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Engel oder Teufel? Elemente eines modernen Menschenbildes

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Präsentation zum Thema: "Engel oder Teufel? Elemente eines modernen Menschenbildes"—  Präsentation transkript:

1 Engel oder Teufel? Elemente eines modernen Menschenbildes
Vortrag von Wolfgang Detel Bremen 13 –

2 Einleitung Die anthropologische Fragestellung

3 Die anthropologische Fragestellung
Im Folgenden geht es um ein realistisches modernes Menschenbild: Wie ist der Mensch von Natur aus? Welche universalen Eigenschaften hat der Mensch? (Süer 2013) Zwei einflussreiche traditionelle Menschenbilder: (1) Das Teufelsbild: Wir sind Egoisten (z.B. Thomas Hobbes (1588 – 1679), Sigmund Freud, Neoliberalismus (homo oeconomicus)) (2) Das Engelsbild: Wir sind Altruisten. (z.B. Jean-Jacques Rousseau (1672 – 1748), Intersubjektive Psychoanalyse, soziologisches Menschenbild (homo sociologicus))

4 Erweiterung der anthropologischen Fragestellung
Die anthropologische Frage, ob wir Engel oder Teufel sind: (1) berechtigt, aber restriktiv, (2) zu erweitern auf klassische Frage, was den Menschen von den Tieren unterscheidet, d.h. welche universalen Merkmale des Menschen humanspezifisch sind.

5 Erweiterung der anthropologischen Fragestellung
Traditionelle Antworten der Anthropologie auf diese Frage: Vielfältig, oft vage und spekulativ. Kognitive Wende der modernen Anthropologie: (1) Mensch primär durch spezifische kognitive Fähigkeiten bestimmt. (2) Diese kognitiven Merkmale: explanatorisch relevant für viele andere zentralen humanspezifischen Fähigkeiten. (3) Grundlage: Wissenschaftliche Forschung zu kognitiven Differenzen zwischen Menschen und Tieren (insbesondere zwischen menschlichen Säuglingen und erwachsenen Menschenaffen). (Tomasello 2002, Tomasello 2009)

6 Kritik der anthropologischen Fragestellungen
Generelle Kritik an allen Entwürfen realistischer Menschenbilder (1) Historismus: (a) Mensch durch historischen Kontexte geprägt. (b) Historische Kontexte: in ständigem diachronem Wandel. (c) Mensch daher ohne universale Eigenschaften. (Hacking 2002, Foucault 2003) (2) Kulturtheorie und Sprachtheorie: (a) Mensch durch Kultur und Sprache geprägt. (b) Auch synchron leben Menschen in vielen verschiedenen Kulturen und sprachen viele verschiedene Sprachen. (Sapir 1921, Whorf 1956)

7 Kritik der anthropologischen Fragestellungen
Kritik an Entwürfen realistischer Menschenbilder (3) Postmodernes Denken: (a) Welt flüssig, vielfältig, wandelbar, überkomplex, unüberschaubar: → Welt nicht in Identitäten, sondern in Differenzen denken. (b) Mensch daher ohne „identische“ universalen Eigenschaften. (Lyotard 1985, Van Reijen 1988, Detel 2011, Kap.5) (4) Kritik der Aufklärung: (a) Denken in universalen Identitäten ist zentrale Idee der europäischen Aufklärung. (b) Nach (3): Erhebliche Vorbehalte gegenüber europäischer Aufklärung. Im Folgenden: Hinweise (1) – (4) wissenschaftlich überprüfen, Philosophie nicht ausreichend → interdisziplinäres Vorgehen!

8 Erster Teil Engel oder Teufel?

9 Evolutionstheoretische Grundlage des modernen Menschenbildes
Klassisches Bild der biologischen Evolution: (a) Fitness von Lebensformen: Überleben und Reproduktion ihrer Gene. Erfolgreichere überleben, weniger Erfolgreiche sterben aus. (b) Physische und kognitive Strukturen aller Tiere in Begriffen ihrer evolutionären Vorteile erklärbar. (c) Grundlegend in Evolution: (i) Überleben des einzelnen Individuums (personale Fitness) (ii) Überleben der Gene eines Organismus im Genpool der Nachfahren (inklusive Fitness).

