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Arbeitsrechtliche Neuerungen
o. Univ.-Prof. Dr. Franz Schrank HRBC Salzburg,
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I. Gesetzliche Neuerungen
Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
Hohe Strafrahmen, lange Straf(verfolgungs)verjährungsfristen und „Ungehorsams“charakter wie bisher Kumulation je AN Max. 3 Betroffene: Erstbestrafung je AN EUR bis (egal wie oft und lange und ob nur zwischen-durch oder dauerhaft, egal auch welche Art der Unterzahlung) Wiederholte Bestra-fung für denselben AN je diesbezüglichem AN EUR bis Kumulation je AN Mehr als 3 Betroffene: Erstbestrafung je AN EUR bis (egal wie oft und lange und ob nur zwischen-durch oder dauerhaft, egal auch welche Art der Unterzahlung) Wiederholte Bestra-fung für denselben AN je diesbezüglichem AN EUR bis Schrank, AR-Neuerungen
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Entsendungserleichterungen nach Österreich
Zusätzlich ausgenommen vom LSG-BG sind Arbeiten von geringem Umfang und kurzer Dauer im Rahmen von Konzernentsendungen bei AN mit durch-schnittlicher monatlicher Bruttoentlohnung von mindestens 125% der SV-HBGl (€ 6.225). Vorübergehende (bis insgesamt 2 Monate je Kal.jahr) Konzernentsendungen einer besonderen Fachkraft zwecks F&E, Ausbildungsabhaltungen, Projektarbeits-planungen, Erfahrungsaustausch, Betriebsberatung, Controlling oder Mitarbeit im Bereich von für mehrere Länder zuständigen Konzernabteilungen mit zentraler Steuerungs- und Planungsfunktion. Unterlagenbereithaltung: Arbeitsvertrag auch in eng-lisch ausreichend, alles andere weiterhin nur deutsch. Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
§ 29 Abs. 1 erster und dritter Satz LSD-BG: Wer als Arbeitgeber einen Arbeitnehmer beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und Entgeltzahlungen, die das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt übersteigen, sind auf allfällige Unterzahlungen im jeweiligen Lohnzahlungszeit-raum anzurechnen. Gilt für Zahlungszeiträume ab ! Schrank, AR-Neuerungen
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Was bedeutet die Bezugnahme auf Gesetz, VO und KollV?
Gesetz? Meint nur direkte ge-setzliche Arbeitsentgelte (öff. Dienst, soweit er-fasst), besondere ge-setzliche Verweisungen auf KollV (insbes. § 3 LSD-BG, §§ 10 Abs. 1 Satz 3, 10a Abs. 3 AÜG, § 2 Abs. 13 GewO), ÜStd.Entgelte, gesetzli-che Entgeltfortzahlun-gen etc. daher wohl nur im KV-Niveau! Verordnung? Meint gesatzte Kol-lektivverträge sowie Mindestlohntarife Kollektivertrag? Meint auf das jeweilige AV normativ anzuwen-denden KollV und nur Mindestsätze, nicht auch Isterhöhungen, Ebenso nicht vertraglich angewendete KollV (insoweit ja nur Vertragsschablonen) Schrank, AR-Neuerungen
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Inhaltliche Erleichterungen für Alle (1)
Straftatbestand „Unterentlohnung“: Statt des Erfordernisses bestandteilbezogener Überzah-lungen sind für Sachverhalte ab schon „Entgelt-zahlungen, die das … gebührende Entgelt übersteigen, … auf allfällige Unterentlohnungen im jeweiligen Lohnzah-lungszeitraum anzurechnen.“ Für die automatischen Anrechnung ist daher die bisherige spezifische Bestand-teilbezogenheit (echte Überzahlungen) nicht mehr nötig (insofern genügen alle außer- oder überkollektivvertrag-lichen Entgeltteile), wohl aber gilt weiterhin die jeweilige Lohnzahlungszeitraumbezogenheit! Arbeitsrechtlich zulässige Pauschalanrechnungsvereinba-rungen machen daher v.a. bei Jahresprämien noch Sinn! Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
Vergleichende Beispiele zur Anrechnung Überzahlungen: bzw. ab 2017 Bestehende Vereinbarung, wonach Entgeltbestandteile wie Prämien allf. Unterzahlungen abdecken (können): Monatsprämien daher 2015/16 anrechenbar? Ja. Monatsprämien ab anrechenbar? Ja. Jahresprämien auf mtl. Unterzahlungen anrechenbar? 2015/2016: Allgemein eher nein, im Beispiel ja, Ob und Umfang hängt ab vom Vereinbarungstext. Ab : Automatisch im Auszahlmonat, außer bei vereinbart pauschaler Anrechenbarkeit für je 12 Mo. Deckungsprüfung: Auszahlzeitpunkt oder Zeitraum für die Prämie? Dzt. je nach V, ab 2017 siehe oben; zulässi-ge Anrechnungspauschalvereinbarungen werden aber 12-Monatsdurchschnittsbetrachtung sichern (vg. ÜP) Schrank, AR-Neuerungen
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Inhaltliche Erleichterungen für Alle (2)
Strafbefreiungstatbestand Differenznachzahlungen: Nur mehr auf das KollV-Entgelt erforderlich, nicht auf alles nach den österr. Vorschriften Gebührende. Gleiches gilt für das verpflichtende Absehen von der Strafverhängung (bei fristgerechter Nachzahlung über Aufforderung durch BH in Fällen geringer oder nur leicht fahrlässiger Unterschreitung). Weiterhin nicht geregelt ist der Zeitraum, für den nachzuzahlen ist. Wohl Verfolgungsverjährungsfrist? Zwingende Unterbrechung des Strafverfahrens bei anhängigem oder gleichzeitig anhängig gemachtem Arbeitsgerichtsverfahren. Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
Verschärfungen (1) Beurteilungsmaßstab wahrer wirtschaftlicher Gehalt (§ 2) Dienstleistungsvertrag zw. AG ohne Sitz in Ö und im Inland tätigen DL-Empfänger ist keine Voraussetzung für „Entsendung“ nach Ö. Österr. Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten inkl. KV-Arbeitszeit- und Arbeitsruheregelungen für vergleich-bare AN von vergleichbaren AG gelten explizit zwingend auch für Entsandte, d.h. es sind auch solche Strafen neben LD-Strafen sicher verhängbar. HeimarbeiterInnen nun erfasst, auch beim LD. Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
Verschärfungen (2) Auftraggeber als Unternehmer trifft volle Haftung als Bürge und Zahler nach § 1357 ABGB für Entgeltansprü-che nach Ö. entsandter AN, für Überlassene gilt Bürg-schaftshaftung des § 14 AÜG. Volle Auftraggeberhaftung als Bürge und Zahler für (fiktive) KV-Entgelte (und BUAG-Zuschläge) der von AN für Bauarbeiten entsandten oder grenzüberschreitend überlassenen Arbeitnehmer. Ist Auftraggeber selbst nicht AN der beauftragten Bauarbeiten, haftet er nur bei Wissen von der Nichtzahlung oder wenn er diese ernst-haft für möglich halten musste und sich damit abfand. EU-/EWR-weite inkl. Schweiz betreffende General-unternehmerhaftung bei öff. AG oder Sektorenauf-traggebern nun auch als Bürge und Zahler Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
Verschärfungen (3) Jährlicher Kontrollplan des BMASK, erstmals für 2018; darin auch Dokumentation eines für die Entsendungs-kontrolle ausreichenden Prüfpersonalstandes (Finanz-polizei, Ausstattungspflicht des BMF). Jährlicher Durchführungsbericht des BMF. Zustellbarkeit von Anzeigen etc. auch an inländischer Betriebsstätte etc., an der AN tätig ist; auch an die Ansprechperson bzw. AN des ausländischen AG. Auftrag zur Nennung eines Zustellungsbevollmächtig-ten bei begründetem Übertretungsverdacht. Vollstreckungserwirkungen oder Zustellerwirkungen in anderem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
Worauf es v.a. zu achten gilt: Die real größten LD-Gefahrenquellen - Arbeitszeit: Abgrenzung Überstunden/NAZ, v.a. bei flexibleren Arbeitszeiten - Endabrechnungen: Besondere Risikofaktoren Schrank, AR-Neuerungen
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Richtige Arbeitszeiten: Diagnose und Umsetzung?
Entgelthöhe hängt kollektivvertraglich wesentlich auch von der Art der Arbeitszeit ab. Arbeitszeit-rechtliche Fehleinschätzungen können daher strafbare Unterzahlungen bewirken. Die kollektivvertraglich richtige Bezahlung erfordert die Kenntnis, 1. was alles Arbeitszeit ist, 2. welche Normalarbeitszeitmodelle Betrieb hat, 3. ob diese den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Anforderungen entsprechen, 4. ob sie auch richtig umgesetzt werden und 5. welches Arbeitszeitmodell und welche Arbeits-zeiten die AN jeweils konkret hatten, also auch die AN-individuellen Arbeitszeitaufzeichnungen. Schrank, AR-Neuerungen
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NAZ-Durchrechnungen und LD?
Außer ausreichende, anrechenbare Überzahlung oder ausreichende All-In-Vereinbarung AZG-widrige flexiblere Normalarbeitszeitgestaltungen (z.B. Durchrechnungen ohne KV-Zulassung) und daher fehlende Zuschläge für TZ-MA, AZV-MA, Überstunden Gleitzeiten ohne formal ausreichende Gleitzeit-Betriebs- bzw. (bei Fehlen eines BR oder bei allen geschützten Elternarbeitszeiten) schriftliche Einzelvereinbarung Schlichtes Nichterkennen bzw. Riskieren solcher oder anderer fehlerhafter Normalarbeitszeitgestaltungen (z.B. 10. Tagesstunde ohne gültige Gleitregelung oder KV-Zulassung oder ohne zugelassene 4-Tage-Woche oder ohne gesetzl. Einarbeiten iVm Feiertagen) Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
Wann liegen Überstunden vor? Bei Vollzeit-AN: Alles was nicht NAZ/AZV-MA ist Entgeltwichtig auch für das neue Lohndumping Bei Arbeit von Vollzeit-AN außerhalb der jeweiligen täglichen oder wöchentli-chen NAZ ohne vorherige gültige Neuverteilung Bei GLAZ Stunden außerhalb des Gleitzeit-rahmens Jedenfalls bei Über-schreitung des (modell-abhängigen!) Ausmaßes der tgl./wöch. NAZ-Höchstgrenzen Bei durchrechenbaren NAZ und GLAZ, soweit am Ende der Periode 0-Saldo bzw. Übertra-gungsstunden über-schritten werden Schrank, AR-Neuerungen
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Endabrechnungen: Besondere Lohndumping-Risikofaktoren
Sonderzahlungen: Richtige Höhe (Aliquotierung etc.)? Zulässige Überhangsrückver- bzw. -anrechnungen? Offene NAZ-Zeitguthaben: Aktuelles Grundentgelt plus 50% Zuschlag nach § 19e Abs. 2 AZG? Offene ÜStd-Zeitausgleiche: Keine Verjährung im DV! Besondere Divisoren und richtige ÜZ berücksichtigt? Unzulässige Abzüge: Ausbildungskosten unter Verletzung der individuellen Pfändungsschutzgrenze? Schadenersatzforderungen? Offene Ersatzruhe oder Ersatzfeiertage: Entgelt? Offene Urlaube: Zu niedrige Ersatzleistungen? Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
Organisationsverschulden ausschließen! (wie bisher zu § 7i Abs. 5 AVRAG) Das Personal gehört zum Kernbereich des Arbeitgebers und damit seiner Geschäftsführung. Dies gilt für die wirtschaftlich sinnvolle Bezahlung ebenso wie deren rechtlicher Richtigkeit. Auch im LSD-BG liegt daher die Strafverantwortlichkeit grundsätzlich bei den gesetzlich Vertretungsbefugten = bei der Geschäftsführung. Auch das Gesetz geht aber nicht davon aus, dass die Geschäftsführung alle komplexen Einzelheiten des Ar-beitsrechts und der Kollektivverträge beherrscht. Ihre Verantwortlichkeit ist (nur) eine Organisationsver-antwortung, die organisatorisch-personellen Vorausset-zungen für die effektive Einhaltbarkeit im Unternehmen zu schaffen und die tats. Einhaltung auch in der Praxis durch ein geeignetes Maßnahmenbündel (wirksames Kontrollsystem analog AZ-Strafbarkeit) zu garantieren Schrank, AR-Neuerungen
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Organisation der Verantwortlichkeiten?
Zumal das Unternehmen aber für über Verantwortliche verhängte Geldstrafen in vollem Umfang haftet (wenn Verantwortlicher nicht zahlen kann), machen angesichts der gerade beim LD-Thema ersicht-lichen Schwächen verantwortlicher Beauftragung Nach-geordneter (wegen des Risikos aus nicht ausreichenden Befugnissen) Beauftragungen nur im Kreise der GF Sinn (bei mehreren GF)! Interne arbeitsrechtliche Verantwortungen insbes. der Personal- oder PV-Leitung sind davon ja unabhängig. Auch daher wird die konsequente Entwicklung und Nutzung deren fachlichen Know-How genügen. Schrank, AR-Neuerungen
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Was ist Aufgabe der Geschäftsführung? Was der Fachexperten?
Organisationsaufgabe der GF ist es daher, den Personal- bzw. Personalverrechnungsbereich quantitativ und qualitativ personell, unterlagenmäßig und auch technisch so auszustatten, dass diese Einheit(en) die Entgelte auch real jeweils richtig (sei es in heiklen Fällen auch durch Zuziehung externer Expertise) und rechtzeitig berechnen können, aber auch zumutbare Vorkehrungen für die erforderlichen Kontrollen zu präzi-sieren/schaffen und die Einhaltung sowohl der Entgelte als auch der Kontrollen, Unterlagen- bzw. Wissensaktu-alisierungen und Dokumentation relevanter Vorgänge selbst bzw. durch Geeignete sicherzustellen. Aufgabe der Fachexperten (PL, PV-L, PV) ist die fachli-che Umsetzung (Berechnungen, AZ-Gestaltung, Checks) Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
Vorbeuge-/Kontrollsystem! (1) (Entgelte-Compliance- bzw. Qualitätssicherungssystem) -- Erkennen inhaltlicher oder organisatorischer haus- und branchentypischen Fehlerquellen, etwa Informati-onsdefizite der (internen/externen) Pers.Verrechnung. -- Evaluierung konkreter Bedarfe besser organisierter oder zusätzlicher Vorbereitungs-, Entscheidungs-, Um-setzungs-, Einhalte- bzw. Überprüfungs“prozesse“ -- Welche qualitativ/quantitativ ausreichende Personal-, Technik- und Unterlagenausstattung erfordert diese organisatorische Vorsorge (unter Bedachtnahme auf nötige Zusatzarbeiten wie Routine-Kontrollchecks, Entscheidung schwieriger Fälle etc.)? -- Organisation Personalwesen wie optimieren? Schrank, AR-Neuerungen
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Vorbeuge-/Kontrollmaßnahmenbündel (2)
-- MA-Anforderungsprofile im Personal- und Personal-verrechnungswesen samt Weiterbildungsanforderungen, -- Übereinstimmung bei Besetzungsentscheidungen und Weiterbildung prüfen und dies auch dokumentieren -- den Einhaltewillen des/der Verantwortlichen in Bezug auf die richtige Bezahlung allen MA des Personalwesens und der Personalverrechnung bekunden, -- zu Rückfragen und Abstimmung von Zweifelsfällen auffordern und -- all dies auch nachvollziehbar dokumentieren, auch in Fällen wichtiger Einzelentscheidungen -- hinsichtlich identifizierter LD-Schwachstellen/Fehler-quellen konkrete organisatorische und inhaltliche Abhilfemaßnahmen, mit Umsetzungsprozess (Anwei-sung, Kontrolle) festlegen und dokumentieren Schrank, AR-Neuerungen
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Vorbeuge-/Kontrollmaßnahmenbündel (3)
Relevantes internes Pflichtprozedere anweisen, z.B Vordienstzeitenanrechnungsvorgangsweisen -- periodisches Abfragen Beschäftigungsprofile -- Umstufungserfordernisse prüfen und umsetzen -- Bei jeder generellen KV-Erhöhung in Grenzfällen Mindestentgeltkontrolle -- Teilpauschalierungen: vorhanden oder sinnvoll? Texte überarbeiten und neu vereinbaren? -- LD-sichere Arbeitszeitaufzeichnungen? -- rechtzeitige Deckungsprüfungs-Aktivkontrollen -- Maßnahmen bei Unterdeckungswahrscheinlichkeit Kontrollprozedere für Prozedere-Umsetzung, -- Einhaltekontrollmaßnahmen (Vier-Augen-Prinzip), Dokumentation! Periodische Kurzberichte an Verantwortliche, ebenfalls dokumentieren Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
2. Väter-Familienzeitbonus Leistungen und arbeitsrechtliche Aspekte Erst für Geburten ab Familienzeitbonus von tgl. EUR 22,80 für ununter-brochene Tage innerhalb von 91 Tagen ab Geburt des Kindes (Anspruch gegen GKK) setzt unmittelbar vor Bezugsbeginn 182 Tage kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit voraus (max. insges. 14 Tage Unterbrechung, ohne Al- bzw. NH-Bezug), aber ersetzbar durch Väterkarenz, wenn vorher eine so lange Erwerbstätigkeit, Familienzeitbonus ist auch neben KBG-Bezug der Mutter möglich, aber unter Anrechnung auf (= Abzug vom) neuen KBG-Konto. Schrank, AR-Neuerungen
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Vätermonat (Familienzeit)
Der Bonus gebührt nur bei Unterbrechung der Erwerbs-tätigkeit während des Bonuszeitraums, am besten durch eine Karenzierung. Der Vater muss sich ausschließlich seiner Familie widmen, darf auch keine andere ET aus-üben, keine AlV-Leistungen und auch keine Entgeltfort-zahlung aus Krankenstand erhalten. Diese Karenzierung (ET-Unterbrechung) bedarf bei Arbeitsverhältnissen einer Einigung mit dem Arbeitgeber, sie ist also keine Elternkarenz! Für den unbezahlten Familienzeit-Urlaub besteht jedoch nach ASVG auch bei 1 Monat keine SV-Beitragspflicht. Kranken- und Pensionsversicherungsschutz aus Bonus! Schrank, AR-Neuerungen
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Arbeitsrechtliches zur Väter-Familienzeit
Kein Anspruch gegen AG, Einvernehmen nötig Wie wird die nötige Unterbrechung gewertet? Abhängig von der Vereinbarung – regelmäßig wird es eine Karenzierung ohne Entgelt sein (sogar geringfügige ET würde dem Bonus schaden). Kein besonderer Kündigungsschutz, aber Geschlechts-diskriminierungsschutz (§ 12 Abs. 7 GlBG). Urlaubsaliquotierung? Zumindest bei Vereinbarung nach OGH-Rsp wegen Günstigkeit wirksam. Zählen solche Karenzierungen auf dienstzeit-abhängige Ansprüche? Zeitvorrückung? Abf. Alt? Mangels Regelung „ergebnisoffen“. Ausklammerungsvereinbarung rechtlich unsicher (zwingendes Recht? Männerdiskriminierung?); Entgegenkommen überlegen, auch zur Vereinfachung. Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
2a. Exkurs Kinderbetreuungsgeld-Novellierungen: KBG-Konto für Geburten ab (hier bei unveränderten Zuverdienstgrenzen) Schrank, AR-Neuerungen
