbstdarstellung, implizite Ziele, thematische Felder Kontextualisieren Wie und warum wird ein Thema an dieser Stelle durch diese Textsorte, Länge eingeführt und mit anderen Teilen verknüpft? Dramaturgie finden Dimensionalisieren Öffnen des Erfahrungsraumes - (Ausloten der Qualitäten von Ereignissen, Situationen) - Rückbinden aller Annahmen an den Text
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Vorbereiten der Feinanalyse: Die Kurzbiographie
Die Kurzbiographie wird aus dem während des Interviews erhaltenen Material rekonstruiert: Kontextwissen, chronologische Darstellung biographisch als bedeutsam identifizierter Ereignisse und des explizit geäußerten Wissens- und Handlungsrahmens Verwendung von Kontextwissen Einstimmen auf das Thema und Eröffnen eines Vorstellungsraumes Hineingehen ins Interview Zeile für Zeile: Was wird hier ausgesagt? Frage: Was sehen Sie in den Daten? Z.B. die ersten zehn Zeilen Fokus auf ... Einen Begriff für Kategorien prägen - Vergleich, Beispiele - Thema finden: x vs y = Kontinuum
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Sequenzierung In narrativen Interviews findet immer eine konkrete Auswahl von möglichen Geschichten und deren Darstellungsformen statt. Dem muss auch in der Interpretation mit einer prozessuralen Forschungsmethode nachgegangen werden. Rekonstruktion der Wissens- und Relevanzsysteme der Subjekte, um herauszufinden, wie Erlebnisse und Erfahrungen in thematische Felder eingeordnet werden. Der subjektiv gemeinte, bewusste Sinne ist hier nicht wichtig, sondern darüber hinausgehend, der latent wirkende Steuerungsmechanismus der Gesamtsicht, die Mechanismen der Auswahl von Geschichten, sowie deren thematische und temporale Verknüpfung
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Memos Überlegungen, Dimensionen, Vergleiche zu Wörtern, Textteilen usw.) Jedes Memo wird von einem Kommentar eingeleitet, der es in den Kontext stellt Erstes Orientierungsmemo (Vorstellung über Projekt) Allgemeines Memo (Bereiche, die man näher anschauen sollte) Vorbereitendes Memo (Analyseteile auf mögliche Kategorien hin auslegen) Memos über Auseinandersetzung mit neuen Phänomenen, Nachdenken über Entdeckung Wichtig ist: Memos und Daten auseinander zu halten, bei neuen Ideen sofort Memo schreiben
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Die Hypothesenentwicklung orientiert sich an folgenden Fragen
Weshalb wird dieses Thema an dieser Stelle eingeführt? Weshalb wird dieses Thema in dieser Textsorte präsentiert? Weshalb wird dieses Thema in dieser Ausführlichkeit bzw. Kürze dargestellt? Was sind die möglichen thematischen Felder, in die sich dieses Thema einfügt? Welche Themen (Lebensbereiche oder Lebensphasen ) werden angesprochen und welche nicht? Interpretationsbedürftig sind bei diesem Analyseschritt also die Art und die Funktion der Darstellung im Interview - und nicht die biographische Erfahrung an sich
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Deskriptoren/Offenes Codieren
Interview Nr. ……… Sequenzierung Nr – Name – Zeilen von bis Deskriptoren/Offenes Codieren Kommentare Memos
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Grounded Theory Gegenstandsverankerte Methodik
Systematische Textinterpretation als Tätigkeit und Prozess Fortwährende Begründung der Interpretation Ziel ist sukzessive Elaboration einer Theorie Anschauliche und präzise Beschreibung des interessierenden Gegenstandsbereichs (Beschreibungskategorien) Modellbildung und Erklärung der interessierenden Phänomene (Verknüpfung von Kategorien) Anregende Interpretation (Praktische Theorie)
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