10 Evolutionstheoretische Grundlage des modernen Menschenbildes
Kulturelle Evolution: (1) Bedingungen natürlicher Selektion: phänotypische Variabilität, Vererbung und Wettbewerb. (2) Erlernte kulturelle Muster, Tradierung, Wettbewerb der Ideen in Kulturen erfüllen evolutionäre Bedingungen. (2) Tempo kultureller Evolution schneller als biologische Evolution. (Burns, Dietz 1995, Lewens 2013) (3) Bindeglied zwischen biologischer und kultureller Evolution: epigenetische Prägung genetischer Strukturen durch soziale und kulturelle Faktoren (4) Menschen sind nicht genetisch, wohl aber epigenetisch stark. (Spork 2009, Kegel 2015)

11 Evolutionstheoretische Grundlage des modernen Menschenbildes
Grundzüge des evolutionstheoretischen Menschenbildes: (a) Personale Fitness → Mensch verfolgt mächtige egoistische Interessen. (b) Inklusive Fitness → Mensch verfolgt mächtige altruistische Interessen. (c) Biologische Evolution: (i) Altruistische Interessen auf Verwandtschaft beschränkt (Soziobiologie). (ii) Maximierung inklusiver Fitness als zentrales Ziel (d) Matrix von personaler und inklusiver Fitness als zentraler Selektionsdruck in der Entwicklung des Homo Sapiens. (Wilson 1975, Dawkins 1976, Kriegman, Knight 1988, Kriegman, Slavin 1990, 1992)

12 Humanspezifische Ultrasozialität
Befund (a) Menschlicher Altruismus (i) oft gegenüber Nicht-Verwandten, (ii) gegenüber Verwandten häufiger, als soziobiologisch prognostiziert. (b) oft Beachtung von Prinzipien der Fairness und Gerechtigkeit (durch Maximierung inklusiver Fitness nicht erklärbar). (c) Menschen sind nach (a) und (b) nicht selten ultrasozial. Zusätzliche evolutionstheoretische Erklärung erforderlich. (d) Dabei Rückgriff auf die kulturelle Evolution. (Gintis et al. 2003, Cortina, Liotti 2014)

13 Humanspezifische Ultrasozialität
Evolution humanspezifischer Ultrasozialität in nomadischen Jäger- und Sammler-Gesellschaften (ca – v.Chr.) (1) Alloparentales Versorgen des Nachwuchses. (2) Zunahme längerer sexueller und sozialer Beziehungen. (3) Längere Adoleszenz und längeres kulturelles Lernen. (4) Sozialer Egalitarismus ohne Herrschaft und Eigentum. (Hrdy 2009, Hrdy 2014, Panter et al. 2001, Nowak, Highfield 2011, Boehm 1999, 2012) (5) Kein kriegerisches Verhalten bis zum Beginn des Neolithikums (Sahlins 2008, Fry Hrg. 2013, Fry 2913) (6) Sesshaftigkeit, Ackerbau, Viehzucht, Eigentum, politische Hierarchien ab Neolithikum (10000 v.Chr.): enorme Zunahme von Gewalt, Krieg, Unterdrückung der Frauen (Keeley 1996, Pinker 2011)

14 Fazit (1) Menschen beherbergen sowohl starke egoistische als auch starke soziale und ultrasoziale Motivationen. (2) Menschen sind Engel und Teufel, aber mehr Engel als Teufel. (3) Soziale menschliche Natur: weitgehend durch Kultur der nomadischen Jäger- und Sammlergesellschaften geprägt. Video: Sharing Experiment (Egalitarismus ontogenetisch!)