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a) Pauschales KBG als Konto für Geburten ab 1.3.2017 (1)
KBG bei Dauer bis zu 365 Tagen ab der Ge-burt EUR 33,88 täglich, bei Mehrlingsgeburten erhöht um 50%, Bei abwechselndem Bezug durch beide ET verlängert sich Dauer um die Bezugstage des anderen ET, jedoch auf maximal bis zu 456 Tage ab der Geburt. 91 Tage jedem unüber-tragbar vorbehalten. Der Anspruch reduziert sich um Väter-Familien-zeitbonus. Bei über 365. bzw Tag hinaus verlängerter Inanspruchnahme bis zu (flexible nehmbare) 851 Tage, bei abwechselndem Bezug durch beide Eltern-teile bis zu 1063 Tage verringert sich Tagesbe-trag der Höhe nach im gleichen Verhältnis. Schrank, AR-Neuerungen
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Pauschales KBG als Konto ab 1.3.17 (2)
Ohne rechtzeitige Mut-ter-Kind-Pass-Untersu-chungen reduziert sich KBG für jeden Elternteil um EUR Bei Mehrlingsgeburten erhöht es sich für jeden Elternteil um EUR 650. Ohne rechtzeitige Mut-ter-Kind-Pass-Untersu-chungen reduziert sich hier das KBG für jeden Elternteil um EUR 650. KBG kann stets jeweils nur in Blöcken von mindestens 61 Tagen beansprucht werden. Anspruch endet vorzeitig mit dem Tag der Geburt eines weiteren Kindes. Endet Anspruch für das weitere Kind vorzeitig, lebt Anspruch für frühe-res Kind wieder auf. Schrank, AR-Neuerungen
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Pauschales KBG als Konto ab 1.3.17 (3)
Die Anspruchsdauer ist bei der erstmaligen An-tragstellung verbindlich festzulegen. Nicht in An-spruch genommene Tage verfallen ausnahmslos. Der antragstellende El-ternteil ist an den sich aus der Dauer ergeben-den Tagesbetrag gebunden. Eine spätere Änderung ist nur einmal pro Kind und bis spätestens 91 Tage vor Ablauf der ursprünglichen An-spruchsdauer möglich. Änderung bindet auch anderen Elternteil. Schrank, AR-Neuerungen
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Pauschales KBG als Konto ab 1.3.17 (4)
Bei Änderung sind die Eltern so zu stellen, als hätten sie die geänderte Dauer von vornherein festgelegt. Die Änderung ergibt also einen Nachzahlungs-anspruch oder eine Rückzahlungs-verpflichtung. Besondere Neuerung: Bei annähernd gleicher ET-Bezugsdauer, min-destens je 124 Tage, erhält jeder Teil nach Ende auf Antrag ein-maligen Partnerschafts-bonus von 500 EUR. Schrank, AR-Neuerungen
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b) Einkommenersetzendes KBG 1.3.17
Kleine Zuverdienst-grenze ab EUR statt Bei abwechselndem Bezug statt bis 365 Tage bis zu 426 Tage ab Geburt. Jedem sind 61 Tage un-übertragbar vorbehalten. Nicht in Anspruch ge-nommene Tage ver-fallen ausnahmslos. Kürzere Inanspruch-nahme ist möglich, erhöht aber nicht den Tagesbetrag. Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
3. Sonstige Änderungen 2017? Mit : BR-Funktionsperioden Verlängerung auf 5 Jahre bei Konstituierung nach , plus Anpassung Dauer der BR-Bildungs-freistellung je Periode EO-Nov. Kosten Dritt-schuldneräußerungen: Arbeitgeber kann EUR 35,- (wenn Forderung besteht), sonst EUR 25,-, USt-frei, berechnen Mit : Förderbare Wiedereingliede-rungsteilzeit (Details siehe nächste Folien) Hospizmaßnahmen bei schwerstkranken Kindern zweimal zu-sätzlich verlängerbar um je 9 Monate Schrank, AR-Neuerungen
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3a.Wiedereingliederungsteilzeit (1) ab 1.7.2017
Anspruch des AN auf Wiedereingliederungsgeld (GKK) besteht für die Dauer einer Wiedereingliederungsteilzeit bis zu höchstens neun Mona-ten, wenn Wiedereingliederungsteilzeit medizinisch zweckmäßig ist und durch den chef- und kontrollärztlichen Dienst der GKK im Rahmen eines Wiedereingliederungsplanes bewilligt sowie zwischen den AV-Partei-en eine bedingungsgemäße Wiedereingliederungsteilzeit vereinbart wurde. Bei Rehabilitationsgeld oder einer Eigenpension besteht auch dann kein Anspruch, wenn diese Leistung ruht. Neu kann Wiedereingliederungs-geld erst wieder 18 Monate ab Ende der WE-Teilzeit entstehen. Von der Bewilligung, Ablehnung oder Entziehung des Wiedereingliederungs-geldes hat die GKK den Dienstgeber unverzüglich zu informieren. Zu entziehen ist es, wenn der Arbeitnehmer die in der Wiedereingliederungsteilzeit-Vereinbarung festgelegte Arbeitszeit nach Hinweis auf diese Rechtsfolge in einem dem Zweck der Wiedereingliederungsteilzeit widersprechendem Ausmaß überschreitet (wobei der konkrete Wiedereingliederungsplan zu berücksichtigen ist). Bei halber NAZ beträgt es 50% des 60%-Krankengelds, bei geringe-rer Senkung ist es aliquot zu kürzen. Schrank, AR-Neuerungen
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Wiedereingliederungsteilzeit (2)
Krankenstand während der Teilzeit? Wiedereingliederungsgeld läuft weiter, solange mehr als 50% Entgeltfortzahlung gebührt, danach gebührt es in Höhe des erhöhten Krankengelds. Dauert KStd. unmittelbar nach Ende der WE-Teilzeit fort oder tritt einer unmittelbar danach ein, wird das Krankengeld auf Basis der Summe aus dem aliquoten Teilzeitentgelt und dem bezogenen WE-Geld bemessen. Bei Zusammentreffen von Wiedereingliederungsgeld mit Wochengeld gebührt nur dieses. Bei Zusammentreffen mit kausaler Unfall-Versehrtenrente ruht indes-sen diese, hier hat also das Wiedereingliederungsgeld Vorrang. Bei Altersteilzeitvereinbarungen schaden Zeiträume nicht, in denen Wiedereingliederungsgeld bezogen wurde. Schrank, AR-Neuerungen
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AR: Wiedereingliederungsteilzeit (3)
Arbeitsrechtlich besteht auf die Vereinbarung kein Anspruch. Es be-darf einer (nicht erzwingbaren) Einigung! Die Vereinbarung ist zwischen einem und sechs Monaten zu treffen, bei arbeitsmedizinischer Zweck-mäßigkeit kann auch eine einmalige Verlängerung zwischen ein und drei Monaten vereinbart werden. Für ein Ja oder Nein werden daher auch dienstgeberseitig die Sinnhaftigkeit im Einzelfall und die nachstehen-den arbeitsrechtlichen Besonderheiten abzuwägen sein. Der vorgesehene Motivkündigungsschutz samt Vollzeit-Ersatzanspruch statt der Anfechtung gilt aber nicht nur bei tatsächlicher Wiedereingliede-rungsteilzeit, sondern erfasst auch schon die eventuelle Ablehnung. Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vereinbarung sind ein mindestens sechswöchiger ununterbrochener Krankenstand (Anlassfall), die Schriftlichkeit und die Senkung der wöchentlichen Normalarbeitszeit um mindestens ein Viertel und höchstens die Hälfte. Damit muss die Wiedereingliederungsteilzeit zwischen 50% und 75% der bisherigen NAZ verein-bart werden, doch darf die Arbeitszeit nicht unter zwölf Stunden liegen. Schrank, AR-Neuerungen
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AR: Wiedereingliederungsteilzeit (4)
Bei abweichenden Verteilungsvereinbarungen darf überdies das Aus-maß 30% der ursprünglichen Wochen-NAZ nicht unterschreiten. In Fällen ungleicher Verteilungen dürfen die Abweichungen in einzelnen Wo-chen nur zwischen plus/minus 10% betragen (Durchschnittsausmaß) Abschlussvoraussetzungen sind zudem eine Arbeitsfähigkeits-bestätigung für die Zeit ab Beginn der Wiedereingliederungsteilzeit (es handelt sich also um keinen Teilkrankenstand!) sowie die Beratung im Wiedereingliederungsmanagement (fit2work). Die auch den Dienst-geber erfassende Beratung kann bei arbeitsmedizinischer Zustim-mung zur Wiedereingliederungsvereinbarung und zum Wiederein-gliederungsplan entfallen. Die Teilzeit wird frühestens mit Zustellung der Bewilligung des Wiedereingliederungsgelds wirksam, sodass sie bis dahin schwebend unwirksam ist, also allenfalls auch nicht zustande kommen kann oder der Arbeitgeber mit beachtlichen Verzögerungen rechnen muss. Auch kann der Arbeitnehmer die vorzeitige Rückkehr zur ursprüng-lichen Arbeitszeit für frühestens drei Wochen ab seinem schrift-lichen Beendigungswunsch verlangen (= durchsetzen, auch grundlos). Schrank, AR-Neuerungen
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AR: Wiedereingliederungsteilzeit (5)
Die Vereinbarung darf – abgesehen von der befristeten Änderung der Arbeitszeit – keine Auswirkungen auf die vertraglich geschuldeten Leis-tungen haben. Daher wird es inhaltlich auch während der Teilzeit bei den arbeitsvertraglichen Arbeitsleistungen zu bleiben haben, sodass sich die Arbeit im Rahmen des bisherigen Vertrags zu halten hat und diesbezügliche Vertragsänderungen wohl unzulässig wären. Jedenfalls unzulässig sind während der Teilzeit (einseitige) Mehr-arbeitsanordnungen und Arbeitszeitänderungsvorbehalte (ähnlich der Rechtslage bei Elternteilzeit). Nach Antritt darf auch einvernehmlich eine Änderung der Teilzeit (Verlängerung, Änderung des Stunden-ausmaßes) höchstens zweimal erfolgen. Für die Umrechnung des Entgelts auf das Teilzeitausmaß gelten die allgemeinen Regeln, allerdings mit dem (bei anderen Teilzeiten nicht bestehenden) Verweis auf das Ausfallsprinzip des § 3 EFZG, was u.a. wohl zur (anteiligen oder gar vollen?) Fortzahlung u.a. auch von Mehr- und Überstunden bzw. solchen Pauschalien verpflichtet. Dadurch werden Wiedereingliederungsteilzeiten teurer als normale Teilzeiten. Schrank, AR-Neuerungen
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AR: Wiedereingliederungsteilzeit (6)
Für die Bemessung der Sonderzahlungen fehlt zwar ein besonderer Verweis auf deren Mischberechnung, doch wird, soweit der Kollektivvertrag keine anzuwendende abweichende Bemessungsregelung enthält (bloße Bezugnahmen auf ein bestimmtes Stichtagsgehalt ist noch keine solche), richtigerweise die nunmehrige OGH-Judikatur zur generellen Mischbe-rechnung (ARD 6522/5/2016) anzuwenden und nicht der Umkehrschluss aus dem Nichtverweis auf § 11a Abs. 4 AVRAG, nicht zuletzt auch deshalb, weil die WE-Teilzeit ebenfalls überwiegend im Arbeitnehmerinteresse liegt. Weiters: Vorrang von Beschäftigungsverboten des MSchG. Heranziehung des für den letzten Monat vorher gebührenden Entgelts für die Abfertigung Alt und der früheren Arbeitszeit für die Bemessung der BMSVG-Vorsorgebeiträge zur Abfertigung Neu. Schrank, AR-Neuerungen
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4. Risikohinweis zur geringfügigen und fallweisen Beschäftigung
Wegfall der Tagesgrenzen ab Bei fallweiser Beschäftigung zählt nur mehr die Monats-grenze von € 425,70. Liegt die Entgeltsumme darüber, besteht Vollversicherung , sonst nur Unfallversicherung Auch für die Geringfügigkeitsgrenze gibt es nur mehr die Monatsgrenze von € 425,70 brutto (ohne SZ), für die besondere DG-Abgabe mtl. € 638,55. Die Grenze gilt je eigenständigem Beschäftigungsverhältnis, jedoch ist aus Umgehungs-, Wertungs- und Sachverhaltsgründen von mehreren eigenständigen Beschäftigungen derselben Person zum selben DG jeweils unter der Monatsgrenze beim selben DG abzuraten (real hohes Risiko Vollversicherung, auch weil AN GKK-Vorschreibungen im Folge-jahr erhalten und sich dagegen wehren können; wäre es eine Umge-hung, müssen sie nichts bezahlen und das Vollversicherungsbeitrags-risiko inkl. DN-Anteile läge beim DG). Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
5. Kurzhinweise und TN-Fragen zu den schon 2016 erfolgten wichtigsten Neuerungen – Schon alles „registriert“ und umgesetzt? Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
a) AVRAG-Novelle Grundgehaltsangabe, All-In-Klauseln, Abrechnungstransparenz, Berufsunfähig-keits- bzw. Rehabilitationskarenz Schrank, AR-Neuerungen
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Grundgehaltsangabe und (neue) All-in-Klauseln
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Betragsmäßige Grundgehaltsangabe!
Seit ist im DZ/DV – allgemein und unabhän-gig von All-in-Klauseln – zu vereinbaren (auch der DZ darf ja nur Vereinbartes enthalten, soweit es um Dispo-nibles geht) und gem. § 2 Abs. 2 AVRAG anzugeben: „9. die betragsmäßige Höhe des Grundgehalts oder -lohns, weitere Entgeltbestandteile wie z.B. Sonderzah-lungen, Fälligkeit des Entgelts,“ Damit genügen für das Grundgehalt – also für den NAZ-Bezug und die BGl für Überstunden – bloße Verweise auf den KV etc. nicht mehr. Zu vereinbaren und festzuhalten ist daher ein entsprechender EUR-Bruttobetrag. Grundgehaltsänderungen unmittelbar durch KV müssen jedoch nicht gesondert schriftlich mitgeteilt werden. Schrank, AR-Neuerungen
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All-in-Klauseln: Sanktion bei Verstoß
Für seit neu abgeschlossene Pauschalent-geltvereinbarungen gilt zusätzlich folgender § 2g. „Enthält der AV oder der DZ als Gesamtsumme, die Grund-gehalt oder –lohn und andere Entgeltteile einschließt, ohne den Grundgehalt oder –lohn … betragsmäßig anzuführen, hat dieser AN zwingend Anspruch auf den Grundgehalt oder -lohn einschließlich d. branchen- und ortsüblichen Überzah-lungen, der am Arbeitsort vergleichbaren AN von vergleich-baren AG gebührt (Ist-Grundgehalt, Ist-Grundlohn). Der Ist-Grundgehalt … ist der Berechnung der abzugeltenden Ent-geltbestandteile zugrunde zu legen, soweit der KollV in Bezug auf die Berechnung von Entgeltbestandteilen nichts Abwei-chendes vorsieht, das zwingenden gesetzlichen Bestim-mungen nicht entgegenstehen darf.“ Schrank, AR-Neuerungen
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Folgen „Nichtangabe“ Grundgehalt All-in?
Verfahrensrechtlich: Richter wird Sachver-ständige heranziehen, bei GPLA wohl eher Schätzungen der SV. Zumal brauchbare Daten so gut wie fehlen, be-steht hohes Risiko über-höhter Beträge! Verfahrensrechtlich kaum erfolgreich bekämpfbar! Materiell: Anspruchsbemessungen zwingend auf Grundlage des Ist-Grundgehalts (allenfalls auch ohne All-in analog § 2g AVRAG) Ist-Grundgehalt ist KV-Normalgehalt plus bran-chen- und ortsübliche Überzahlungen Schrank, AR-Neuerungen
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Wegen § 2g AVRAG Lohndumping?
aber noch kein Lohn-dumping bewirken, soweit bei Berech-nung auf Basis der KV-Mindestentgelte dieser LD-Maßstab noch nicht unter-schritten wird (LD daher nur aus zu hoher ÜStd-Zahl, für die das vertragliche All-in auf KV-Basis nicht reicht). Da der Lohndumping-straftatbestand den Kollektivvertrag als objektiven Maßstab normiert, kann das allenfalls greifende Ist-Grundge-halt nach § 2g AVRAG zwar Ansprüche des AN auslösen, Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
Grundsatzfolge Splitting nach alt und neu: Absicherung/Änderung der Judikatur? Mit seiner Begrenzung der Neuerungen auf neue All-in-Vereinbarungen will der Ge-setzgeber in die Altvereinba-rungen nicht eingreifen. Er schützt also das Vertrauen auf diese und bestätigt da-mit zugleich die Richtigkeit auch der All-in-Rsp des OGH (Deckungsprüfung grund-sätzlich auf Basis nur der KV-Sätze) Die KV-Deckungsprüfung kann bei Alt-All-in mE daher nicht mit der neuen Ge-setzeslage erfolgreich be-kämpft werden, auch ist keine betriebliche Gleichbehandlung mit neu-en All-in-Vereinbarungen durchsetzbar. Diese Differenzierung zwi-schen alt und neu legt aber zum neuen All-in auch neue Rsp nahe. Schrank, AR-Neuerungen
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All-in-Neu-Klausel - Wie genau?
Die Vereinbarung muss bei (wirksamer) Grundgehalts-angabe im DV/DZ nur mehr das All-in-Gehalt betrags-mäßig (oder darüber Hinausgehendes, z.B Jahresboni) und die Art der durch den über dem Grundgehalt lie-genden Entgeltteil pauschal erfassten Entgeltbestand-teile (z.B. alle wie immer gearteten Mehr- und ÜStd. bzw. Reisezeiten, Feiertagsarbeitsentgelt oder auch Zulagen [konkret welche?]) angeben. Für den Grundgehaltsbetrag ge-nügt Verweis auf DV/ DZ, doch kann er in der Klausel wiederholt werden. Pauschalteil muss weder Stundenzahlen noch betrag-liche oder prozentuelle Aufschlüsselungen angeben. Auch artenbezogene Aufsplittungen (Betragsteilun-gen) sind weder erforderlich noch sinnvoll! Schrank, AR-Neuerungen
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Abrechnungstransparenz und All-in?
Dies auch zur Vermeidung des Eindrucks, man hätte nur ein Grundgehalt bezahlt Ein Betragssplitting kann aber insofern in § 2f AVRAG nicht gefordert sein Dem Gebot der Nachvoll-ziehbarkeit und Vollstän-digkeit der Abrechnungen (§ 2f AVRAG) entspricht es bei Alt- wie bei Neu-All-in-Vereinbarungen mE nur, wenn das ausgewiesene Gehalt auch in der Ab-rechnung als „All-in-Ge-halt“ (i.S.d. vertraglichen Vereinbarung) und nicht bloß als „Gehalt“ bezeich-net wird Schrank, AR-Neuerungen
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Betragsangaben: Welche sind zulässig?
Grundsätzlich ist die Angabe des kollektivvertraglichen Normalgehalts auch bei Neu-All-in-Klauseln zulässig und im Regelfall sinnvoll. Dem Gesamtkonzept der neuen §§ 2 Abs. 2 Z 7 und 9, Abs. 5 und 6, 2g AVRAG ist jedoch wegen der in den Materialien betonten gesundheitspolitischen Effekte und Anliegen –verstärkt durch die bei Nichtangabe vorgesehene, sonst „übermäßige“ Sanktion eines externen Ist-Grundgehalts (obwohl nach stRsp das KV-Gehalt genügte!) – als Regelungsziel wohl auch die Herstellung angemessener Relationen von Grund-gehalt und Überstundenentgelt zu entnehmen. Schrank, AR-Neuerungen
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Unterwertige Grundgehaltsangaben?
Zumal auch § 10 AZG unstrittig an Ist-Entgelte anknüpft, spricht nunmehr rechtlich Beachtliches dafür, bei Neuklau-seln im Gesamtkontext unverhältnismäßig niedrige (z.B. auch bei hohem All-in nur kollektivvertragliche) Grundge-hälter als bloße Scheinvereinbarungen oder als – weil über-mäßige Überstunden indizierende oder die §§ 10 bzw. 19d AZG umgehende – sittenwidrige Grundgehaltsvereinbarun-gen zu werten (z.B. auch überkollektivvertragliche Anwesen-heitsprämien, mit der Folge höherer Ansprüche). Beides hätte § 2g AVRAG zur logischen Folge (Unwirksames gilt als nicht angegeben!), also fremdbestimmte Ist-Grund-gehälter durch Gericht oder GPLA, also bei hohem Ist-Niveau Anspruchs-Unterdeckungen. Schrank, AR-Neuerungen
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Unverhältnismäßige Pauschalteile? (1)
Nicht leitende Angestellte dürfen im Durchschnitt von vier Monaten maximal 48 Wochenstunden leisten. Bei 40 Std. NAZ wären dies 20% und bei 50%-igem Zuschlag daher 30%, bei 1/6-tel niedrigeren Divisoren 35% bzw. bei auch höheren ÜStd.-Zuschlägen (100% Nacht-. Sonn- und Feiertage) rd. 47%, im Mix also vorsichtig durchschnittlich rd. 41,5% und bei Anfall auch einiger unzulässiger (aber dennoch zu entlohnender) Überstunden etwa 45% Überstundenkosten. Bei verkürzter NAZ 38,5 Stunden würden bei starker Belastung etwa 50% benötigt. Dies ergäbe ab einer Mehr- und Überstundenentgelt-vorsorge zw. 35% und 50% des Grundgehalts ein unverhältnismäßig niedriges Grundgehalt. Schrank, AR-Neuerungen
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All-in-Unverhältnismäßigkeit wann? (2)
Das GG sollte daher etwa 75 % – 67% des All-in betragen (zu modifizieren bei Abweichungsgründen). Bei leitenden Angestellten kann infolge höherer Über-stunden (aber Fürsorgepflicht beachten), höheren sonstigen Zeitanforderungen (DR-Zeiten) und höherer Wahrscheinlichkeit von 100%-ÜStd. eine höhere Mehrleistungsentgeltvorsorge geboten und unbedenk-lich sein: So mE eine durchschnittliche Relation bis zu etwa regelmäßig 60-80% für Überstundenentgelte, woraus sich von oben errechnet ein Grundgehalt zwischen 62,5 – 55% des All-in ergibt. Schrank, AR-Neuerungen
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Welche Unternehmensstrategien? (1)
Nicht unbedacht von Alt- in Neu-All-in geraten! Bei Neu-All-in: Immer KollV-Grundgehälter angeben? Im Regelfall zwar KV-Grundgehälter, aber bei sehr hohen All-in-Beträgen angemessen überkollektivvertragliche Grundgehälter vereinbaren. Mittelweg zwischen übervorsichtig und guter Deckungswahrscheinlichkeit. Ist auch eine Attraktivi-täts- und Imagefrage am jeweiligen Teilarbeitsmarkt – auch im eigenen Hause. Immer angemessene Istgehälter als Grundgehalt? Eher nein. Schrank, AR-Neuerungen
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Welche Unternehmensstrategien? (2)
Bei überkollektivvertraglichem Grundgehalt wird durch Trennungsgebot und Auslegungsrisiko bei Neuklauseln aus dem All-in fast ein ÜP! Gleich nur 12x zu leistendes ÜP mit Widerrufsvorbe-halt vereinbaren? Ist nicht nur eine rechnerische Frage, sondern auch eine der „Philosophie“. Was spricht dafür, was dagegen? Zu vielen Auslegungsfragen und auch zur näheren Begründung des Sittenwidrigkeitsrisikos bei krasser Unverhältnismäßigkeit siehe neben obigen Folien Schrank, Neue Grundgehaltsangabe und All-in-Klau-seln – nur bessere Transparenz? RdW 2016, Schrank, AR-Neuerungen
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Mögliches Textmodul All-In-Entgelt
„Das Grundgehalt beträgt EUR .... brutto. Vereinbart ist jedoch ein All-In-Gehalt von EUR … brutto, 14 x jährlich. Der über dem Grundhalt liegende Betrag gilt im Durchschnitt vereinbarungsgemäß alle wie immer gearteten entgeltpflichtigen Mehr- und Überstunden sowie Feiertagsarbeit und Reisestunden ab. Für die über die Normalarbeitszeit hinausgehende Arbeitszeiten und Feiertagsarbeit gebührt daher kein weiteres Entgelt.“ Schrank, AR-Neuerungen
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§ 2f AVRAG: Neues Gebot transparenter Abrechnungen
Abrechnung an AN: „bei Fälligkeit des Entgelts eine schriftliche, übersichtliche, nachvollziehbare und vollständige Abrechnung von Entgelt und Aufwandsentschädigungen zu übermitteln. Die Abrechnung kann auch auf elektronischem Weg zur Verfügung gestellt werden.“ Kopie der SV-Anmeldung: ist vom AG dem AN unverzüglich auszuhändigen Folge der Neuerungen: eigene Vertragspflicht, daher Risiko von Schadenersatz (z.B. Verjährungs-schäden) bzw. Hemmung von Verfalls- oder Verjährungs-fristen aus Fürsorgepflichtverletzung bei Nichteinhaltung Schrank, AR-Neuerungen
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§ 15b AVRAG: Berufsunfähigkeits- bzw. Rehabilitationskarenz
Automatische Karenz bei nach Pensionsantrag für voraus-sichtlich mindestens 6 Monate festgestellte Invalidität (Berufsunfähigkeit) ohne Pension für die Dauer des Bezuges von Rehabilitationsgeld oder Umschulungsgeld, außer bei Arbeitsfähigkeitserklärung. Problem: Erhalten des Bescheides? Sinngemäße Geltung von § 15f Abs. 1 MSchG, mit Aus-nahme des letzten Satzes (Teilanrechnungen) – daher SZ-Aliquotierung und Dienstzeitausklammerung – , und von Abs. 2 MSchG, daher auch Urlaubsaliquotierung, soweit noch nicht verbraucht. Schrank, AR-Neuerungen
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Abfertigung Alt bei Berufsunfähigkeitsfeststellung
Abfertigung bei Selbstkündigung -- wegen Feststellung einer voraussichtlich mindestens sechs Monate andauernden Berufsunfähigkeit oder Invalidität durch den Versicherungsträge oder -- Krankenstand nach Ende des Anspruchs auf EF und nach Beendigung des Krankengeldanspruchs während eines anhängigen Leistungsstreitverfahrens über die BU oder Invalidität Gilt wegen des Verweises im ArbAbfG auch für Arbeiter Schrank, AR-Neuerungen
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I- oder BUP-Firmenpension schon bei Berufsunfähigkeitsfeststellung?
Sehen betriebliche Pensionszusagen (auch ausgela-gerte) für den Fall befristeter Invaliditäts- oder BU-Pensi-on einen Leistungsanspruch vor (also immer, wenn keine Ausnahme für solche Pensionen vorliegt), gebührt dieser auch bei Feststellung einer voraus-sichtlich mindestens sechs Monate andauernden Berufsunfähigkeit oder Invalidität durch den Versicherungsträger für die Dauer des Bezugs von Rehabilitationsgeld oder Umschulungsgeld Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
b) Arbeitszeit-Neuerungen ab AZG-Novelle Dienstreisen: Arbeitszeit bei Lenkanordnungen und Gleichwertigem KJBG-Novelle für passive Lehrlings-Reisezeiten Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
AZG-Novelle ab Angeordnet aktive Reisezeiten § 20b Abs. 6 AZG: „…, wird aber während der Reisebewegung durch das angeordnete Lenken eines Fahrzeugs eine Arbeitsleistung erbracht, die nicht eine Haupttätigkeit … darstellt, darf die tägl. Arbeitszeit durch die Reisebe-wegung auf bis zu zwölf Stunden ausgedehnt werden.“ Eine bloße DR-Anordnung wird noch keine Lenkan-ordnung sein, wenn das Verkehrsmittel dem AN freige-stellt wird und eine reale verkehrs- und zeitmäßige Alternative passiver Reisezeit für ihn besteht. Schrank, AR-Neuerungen
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Auswirkungen dieser DR-Neuerung
Angeordnetes oder als angeordnet anzunehmendes und damit gleichwertiges Lenken führt außerhalb der NAZ zwingend zu Überstundenentgelt (allenfalls im KV speziell geregelt), Greifen aller sonstigen AZ-Grenzen (Einzelwochen-grenzen, 48-Std.-Durchschnittsgrenze) und während der letzten 36 Stunden einer wöchentlichen Ruhezeit zu (strafbarer) entgeltpflichtiger Ersatzruhe im Umfang der Störungsstunden. DR-Bewilligungsprozedere anpassen? Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
KJBG-Novelle DR ab Reisebewegungszeiten Jugendlicher – nur passive Reisezeiten – erhöhen bei Lehr- oder Ausbildungsver-hältnissen über 16. Lj. die tägl. Höchst-AZ-Grenze von 9 auf 10 Stunden. Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
Ergänzend: 12 Std.-Regelung im Bedarfsfall auch für Reisende, Kundendienstmonteure etc? Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
§ 20b Abs. 6 AZG (1) „Verlässt die AN/der AN über Auftrag der AG/des AG ihren/seinen Arbeitsort, um an anderen Orten ihre/seine Arbeitsleistung zu erbringen, wird aber während der Reisebewegung durch das angeordnete Lenken eines Fahrzeugs eine Arbeitsleistung erbracht, die nicht eine Haupttätigkeit der AN/des AN darstellt, darf die tägl. Arbeitszeit durch die Reisebewegung auf bis zu zwölf Stunden ausgedehnt werden.“ Gesetzesmaterialien sprechen zwar gegen die Anwendbarkeit auch außerhalb echter Dienstreisen, doch stehen ihnen Wort-laut, System und objektive Teleologie der Regelung des Abs. 6 entgegen, ebenso das dortige sonst absurde Beispiel (Anwend-barkeit bei Verlassen des Gebiets!), weil im Arbeitszeitrecht ein Gebiet oder die bloße Entfernung rechtlich kein relevantes Kriterium sein kann. Wesentliche Argumente: Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
§ 20b Abs. 6 AZG (2) Einleitungssatz macht die Überschreitbarkeitsfolge für sich anwendbar, ohne auf Abs. 1 angewiesen zu sein. Abs. 6 verlangt auch keine Reisezeit iSd. Abs. 1 (also ohne „vorübergehend“ und ohne „keine Arbeitsleistung“), sondern nur die Erbringung einer Arbeitsleistung durch angeordnetes Lenken. Dieses darf nur nicht die Haupttätigkeit des AN sein. Bei Reisenden ist der Kundenkontakt und Vertrieb die Haupt-tätigkeit (wie auch die KV-Einstufungen zeigen) sowie bei Kundendienstmonteuren nicht das Fahren, sondern der Kundendienst die Haupttätigkeit. Schutz des AN? Mehr als 1-2 Überschreitungen je Woche sind wegen 50-Std.- und 48-Std.-Grenze, von der Abs. 6 ja keine Ausnahme gewährt, gesichert. Schrank, AR-Neuerungen
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c) Konkurrenzklauseln wirksam seit 29.12.2015
Regelmäßiges End-Entgelt muss statt 17-facher HBGl bei Neuverträgen die 20-fache tägliche Höchstbeitragsgrund-lage übersteigen, gerechnet ohne Sonderzahlungen. Grenzwert 2017 für Neuverträge EUR. Altverträge bleiben bei 17-facher tgl. HBGl EUR inkl. SZ. Konventionalstrafen für Neuverträge nur bis zum Sechsfachen letzten laufenden Nettomonatsentgelt, gerechnet ohne Sonderzahlungen! Schrank, AR-Neuerungen
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d) Elternansprüche: Novellen MSchG, VKG, AngG seit 1.1.2016
Schrank, AR-Neuerungen
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Freie DN sowie Fehlgeburtenschutz (1)
Freie Dienstnehmerinnen iSd § 4 Abs. 4 ASVG: -- Anwendung der absoluten Beschäftigungsverbote des MSchG vor und nach der Entbindung -- Motivkündigungsschutz bis 4 Monate nach Geburt, bei Nichtanfechtung Kündigungsentschädigung Fehlgeburten Arbeitnehmerinnen: Erstreckung des besonderen Kündigungsschutzes bis 4 Wochen nach Fehlgeburt; auf Verlangen Fehlgeburtsbestätigung; Entlassungsausspruchsschutz ebenfalls bis 4 Wochen nach Fehlgeburt Schrank, AR-Neuerungen
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Beschäftigungsverbote: Entgelt? (2)
Entgeltfortzahlung § 8 Abs. 4 AngG Weibliche Angestellte haben EF während 6 Wochen nach ihrer Niederkunft, bei Erkrankung gilt ab Niederkunft § 8 Abs. 1 AngG. Diese Ansprüche bestehen nicht bei Anspruch auf Wochen- oder Krankengeld nach ASVG sowie ebenso nicht bei gesetzlicher oder vertraglicher Karenz vor dem Beschäftigungsverbot. Schrank, AR-Neuerungen
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Beschäftigungsverbot für weiteres Kind nach längerer Karenz: Anspruch auf Entgeltfortzahlung? (Altes Recht) LE-AS Nr.3, § 8 Abs. 4 AngG idF bis , § 14 Abs. 2 und 3 MSchG Bei neuerlicher Schwangerschaft wird mit Beginn des Beschäftigungsverbots die Karenz verdrängt Soweit auch § 14 MSchG einen Entgeltfortzahlungsanspruch enthält, bezieht sich dieser nicht auf dss absolute Beschäftigungsverbot nach der Entbindung § 8 Abs. 4 AngG steht daher mit § 14 MSchG nicht in Normenkonkurrenz § 8 Abs. 4 AngG (alt) wurde nicht derogiert, wenn kein Anspruch auf Wochengeld gegeben ist Die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes mit den zusätzlich zur Langvariante (30+6) eingeführten kürzeren Bezugsvarianten ändert daran nichts, weil der Entgeltfortzahlungsanspruch nicht an den Wegfall des Kinderbetreuungsgeldes geknüpft ist, sondern aus dem Fehlen eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruchs auf Wochengeld resultiert Der Dienstnehmerin steht die Wahl einer der gesetzlichen Varianten des KBG-Bezuges frei und es kann nicht als „Verschulden“ oder Verzicht auf die Entgeltfortzahlung angesehen werden, wenn der mit dem KBG verbundene Versicherungsschutz ausläuft Um die AG zu entlasten, wurde mit dem ARÄG 2015 § 8 Abs. 4 AngG nunmehr mit Wirksamkeit zum dahin abgeändert, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch nicht für Zeiten besteht, „während derer ein Anspruch auf Wochengeld oder Krankengeld besteht“, ebenso nicht, „wenn sich die Angestellte vor dem Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 oder Abs. 3 des MSchG in einer Karenz nach dem MSchG oder einer mit dem Dienstgeber zur Kinderbetreuung vereinbarten Karenz befindet“ Eine Rückwirkung der mit in Kraft getretenen Änderung wurde jedoch nicht angeordnet Durch den einmaligen Bezug von Wochengeld ist das aus § 8 Abs. 4 AngG abgeleitete Recht nicht konsumiert, sodass dessen Entgeltfortzahlung in Altfällen gebührt. OGH , 9 ObA 23/16x OLG Graz , 6 Ra 87/15h-12, LGZ Graz , 32 Cga 79/15h-8 Schrank, AR-Neuerungen
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Beschäftigungsverbote: Entgelt? (2a)
Entgeltfortzahlung § 14 Abs. 2 MSchG Für vorverlegtes Beschäftigungsverbot und Beschäfti-gungsverbot nach der Entbindung Entgeltanspruch (13-Wochen-Durchschnitt nach Abs. 1, mit der Maß-gabe, dass bei vorverlegtem BV die letzten 13 Wochen vor Eintritt des BV für die Berechnung zählen. Aus § 14 Abs. 1 folgt für ein weiteres Kind während einer entgeltfreien Karenz die Entgeltfreiheit dieser und der Beschäftigungsverbote nach der Entbindung, wobei § 8 Abs. 4 AngG jedenfalls bei geringfügigen Beschäftigungen unberührt bleibt, zumindest für Zeiten außerhalb einer Karenz. Schrank, AR-Neuerungen
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„Neue“ Karenzansprüche (3)
Ausweitung des Anspruchs auf Elternkarenz auf den anderen Elternteil, wenn der erstbetreuende Teil nicht karenzberechtigt ist/war, auf auch späteren Zeitpunkt vor dem 2. GT, jedoch nur gegen Bekanntgabe spätestens 3 Mo vor Antritt der Karenz, bei früherer Mitteilung bes. KS und ES ab Beginn des 4. Mo vor Antritt. Karenz für unentgeltliche Pflegeeltern auch ohne Adoptionsabsicht. Aufwandersätze für das Pflegekind (Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Arztkosten) oder KBG-Bezüge schaden nicht. Schrank, AR-Neuerungen
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Elternteilzeit-Änderungen (4)
Änderungen (erst für ab Geborene): Bandbreite als neuer (dritter) Anspruchstatbestand für große und kleine Ansprüche: Arbeitszeitherabsetzung um mindestens 20% der wöchentlichen NAZ, und nicht unter Mindestarbeits-zeit von zwölf Wochenstunden. Keine sinngemäße Geltung für Elternarbeitszeit! Gerichtliche Durchsetzungsverfahren sind auf die Bandbreitenfälle beschränkt! Vertragliche Abweichungen sind jedoch in jede Richtung möglich, unter Dennoch-Geltung des Kündigungsschutzes etc. Schrank, AR-Neuerungen
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Schrank, AR-Neuerungen
Elternteilzeiten (4a) ETZ-Antragsrückziehung steht späterem neuem ETZ-Antrag nicht entgegen. Sinngemäße Geltung des Bandbreitenerfordernisses ist für Elternarbeitszeiten (§ 15p MSchG bzw. § 8h VKG) leider nicht vorgesehen. Ermöglicht Druckpotenzial für großzügigere Elternteilzeit-Bewilligungen, außer bei gewünschter Senkung der AZ unter 12 Wochenstunden. Schrank, AR-Neuerungen
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II. Top-Judikatur-Update Die interessantesten und wichtigsten „OGH-Leitentscheidungen“ v.a. aus 2016 – Was bedeuten sie, wo wirken sie sich (auch) aus, was ist besonders praxiswichtig? Schrank, AR-Neuerungen
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Nachfolgende Leitsätze finden Sie zusammen mit den o Sachverhalten, o Prozessverläufen, o Volltexten der Entscheidungsgründe o sowie Anmerkungen zu Bedeutung und Auswirkungen in LE-AS: Leitentscheidungen der Höchstgerichte zum Arbeits- und Sozialrecht Aufbereitet und kommentiert für die Praxis von F. Schrank Grundwerk inkl. Ergänzungen in derzeit achtzehn DIN A-5 Bänden, Stand Ergänzungslieferungen Feber, Juni sowie Oktober 2016, Vorgriff auf Feber seit im Verlag LexisNexis Wien Schrank, AR-Neuerungen
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Freier Dienstvertrag: Rechtsberater im Zulassungsverfahren vor dem Bundesasylamt? (1) LE-AS Nr.18, §§ 48, 49, 50 BFA-G, Die Vorgangsweise des BMI, mit dem jeweiligen Rechtsberater einen Bestellungsvertrag abzuschließen und die näheren dienstvertraglichen Bestimmungen in einem eigenen „freien Dienstvertrag“ zu regeln, entspricht den besonderen gesetzlichen Regelungen Gegen das Vorliegen eines echten Arbeitsvertrages und für einen freien Dienstvertrag spricht das vertraglich eingeräumte und auch tatsächlich so gehandhabte Recht, sich vorab frei und ohne jegliche Abstimmungen entscheiden zu können, ob und gegebenenfalls in welchem Stundenausmaß sowie an welchen Arbeitstages er eine Tätigkeit als Rechtsberater für den Integrationsfonds erbringen wollte Im Fall des Urlaubs musste der Rechtsberater auch keinen Urlaub vereinbaren, sondern lediglich dem Steuerungsbüro der Erstaufnahmestelle einen Urlaub melden. Dies hatte lediglich organisatorische Gründe, um die kontinuierliche Rechtsberatung auch für den Fall der Abwesenheit sicher zu stellen Damit konnte die DG faktisch nicht über die Arbeitskraft wie bei einem echten Arbeitsvertrag verfügen Die Absicht der Parteien, das auch so bezeichnete Vertragsverhältnis so unabhängig und frei wie nur möglich zu gestalten, zeigt andererseits auch der fehlende Anspruch des DN, Dienstleistungen gegen Entgelt in einem bestimmten Ausmaß zu erbringen. Der Umfang der benötigten Arbeitsleistungen hing im Wesentlichen vom jeweiligen Bedarf an Rechtsberatern ab Dass der Rechtsberater nach erfolgter Einteilung im Wochenplan grundsätzlich verpflichtet war, seine Rechtsberatertätigkeit zu verrichten, ist kein besonderes Merkmal eines echten Arbeitsvertrags, sondern letztlich Ausfluss einer jeden Vertragsgestaltung, in der sich eine Person zur Erbringung einer Leistung gegenüber einer anderen Person verpflichtet. Schrank, AR-Neuerungen