15 Anthropologische Konsequenzen
Erste Konsequenz Evolutionstheoretische Qualifizierung der Universalität menschlicher Merkmale: (a) Nicht Merkmale aller Menschen, seit es menschliche Spezies gibt. (b) in nomadischen Jäger- und Sammler-Gesellschaften evolutionär selektiert, (c) seit Neolithikum bis jetzt in allen menschlichen Kulturen anzutreffen, (d) im Verlauf künftiger Evolution veränderbar.

16 Anthropologische Konsequenzen
Zweite Konsequenz: Partielle Antwort zu humanspezifischen Merkmalen. (1) Humanspezifische Merkmale sind (a) Hohe epigenetische Responsivität (kultureller Einfluss auf genetische Operationen, erhöhte Relevanz der Kultur). (b) Ultrasozialität (ultrasoziales Handeln und egalitäre soziale Strukturen). (2) Selektiver Druck auf die Optimierung der menschlichen Kognition. (Tomasello 2009) Damit: Übergang zur kognitiven Anthropologie

17 Zweiter Teil Grundzüge der Kognitiven Anthropologie

18 Menschliche Kognition: Der menschliche Geist
Was ist der menschliche Geist? Und ist der menschliche Geist humanspezifisch? Antwort in moderner Theorie des Geistes. Diese Antwort ist komplex – kein einfaches Ja oder Nein.

19 Der menschliche Geist Geist eines Wesens: Gesamtheit seiner geistigen (mentalen) Zustände und Aktivitäten. Dazu gehören nicht nur Gedanken, sondern auch Gefühle, Träume und Wahrnehmungen. Nicht nur Denken, sondern auch Wahrnehmen, Träumen und Fühlen sind geistige Aktivitäten.

20 Die kausale Rolle (Funktion) mentaler Zustände
Vorgang: Gefährliches Tier → Angst → Weglaufen. Teil des Wahrnehmungs-Evaluations-Bewegungskreislaufs (WEB-Kreislauf) als Grundform der Interaktion aller geistigen Wesen mit der externen Welt. (Millikan 1995)

21 Die kausale Rolle mentaler Zustände
WEB-Kreislauf genauer (1) Bewegung an einen Ort → (2) Wahrnehmung des Krokodils → (3) Evaluation des Krokodils als gefährlich (Angst) → (4) Adaptive (vorteilhafte) motorische Reaktion = Bewegung an einen anderen Ort (= (1) usw.) (5) Kausale Rolle (Funktion) der Emotion in (3): Übergang (3) → (4). (6) Begriff Entscheidung weit gefasst: (a) WEB-Kreislauf als Grundform von Entscheidungen → (b) Entscheidungen unter Tieren weit verbreitet.

22 Die Repräsentationalität mentaler Zustände
Wir sehen, dass dieser Mann Klavier spielt: → Wahrnehmung repräsentiert, dass dieser Mann Klavier spielt

23 Die Repräsentationalität mentaler Zustände
Dieser Mann halluziniert, dass ein Geist vor der Wand schwebt: → Die Halluzination des Mannes repräsentiert, dass ein Geist vor der Wand schwebt

24 Die Repräsentationalität mentaler Zustände
Sven meint, dass Chopin ein französischer Philosoph ist (falsch). Mara meint, dass Chopin ein polnischer Komponist ist (wahr). → Svens Meinung repräsentiert, dass Chopin ein französischer Philosoph ist (falsch). → Maras Meinung repräsentiert, dass Chopin ein polnischer Komponist ist (wahr).