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Freier Dienstvertrag: Rechtsberater vor Bundesasylamt? (2) LE-AS Nr.5, Die Einbindung bei der Rechtsberatertätigkeit vor Ort in eine gewisse Organisationsstruktur der Erstaufnahmestelle (aber nicht der Dienstgeberin) war zwar zwangsläufig, aber nicht in dem Maße, dass er der funktionellen Autorität der Dienstgeberin unterworfen gewesen wäre Konnten weder er noch das Steuerungsbüro eine Vertretung organisieren, hatte dies für ihn keine Konsequenzen. Dass er das Vertretungsrecht nie in Anspruch genommen hat, stellt hier kein Indiz für ein echtes, auf die persönliche Arbeitspflicht ausgerichtetes Rechtsverhältnis dar Die Weisungsfreiheit über die Art der Ausführung der Tätigkeit (und damit auch Kontrollfreiheit) gründet auf die schon gesetzlich vorgesehene Weisungsfreiheit und ist daher neutral Die Verpflichtung zur Führung eines Tätigkeitsprotokolls und zur Eintragung seiner Arbeitszeiten in eine Anwesenheitsliste, sollte nur die in der Honorarnote verrechneten Arbeitsstunden für den Dienstgeber nachvollziehbar machen und ist daher nicht Ausfluss einer laufenden inhaltlichen Kontrolle Auch im Übrigen war er nicht in eine betriebliche Hierarchie eingeordnet und eingegliedert Nur aus der Natur (dem Sacherfordernis) der Tätigkeit folgt die Festlegung der Arbeitsorte Auch die Bereitstellung von üblichen Büromöbeln und Büroarbeitsmitteln – hier durch das Bundes-amt für Fremdenwesen und Asyl – stellt kein zwingendes Kriterium für einen echten Arbeitsvertrag dar Auch die regelmäßige dauernde Dienstleistung für den DG (Befristungen , bis und bis ), die eingeräumte Entgeltfortzahlung für den Krankheitsfall und die vereinbarte Möglichkeit, den Vertrag unter gewissen Voraussetzungen aufzulösen, stehen für sich einem freien Dienstvertrag nicht entgegen, ist derartiges doch jedem Dauerschuldverhältnis immanent. OGH , 9 ObA 40/16x OLG Wien , 10 Ra 85/15s-47 ASG Wien , 7 Cga 86/15i-40 Schrank, AR-Neuerungen
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Vorvertragliche Aufklärungs- und Auskunftspflichten: Formvorschriften für Bewerbung ( statt Formular)? LE-AS Nr.3, § 21 Stmk L-GBG, § 903 ABGB, § 89c GOG Die Nichtberücksichtigung einer formal verspäteten Bewerbung ist nicht diskriminierend, wenn der Bewerber die in der Ausschreibung vorgesehenen Bewerbungsformerfordernisse nicht erfüllt hat So wenn er sich nicht des vorgeschriebenen Bewerbungsformulars bedient hat, die Bewerbung nicht persönlich oder postalisch eingereicht hat und wenn die -Bewerbung verspätet eingelangt ist Enthalten die anwendbaren Gesetze keine Regelungen für die Form der Bewerbung, ist ihren Form- und Fristerfordernissen nur die Stellenausschreibung zugrunde zu legen Der Zeitpunkt des Einlangens kann, wenn dem keine zwingende gesetzliche Anordnung entgegensteht, vom Erklärungsempfänger bestimmt werden Auch die Vertragsauslegung ergibt idR, dass eine am Ablauftag der Frist vorzunehmende Handlung zu den gewöhnlichen Amts- oder Geschäftsstunden vorzunehmen ist. Der explizite Hinweis für Eingaben per , dass außerhalb der Amtsstunden übermittelte elektronische Anbringen erst mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden als „eingebracht und eingelangt“ gelten, gilt auch für eine Bewerbung, wenn darin keine Beschränkung enthalten ist, dass nur amtliche oder hoheitliche Tätigkeiten erfasst sein sollen Bedient sich der Bewerber einer nicht vorgesehenen Bewerbungsmodalität, sondern bewirbt er sich per außerhalb der von der Dienstgeberin auf ihrer Homepage bekannt gegebenen Amtsstunden, kann er sich auf keine Verletzung einer Schutzpflicht berufen, wenn die (potenzielle) Dienstgeberin in der Ausschreibung nicht auf die Einhaltung der Amtsstunden bei einer -Bewerbung am letzten Bewerbungsfristtag hinwies s sind auch keine zulässige Form des elektronischen Rechtsverkehrs iSd § 89c GOG Ist eine solche Bewerbung fristwidrig und verspätet, besteht kein Anlass zur Prüfung, ob der Ableh- nung, die Bewerbung inhaltlich zu evaluieren, die behaupteten diskriminierenden Motive zugrunde lagen. OGH , 9 ObA 47/16a OLG Graz , 7 Ra 73/15g-10 Schrank, AR-Neuerungen
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Änderungsvorbehalte: Ausübungsgrenze billiges Ermessen Neue Ermessenskriterien? „Salamitaktik“? (1) LE-AS Nr.5, §§ §§ 879, 914 ABGB Wird ein Nachturlaubszuschlag von acht Urlaubstagen in zwei Stufen zur Gänze durch den von 6 Minu- ten pro Stunde auf 12 Minuten pro Stunde verdoppelten Nachtfaktor ersetzt, ohne dass diese Zeitgutschrif ten geblockt als Erholungszeiträume konsumierbar sind, ist für die Ermessens- und Zumutbarkeitsbeurtei- lung zunächst das Größenverhältnis zwischen dem bisherigen Zusatzurlaub und den neuen Nachtfaktor- stunden mathematisch zu quantifizieren Dazu darf die Berechnungsweise nicht zu individuellen, zufälligen Schwankungen führen Vielmehr bedarf es für die Beurteilung, ob sich die Änderungen insgesamt neutral oder verschlech- ternd auswirken, einer abstrakten Vergleichsrechnung Für den Entzug des einer bestimmten Dienstnehmergruppe zustehenden Vorteils, der diesen Personen als Ausgleich für eine nur sie treffende besondere körperliche und psychische Belastung zusteht, stellt eine für alle Dienstnehmer geltende Verkürzung der Normalarbeitszeit von 40 auf 38,5 Wochenstunden kein taugliches Argument dar. Daher muss bei der Vergleichsrechnung die allgemeine Verkürzung der Normalarbeitszeit außer Betracht bleiben Auch ist nur die Hälfte der Nachtfaktorstunden in die Vergleichsrechnung einzubeziehen, wenn ein schon vorher geltender Nachtfaktor lediglich verdoppelt wurde Bewegt sich der mit der Änderung verbundene quantitative Verlust der Arbeitnehmer an bezahlter Freizeit unter Modellannahmen zwischen 20 % und 74 %, kann von neutralen oder sogar günstigeren Auswirkungen selbst dann nicht die Rede sein, wenn man den qualitativen Aspekt eines unterschiedlichen Erholungswerts ausklammert oder die Änderung theoretisch für bestimmte Dienstnehmer günstiger ist Unter dem Gesichtspunkt des Erholungswerts sind längere zusammenhängende Freizeitperioden wirksamer als eine Verkürzung der Nachtdienste um je höchstens 45 Minuten, um die besonderen Belastungen des Nacht- und Schichtdienstes zu erleichtern Ob der Arbeitgeber mit den auf den Vorbehalt gestützten Ermessensspielraum „billigen Ermessens“ überschritten hat, erfordert eine umfassende Analyse und Bewertung der Sachlage und der Interessen beider Vertragsparteien. Schrank, AR-Neuerungen
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Änderungsvorbehalte: Billiges Ermessen (2) LE-AS Nr.5, Billigkeit bedeutet die Herstellung von Austauschgerechtigkeit im Einzelfall, gemessen auch am Rahmen des in vergleichbaren Fällen Üblichen Als Beurteilungskriterien kommen die Bedürfnisse beider Vertragspartner, die Dauer des Rechts- verhältnisses, wirtschaftliche Interessen oder Belastungen, soziale Gesichtspunkte und persönliche Umstände, Art und Ausmaß der Nachteile, uU auch Interessen der Allgemeinheit in Frage Auf das Einvernehmen mit der Personalvertretung kommt es nicht entscheidend an. Zwar kann deren Zustimmung ein Indiz sein, ein Verstoß gegen billiges Ermessen wäre aber nicht beseitigbar Im Rahmen der Interessenabwägung können auch in der Vergangenheit getroffene verschlechternde Maßnahmen zum selben Regelungsbereich zu berücksichtigen sein. Eine für sich allein noch maßvoll erscheinende Verschlechterung könnte anders zu beurteilen sein, wenn es in kürzeren Abständen wiederholt zu nachteiligen Änderungen gekommen ist und der Eindruck einer „Salamitaktik“entsteht Bei einem Dauerschuldverhältnis sind auch nachfolgende Entwicklungen zu beachten Wenn ein AG aus wichtigen Gründen zu einer Umorganisation seines Betriebs genötigt ist und ihm nicht zugemutet werden kann, den bisherigen Zustand unverändert aufrecht zu halten, muss der AN im Rahmen einer Auslegung des Dienstvertrags allenfalls auch andere, gleichwertige Dienste leisten oder im Bereich des Verkehrsüblichen maßvoll geänderte Bedingungen hinnehmen Da eine sachliche Begründung, weshalb eine Zusatzurlaubsregelung für Nachtarbeiter bereits acht Jahre später nicht mehr zeitgemäß sein sollte, nicht ersichtlich ist, erweckt diese Entwicklung objektiv den Eindruck einer scheibchenweisen Durchsetzung vorausgeplanter Veränderungen Allerdings rechtfertigt dies noch nicht den Schluss, dass die Änderung in ihrer Gesamtheit unzulässig wäre, zumal für eine stufenweise Verwirklichung beachtliche Gründe bestehen können Ob der AG mit der letzten Änderung seinen Ermessensspielraum überschritten hat, ist in einer Gesamtbetrachtung der Auswirkungen zu beurteilen, unter Präzisierung der Rechtfertigungsgründe. OGH , 8 ObA 25/15g OLG Linz , 11 Ra 78/14s-17, LG Salzburg , 16 Cga 174/13f-13 Schrank, AR-Neuerungen
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Arbeitspflicht: Ändernde Versetzung bei Unkündbarkeit? Mehr als die Hälfte der Lehrtätigkeit an anderem Standort? LE-AS Nr.2, § 6 Abs. 1 AngG, § 1153 ABGB Allgemein ist aus arbeitsvertraglicher Sicht entscheidend, ob die Anordnung (Weisung) des DG über einen Wechsel des Tätigkeitsbereichs oder des Tätigkeitsorts des Dienstnehmers durch den Inhalt des Arbeitsvertrags gedeckt ist oder sich aus Gestaltungsvorbehalten ergibt Bei einem unkündbaren Dienstverhältnis werden die Grenzen für eine mögliche Versetzung weiter gezogen und dem Dienstgeber eine weitergehende Dispositionsmöglichkeit eingeräumt Die Frage, ob eine arbeitsvertraglich zulässige Versetzung vorliegt, kann aber nur anhand der Umstände des Einzelfalls im Weg der Vertragsauslegung geklärt werden Im Anlassfall ist die Weisung in Bezug auf das Ausmaß der (Lehr-)Tätigkeit des AN (von 15,9 Se- mester-Wochenstunden) eine einseitige Vertragsänderung, die nicht vom Dienstvertrag gedeckt ist Eine vertragsändernde Versetzung bedarf grundsätzlich der Zustimmung des DN. Stimmt dieser nicht zu, kann der Dienstgeber nur mit einer Änderungskündigung vorgehen Bei Unkündbarkeit kann er allenfalls aus wichtigen Grund, nämlich wegen Unfähigkeit zur Ausübung der bisherigen Funktion, auf anderweitige, ihm billigerweise zumutbare Dienste versetzt werden Dafür wäre aber ein wichtiger Grund, der mit der Unfähigkeit zur Ausübung der bisherigen Funktion vergleichbar sein müsste, erforderlich Auf einen Verschuldensvorwurf (hier: behauptetes Verschulden an seiner Dienstfreistellung wegen mangelnder Loyalität, ableitbar aus seinem Stimmverhalten im weisungsfreien Kollegium) kann sich der Arbeitgeber als wichtigen Grund nicht berufen Dass der AN schon bisher regelmäßig Lehrveranstaltungen am betreffenden Standort (in K) abge- halten hat, ändert nichts daran, dass ihm mit der Weisung eine vermehrte Abhaltung von Lehrveranstal- tungen am betreffenden Standort (mehr als die Hälfte seiner Lehrtätigkeit) aufgetragen worden ist. OGH , 8 ObA 17/16g OLG Graz , 7 Ra 69/15v-28 Schrank, AR-Neuerungen
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Fürsorgepflicht: Subjektives Mobbingempfinden oder sachlich begründete, situationsadäquate Reaktionen? LE-AS Nr.31, § 18 AngG, § 1157 ABGB Für Mobbing ist ein systematisch ausgrenzendes, prozesshaftes Geschehen typisch, das über einen längeren Zeitraum andauert, etwa durch systematische Verweigerung jeder Anerkennung, Isolation, Zurückhaltung von Informationen, Rufschädigung und dergleichen Ob Auseinandersetzungen zwischen Mitarbeitern am Arbeitsplatz Mobbing zugrunde liegt, das den Dienstgeber aufgrund der Fürsorgepflicht zu Gegenmaßnahmen verpflichtet, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen Erfolgt eine einseitige Urlaubsanordnung aufgrund eines Sachverhalts, der eine einseitige Dienstfrei- stellung gerechtfertigt hätte, ohne bewusstes Vergreifen oder Benachteiligungsabsicht, bezieht sich die Rechtswidrigkeit des DG-Verhaltens nicht auf die Maßnahme, sondern auf ihre rechtliche Qualifikation Waren Ereignisse zwar im subjektiven Erleben der Dienstnehmerin einseitig gegen sie gerichtet, objektiv betrachtet jedoch jeweils sachlich begründete Maßnahmen oder situationsadäquate Reaktionen auf vorangegangenes, teilweise unangemessenes Verhalten der Dienstnehmerin, ist die Beurteilung vertretbar, dass unter Berücksichtigung der Gesamtheit aller Umstände kein systematisches Ausgrenzen der Dienstnehmerin im Sinne eines Mobbings vorlag. OGH , 8 ObA 2/16a OLG Wien , 8 Ra 30/15p-36 Schrank, AR-Neuerungen
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Fürsorgepflicht: „Kollegen-Mobbing“ – ausreichende Abhilfemaßnahmen? LE-AS Nr.32, § 1157 Abs. 1 ABGB Die rechtliche Würdigung eines als „Mobbing am Arbeitsplatz“ bezeichneten Sachverhalts hat vor allem unter dem Blickwinkel zu erfolgen, ob von den beteiligten Akteuren arbeitsrechtliche Pflichten verletzt wurden Ein Arbeitgeber verletzt die ihn treffende Fürsorgepflicht, wenn er gegen ein von Kollegen ausgehendes, ihm zur Kenntnis gebrachtes Mobbing nicht eingeschritten ist Ob Auseinandersetzungen zwischen Mitarbeitern am Arbeitsplatz Mobbing zugrunde liegt, das den Dienstgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht zu Gegenmaßnahmen sowie zu welchen Maßnahmen verpflichtet, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab Fanden immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Kolleginnen statt, unter denen eine Dienst- nehmerin litt und die schließlich an den Dienstgeber herangetragen wurden, und führte dieser als Reaktion auf diese Situation mehrere umfassende Gespräche mit allen Beteiligten, kontaktierte er die Aufsichtsbehörde, ermöglichte er ein Supervisionsverfahren und nahm er auch eine Umorganisation der Gruppen vor, um keine der Hauptkontrahentinnen „gewinnen“ zu lassen, ist die rechtliche Beurteilung nicht unvertretbar, dass die gesetzten Maßnahmen objektiv angemessen waren und die Fürsorgepflicht nicht verletzt wurde. OGH , 8 ObA 94/15d OLG Linz , 12 Ra 75/15h-17 Schrank, AR-Neuerungen
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Fürsorgepflicht: Strafanzeigen gegen Arbeitnehmer? LE-AS Nr.33, § 1157 Abs. 1 ABGB Die allgemeine Fürsorgepflicht verpflichtet den AG auch dazu, die immateriellen Interessen der AN zu wahren. Er ist aber nicht gehalten, eigene schutzwürdige Interessen zu vernachlässigen Werden durch eine Maßnahme schutzwürdige Interessen sowohl des AG als auch des AN berührt, kommt es zu einer Interessenabwägung Die Verletzung der Fürsorgepflicht muss der AN beweisen Auch objektiv unrichtige Beschuldigungen in Anzeigen nach § 80 Abs. 1 StPO, die nicht den Rahmen sachdienlichen Vorbringens überschreiten, sind nur dann rechtswidrig, wenn sie vom Anzeiger wider besseres Wissen erstattet worden sind Eine besondere Sorgfaltspflicht des Anzeigers, die Verdachtsgründe auf ihre Stichhältigkeit zu überprüfen, besteht nicht Dies vor allem dann, wenn es um bereits in den Medien thematisierte Missstände im Pflegeheim des AG geht und Vertuschungsvorwürfe im Raum standen. OGH , 9 ObA 64/16a OLG Graz , 7 Ra 76/15y-38 LG Leoben , 23 Cga 88/13b-32 Schrank, AR-Neuerungen
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Maximale Arbeitszeitgesamtgrenzen: Zusammenrechnung von DV – Vollzeit-AN mit Nebenbeschäftigung 20 Wo.Std.? LE-AS Nr.2, §§ 39 Abs. 2, 88 Abs. 2 Z. 1 und Z. 6 NÖ LBG, § 2 Abs. 2 AZG Eine Nebenbeschäftigung im Ausmaß von 20 Wochenstunden ist jedenfalls geeignet, den Dienst-nehmer an der Entfaltung seiner vollen Leistungsfähigkeit bei der Erfüllung seines Arbeitsvertrags mit der Dienstgeberin zu hindern Deshalb darf sie auch die Ausübung einer solchen Nebenbeschäftigung untersagen Bei einem Vollzeit-Vertragsbediensteten ist die entgegen der Weisung weiterhin ausgeübte Nebenbeschäftigung von20 Wochenstunden den Interessen des Dienstes abträglich und die Dienstgeberin zur Kündigung berechtigt. OGH , 9 ObA 42/16s OLG Wien , 7 Ra 93/15w-10 Schrank, AR-Neuerungen
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Teilzeitguthaben bei Ausscheiden: Welcher Zuschlag? Abweichender KV-Beendigungszuschlag? LE-AS Nr.8, § 19e Abs. 2 AZG § 6, 7 ABGB, § 12 Arbeiter-KollV Gebäudereiniger alt, § 10 Abs. 10 und 11 Arbeiter-KollV Gebäudereiniger neu Nach § 19e Abs. 2 AZG gebührt für Guthaben an Normalarbeitszeit ein Zuschlag von 50 %. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt Der Kollektivvertrag kann Abweichendes regeln Die Zuschlagsbestimmungen beider Gebäudereiniger-Kollektivverträge treffen nur eine Zuschlags- regelung für Mehrarbeitsstunden für den Fall eines noch aufrechten Arbeitsverhältnisses Den KollV-Parteien kann nach Wortsinn und Systemzusammenhang dieser Regelungen nicht unterstellt werden, dass sie damit auch eine Regelung für den spezielleren Fall der Abgeltung von aufrechten Zeitguthaben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses treffen wollten Offene Zeitguthaben von Arbeitern im Geltungsbereich beider Gebäudereinigungs-Kollektivverträge sind daher gemäß § 19e Abs. 2 AZG mit 50% Zuschlag abzugelten. OGH , 9 ObA 80/15b OLG Linz , 11 Ra 24/15a-11, LG Salzburg , 18 Cga 113/14a-7 Schrank, AR-Neuerungen