25 Die Repräsentationalität mentaler Zustände
(1) Inhalt mentaler Zustände sprachlich in Dass-Klausel ausgedrückt: (*) Person P nimmt wahr (meint), dass X (der Fall ist). (2) Dass X der Fall ist, ist das, was der mentale Zustand repräsentiert, der semantische Gehalt des mentalen Zustands. (3) Repräsentationen: Mentale Zustände, die etwas repräsentieren. (4) Repräsentationen können korrekt (wahr) oder inkorrekt (falsch) sein, d.h. weisen Korrektheitsbedingungen auf. (Metzinger 2010, Beckermann 2001, Stich, Warfield 1994)

26 Bewusstsein und mentale Zustände
Verschiedene Formen von Bewusstsein. Anthropologisch interessant: Bewusstsein als mentaler Selbstbezug. Mentaler Selbstbezug: Subjektivität, Innerlichkeit, Fokussierte Aufmerksamkeit, Erhöhte Problemlösungsfähigkeit. Verschiedene Formen des mentalen Selbstbezugs.

27 Formen des Bewusstseins
Gedanken über eigene Gedanken: Monitorbewusstsein. Spezielle Variante: Gedanken über eigenes Ich: Selbst- oder Ichbewusstsein. Inneres Erleben oder Spüren eigener mentaler Zustände: Phänomenale Bewusstsein

28 Grundlegende Merkmale mentaler Zustände
Drei grundlegende Merkmale mentaler Zustände: Kausale Rolle im WEB-Kreislauf Repräsentationalität Bewusstsein Geist: Organ des schnellen Lernens und der Optimierung des WEB-Kreislaufs.

29 Mentale Zustände und Rationalität
Betrachte folgende Sätze (Gedanken, Äußerungen…): (1) Ulla lügt häufig und ist stets wahrhaftig. (2) Ulla lügt häufig und ist selten wahrhaftig. (3) Marcel freut sich auf morgen, denn morgen trifft er seine Freundin (4) Marcel freut sich auf den nächsten Tag, denn dieser Tag wird für ihn extrem anstrengend, frustrierend und langweilig. Menschlicher Geist: überwiegend rational geordnet. Grundlegende Form der Rationalität: Instrumentelle Rationalität (angemessene Mittel zur Realisierung von Absichten und Wünschen ergreifen) Weitere Formen der Rationalität: Widerspruchsfreiheit und korrekte Begründungen. (Davidson 1984, Brandom 1994)

30 Der Geist der Tiere und der Geist der Menschen
(1) Viele Tiere: haben repräsentationalen Geist, primär in Gestalt von Wahrnehmungen in WEB-Kreislauf. (2) Zumindest Säuger: haben phänomenales Bewusstsein, aber weder durchgehend noch so intensiv wie bei Menschen. (3) Einige Tiere: sind instrumentell rational. (4) Einige Tiere: haben elementares Ich-Bewusstsein. Videos: Spiegeltest bei Tieren (und Kindern) Orangutan mirror self-recognition: Rogue test (self-recognition test): Mirror test shows magpies aren‘t so bird-brained:

31 Der Geist der Tiere und der Geist der Menschen
Fazit soweit: Der humanspezifische Geist: (1) ständiges Bewusstsein (im Wachzustand), (2) Monitorbewusstsein, (3) überwiegend rationale Struktur (Widerspruchsfreiheit, gute Begründungen von Denken und Handeln), (4) humanspezifische Vernunft (= (2) – (3))

32 Humanspezifische Evaluationsmechanismen
(1) WEB-Kreislauf: ein Evaluationsmechanismus. (2) Evaluative Faktoren: Emotionen. (3) Emotionen: affektive Repräsentationen (kognitive Emotionentheorie). (Sousa 1987, Slaby et al. 2011) (4) Evaluationsmechanismen: bei Menschen und höheren Tieren. (5) Grundlegendste Evaluationsmechanismen: (a) Sicherheitsmechanismus (Angst, Panik). (b) Bindungsmechanismus (Freude an sozialer Bindung) (Cortina, Liotti 2010)

33 Humanspezifische Evaluationsmechanismen
(1) Wichtigste Evaluationsmechanismen: (a) Körpergefühle: z.B. Schmerz, Hunger (b) Basis-Emotionen: z.B. Furcht, Überraschung, Ekel (c) Bindungsemotionen: z.B. Dominanzstreben, Mitgefühl, Interesse an Artgenossen (d) Sozial-regulierende Emotionen: z.B. Wut, Scham, Stolz, Clanbindung, Konformismus (e) Altruistische Emotionen: z.B. Fürsorge für Nachkommen, Fairness, Freude an gemeinsamen Interessen, Freude an Kommunikation (f) Rationale Evaluation: z.B. Standards von Logik oder von Gerechtigkeit. (Panksepp 2012, Cortina, Liotti 2014)

34 Humanspezifische Evaluationsmechanismen
Körpergefühle, Basis-Emotionen sowie einige Bindungsemotionen bei Menschen und einigen Tieren: Sozial-regulierende Emotionen, altruistische Emotionen sowie rationale Bewertungen sind humanspezifisch. (3) Humanspezifisches Problem: (i) Keine konsistente Präferenzordnung zwischen vielfältigen Evaluationsmechanismen. (ii) Evaluationsmechanismen: Komponenten menschlicher Entscheidungen → (iii) Hohe Komplexität, Vielfalt und epistemische Undurchsichtigkeit menschlicher Entscheidungen → (iv) Phänomen humanspezifischer Entscheidungskonflikte.

35 Anthropologische Bad News
Ist Freiheit humanspezifisch? (1) Alle unsere Handlungen und Gedanken sind determiniert, d.h. ergeben sich aus Anfangsbedingungen und Naturgesetzen. (2) Menschliche Freiheit: Determinierung durch eigene mentale Zustände (unklar ob humanspezifisch) Ist unser Geist (unsere Seele) unsterblich? (1) Neurowissenschaft zeigt: Auftreten mentaler Zustände stets an aktive neuronale Zustände des Gehirns gebunden. (2) Der menschliche Geist (die menschliche Seele) ist an ein lebendes Gehirn gebunden. (3) Der menschliche Geist (die menschliche Seele) ist sterblich.

36 Anthropologische Bad News (3 F. ex)
Wir werden hauptsächlich von unserer unbewussten Seele gesteuert! (1) Geist und Seele (a) Geist: wie oben erläutert (b) Seele: Geist plus das mentale Unbewusste. (c) Das mentale Unbewusste: die unbewusste Seele. (d) Vgl. traditionell: psyche / nous, anima / animus (e) Rehabilitierung des aus der Mode gekommenen Seelenbegriffs

37 Anthropologische Bad News
Das Unbewusste (die unbewusste Seele) 1. Nicht-mentale Steuerungselemente 1.1 Neuronale Aktivitäten des Gehirns 1.2 Algorithmische Programme, die in neuronalen Aktivitäten des Gehirns realisiert werden. 1.3 Körperschemata (unbewusste körperliche Routinen zur Ausführung von Handlungen (= Realisierung von Absichten). 2. Das mentale Unbewusste: Mentale Zustände (Repräsentationen) und psychologische Mechanismen 2.1 ohne phänomenales Bewusstsein, Monitor-Bewusstsein und Ich-Bewusstsein, 2.2 ohne spontane Transformierbarkeit in eine Bewusstseinsform. 2.3 ohne rationale Organisation.

38 Anthropologische Bad News
Das Unbewusste (die unbewusste Seele) 3. Komponenten des mentalen Unbewussten 3.1 Metamechanismen: Reizgeneralisierung, Verdrängung, Produktion von Ersatzmechanismen. 3.2 Körpergefühle („Triebe“): biologische Motivationssysteme 3.3 Emotionen: soziale Motivationssysteme Genauer: Körpergefühle und Emotionen: als Mechanismen unbewusst, evaluative Komponente oft phänomenal bewusst. 3.4 Wahrnehmungsmechanismen 3.5 Grammatische Kompetenz 3.6 Archaische Rationalität (“Heuristiken“, bounded rationality)

39 Einige Wahrnehmungsmechanismen

40 Einige Wahrnehmungsmechanismen
■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ Gestaltgesetze Gesetz der Nähe Gesetz der Ähnlichkeit Gesetz der einfachen Gestalt Gesetz der guten Fortsetzung

41 Einige Wahrnehmungsmechanismen
sind psychologische Mechanismen wie Mustererkennung, imaginäre Ergänzungen, Tiefenwahrnehmung, Gestalt-Switch und Gestaltgesetze beruhen auf schnellen algorithmischen Berechnungen (computations) im Gehirn. ermöglichen Erkennen von perzeptiven Objekten allein mit Hilfe von Wahrnehmungen.