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KollV-Einstufungen und Vorzeitenanrechnungspflichten: Auch vor Inkrafttreten liegende Karenzzeiten? LE-AS Nr.14, §§ §§ 6 und 7 ABGB, § 8 Abs. 7 OrchKollV Durch die bloße Regelung des Inkrafttretens wird im Allgemeinen nur festgelegt, ab welchem Zeitpunkt der Kollektivvertrag normative Wirkung entfaltet Davon ist die Frage zu unterscheiden, auf welche Sachverhalte im Detail der neue Kollektivvertrag ab seinem Inkrafttreten angewendet werden soll Gesetze wirken zwar im Allgemeinen auf abgeschlossene Sachverhalte oder auf vergangene Zeitab- schnitte bei Dauerrechtsverhältnissen nicht zurück, doch ist bei Dauertatbeständen der in den Zeitraum der neuen Rechtsnorm herüberreichende Abschnitt des Dauertatbestands nach den neuen Vorschriften zu beurteilen, falls nicht Übergangsbestimmungen etwas anderes anordnen Hat ein Dauerrechtsverhältnis vor dem Beginn seines zeitlichen Geltungsbereichs begonnen und dauert es während seines zeitlichen Geltungsbereichs an, ist daher das neue Gesetz hinsichtlich jener Zeitabschnitte anzuwenden, die auf den Zeitraum nach Beginn des zeitlichen Geltungsbereichs entfallen Dies hat auch für Kollektivverträge zu gelten Eine Karenzzeit, die zwar zur Gänze vor Inkrafttreten der Anrechnungsbestimmung lag (hier § 8 Abs. 7 OrchKollV), ist daher als Vordienstzeit für die Berechnung der KV-Entgeltansprüche ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Anrechnungsbestimmung zu berücksichtigen Dies jedenfalls dann, wenn sich im KollV-Text keine Anhaltspunkte dafür finden, dass die Kollektiv- vertragsparteien den zeitlichen Geltungsbereich der Anrechnungsbestimmung insofern einschränken wollten, als nur Karenzzeiten als Vordienstzeiten erfasst sein sollten, die erst nach Inkrafttreten der Norm in Anspruch genommen wurden Dem Kollektivvertrag bzw. seiner Anrechnungsbestimmung wird damit keine Rückwirkung unterstellt Für Entgeltansprüche, die den Zeitraum vor Inkrafttreten der Bestimmung betreffen, stellt eine solche Karenzzeit hingegen einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt dar. OGH , 9 ObA 8/16s OLG Linz , 11 Ra 78/15t-16, LG Linz , 10 Cga 17/15z-12 Schrank, AR-Neuerungen
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Kollektivvertragsauslegung: Einstufungsregeln – Dienstzeiten im „gleichen Unternehmen“ trotz Konkurs-BÜ? LE-AS Nr.10, § 3 Abs. 2 AVRAG, Art. V Z. 1 Arbeiter-KollV Metallindustrie Die Kollektivvertragsparteien haben bewusst eine weite Fassung des Abschnitts V Z 1 gewählt Auch dort, wo zwar die Person des Arbeitgebers strittig sein könnte, aber Betrieb und Unternehmen keine wesentliche Änderung erfahren haben, findet die An- bzw. Zusammenrechnungsregel für „Dienst-zeiten in Betrieben des gleichen Unternehmens“ Anwendung Der Begriff des „Unternehmens“ ist hier im weiten Sinn als „organisierte Erwerbsgelegenheit“ auszulegen Er knüpft nicht im engstmöglichen Sinn an die Person des Eigentümers an Auch eine zum Zweck einer Auffanggesellschaft neu gegründete Gesellschaft, die aus dem Konkurs heraus den Betrieb im Wege eines „ Asset Deals“ übernommen hat, weshalb „zum Zwecke der Kontinuität“ der alte Name der Gemeinschuldnerin in die neue Firma integriert wurde und auch die Kontinuität der Produktion, des Standorts und der Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer gewahrt wurde, erfüllt diesen Begriff des „Unternehmens“ Der Umstand, dass es nach § 3 Abs. 2 AVRAG im Zuge des Konkurses zu keinem Betriebsübergang mit unmittelbarem Eintritt des Erwerbers in die Arbeitsverhältnisse gekommen ist, steht der Möglichkeit einer kollektivvertraglichen Anrechnung von Vordienstzeiten nicht entgegen. OGH , 8 ObA 31/15i OLG Graz , 7 Ra 56/14f-28 LG Leoben , 25 Cga 103/12x-24 Schrank, AR-Neuerungen
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KollV-Sonderzahlungen: Ohne Regelung Mischberechnung bei Änderung des Beschäftigungsausmaßes (Arbeitszeit) ARD 6522/5/2016, LE-AS …., §§ 6, 7 ABGB, § 13 Angestellten-KollV Metallgewerbe Sieht der Kollektivvertrag keine bestimmte Regelung für den Fall vor, dass es innerhalb des Kalenderjahres im aufrechten Arbeitsverhältnis zur Änderung des Beschäftigungsausmaßes kommt (die bloße Anknüpfung an das Juni- bzw. Dezembergehalt ist keine solche Regelung!), ist die Höhe der Sonderzahlungen durch eine Mischberechnung zu ermitteln Die Sonderzahlungen stehen daher nur aliquot im dem der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung entsprechenden Ausmaß im Kalenderjahr zu Infolge Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke sind die für vergleichbare Fälle erfolgten gesetzlichen Mischberechnungsregelungen zur Herstellung eines gerechten Ausgleichs analog anzuwenden. OGH , 8 ObS 12/16x Schrank, AR-Neuerungen
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Sonderzahlungen: Anspruchsverlust bei unberechtigtem vorz. Austritt – umfasst er auch Rückverrechenbarkeit? LE-AS Nr.11, §§ 6, 7 ABGB, Art 14 lit. g KollV Hotel- und Gastgewerbe für Arbeiter Die Kollektivvertragsparteien können das Entstehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht, an bestimmte Bedingungen knüpfen, etwa auch, dass bei einem vorzeitigen Austritt ohne wichtigen Grund der Anspruch entfällt Sieht der KollV nichts anderes vor, ist daher der Anspruch gar nicht erworben und eine erhaltene Jahresremuneration (bezogen auf das jeweilige Kalenderjahr) auch ohne ausdrückliche Rückzahlungs- verpflichtung zurückzuzahlen Ein anderes Auslegungsergebnis hätte zur Folge, dass jene Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis erst nach Auszahlung der Jahresremuneration auf eine der verpönten Arten beenden, gegenüber jenen Arbeitnehmern unsachlich bevorzugt würden, die es vor Auszahlung der Jahresremuneration auf diese Weise beendet haben Dies kann nach dem Grundsatz einer vernünftigen, zweckentsprechenden Regelung, eines gerechten Interessensausgleichs und der Vermeidung einer Ungleichbehandlung der Normadressaten nicht ange- nommen werden. OGH , 9 ObA 16/16t OLG Linz , 11 Ra 62/15i-16 LG Salzburg , GZ 18 Cga 151/14i-12 Schrank, AR-Neuerungen
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All-In: Mindestentgelte und Kfz-Sachbezüge? LE-AS Nr.10, Nr.3, §§ 6, 7 ABGB, § 3 Abs. 1 ArbVG, § 78 GewO 1859 Gehaltsordnung KollV Handelsangestellte 1. Der Kollektivvertrag für Handelsangestellte enthält keine Hinweise zum Verhältnis von Mindestentgelt und Naturalleistungen, insbesondere auch keine ausdrückliche Anordnung, dass Naturalentgelte auf die vorgesehenen Mindestentgelte anzurechnen sind Die Gehaltsordnung im Allgemeinen Teil Pkt. 1.a. erster Satz sieht vor, dass ein monatliches Mindest-entgelt nach den in den Gehaltstafeln nach Beschäftigungsgruppen, Berufsjahren und Gehaltsgebieten gestaffelten Sätzen zu bezahlen ist Nach den für Kollektivverträge geltenden Auslegungsregeln bedeutet jedoch die in den Gehaltstafeln enthaltene Festlegung des monatlichen Mindestentgelts in Euro-Beträgen die Anordnung eines Geld-zahlungsgebots. 4. Dieses kollektivvertragliche Geldzahlungsgebot steht natürlich der Vereinbarung eines höheren als des kollektivvertraglichen Mindestlohns nicht im Wege (§ 3 Abs. 1 ArbVG) Vor dem Hintergrund der ihm innewohnenden Dispositionsfreiheit des Arbeitnehmers über den Mindestlohn kann es nicht durch in den Augen des Arbeitgebers (oder Arbeitnehmers) noch so günstige Sachbezüge umgangen werden Der kollv Mindestlohn ist vielmehr dem Günstigkeitsvergleich mit Sachbezügen entzogen. 7. Auf die Reichweite des Barzahlungsgebots gemäß § 78 GewO 1859 kommt es daher in diesem Zusammenhang nicht weiter an. OGH , 9 ObA 92/15t OLG Linz , 11 Ra 36/15s-11, LG Wels , 10 Cga 83/14h-7 Schrank, AR-Neuerungen
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KV-Auslegung: Fiktive Heimreisekosten? LE-AS Nr.5, Abschnitt VIII Kap. B Pkt 11 und 12, Abschnitt X KVAÜ Macht die Entfernung der Arbeitsstelle vom Wohnort eine tägliche Heimkehr unmöglich oder unzumut- bar, ist die wöchentliche Heimkehr als geradezu typischer Fall vom Fahrtkostenersatzanspruch umfasst Eine vertragliche Einschränkung des Ersatzes der Kosten einer wöchentlichen Heimfahrt wäre mit dem Zweck dieser Bestimmung nicht vereinbar und unbeachtlich Der Fahrtkostenersatz gebührt auch dann, wenn er für einen Arbeitnehmer, der in großer Entfernung vom Einsatzort wohnt, das Grundeinkommen übersteigt Es obliegt der unternehmerischen Entscheidung des Überlassers, ob die Anstellung eines solchen Arbeitnehmers für ihn wirtschaftlich sinnvoll ist Die grundsätzliche Unabdingbarkeit des Anspruchs auf eine wöchentliche bezahlte Heimreise beant- wortet jedoch nicht, ob ein solcher Anspruch überhaupt entsteht, wenn der AN keine Heimreise unter- nimmt, sondern das Wochenende freiwillig am Arbeitsort (oder an einem anderen Nicht-Wohnort) verbringt Den Kollektivvertragsparteien ist zu unterstellen, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaft- lichen Interessen herbeiführen wollten, sodass bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungs- möglichkeiten, wenn andere Auslegungsgrund-sätze versagen, jener der Vorzug zu geben ist, die diesen Anforderungen am meisten entspricht Da bei der Arbeitskräfteüberlassung die – auch wechselnden – Beschäftigungsorte vom Überlasser einseitig bestimmt werden, soll der Kostenersatz weit entfernt wohnenden Arbeitnehmern dennoch ermög- lichen, einmal wöchentlich nach Hause zu fahren Dieser Zweck erfordert nicht, dem AN Reisekosten zu „ersetzen“, die ihm gar nicht entstanden sind Bei den Heimfahrtansprüchen nach dem KVAÜ handelt es sich nicht um Entgeltansprüche, sodass dem Ersatzanspruch ein getätigter Aufwand gegenüberstehen muss Zwar ist dem AN nach VIII.B KVAÜ eine bezahlte Heimreise am Wochenende unabdingbar zu ermögli- chen, doch entsteht Anspruch auf Fahrtkostenersatz jeweils nur dann, wenn er von der Möglichkeit der Heimreise tatsächlich Gebrauch gemacht hat. OGH , 8 ObA 44/15a OLG Linz , 12 Ra 14/15p-11, LG Linz , 6 Cga 25/14w-7 Schrank, AR-Neuerungen
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Rückforderung: Gutgläubigkeit bei dreifacher Rückfrage? LE-AS Nr.13, §§ 328,1431 ABGB Wer irrtümlich eine Nichtschuld zahlt, kann das Geleistete gemäß § 1431 ABGB zurückfordern Werden Bezüge irrtümlich angewiesen, obwohl sie nicht oder nicht in diesem Umfang gebühren, so können sie vom Arbeitgeber grundsätzlich zurückgefordert werden Lediglich im Fall redlichen Verbrauchs durch den AN ist die Rückforderung ausgeschlossen Dabei wird der gute Glaube schon dann verneint, wenn er zwar nicht nach seinem subjektiven Wissen, aber bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des ausgezahlten Betrags auch nur zweifeln musste Da die Redlichkeit vermutet wird, hat der Rückfordernde die Unredlichkeit zu beweisen Da der Arbeitnehmer grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass ihm alle zukommenden Leistungen auch wirklich endgültig zustehen, müssen daher besondere Umstände vorliegen, aus denen für den AN erkennbar wird, dass keine ordnungsgemäße Zahlung vorliegt und damit rechnen muss, die Überzahlung zurückzahlen zu müssen Eine außergewöhnliche, nicht erklärbare Höhe der Lohnzahlung kann als erhebliche Überzahlung objektiv den guten Glauben erschüttern Musste eine Hausbesorgerin aufgrund der Höhe der Überzahlungen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bezüge haben, hatte sie subjektiv auch solche, reagiert sie auf ihre Zweifel und weist sie den Dienstgeber (über die Hausverwalterin) dreimal darauf hin, dass sie ein Vielfaches im Vergleich zu früher ausgezahlt erhalten habe, und fragt sie nach, ob dies in Ordnung sei, hat sie ihrer Sorgfaltspflicht entsprochen Damit konnte sie auf die Richtigkeit der Abrechnung und die höhere Entlohnung im Zusammenhang mit ihrem Arbeitgeberwechsel vertrauen Wurde die Überzahlung von ihr auch weder veranlasst noch sonst beeinflusst und lagen die unrich- tigen Abrechnungen allein in der Sphäre des Arbeitgebers, sind die Voraussetzungen für die Rückforde- rung der Überzahlungen zufolge gutgläubigen Empfangs und Verbrauchs nicht gegeben. OGH , 8 ObA 9/16f OLG Wien , 8 Ra 77/15z-18, ASG Wien , 1 Cga 89/14k-14 Schrank, AR-Neuerungen
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Arbeitsentgelt: Aufrechnung – auch nicht bei Schadenersatz aus vorsätzlichem Verhalten? LE-AS Nr.10, § 391 Abs. 3 ZPO Zwischen Entgeltansprüchen des Arbeitnehmers und einer eingewendeten Schadenersatzforderung des Arbeitgebers besteht, selbst wenn sie aus einem Verhalten des Arbeitnehmers bei Erbringung seiner Arbeitsleistung resultiert, kein rechtlicher Zusammenhang Der rechtliche Zusammenhang fehlt unabhängig davon, ob dem klagenden Arbeitnehmer ein deliktisches Verhalten oder ein Verstoß gegen den Arbeitsvertrag vorgeworfen wird Die Konnexität von Schadenersatzforderungen wegen absichtlicher Schadenszufügung wurde auch von der älteren Rechtsprechung nicht bejaht Die Auslegung einer Vereinbarung ist in aller Regel eine Einzelfallentscheidung Sie ist nur bei schwerwiegende Fehlbeurteilung, die zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit einer Korrektur bedarf, beim OGH überprüfbar Dies ist bei einer dem Wortlaut entsprechenden Auslegung nicht der Fall, wenn eine davon abweichende übereinstimmende Absicht der Parteien nicht erwiesen ist. OGH , 8 ObA 67/15h OLG Innsbruck , 15 Ra 26/15h-66 Schrank, AR-Neuerungen
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Dienstnehmerhaftung: Organisationsverschulden Primararzt Mäßigung Regressanspruch Versicherung des Geschädigten? LE-AS Nr.6, §§ 2 Abs. 2, 3 DHG, § 67 VersVG Auch die Beurteilung des Verschuldensgrades unter Anwendung der richtigen Grundsätze, ohne wesentlichen Verstoß gegen maßgebliche Abgrenzungskriterien, ist wegen ihrer Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage Die Tätigkeit eines Arztes, insb. auf einer Geburtenstation eines Krankenhauses, und auch als Primararzt, ist mit einer erheblichen Schadens- und Gefahrengeneigtheit verbunden und der einzelne Dienstnehmer trägt regelmäßig eine hohe Verantwortung, die im Einkommen keinen oder nur geringen Niederschlag findet Zu berücksichtigen war aber, dass er den Ausbildungsstand der diensthabenden Hebamme und der Turnusärztin trotz des fachärztlichen Personalmangels nicht konkret überprüft hatte, dass sich gerade dadurch die Gefahr und das Risiko der unzureichenden Ausbildung im Zusammentreffen mit seiner Abwe- senheit vor Ort verwirklicht hatte und dass das die Haftung des DG maßgeblich begründende Organisati- onsverschulden auch durch sein Verhalten, bezogen auf die Abteilungsleitung, (mit-)verursacht war Wenn die Vorinstanzen die Ersatzpflicht des DG hier im Rahmen des Regressanspruchs nach § 3 Abs. 2 DHG mit einem Drittel der Schuld der Haftpflichtversicherung des DN bemaßen, so ist dies vertretbar Dabei handelt es nicht um einen Ausgleichsanspruch zwischen zwei Versicherungen iSd § 59 Abs. 2 VersVG, sondern um den gemäß § 67 VersVG auf die Haftpflichtversicherung übergegangenen Regress- anspruch des Arztes gegen den Dienstgeber selbst (§ 3 Abs. 2 DHG), wobei die Versicherungssumme seiner Haftpflichtversicherung auch bereits zur Gänze ausgeschöpft war. OGH , 9 ObA 19/16h OLG Wien , 8 Ra 45/15v-73 Schrank, AR-Neuerungen
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Dienstnehmerhaftung: Grobe Fahrlässigkeit Gesamtbetrachtung einer Ereignisserie - Busfahrfehler LE-AS Nr.88, § 2 DHG Auch der Grad der Fahrlässigkeit ist nur im Falle grober Fehlbeurteilung revisibel Die versicherungstechnische Unterscheidung der vom Lenker am Reisebus verursachten Schäden in die bei der Hinfahrt durch die zu enge Straße (Anstreifen des Busses an den Mauern) und die beim Rück- wärtsfahren entstandenen (Kratzer durch Gestrüpp, Getriebeschaden wegen Überhitzung durch die Retourfahrt über zwei bis drei Kilometer bergauf) in „zwei separate Schadensereignisse“ ist für die Haftung oder deren Mäßigung nicht von Bedeutung Auch eine Reihe von jeweils nicht grob fahrlässigen Fehlhandlungen kann in ihrer Gesamtheit grob fahrlässig sein Hat der Dienstnehmer am Tag der Fahrt, an dem der Schaden am Reisebus entstand, zunächst das (für ihn sichtbare) Verkehrsschild übersehen, das Lenker breiter Fahrzeuge vor der Weiterfahrt warnte, ist er nach dem Anstreifen beider Längsseiten des Busses an einer engen Strassenstelle dennoch weiter gefah- ren, bis Vorwärtsfahren nicht mehr möglich war, und ist er schließlich im Rückwärtsgang etwa zwei bis drei Kilometer bergauf zurückgefahren, wodurch ein Getriebeschaden durch Überhitzung entstand und der Bus fahruntüchtig wurde, verstößt die Minderung des Schadenersatzes auf rund ein Drittel des Schadens nicht gegen die anerkannten Kriterien für die Mäßigung, die schon begrifflich unscharf ist und keine exakte Rechnung sein kann Für das Mäßigungsrecht gibt es keine „fixe“ Grenze, dass bei grober Fahrlässigkeit nur auf zwei Drittel des Schadens und bei leichter Fahrlässigkeit eine Mäßigung nur auf ein Drittel gemäßigt werden könnte. OGH , 9 ObA 44/16k OLG Graz , 6 Ra 74/15x-70 Schrank, AR-Neuerungen
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Ausbildungskostenrückersatz auch für Fortbildungskosten? LE-AS Nr.11, § 48a NÖ SAG 1992 iVm § 94 NÖ LBG, Ärztinnen-/Ärzte-Ausbildungsordnung 2006, BGBl II 2006/286, § 37 Abs. 1 Z 2 NÖ SAG 1992; § 19b NÖ KAG, § 8 Abs. 1 Z 9 KAKuG; § 49 Abs. 1 Satz 2 ÄrzteG Aus- und Weiterbildungskosten nach § 48a NÖ SAG 1992 iVm § 94 NÖ LBG umfassen nicht auch Fortbildungskosten Die Verpflichtung zur Rückerstattung der Aus- und Weiterbildungskosten, die zu einer höheren Quali- fikation des Bediensteten führen, soll verhindern, dass der DG Aus- und Weiterbildungen der Bediensteten finanziert und diese dann nach der Ausbildung das DV auflösen, um ihr Wissen anderen DG anzubieten Zwischen Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung ist zu unterscheiden Während die Ausbildung die Grundbefähigung eines Arztes vermittelt, dient die Fortbildung der Erhal- tung der Fähigkeit zur Berufsausübung nach den leges artes, also der Aktualisierung der in der Ausbildung oder Weiterbildung erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse; demgegenüber zielt die Weiterbildung auf die Erweiterung bereits in der Ausbildung erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten ab, also den Erwerb zusätz- licher Qualifikationen im Rahmen des Tätigkeitsbereichs, für den der Arzt zugelassen ist, und eine Vertiefung einzelner Schwerpunkte Arbeitsrechtlich verpflichtet dies den Krankenanstaltenträger, dem angestellten Spitalsarzt die Teilnah- me an auch im dienstlichen Interesse liegenden Fortbildungen unter Entgeltfortzahlung zu ermöglichen Wenn der Landesgesetzgeber seinen Ärzten Sonderurlaub zur wissenschaftlichen Fortbildung unter Entgeltfortzahlung gewährt (§ 37 Abs. 1 Z 2 NÖ SAG 1992), dann ist es nur konsequent, wenn er in § 94 NÖ LBG nur eine Rückzahlungsverpflichtung für Aus- und Weiterbildungskosten, nicht aber auch für bloße Fortbildungskosten vorsieht. Für Fortbildungskosten besteht auch kein Schutzbedürfnis des DG in Bezug auf besondere Investitionen in eine nähere Qualifikation des Bediensteten Auch nach § 2d AVRAG kann die bloße Fortbildung nicht mit einer Rückersatzklausel versehen werden, weil sie nur die bereits vorhandene Ausbildung auf aktuellem Stand hält. 8. Ein Rückersatz des während der Fortbildungen geleisteten Entgelts findet somit keine Stütze im Gesetz. OGH , 9 ObA 131/15b Schrank, AR-Neuerungen
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Dienstgeberseitige Verhinderungen: Lehrerin – Entfallene Pausenaufsichten durch Sozialpraktikum und Sportwoche? LE-AS Nr.12, § Halbsatz ABGB Für mit dem Gehalt noch nicht abgegoltene Pausenaufsichten gebührt bei dienstgeberseitigem Entfall trotz Einteilung Entgeltfortzahlung nach § 1155 ABGB Betrifft dies den Entfall bereits eingeteilter Pausenaufsichten wegen des Sozialpraktikums und der Sportwoche, fällt die allein in der Sphäre des Arbeitgebers Die Entgeltfortzahlung gebührt daher bei erfolgter Einteilung und auch arbeitnehmerseitiger Arbeitsbereithaltung. OGH , 9 ObA 143/15t OLG Wien , 8 Ra 17/15a-37 ASG Wien , 3 Cga 32/13s-31 Schrank, AR-Neuerungen
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Mutterschutz: Befristung ohne Ablaufshemmung: Angemessene 3-monatige Erprobungsbefristung ? LE-AS Nr.5, § 10a Abs. 2 MSchG Soll eine Hausverwalterin für einen Großkunden und insgesamt für mehr als 40 Häuser zuständig sein und ist auch geplant, sie als Teamleiterin einzusetzen, rechtfertigt diese durchaus anspruchsvolle (und mit Arbeiten als Verkäuferin, Regalbetreuerin oder Reinigungskraft nicht vergleichbare) Tätigkeit nach einem Probemonat zwei weitere Monate Befristung „zum Zweck der Erprobung“ Dies auch bei bisher jahrelanger Berufserfahrung als Hausverwalterin, wenn vor Beginn des Dienstverhältnisses keine „Erprobung“ der tatsächlichen Qualifikation für die konkret vorgesehene Tätigkeit stattgefunden hat, zumal Teamleiter-Positionen bei der Arbeitgeberin im Regelfall nicht extern besetzt werden Infolge sachlicher Rechtfertigung der Befristung im Sinne des § 10 Abs. 2 MSchG kommt es daher bei Schwangerschaft zu keiner Ablaufshemmung. OGH , 9 ObA 63/16d, OLG Wien , 10 Ra 16/16w-18 Schrank, AR-Neuerungen
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Elternteilzeit: Auch bei Festhalten, dass es sich um keine Elternteilzeit handelt? Vertraglicher Ausschluss? LE-AS Nr.2, §§ 10, 12, 15i, 15h, 15n MSchG, §§ 863, 914 ABGB, § 19d AZG Liegt „Elternteilzeit“ nach §§ 15h oder 15i MSchG vor, so hat die Dienstnehmerin besonderen Kündi- gungs- und Entlassungsschutz gemäß den §§ 10 und 12 MSchG Ist zwischen den Arbeitsvertragsparteien – knapp ein Jahr nach der Geburt des Kindes – eine Ver- einbarung über eine Teilzeitbeschäftigung im Anschluss an die Karenz zustande gekommen, kann fraglich sein, ob es sich um eine Vereinbarung von „Elternteilzeit“ iSd MSchG handelt Kommt der Zweck der begehrten Teilzeit, die Kinderbetreuung sicherzustellen, zum Ausdruck und sind die relevanten Umstände dem Dienstgeber bekannt, ist bei objektiver Betrachtung der Schluss zu ziehen, dass eine Vereinbarung über „Elternteilzeit“ iSd MSchG zustande gekommen ist Diese Grundsätze gelten sowohl für die Vereinbarung einer „Elternteilzeit“ nach § 15h MSchG (mit Rechtsanspruch) als auch nach § 15i MSchG Äußert eine Dienstnehmerin ihren Wunsch nach einer Reduktion der Arbeitszeit iZm der Beendigung der Karenz und gibt sie als Grund dafür die notwendige Betreuung ihres Kindes an, muss dem Dienst- geber klar sein, dass der Teilzeitwunsch mit der Kinderbetreuung zusammenhängt Wird weder der Begriff „Elternteilzeit“ noch das MSchG erwähnt, einigt man sich aber auf eine Herabsetzung der Arbeitszeit, ergibt sich aus den konkreten Umständen eine kündigungsgeschützte „Elternteilzeitvereinbarung“ Ein Schreiben des DG, dass es sich dabei nicht um eine „Elternteilzeit“ handle, ist bedeutungslos Der einmal erworbene Kündigungsschutz des § 15n MSchG ist zwingend und vertraglich nicht ausschließbar. OGH , 9 ObA 20/16f OLG Wien , 9 Ra 53/15b-15 Schrank, AR-Neuerungen
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Elternteilzeit: Ende des Kündigungsschutz bei fehlender Einwilligung des AG in Elternteilzeit („kleiner Anspruch“)? ARD 6496/5/2016, LE-AS Nr.6, §§ 7 Abs. 3, 8f VKG, §§ 15l, 15n MSchG Der Kündigungs- und Entlassungsschutz, der bei beiden Varianten der Elternteilzeit besteht, beginnt im Regelfall mit der Bekanntgabe des Teilzeitwunsches, ist während des gesamten außergerichtlichen und gerichtlichen Durchsetzungsverfahrens und endet 4 Wochen nach diesem Gibt demnach ein AN, der keinen großen Anspruch auf Elternteilzeit hat, bekannt, Elternteilzeit antreten zu wollen, scheitern schließlich die außergerichtlichen Verhandlungen und bringt der AN keine Klage auf Einwilligung in die Elternteilzeit ein, so endet der Bestandschutz 4 Wochen nach dem endgültigen Scheitern der außergerichtlichen Verhandlungen Eine nach diesem Zeitpunkt ausgesprochene Kündigung oder Entlassung ist daher wirksam. OGH , 8 ObA 1/16d Schrank, AR-Neuerungen
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Elternteilzeit: Berufungsmöglichkeit bei Feststellungsklage der AN auf Recht zum Antritt der Elternteilzeit? ARD 6496/6/2016, LE-AS Nr.7, § 15h, 15k Abs. 3 und 6 MSchG, … VKG Will der DG verhindern, dass eine DN, die Anspruch auf Elternteilzeit hat (großer Anspruch), die Teilzeit zu den von ihr bekannt gegebenen Bedingungen antreten darf, so muss letztlich er eine Klage nach § 15k Abs. 3 MSchG einbringen In einem solchen Fall ist eine Berufung gegen ein Urteil erster Instanz nicht zulässig Klagt aber die DN auf Feststellung, dass sie berechtigt sei, die Elternteilzeit zu den von ihr vorge- schlagenen Bedingungen anzutreten, so ist die Berufung zulässig, weil kein Elternteilzeitverfahren iSd § 15k MSchG vorliegt. OGH , 8 ObA 8/16h Schrank, AR-Neuerungen
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Elternteilzeit („kleiner Anspruch“): Diskriminierende Kündigung wegen Ansuchens um Teilzeit RdW 2016, Dezemberheft, LE-AS Nr.13, § 15i MSchG, § 12 Abs. 7 GlBG Reagiert der Arbeitgeber auf das Ansuchen einer Arbeitnehmerin auf vereinbarte Elternteilzeit („kleiner Anspruch“) mit der Kündigung und gibt er ihr dadurch keine Gelegenheit, die Frage der Arbeitszeit mit ihm zu verhandeln oder eine gerichtliche Klärung dieser Frage herbeizuführen, und bietet er auch sonst keine Alternativen an, ist die Kündigung mittelbar geschlechtsdiskriminierend Wird die Kündigung nicht angefochten, steht der Arbeitnehmerin Schadenersatz zu OGH , 8 ObA 63/16x Schrank, AR-Neuerungen
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Diskriminierungsschutz Geschlecht: Besetzungsfehler Berufungskommission? Frauenförderungsgebot? LE-AS Nr.4, §§ 4 Z. 5, 18, 20a B-GlBG, §§ 25 Abs. 7a, 42 Abs. 8a UG Jeder Anspruch auf Schadenersatz aus rechtswidrigem diskriminierendem Verhalten bei der Bewerbung um einen beruflichen Aufstieg – dies gilt auch für den ideellen Schaden aus erlittener persönlicher Beein- trächtigung – setzt eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung voraus. Dazu muss ein verpöntes Verhalten im Bewerbungsverfahren mit einer Benachteiligung (hier) aus Gründen des Geschlechts in Verbindung stehen, also ein geschlechtsspezifisches Motiv benachteiligende Auswirkung gehabt haben Das verpönte Motiv muss die Auswahlentscheidung, das Bewerbungsverfahren oder das Verfahrens- ergebnis (im Anlassfall Nichtaufnahme in den Auswahlvorschlag) durch unsachliche Kriterien oder unsach- liche sonstige Gründe nachteilig beeinflusst haben Die diskriminierte Person muss das verpönte Motiv bei der Entscheidung bzw. dessen sonstige negative Auswirkung auf die Bewerbung glaubhaft machen Die Glaubhaftmachung konkreter Motive ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und damit das Ergeb- nis der nicht revisiblen richterlichen Beweiswürdigung. Bei dieser ist das Beweismaß auf „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ anstelle der für den Regelbeweis geforderten hohen Wahrscheinlichkeit reduziert Eine allenfalls unrichtige Besetzung der Berufungskommission beim Hearing und/oder bei der Schluss- besprechung allein begründet, ohne Hinzutreten weiterer Umstände, noch keinen geschlechtsspezifischen nachteiligen Zusammenhang zur Nichtaufnahme in den Besetzungsvorschlag Auch die Nichteinhaltung des gesetzlichen Frauenförderungsgebots begründet für sich allein noch keine ungünstigere Behandlung aufgrund des Geschlechts, wenn dies keine Auswirkungen hatte Kann die diskriminierte Person nicht glaubhaft machen, dass das geltend gemachte verpönte Motiv bei der Entscheidung eine Rolle gespielt hat, konkret dass ein Zusammenhang zwischen der behaupteten Falschbesetzung der Berufungskommission und ihrer Nichtaufnahme in den Besetzungsvorschlag bestand, oder dass dieser Umstand sonst eine negative Auswirkung auf das Bewerbungsverfahren hatte, scheidet schon deswegen Schadenersatz aus Ob die Berufungskommission im Anschluss an die konstituierende Sitzung ordnungsgemäß besetzt war bzw. ob ein Besetzungsfehler geheilt wurde, ist daher nicht zu klären. OGH , 8 ObA 5/16t OLG Linz , 11 Ra 74/15d-29, LG Salzburg , 11 Cga 146/14b-25 Schrank, AR-Neuerungen
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Diskriminierungsschutz Geschlecht: LE-AS Nr.5, §§ 3 Abs. 2 Z. 7, 17 Z Abs. 1 Oö Landes-GlBG Dass ein zwingend befristetes DV auf Basis einer Absichtserklärung im Dienstvertrag auf eine Verlängerung „angelegt“ war, kann bei der Diskriminierungsfrage von Bedeutung sein Für das Vorliegen eines Diskriminierungstatbestands muss ein benachteiligender Zusammenhang zwischen der (hier) Nichtverlängerung der Befristung) und dem verpönten Motiv (hier Geschlecht) bestehen. Eine unmittelbare Diskriminierung erfordert eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu einer Person in einer sachlich ähnlichen Situation (Vergleichsperson), wobei die Ursache dafür im Schutz- grund (hier Geschlecht) bestehen muss. Erforderlich ist ein kausaler Zusammenhang zwischen der nachteiligen Behandlung und dem Schutzgrund Eine mittelbare Diskriminierung betrifft Maßnahmen, die zwar neutral formuliert sind, aber für eine bestimmte Gruppe dennoch unverhältnismäßige nachteilige Auswirkungen haben und diese Gruppe daher besonders nachteilig betreffen. Dabei kann den Beweggründen des DG, die ihn zur Nichtverlängerung eines befristeten DV veranlasst haben, Bedeutung zukommen Der Dienstnehmer muss das verpönte (hier geschlechtsspezifische) Motiv für die benachteiligende Entscheidung nur glaubhaft machen Gelingt dem DN die Glaubhaftmachung, so kann der DG das Gericht durch Glaubhaftmachung überzeugen, dass bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass ein anderer Grund (hier: für die Nichtverlängerung) ausschlaggebend war Ergeben die Feststellungen zu den unterschiedlichen Gruppen von leitenden Funktionsträgern bei der DG, dass sich in der Situation der DN als externe Bewerberin nur ein einziger männlicher DN befand, bei dem aber insofern ein Sonderfall vorlag, als er bereits zuvor Beamter einer Stadt gewesen war, befand sich die DN nicht in einer vergleichbaren Situation Mangels Vergleichbarkeit der Situation der von ihr angeführten männlichen Vergleichspersonen, deren Betrauung mit einer leitenden Funktion verlängert wurde, kann sie damit nicht darlegen, dass der Beweggrund für die Nichtverlängerung ihr Geschlecht betroffen hat Die Nichteinhaltung des gesetzlich angeordneten Frauenförderungsgebots begründet für sich allein noch keine ungünstigere Behandlung aufgrund des Geschlechts. OGH , 8 ObA 30/16v, OLG Linz , 12 Ra 4/16v-13 Schrank, AR-Neuerungen
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Probezeitauflösung wegen Schwangerschaft (Lehrling) Vermögensschaden? Beeinträchtigungsentschädigung? (1) LE-AS Nr.13, Nr.2, § 15 Abs. 1 BAG, § 19 Abs. 2 AngG, § 1158 Abs. 2 ABGB §§ 1 Abs. 1 Z 1, 3 Z 7, 12 Abs. 7 und 14 GlBG, Art. 18 GleichbehandlungsRL 2006/54/EG 1. Auch bei diskriminierender Auflösung eines Probearbeitsverhältnisses ist ein Vermögensschaden, der sich in der Regel im sofortigen Wegfall des Entgelts manifestiert, nicht ausgeschlossen, zumal Ersatz bei Gewährung eines Wahlrechts auch durch die Gleichbehandlungs-RL geboten ist Der Vermögensschaden darf nicht nur danach bemessen werden, dass der Arbeitgeber das Dienstverhältnis in der Probezeit ohnedies jederzeit beenden könnte Es ist auf das allgemeine schadenersatzrechtliche Prinzip zurückzugreifen, wonach den Schädiger die Behauptungs- und Beweislast dafür trifft, dass der Schaden auch ohne Verletzung der Schutznorm eingetreten wäre. Die AG hätte demnach unter Beweis zu stellen, dass sie das AV auch ohne Berück-sichtigung der Schwangerschaft innerhalb der Probezeit beendet hätte War das Verhalten (Trödeln, mürrisches Antworten auf Anweisungen, Differenzen bezüglich Rauch-pausen ua) den Geschäftsführern schon bekannt, als man über Nachfrage, ob mit ihr alles in Ordnung sei, erklärte, dass „alles passe“, ist gerade nicht erwiesen, dass man schon das Verhalten als solches zum Anlass der Beendigung ihres Lehrverhältnisses innerhalb der Probezeit genommen hätte Damit scheidet die Reduktion auf Null oder Begrenzung mit dem Verdienstentgang bis zum „nächstmöglichen Beendigungstermin“ in der Probezeit aus Wurde die Höhe des zugesprochenen Betrags von 5 Monatsentgelten sonst nicht in Frage gestellt, bleibt es daher bei diesem Zuspruch durch die Vorinstanzen Zur Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung sind bei der Beendigungsdiskrimi-nierung keine Mindest-, Fix- oder Höchstbeträge des immateriellen Schadens festgelegt Damit sind für die Höhe der Entschädigung die Kriterien des § 12 Abs. 14 GlBG maßgeblich, also Dauer und Intensität des erlittenen Ungemachs. Schrank, AR-Neuerungen
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Probezeitauflösung wegen Schwangerschaft (Lehrling) (2) LE-AS Nr.13, Nr.2, Bei der Ausmessung dieser Genugtuungsleistung (Geldersatz) ist die psychophysische Situation des Betroffenen, die Beschaffenheit seiner Gefühlswelt, seine Empfindsamkeit, die Schwankungsbreite seiner Psyche zu berücksichtigen und überdies zu beachten, dass diese Entschädigung dem in seinem Recht Verletzten auch das Gefühl der Verletzung nehmen und damit das gestörte Gleichgewicht in seiner Persönlichkeit wiederherstellen soll Kam für eine erst 17-Jährige die Diskriminierung plötzlich und unvorhersehbar, begann sie beim Gespräch zu weinen, musste sie mehrfach den Raum verlassen und beteuerte sie, die Lehre nicht been-den zu wollen, während der Geschäftsführer sie mit der Bemerkung, dass für sie eine „Eiszeit“ anbre-chen werde und niemand mehr mit ihr reden dürfe, weiter in unzumutbarer Weise unter Druck setzte, auch beim zweiten Gespräch die Schwangerschaft thematisierte und dadurch insgesamt den Eindruck bestärkte, die gesetzlich geschützte Position einer Schwangeren nicht zu akzeptieren und die Schwangerschaft als „Unglücksfall“ des Arbeitgebers wahrzunehmen, manifestiert dies nicht nur die persönliche Betroffenheit, sondern trug auch der GF erheblich zur erlittenen persönlichen Beeinträchtigung bei Da der Entschädigung nach dem expliziten Auftrag des § 12 Abs. 14 GlBG auch präventive Funktion zuzukommen hat, erscheint bei einer Gesamtbetrachtung des Einzelfalls die Festlegung eines Entschädigungsbetrags von EUR angemessen Dieser Betrag ist aber nicht als Pauschale für andere Konstellationen einer Beendigungsdiskrimi-nierung zu verstehen In jedem Einzelfall bleibt es einer diskriminierten Person natürlich unbenommen, konkret darzu-legen, worin gerade in ihrem Fall – über das Offensichtliche hinaus – die besonderen Umstände liegen, die die Schwere und Dauer ihrer erlittenen persönlichen Beeinträchtigung ausmachen. OGH , 9 ObA 87/15g OLG Graz , 7 Ra 95/14s-32, LG Graz , 28 Cga 18/14g-25 Schrank, AR-Neuerungen
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Behinderte: Kündigung wegen Verschweigen des Behindertenstatus und Nichtbekanntgabe der Art der Behinderung diskriminierend? (1) LE-AS Nr.3, §§ 3, 7b Abs. 1 Z 7, Abs. 4, 7c Abs. 3, 7f Abs. 1 BEinstG Bei Beurteilung des Vorliegens einer Behinderung ist die abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung einer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft einzubeziehen Maßgeblich für eine Behinderung ist nicht deren Grad, sondern dass sich daran eine Diskriminierung knüpfen kann Der Schutz vor Diskriminierungen greift auch dann, wenn der Dienstgeber hinsichtlich des Vorliegens eines geschützten Merkmals einer Fehleinschätzung unterliegt Irrtümer können Verletzungen des Gleichbehandlungsgebots nicht rechtfertigen Der Schutz gilt unabhängig davon, ob das Merkmal, aufgrund dessen die Diskriminierung erfolgt, tatsächlich vorliegt oder bloß vermutet wird Auch die aufgrund irrig angenommener oder vermuteter Be-hinderung erfolgte Diskrimi- nierung ist verpönt Bei Kausalzusammenhang zwischen geschütztem Merkmal und Verhalten des AG kommt es auf die Frage, ob ein begünstigter Behinderter auch bei Fehlen feststellbarer körperlicher oder psychischer Funktionsbeeinträchtigungen Diskriminierungsschutz genießt, nicht an; auch auf den Behinderten-Feststellungsbescheid nicht Die zu § 7d BEinstG (Belästigung wegen Behinderung) aus-gesprochen Grundsätze des OGH gelten auch bei Beendi-gungsdiskriminierung nach § 7b Abs. 1 Z 7 BEinstG Spielen mehrere Motive eine Rolle („Motivbündel“), so genügt es, wenn das geschützte Merkmal (bzw damit in Verbindung stehende Eigenschaften, Handlungen, Verhaltensweisen oder Zustände) innerhalb des „Motivbündels“ zumindest mitursächlich für die Verhaltensweise ist Der geforderte Zusammenhang ist nicht zu eng zu sehen. Schrank, AR-Neuerungen