42 Humanspezifische soziale Kognition
Soziale Kognition: kognitive Operation des Verstehens. Verstehen im geist-theoretischen Sinn??

43 Verstehen (1) Verstehen ist (a) Gedankenlesen (mindreading): Erfassen mentaler Zustände anderer Personen, aber auch der eigenen mentalen Zustände, (b) genauer: Erfassen der semantischen Gehalte und Bewusstseinsformen von Repräsentationen bei Anderen und bei sich selbst. (2) Mittel des Gedankenlesens und weitere Form des Verstehens: Erfassen der semantischen Gehalte und Gefühlsebene von Mimik, Gestik, sprachlichen Äußerungen und Texten. (3) Schnelles automatisches Verstehen (nicht-sprachlich): Parsen Komplexes langsames Verstehen (sprachlich): Interpretation.

44 Formen des Parsens Wichtige Form: Schnelles Erfassen von Gefühlen. Beispiele:

45 Formen des Parsens Eine weitere wichtige Form: schnelles Erfassen von Handlungsabsichten. Beispiele:

46 Formen des Parsens Parsen z.B. von Handlungsabsichten bereits bei menschlichen Säuglingen ….. Aber auch bei Schimpansen: Video: Und dabei helfen sie anderen Menschen!

47 Ist Sprache humanspezifisch?
Beispiel: Kommunikation durch Warnschreie W unter Vögeln Warnschrei als Kommunikationsdisplay (a) Kausale Rolle: Angemessene Reaktion auf Gefahr (b) genetisch disponiert, (c) ohne grammatische Struktur, (d) gekoppelt an lebenswichtige Emotionen, (e) ohne kommunikative Absichten. (e) meist nicht an einzelne Individuen gerichtet. Tiersprachen und nonverbale menschliche Kommunikation über Kommunikationsdisplays

48 Kanzi der Bonobo Video 1: Kanzi versteht Wörter
Video 2: Kanzi in der Küche Befund: Schimpansen und Bonobos können nach langem Training Wörter verstehen und zuordnen, Zwei-Wort-Sätze verstehen und artikulieren (ohne Syntax), auf dem Sprachniveau kleiner Menschenkinder zwischen 1.5 und 2 Jahren operieren. Dieses Sprachniveau ist nicht humanspezifisch.

49 Natürliche Sprachen NS1 Natürliche Sprachen als Zeichensysteme involvieren (a) eine kompositionale Semantik, (b) eine rekursive Syntax (Grammatik), (c) überwiegende Widerspruchsfreiheit. NS2 Gesprochene oder geschriebene natürliche Sprachen involvieren über NS1 (a) – (c) hinaus (a) Sprechakte, (b) Rationalitätspräsumptionen, (c) rationale Konversationsmaximen. Befund Natürliche Sprachen gemäß NS1 und NS2 sind humanspezifisch.

50 Wahrnehmung und natürliche Sprachen
(1) Die kognitive Psychologie zeigt: Elementare Funktion natürlicher Sprachen: Kodierung von Wahrnehmungen und perzeptiven Objekten. (Anderson 2007). (2) Gut bestätigte Hypothesen: (a) Menschlichen Gemeinschaften teilen viele Wahrheitsannahmen und übersetzbare Basissprache. (b) Ohne (a): fremde Kulturen weder identifizierbar noch verstehbar noch evaluierbar. (c) Das Fremde kann nur auf der Grundlage massiver Gemeinsamkeiten in den Blick genommen werden. (Davidson 1984) (d) Widerlegung von Historismus und Sprachrelativismus!