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Behinderte: Kündigung diskriminierend? (2) LE-AS Nr.3, Erfolgte die Kündigung des DN deshalb, weil er unrichtige Angaben über seine Behinder- teneigenschaft gemacht hatte und für den DG mangels Bekanntgabe der Art der Behinderung nicht beurteilbar war, ob er für die Tätigkeit weiter einsetzbar war oder nicht, dann steht die Kündigung im Zusammenhang mit der vom DG angenommenen Behinderung, wenn erst dessen Kenntnis von der Begünstigten-Eigenschaft Anlass für sein weiteres (unbefriedigtes) Auskunfts- verlangen darüber und schließlich für die Kündigung war Eine Rechtfertigung des DG, den DN wegen der unrichtigen und unvollständigen Angaben zu seiner Behinderung gekündigt zu haben, setzt – nach § 7c Abs. 3 BEinstG – voraus, dass er konkret angibt, welches Merkmal eine solche berufliche Voraussetzung darstellen würde, das die Kündigung erforderlich gemacht hätte Grundsätzlich hat der Arbeitgeber berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, ob ein AN be- günstigter Behinderter ist, weil dies infolge gesetzlicher Bestimmungen Einfluss auf die Gestal- tung des Arbeitsverhältnisses hat Teilt der AN dem AG bei Eingehen eines AV seine Begünstigten-Eigenschaft nicht mit, kann aber das Interesse am angestrebten Arbeitsplatz das Interesse des AG überwiegen Wirkt sich die Behinderteneigenschaft nicht auf die Einsatzfähigkeit aus und führt sie zu keiner Gefährdung anderer Personen durch seine Arbeit, wird durch das Unterlassen der Mitteilung das Vertrauen des DG nicht derart erschüttert, dass ihm die Fortsetzung eines bereits Monate andauernden und anstandslos funktionierenden AV nicht zumutbar wäre Ist weder für die Begründung noch für das laufende AV infolge betriebsärztlicher Unauf- fälligkeit weiteres Informationsbedürfnis des DG ersichtlich, bleibt es dem DN überlassen, Angaben über seine Beeinträchtigungen zu machen Die unrichtige Angabe über den Behindertenstatus und die Nichtvorlage von Befunden über die Behinderung können eine in der (jedenfalls vermeintlichen) Behinderung begründete, diskriminierende Kündigung nicht rechtfertigen. OGH , 9 ObA 107/15y OLG Wien 28. April 2015, GZ 7 Ra 113/14k-46, LG St. Pölten , 30 Cga 58/12k-39 Schrank, AR-Neuerungen
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Diskriminierungsschutz Religion: Kopftuch (Hijab), Gesichtsschleier (Niqab) und Abaya im Notariat? (1) LE-AS Nr.4, §§ 5 Abs. 2, 17 Abs. 1 Z. 1 und 7, 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 und 2 GlBG, § 16 ABGB, § 7 NO Der Diskriminierungsschutz umfasst auch das Tragen religiöser Kleidungsstücke im Zusammen- hang mit einem AV. Auf konkrete Religionsvorschriften kommt es nicht an. Auch das Tragen des Gesichtsschleiers steht als Ausdruck religiöser Gebräuche und einer ernsthaften Gewissensent- scheidung unter dem Schutz des Art. 9 EMRK Benachteiligungen wegen des Tragens religiöser Kleidungsstücke bedürfen als unmittelbare Diskri- minierung aufgrund der Religion, weil solche Kleidungsstücke gerade keine neutralen Unterschei- dungskriterien sind, eines gesetzlichen Ausnahmetatbestands Der Niqab bedeckt auch das Gesicht einer Frau, lediglich ihre Augen sind noch zu sehen. Dies beeinträchtigt die gesellschaftliche Kommunikation und Interaktion nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch an einem Arbeitplatz mit Kontakt zu Kunden, Mitarbeitern und zum Arbeitgeber Da die unbeeinträchtigte Kommunikation und Interaktion eine wesentliche und entscheidende Voraussetzung für die vertraglichen Arbeitstätigkeiten als Notariatsangestellte ist, stellt die Nichtver- schleierung des Gesichts aufgrund der Art der beruflichen Tätigkeit und der Rahmenbedingungen der Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung dar Mit der Weisung, bei der Arbeit keinen Gesichtsschleier zu tragen, verfolgt der Notar als AG auch ein legitimes Ziel, weil er die Erfüllung der geschuldeten Arbeitsleistungen sicherstellen darf Das Kompromissangebot, den Gesichtsschleier jeweils bei Klientenkontakt abzunehmen, betrifft nur einen Teil der geschuldeten Arbeitstätigkeiten. Da unbeeinträchtigte Kommunikation und Inter- aktion insgesamt für alle Tätigkeiten erforderlich ist und das laufende Auf- und Abnehmen des Schlei- ers die Abläufe am Arbeitsplatz stören würde und auch der gebotenen Konzentration nicht förderlich wäre, genügt es daher nicht Die Aufforderung, am Arbeitsplatz im Notariat keinen Gesichtsschleier zu tragen, verletzt auch nicht die nötige Angemessenheit, weil der angestrebte Zweck nur durch das Verbot erreicht werden kann Die Kündigung wegen Verletzung dieser individuellen Weisung begründet daher keine Diskriminierung wegen der Religion. Schrank, AR-Neuerungen
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Diskriminierungsschutz Religion: Gesichtsschleier (2) LE-AS Nr.5, Einschränkungen der bei Notariatsangestellten beliebten abwechslungsreichen Tätigkeiten im Klientenkontakt und als Testamentszeugin (jedenfalls auch) wegen des äußeren Erscheinungsbildes (Kopftuch und Abaya) bewirken eine unmittelbare Religionsbenachteiligung Zu deren Erlaubtheit genügen nicht diffuse Vorbehalte der Amtsführung. Das Nichttragen des isla- mischen Kopftuchs und der Abaya müsste wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung einer Notariatsangestellten sein. Dass dies nicht der Fall ist, ist schon daraus zu ersehen, dass sie mehrere Jahre lang ohne Einschränkungen und offenbar auch ohne besondere Beanstandungen umfassend eingesetzt wurde. Für den Meinungsumschwung fehlen nachvollziehbare Gründe Nach § 20 Abs. 2 GlBG ist nur ein Ethos maßgebend, der auf religiösen Grundsätzen fußt. Beim Notariat geht es um Neutralität und Abgrenzung von der Religion, aber nicht um einen solchen Ethos Die Zurücksetzung gegenüber anderen AN im Klientenkontakt und bei der Ausübung der Tätigkeit als Testamentszeugin wegen des Tragens des islamischen Kopftuchs und der Abaya stellt eine unmit- telbare Diskriminierung wegen der Religion dar, jedoch keine mittelbare Geschlechtsdiskriminierung In s des AG enthaltene Bemerkungen wie „das Dauerexperiment ethnischer Kleidung“ und „Vermummung“ diskriminieren selbst bei gerechtfertigtem Verbot des Gesichtsschleiers. Diese s schaffen als die Diskriminierung verstärkende abfällige Bemerkungen für die AN durchaus ein verpöntes belästigendes Umfeld iSd § 21 Abs. 2 Z 3 GlBG Für die Beeinträchtigungsentschädigung kommt es bei direkten Verstößen durch den AG im Rechtsfolgensystem des GlBG auf ein Verschulden nicht an, doch ist bei der Bemessung neben der längeren diskriminierenden Einschränkungen der Tätigkeit (Klientenkontakt, Testamentszeugin) zu berücksichtigen, dass diese nicht bloß „passiert“ sind, sondern von ihm gewollt waren, was er durch seine beiden s bekräftigte Bei einer Gesamtbetrachtung aller dieser Umstände und unter Bedachtnahme auf die auch präventive Funktion der Entschädigung erscheinen EUR 1.200,- als angemessen. OGH , 9 ObA 117/15v OLG Wien , 9 Ra 47/15w-20LG Wr. Neustadt , 3 Cga 36/14x-15 Schrank, AR-Neuerungen
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BR-Mitbestimmung: Zustimmung auch des BR bei Änderungskündigungen mit Versetzungscharakter? (1) LE-AS Nr.21, §§ 101, 105 ArbVG Eine Einreihung auf einen anderen Arbeitsplatz, die mit einer Verschlechterung der Entgelt- oder sons- tigen Arbeitsbedingungen verbunden ist, bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats Auch die mit einer Änderungskündigung argumentativ verstärkte Versetzungsanordnung bedarf, wenn der AN ihr zustimmt und es daher zur Kündigung nicht kommt, der Mitwirkung des Betriebsrats nach § Die Zustimmung des Betriebsrats kann durch das Gericht ersetzt werden, wenn die Versetzung sachlich gerechtfertigt erscheint, etwa weil der AN am bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr beschäftigt werden kann und gekündigt werden müsste, wenn die – von ihm selbst gewollte – Versetzung verhindert würde Der Arbeitgeber hat die Stellungnahme des Betriebsrats vorweg nicht nur zur Kündigung, sondern nach § 101 ArbVG auch zur alternativ angebotenen Versetzung einzuholen Die gleichzeitige Einholung beider Stellungnahmen ist ohne Aufwand möglich und zweckmäßig, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer überhaupt kein ernsthaftes Änderungsangebot unterbreiten kann, bevor er sich nicht überzeugt hat, ob die Änderungsbedingung rechtlich erfüllbar ist Eine nachträgliche Zustimmung zu einer bereits vollzogenen Versetzung ist überhaupt nicht möglich Die Möglichkeit, dass es zu divergierenden Entscheidungen des AN und des Betriebsrats und in der Folge zur Beendigung des AV kommen kann, ist bei verschlechternden Versetzungen systemimmanent und keine Besonderheit der Variante der Änderungskündigung. Schrank, AR-Neuerungen
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BR-Mitbestimmung: Änderungskündigungen mit Versetzungscharakter (2) LE-AS Nr.21, Die arbeitsvertraglichen und die betriebsverfassungsrechtlichen Aspekte der Versetzung sind getrennt zu prüfen und müssen beide erfüllt sein, damit diese wirksam wird Die Zustimmung des Arbeitnehmers allein genügt nicht Die betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Versetzung stellt sich auch bei der Änderungskün- digung nur, wenn es zur Beendigung gerade nicht kommt, weil der AN das Änderungsangebot wählt Eine verschlechternde Versetzung ist, nur weil ihr mit einer Kündigung besonderer Nachdruck verliehen wurde, nicht vom Versetzungsschutz ausgenommen Der Kündigungsschutz nach § 105 ArbVG hat andere Voraussetzungen und Rechtsfolgen Im Kündigungsanfechtungsverfahren ist die sachliche Berechtigung einer nicht zustande gekommenen Versetzung kein Thema, allenfalls kann ein Änderungsangebot bei der Frage der Sozialwidrigkeit sowie betriebs- oder personenbedingter Rechtfertigungsgründen eine Rolle spielen. OGH , 8 ObA 63/15w OLG Wien , 10 Ra 29/15f-11, ASG Wien , 15 Cga 107/14k-6 Schrank, AR-Neuerungen
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Betriebsvereinbarungen: Sozialplanleistungen Begrenzung mit „frühestmöglichem Pensionsstichtag“? ARD 6521/5/2016, § Begrenzt ein Sozialplan für einvernehmliche Auflösungen die Leistung einer betrieblichen Überbrückungsleistung sowie einen Sonderbeitrag an die Pensionskasse mit dem „frühestmöglichen Pensionsstichtag gemäß Pensionsreform 2004 (Stichtagsalter gemäß Anlage)“, bezieht sich diese Begrenzung erst auf den frühestmöglichen individuellen Pensionsstichtag Nicht gemeint ist das bloß aktuelle Pensionsantrittsalter in der damals aktuellen Form Dies auch dann, wenn das damalige individuelle Informationsschreiben (Dezember 2007) den Pensionsstichtag mit „dies ist der “ präzisierte OGH , 9 ObA 80/16d Schrank, AR-Neuerungen
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Echte Betriebsvereinbarungen: Wirksamer Ausschluss der Nachwirkung bei fakultativen BV? ARD 6521/6/2016, §§ 32 Abs. 3, 97 Abs. 1 Z Für den Fall der Kündigung fakultativer Betriebsvereinbarungen in Angelegenheiten des § 97 Abs. 1 Z 7 bis 26 ArbVG können die Betriebsparteien wirksam vereinbaren, dass deren Rechts- wirkungen mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Vereinbarung enden Die in § 32 Abs. 3 ArbVG normierte Nachwirkung ist dispositiv und kann nach dem gesetzlichen System bei diesen Betriebsvereinbarungen einvernehmlich ausgeschlossen werden Dies ist der Fall, wenn nach der Betriebsvereinbarung im Fall einer Kündigung das betriebsverein- barte Zielgruppenprämien-Modell „zur Gänze entfällt“ OGH , 9 ObA 18/16m Schrank, AR-Neuerungen
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Freie Betriebsvereinbarungen: Auslegung, Wirkungsweise LE-AS Nr.11, §§ 29, 97 Abs. 1 Z. 21 ArbVG, § 863 ABGB 1. Inhalt einer Betriebsvereinbarung kann nur sein, was durch Gesetz oder Kollektivvertrag der Rege-lung durch Betriebsvereinbarung überantwortet wurde (§ 29 ArbVG) Ob eine normativ wirkende Betriebsvereinbarung abgeschlossen wurde, braucht nicht näher unter-sucht zu werden, wenn ihr Inhalt (bei fehlender Deckung) zum Einzelvertragsinhalt wurde Selbst wenn die betriebsverfassungsrechtlichen Regelungskompetenzen überschritten wurden und diese Vereinbarung daher keine normative Wirkung iSd ArbVG entfaltet hat, kann nämlich diese „freie BV“ Eingang in die Einzelarbeitsverträge gefunden haben Gibt nicht nur der AG, sondern auch die Gesamtheit der AN durch ihr Verhalten eindeutig zu erkennen, dass sie sich an die unzulässige BV halten wollen, besteht kein Grund, an ihrer schlüssigen Unterwerfung unter die dort getroffenen Vereinbarungen und damit an einer entsprechenden Ergänzung der Einzelarbeitsverträge zu zweifeln Der beim Abschluss der BV existente AG-Wille kann in ein an die bereits beschäftigten AN gerich-tetes, auf Ergänzung der Einzelarbeitsverträge abzielendes AG-Offert umgedeutet werden Für die AN-Seite kann bei BV, die der Belegschaft nur Vorteile bringen, eine schlüssige Unterwerfung ohne weiteres angenommen werden, ohne dass es auf langjährige Übung ankommt. 7. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist zu bejahen, wenn die freie BV nach dem Willen der Parteien auf alle Dienstverhältnisse im Betrieb Anwendung finden sollte und der Inhalt der BV im Betrieb vom Dienstgeber tatsächlich auch auf mehrere Dienstverhältnisse angewandt wurde. 8. Wird eine unzulässige BV schlüssig Einzelarbeitsvertragsinhalt, sind die AV-Parteien an jenes Ver-ständnis der unzulässigen BV auch als Einzelvertragsinhalt gebunden, das die Betriebspartner bei Abschluss hatten oder das ihnen vernünftigerweise bei der Auslegung zuzusinnen ist. 9. Das Motiv für die BV, die den DN das Recht auf Weiterbeschäftigung im Betrieb nach Auslaufen einer befristeten Pension einräumt, lag im Anlassfall darin, es DN zu ermöglichen, anstelle von Langzeitkran-kenständen eine Pension in Anspruch nehmen können, weil es nach Einführung der Befristung von Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit häufig dazu kam, dass Mitarbeiter die Möglichkeit eines befristeten Pensionsbezugs nicht in Anspruch nahmen, weil sie ihr DV hätten beenden müssen und nach Ablauf der Pension keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung gehabt hätten. OGH , 9 ObA 109/15t, OLG Innsbruck , 15 Ra 46/15z-25 Schrank, AR-Neuerungen
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Betriebsratsmitglieder: Geschäftsgeheimnisse Unterlagen aus Aufsichtsrat für Fraktionstätigkeiten? LE-AS Nr.2, § 70 Abs. 1 und 3 PBVG, § 28 PVG, § 120 Abs. 1 dritter Satz ArbVG Handlungen eines Personalvertreters können seiner Funktion nur zugeordnet werden, wenn sie einem DG-Vertreter, einem Bediensteten der Dienststelle, einem anderen vom Ausschuss zu vertretenden Bediensteten oder einem anderen Personalvertreter gegenüber gesetzt worden sind Kontakte zu Massenmedien, wie das Schreiben von Leserbriefen an Tageszeitungen oder auch die Gewährung von Interviews, gehören daher nicht zu den Möglichkeiten, die das Gesetz den Organen der Personalvertretung im Rahmen der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben gestattet Rein fraktionelle Tätigkeiten die unabhängig von der Ausübung der Personalvertretungstätigkeit erfolgen, sind nicht vom Mandat umfasst (9 ObA 90/12v) Dies gilt auch für die Veröffentlichung einer aus der Aufsichtsratstätigkeit bekannten, vertraulichen Vorstandsunterlage, die im Detail einen geplanten Mitarbeiterabbau für die nächsten Jahre darstellt, auf einer Fraktions-Homepage sowie in einer Fraktionszeitschrift als Fraktionsfunktionär Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Personalvertreters bzw. der Umstand, dass er die Grenzen seiner Funktion (bewusst oder unbewusst) überschreitet, schließt seine Immunität iSd § 70 PBVG jedoch nicht zwangsläufig aus. Es liegt im Wesen der Immunität, dass auch gewisse Dienstpflichtverletzungen sanktionslos zu bleiben haben, sodass bis zu einem gewissen Grad auch Äußerungen oder Handlungen, die nicht mehr dem Personalvertreter obliegen, immer noch dem Schutz des § 70 PBVG unterfallen § 70 PBVG dient ja dazu, auch etwaige an sich eine Dienstpflichtverletzung darstellende Fehler von Personalvertretern, die auch im unrichtigen Erkennen der Grenzen ihrer Aufgaben bestehen können, sanktionsfrei zu stellen Ob Äußerungen oder Handlungen eines Personalvertreters im Schutzbereich des Mandats liegen, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls, die – von Fällen grober Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage begründen, so auch im vorliegenden Anlassfall. OGH , 9 ObA 123/15a OLG Wien , 7 Ra 40/15a-14 Schrank, AR-Neuerungen
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Untreue im Dienst: Betriebsratsmitglied fordert AN zu Betriebsstörung durch Vortäuschung von Übelkeit auf LE-AS Nr.9 §§ 120 Abs. 1, 122 Abs. 1 Z 3 ArbVG 1. Unter Untreue im Dienst ist ein vorsätzlicher und pflichtwidriger Verstoß gegen die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers zu verstehen. Dabei muss der Vorsatz nicht nur auf das den Verstoß begründende Verhalten gerichtet sein, sondern auch die Gefährdung der dienstlichen Interessen des Arbeitgebers umfassen Ob ein Verhalten in oder außerhalb des Dienstes gesetzt wurde, ist nicht rein zeitlich, sondern nach seinem Gegenstand zu beurteilen. Die Begehungshandlung muss nicht in der Arbeitszeit erfolgt sein Zwischen dem dienstlichen oder auch außerdienstlichen Verhalten des Arbeitnehmers und den dadurch gefährdeten Interessen des Arbeitgebers muss aber ein durch den Arbeitsvertrag und den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten bestimmter Zusammenhang bestehen Die Aufforderung an einen anderen Arbeitnehmer, durch Vortäuschung von Übelkeit eine Störung des Betriebs (hier: des fahrplanmäßigen Busbetriebs) des Arbeitgebers zu bewirken, stellt unabhängig davon, wann sie ausgesprochen wurde, ein dienstliches Verhalten dar Erfolgte diese Aufforderung im Wissen um die mit einem solchen Kursausfall für den Arbeitgeber verbundenen Unannehmlichkeiten, erfüllt die den Tatbestand des § 122 Abs. 1 Z 3 erster Fall ArbVG Diente das Verhalten (Kursausfall durch Vortäuschen einer Übelkeit) nur der Schädigung des Arbeitgebers und nicht dem Anliegen der Arbeitnehmer auf Auszahlung vorenthaltener Überstunden- entgelte, kommt einem BR-Mitglied kein Mandatsschutz zu. OGH , 9 ObA 147/15f OLG Wien , 8 Ra 94/15z-17 Schrank, AR-Neuerungen