51 Kognitive Unterschiede zwischen erwachsenen Primaten und menschlichen Kleinkindern (1) Imitation
Erstaunliches Experiment: Imitation Bei Schimpansen: nur Handlungsbeginn und Erreichen des Zieles, nicht genau den vorgemachten Weg. Bei Menschenkindern: stets auch genau den vorgemachten Weg: Voraussetzung für humanspezifische kumulative Kulturen.

52 Kognitive Unterschiede zwischen erwachsenen Primaten und menschlichen Kleinkindern: (2) Handlungskooperation Chimpanzee problem solving by cooperation Chimpanzee cooperation experiment. Funny ending Double tube: Schimpansen: (1) Kooperation nur unter Konsuminteressen (2) Probleme, sich in Rolle anderer Schimpansen hineinzuversetzen Kleine Menschenkinder (1) verstehen Rollenverteilung problemlos (2) kooperieren auch aus reinem Spaß ohne Konsuminteressen.

53 Mutter und Kind blicken auf Ball. Kind blickt auf Mutter.
Kognitive Unterschiede zwischen erwachsenen Primaten und menschlichen Kleinkindern: (3) Mentale Triangulation Ball Kind Mutter Mutter und Kind blicken auf Ball. Kind blickt auf Mutter. Kind kontrolliert, ob Mutter auf Ball blickt. Mentale Triangulation: humanspezifisch, Voraussetzung für Empathie und Spracherwerb, Auch bei Fingerzeigen im Spiel.

54 Menschenkinder ab ca. 4 Jahren:
Kognitive Unterschiede zwischen erwachsenen Primaten und menschlichen Kleinkindern: (4) Höheres Gedankenlesen Menschenkinder ab ca. 4 Jahren: Können anderen Personen mentale Zustände zuschreiben, die sie für falsch halten. Bestätigung Falschheitstest: Sally-Anne test, 42 month old & 52 month old Höhere humanspezifische Form des Gedankenlesens, d.h. des mentalen Hineinversetzens in andere Personen, Grundlage von Empathie.

55 Kognitive Unterschiede zwischen erwachsenen Primaten und Menschen (5): Interpretation, rationale Erklärung Rationale Erklärung (Interpretation) eines mentalen Zustandes M einer Person P: (1) Anführen weiterer mentaler Zustände von P, die gute Gründe von M sind. (2) Nachweis, warum es für P vernünftig (rational) ist oder war, M zu entwickeln. (3) Suspension des Urteils der Interpretin über M und angeführte Gründe. (4) Möglichkeit des Ausbaus zu einer umfassenden Theorie über den individuellen Geist von P (ToM)

56 Kognitive Unterschiede zwischen erwachsenen Primaten und Menschen (5): Interpretation, rationale Erklärung (1) Rationale Erklärungen (komplexe Interpretationen) und ToM – Konstruktion sind humanspezifisch. (2) ToM-Konstruktion: (a) komplexeste Form von Empathie (b) wesentliche Komponente menschlicher Ultrasozialität (c) daher ethisch relevant.

57 Vielen Dank für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit!
Einige politische Konsequenzen: Modernes Menschenbild betont mehr die Identität als die Differenz des Menschen, füllt vage politische Idee der Einheit der Menschheit (UNO!) mit Substanz, ist Grundlage der Forderung nach gleichem Respekt und gleicher politischer Partizipation für alle Menschen, liefert Beitrag zur Begründung universaler Menschenrechte, legt Rehabilitierung des Universalismus der Aufklärung nahe. Literaturliste: siehe Website der Philosophischen Gesellschaft Bremens Vielen Dank für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit!

58 Vierter Teil (1) Universale Merkmalen des Menschen: Übersicht (2) Einige politische Konsequenzen

59 Zusammenfassung: Worin wir uns höchst ähnlich sind
(1) Epigenetische Komplexität (Relevanz der kulturellen Evolution) (2) Egoistische Motivationen (Maximierung personaler Fitness) (3) Altruistische Motivationen gegenüber Verwandten (Maximierung inklusiver Fitness) (4) Altruistische übertrumpfen oft egoistische Motivationen. (5) Ultrasozialität (aufgrund der kulturellen Evolution). (6) Sozialer Egalitarismus ohne Herrschafts- und Eigentumsstrukturen, (7) Nicht-kriegerisches Verhalten. (8) Hohe Anzahl von Motivationssystemen, darunter sozial-regulierende Bindungsemotionen und altruistischen Emotionen (9) Kulturell-evolutionärer Druck auf die Optimierung des kognitiven Apparats (des Geistes, der Seele) des Menschen.

60 Zusammenfassung: Worin wir uns höchst ähnlich sind
(10) Wahrnehmung einer perzeptiven Welt mit perzeptiven Objekten. (12) Komplexe soziale Kognition und Imagination möglicher Welten (13) Ständiges Bewusstsein als Basis hoher Problemlösungsfähigkeit. (14) Verwendung vieler z.T. komplexer Arten von Evaluation. (15) Monitorbewusstsein als Basis für Selbstkritik und Selbstarbeit. (16) Meistern einer syntaktisch strukturierten Sprache. (17) Transkulturelle Basis-Sprache. (18) Kumulative Kultur. (19) Rationale Ordnung mentaler Zustände und Äußerungen. (20) Steuerung durch die unbewusste Seele. (21) Determinierte Freiheit. (22) Finale Sterblichkeit.

61 Zum kulturellen Relativismus und zu Menschenrechten
(1) “The data of ethnology prove that not only our knowledge but also our emotions are the result of the form of our social life and of the history of the people to whom we belong.” (Franz Boas, Race, Language, and Culture, New York 1940, 636) (2) “Judgments are based on experience, and experience is interpreted by each individual in terms of his own enculturation” (Herskovits, M. 1955: Cultural Anthropology, New York, 15). (3) „Standards und Werte sind relativ auf die Kultur, von der sie abgeleitet werden … was in einer Gesellschaft als Menschenrecht betrachtet wird, mag in einem anderen Volk als anti-sozial gelten.“ (Statement on Human Rights .The Executive Board, American Anthropological Association. In: American Anthropologist, New Series, Vol. 49, No. 4, Part 1 (Oct. - Dec., 1947), )

62 Zum kulturellen Relativismus und zu Menschenrechten
(4) “The UN Human Rights Charta „was contrary to Islam and … had no validity in the Islamic countries“ (Olayemi A. A. M. et al. 2015: Islamic Human Rights Law: A Critical Evaluation of UIDHR & CDHRI In the Context of UDHR, in: Journal of Islam, Law and Judiciary, 27-36). (5) “Alle Menschenrechte sind allgemeingültig, unteilbar, bedingen einander und bilden einen Sinnzusammenhang.” (Wiener UN-Erklärung zu Menschenrechten 1993, erster Satz) (6) Die UNESCO beschwört sowohl die Einheit der Menschheit als auch die kulturelle Vielfalt. (31. UNESCO-Generalkonferenz (Paris 2001), Auszug aus Schlussdokument vgl. medien/Dokumente/Kultur/kkv/ deklaration_ kulturelle_ vielfalt.pdf)

63 Vielen Dank für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit!
Modernes Menschenbild betont mehr die Identität als die Differenz des Menschen. füllt vage politische Idee der Einheit der Menschheit (UNO!) mit Substanz, ist Grundlage der Forderung nach gleichem Respekt und gleicher politischer Partizipation für alle Menschen. liefert Beitrag zur Begründung universaler Menschenrechte, legt qualifizierte Rehabilitierung des Universalismus der Aufklärung nehe. Literaturliste: siehe Website der Philosophischen Gesellschaft Bremens Vielen Dank für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit!


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