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„Gekoppelte“ Bildungskarenz- und Auflösungsvereinbarung wirksam? LE-AS Nr.7, § 11 AVRAG, § 879 Abs. 1 ABGB Die Vereinbarung einer Bildungskarenz mit einvernehmlicher Vorausauflösung des Dienstverhält- nisses zu deren vereinbartem Ende ist wirksam Sie widerspricht nicht dem Zweck des § 11 AVRAG Die Bildungskarenz dient auch den Interessen des sie beanspruchenden Arbeitnehmers und ist auch als individuelle Förderungsmaßnahme für Arbeitnehmer zu sehen Die Vereinbarung einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zum Ende der Bildungskarenz widerspricht diesen Intentionen des Gesetzgebers nicht Im Übrigen liegt schon § 11 Abs. 4 AVRAG zugrunde, dass ein Arbeitsverhältnis auch während der Bildungskarenz des Dienstnehmers beendet werden kann Unter dem Aspekt der Wirksamkeit der Karenzierungsvereinbarung trifft es daher nicht zu, dass der Dienstgeber nachhaltigen Gewinn aus der Fortbildung des Dienstnehmers ziehen müsste. OGH , 9 ObA 9/16p OLG Wien , 9 Ra 82/15t-20 Schrank, AR-Neuerungen
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Vorruhestandsmodell und einvernehmliche Auflösung: Erstreckung bei reformbedingt späterem Pensionsanfall? LE-AS Nr.8, §§ 914, 915 ABGB, Bezweckt eine Vereinbarung einen „gleitenden Pensionsübergang“, ist der gewählte Endtermin bewusst der vom AN von der Pensionsversicherung bekanntgegebene frühestmögliche Pensionsstichtag und soll laut Vertrag das DV längstens bis zu diesem Datum dauern, ist aber eine ausdrückliche Regelung für den Fall eines früheren Pensionsstichtages getroffen, nämlich, dass das DV dann früher endet, enthält aber die Vereinbarung keine Regelung für den Fall eines Hinausschiebens des Pensionsstichtages keine ausdrückliche Regelung, liegt insoweit eine Vertragslücke vor In einem solchen Fall ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu prüfen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien getroffen hätten Ausgehend vom Vertragszweck ist dies eine Fortdauer des DV bis zu dem nach der Gesetzesänderung frühestmöglichen Pensionstermin Infolge Fortdauer des Dienstverhältnisses besteht auch Anspruch auf Weiterzahlung des Entgelts. OGH , 9 ObA 28/16g OLG Graz , 6 Ra 78/15k-10 LG Graz , 24 Cga 41/15h-15 Schrank, AR-Neuerungen
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Auflösungsvereinbarung wirksam? Entlassungsandrohung ohne Gewährung erbetener eintägiger Bedenkzeit LE-AS Nr.15, § 870 ABGB Schließt der DN unter dem Eindruck der Ankündigung des Dienstgebers, ihn zu entlassen, eine Auflösungsvereinbarung, so kommt es für die Frage ungerechtfertigter Druckausübung zum Abschluss einer Auflösungsvereinbarung darauf an, ob für den Dienstgeber zum Zeitpunkt der Androhung der Entlassung plausibel und objektiv ausreichende Gründe für deren Ausspruch gegeben waren Entscheidend ist, ob der Dienstgeber den Dienstnehmer zu einer einvernehmlichen Auflösung drängen will, weil er von seiner Rechtsposition nicht überzeugt ist Ihn trifft die Obliegenheit, vor Ausspruch der Entlassung zu prüfen, ob sich der Dienstnehmer tatsächlich eines pflichtwidrigen Verhaltens schuldig gemacht hat Er hat zumindest zu versuchen, den Sachverhalt unter Beiziehung des DN aufzuklären Ob für den DN eine Drucksituation bestanden hat, hängt von den konkreten Umständen ab Erklärt der DG beim Gespräch über die Auflösung dem Dienstnehmer gegenüber, dass sein Verhal- ten eine Entlassung rechtfertige (im Anlassfall die Abhaltung von Malkursen zuhause im Krankenstand), ohne dass er das Vorliegen eines Entlassungsgrundes – also hier die gesundheitliche Belastung durch das Verhalten und der Auswirkungen auf den Heilungsprozess – näher überprüft hatte, ist auch von Nachteilen bei der Arbeitssuche die Rede und wird dem Dienstnehmer die von ihm gewünschte Bedenk- zeit von einem Tag ohne sachlichen Grund nicht gewährt (zumal eine Entlassung hier vom Stadtamts- direktor nicht wirksam hätte erfolgen können), hält sich die Beurteilung, dass die Androhung der Entlassung über das erlaubte Maß hinausgegangen sei, im Rahmen der Rechtsprechung Die einvernehmliche Auflösung ist daher unwirksam. OGH , 8 ObA 37/16y OLG Linz , 11 Ra 18/16w-14 Schrank, AR-Neuerungen
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Probezeit: Neuerliche automatische KV-Probezeit bei neuem zweiten Dienstverhältnis? LE-AS Nr.4, §§ 6, 7, 879 Abs. 1 ABGB, § 4 Abs. 2 KollV Arbeiter Denkmal-, Fassaden-, Gebäudereinigung, sonstige Reinigungsgewerbe und in Hausbetreuungstätigkeiten Gelten gemäß KollV die ersten vier Wochen als Probezeit, sofern nicht eine kürzere vereinbart oder eine solche ausgeschlossen wurde, schränkt er damit im KollV die Probezeit nicht auf ein „erstes“ Arbeitsverhältnis ein Daher steht es den Parteien grundsätzlich frei, auch im Rah-men eines neuen (zweiten) Dienstverhäl- tnisses wiederum eine Probezeit zu vereinbaren, sofern nicht unter den gegebenen Umständen eine Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften zu befürchten ist Das Vorliegen einer Umgehung kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden, deren Beurteilung keine erhebliche Rechtsfrage begründet Die Beurteilung, dass aufgrund der Änderungen der sachlichen Gegebenheiten zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen hinreichende Gründe bestanden, auch für das neue Arbeitsverhältnis an der Geltung einer vierwöchigen Probezeit festzuhalten, ist rechtlich jedenfalls vertretbar. OGH , 9 ObA 11/16g OLG Innsbruck , 13 Ra 34/15w-23 Schrank, AR-Neuerungen
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Dienstgeberkündigungsverzicht durch abberufenen Geschäftsführer wirksam? Vertrauen auf Firmenbuchstand LE-AS Nr.4, § 15 UGB §§ 1016 ff ABGB Der DN darf für den Fall, dass der Geschäftsführer mit einem Kündigungsverzicht seine interne Befugnis überschritten haben sollte, grundsätzlich auf den Firmenbuchstand der DG und damit auf dessen Vertre- tungsmacht vertrauen, wenn weder bewusstes Zusammenwirken des DN mit dem Geschäftsführer noch ein vom Wissen des DN getragenes pflichtwidriges Handeln des Geschäftsführers feststellbar ist Aus Gründen des Verkehrsschutzes wird die Gültigkeit des vom Vertreter (Geschäftsführer) mit einem Dritten (DN) abgeschlossenen Geschäfts – auch eines Kündigungsverzichts – grundsätzlich nicht berührt Von diesem Grundsatz wird dann eine Ausnahme gemacht, wenn der Dritte nicht schutzwürdig ist. Dies wird angenommen, wenn der Vertreter und der Dritte kollusiv, also absichtlich zusammengewirkt haben, um den Vertretenen zu schädigen; dem ist gleichzuhalten, dass der Vertreter mit Wissen des Dritten bewusst zum Nachteil des Vertretenen handelte oder sich der Missbrauch dem Dritten geradezu aufdrängen musste Dass einer Dienstnehmerin spätestens bei der Abschiedsfeier des Geschäftsführers bewusst gewesen wäre, dass dieser nicht mehr berechtigt war, einen Kündigungsverzicht für die Dienstgeberin abzugeben, bedarf entsprechender gerichtlicher Feststellungen Die Beweislast dafür trifft den Dienstgeber Ist ihm dieser Nachweis nicht gelungen, ist der vom (intern bereits abberufenen) Geschäftsführer schriftlich abgegebene Kündigungsverzicht rechtswirksam zustande gekommen. OGH , 9 ObA 61/16k OLG Wien , 10 Ra 94/15i-73 Schrank, AR-Neuerungen
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Kollektivvertragsauslegung: Schriftformbindung Kündigung –Foto über WhatsApp ausreichend? (1) LE-AS Nr.7, §§ 6, 7, 886 Abs. 1 Satz 1 ABGB, § 20 Abs. 1 AngG, § 15 Z. 2 KollV Zahnarztangestellte Die dem normativen Teil eines Kollektivvertrags angehörenden Bestimmungen sind nach den Regeln für Gesetze (§§ 6, 7 ABGB) auszulegen, und zwar nach ihrem objektiven Inhalt. 2. Maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann. 3. Im Zweifel ist zu unterstellen, dass die Vertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirt-schaftlichen Interessen herbeiführen und da-her eine Ungleichbehandlung vermeiden wollten. 4. Bei Übernahme gesetzlicher Begriffe durch einen Kollektivvertrag kann im Zweifel davon ausgegangen werden, dass der KollV diese Begriffe im gleichen Sinne verwendet wie das Gesetz. 5. § 886 Satz 1 ABGB, wonach ein Vertrag, für den Gesetz oder Parteiwille Schriftlichkeit be-stimmt, durch Unterschrift der Parteien zustande kommt, ist auch auf einseitige Erklärungen anzuwenden. 6. Ein in einem Kollektivvertrag zur Beendigung normiertes Formgebot ist nicht bloß eine Ordnungsvorschrift, sondern Wirksamkeitsvoraussetzung. 7. Das Gesetz versteht Schriftlichkeit in § 886 ABGB als „Unterschriftlichkeit“, die durch eigen-händige Unterfertigung unter den Text hergestellt wird. 8. Das Erfordernis der Schriftform soll allgemein gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuver-lässig entnommen werden können. 9. Die unterschiedlichen Formgebote sind nach ihrem jeweiligen Zweck zu untersuchen Im Einzelfall ist zu prüfen, ob ein Schriftformgebot nach seinem Formzweck eingehalten ist, wenn das eigenhändig unterfertigte Schriftstück unter Einsatz elektronischer Medien übermittelt wird. Schrank, AR-Neuerungen
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Kollektivvertragsauslegung: Schriftformbindung bei Kündigung – Foto über WhatsApp ausreichend? (2) LE-AS Nr.7, Der Zweck der Schriftform liegt im Übereilungsschutz und der Beweissicherung, aber auch darin, dass eine Erklärung in Bezug auf die Person des Erklärenden und den Inhalt besonders augenscheinlich gemacht wird. 12. Gerade die besondere Bedeutung eines das Arbeitsverhältnis beendenden Kündigungs-schreibens für den Empfänger ist wesentlicher Zweck des in § 15 Z 2 KV bei sonstiger Rechtsunwirksam-keit festgelegten Schriftlichkeitsgebots. 13. Der Empfänger soll durch die Schriftlichkeit ein Dokument über die Kündigung durch den anderen Vertragsteil zum Verbleib bei ihm erhalten, damit er es überprüfen kann Die Schriftform einer Kündigung soll verhindern, dass über deren Existenz und die Beendi-gung des Arbeitsverhältnisses Ungewissheit oder Streit besteht (Beweisfunktion) Berücksichtigt man, dass die Kollektivvertragsparteien mit § 15 Z 2 KV eine zweckentspre-chende und praktisch durchführbare Regelung treffen wollten, dann muss davon ausgegangen werden, dass sie bei Festlegung der Formvorschrift der Schriftlichkeit für Kündigungen auch die verschiedenen (und auch damals üblichen) Zugangsmöglichkeiten im Blick gehabt haben. 16. Ein über „WhatsApp“ übermitteltes Foto des Kündigungsschreibens erfüllt diese Zwecke schon deshalb nicht, weil es für den Empfänger der Nachricht ohne weitere Ausstattungen und technisches Wissen nicht möglich ist, es vom Smartphone auszudrucken Der Formzweck der Schriftlichkeit liegt wesentlich im Bedürfnis des Empfängers, das Kündi-gungsschreiben physisch in Händen zu haben. 18. Ein vom schriftlichen (unterfertigten) Kündigungsschreiben erstelltes und über „WhatsApp“ an den Arbeitsvertragspartner übermitteltes Foto desselben erfüllt das in § 15 Z 2 des KV normierte Schriftformgebot für Kündigungen nicht. OGH , 9 ObA 110/15i OLG Graz , 7 Ra 36/15s-14, LG Graz , 36 Cga 8/15x-10 Schrank, AR-Neuerungen
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Sozialwidrigkeitsanfechtung: Wesentliche Interessenbeein- trächtigung – Nichterlangung neuer Stelle in Prognosezeit? LE-AS Nr.32, § 105 Abs. 3 Z. 2 ArbVG Beweisthema eines bei Sozialwidrigkeitsanfechtung zur Frage der Beeinträchtigung wesentlicher Interessen eingeholten Sachverständigengutachtens zur Postensuchdauer ist nicht das Faktum einer neuen Anstellung, sondern ob im Kündigungszeitpunkt objektive Faktoren vorlagen, die im Rahmen einer Prognose eine Beeinträchtigung wesentlicher Interessen des Arbeitnehmers vorhersehbar machten Ob ein Sachverständigengutachten die getroffene Feststellung rechtfertigt, gehört zur Beweiswürdigung und ist daher nicht revisibel Findet der Gekündigte trotz der prognostizierten Postensuchdauer (hier von ca. sechs Monaten) bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keinen neuen Arbeitsplatz, so ändert dies nichts daran, dass im Kündigungszeitpunkt keine objektiven Faktoren vorlagen, die im Rahmen der erforderlichen Prognose eine Beeinträchtigung wesentlicher Interessen vorhersehbar machten. OGH , 9 ObA 85/15p OLG Wien , 7 Ra 17/15v-28 Schrank, AR-Neuerungen
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Sozialwidrigkeitsanfechtung: Wesentliche Interessen- beeinträchtigung – Abfertigung und Urlaubsersatzleistung Einkommensäquivalent? LE-AS Nr.24, § 105 Abs. 3 Z 2 zweiter Satz ArbVG, § 4 Abs. 2 APG, §§ 23, 23a AngG, § 10 UrlG Bei Erreichen des Regelpensionsalters und Anspruch auf Regelpension ist zwar bei der Prüfung der Interessenbeeinträchtigung ein strenger Maßstab anzulegen, jedoch ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die mit jeder Pensionierung verbundenen Einkommenseinbußen toleriert und eine Kündigung bei Erreichen des Regelpensionsalters für den Arbeitnehmer nicht unvorhersehbar ist Wer rund zehn Jahre bei vollen Bezügen von zuletzt EUR brutto (14mal jährlich) dienstfrei gestellt ist, muss damit rechnen, zum frühesten für eine Pension in Betracht kommenden Zeitpunkt gekündigt zu werden; er kann seine finanzielle Lebensplanung auf diese Situation einstellen Abfertigung und Urlaubsersatzleistung ermöglichen als Einkommensäquivalent auch die Überbrückung überschaubar dienstvertragsloser Zeiten (im Anlassfall 7,5 Monate) bis zum Anfall der Korridorpension und Betriebspension Kann der Gekündigte mit einem laufenden monatlichen Nettoeinkommen aus Korridorpension und Betriebspension von rund EUR seine laufenden (sozial gehobeneren) Lebenshaltungskosten für sich und seine berufstätige, rund EUR netto monatlich verdienende Gattin bestreiten, treffen ihn keine weiteren gesetzlichen Sorgepflichten oder sonstigen finanziellen Verbindlichkeiten, verfügt er über weitere Liegenschaften sowie Barvermögen von rund EUR aus Ersparnissen und der Abfertigung, liegt vertretbar keine wesentliche Interessenbeeinträchtigung vor. OGH , 8 ObA 46/16x OLG Wien , 10 Ra 114/15f-36 Schrank, AR-Neuerungen
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Wesentliche Interessenbeeinträchtigung: Konkreter, nicht hypothetischer Einkommensvergleich bei Überlassungen LE-AS Nr.23, § 105 Abs. 3 Z 2 ArbVG, § 10 Abs. 1 Satz 3 AÜG, Abschnitt IX Punkt 6 KVAÜ Beim Anfechtungsgrund ist auf den Zeitpunkt der durch die Kündigung herbeigeführten Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Konkretisierungszeitpunkt) abzustellen. Ausgehend von diesem Zeitpunkt ist zunächst zu prüfen, ob die Kündigung wesentliche Interessen beeinträchtigt Eine Kündigung kann nur dann erfolgreich wegen Sozialwidrigkeit angefochten werden, wenn sie eine fühlbare, ins Gewicht fallende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des AN zur Folge hat Die soziale Rechtfertigung der Kündigung ist ausschließlich im Wege eines Vergleichs der individuellen Situation des Arbeitnehmers vor und nach der Kündigung zu prüfen Bei dem vom überlassenen AN während der Arbeitskräfteüberlassung bezogenen Lohn handelt es sich nicht um ein „zufällig“ erzieltes, sondern vielmehr um das gesetzlich und kollektivvertraglich dem AN in der Zeit der Überlassung tatsächlich zustehende Entgelt Das Argument, der überlassene AN hätte im Zuge der Verleihung an einen neuen Beschäftiger unter Umständen einen niedrigeren Lohn als bisher erhalten, ist rein hypothetisch und berücksichtigt nicht die konkrete beim AN durch die Kündigung tatsächlich eingetretene finanzielle Schlechterstellung Der Beurteilung der wesentlichen Interessenbeeinträchtigung ist die konkret eingetretene wirtschaft- liche Schlechterstellung zugrunde zu legen, kein fiktives, vom AN nicht erzieltes niedrigeres Einkommen Nach Abschnitt IX Punkt 6 KVAÜ hat der AN in der überlassungsfreien Zeit Anspruch auf Bezahlung von täglich 7,7 Stunden des Durchschnittsentgelts der letzten 13 Wochen; dieses Entgelt spiegelt wiederum das vom AN im Zuge seiner Überlassung bezogene Durchschnittsentgelt wieder Diese Regelung soll sicherstellen, dass das Einkommensniveau während der Stehzeit gegenüber dem vorangegangenen Einsatz nicht absinkt Beim Argument, der überlassene AN hätte bei einem neuen Beschäftiger unter Umständen einen niedri- geren Lohn als bisher erhalten, geht es nicht um ein schwankendes Einkommen, sondern um den untaugli- chen Versuch, bei der Sozialwidrigkeit nicht auf das tatsächlich erzielte Entgelt, sondern lediglich auf ein hypothetisches Entgelt abzustellen. OGH , 9 ObA 24/16v OLG Wien , 10 Ra 100/15x-35 Schrank, AR-Neuerungen
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Allgemeiner Kündigungsschutz: Personenbedingte Gründe partielle Dienstunfähigkeit, Ablehnung einer angebotenen Alternativbeschäftigung? LE-AS Nr.22 § 105 Abs. 3 Z 2 lit. a ArbVG, §§ 4 Abs. 2, 42 Abs. 2 Z 2 Wr VBO 1995, § 1157 ABGB, § 18 AngG Bei der Kündigung wegen partieller Dienstunfähigkeit ist nach der VBO ausschließlich zu beurteilen, ob der Dienstge-ber seiner Fürsorgepflicht entsprochen hat. 2. Ist der Dienstnehmer für die vereinbarte berufsmäßige Tätig-keit als Buslenker medizinisch nicht mehr geeignet und stimmt er der ihm vom Dienstgeber angebotenen (dauerhaf-ten) alternativen Verwendung (im Anlassfall) als Bürohelfer nicht zu, kann dem Dienstgeber keine Verletzung der Fürsor- gepflicht angelastet werden Vielmehr hat sich der Dienstgeber in ausreichendem Maß um alternative Beschäftigungsmöglichkeiten bemüht und eine (zumutbare) Ersatzarbeit angeboten. 4. Die „partielle“ Dienstunfähigkeit ist nicht etwa zeitlich, son-dern in Bezug auf die nach dem Gesundheitszustand noch ausübbaren Tätigkeiten, also in Bezug auf sein Leistungskal-kül zu verstehen. 5. Für die Beurteilung, ob der Dienstnehmer zur Erfüllung sei-ner Dienstpflichten gesundheitlich ungeeignet war, ist der Kündigungszeitpunkt maßgebend Kann sich der Dienstnehmer nach den gerichtlichen Feststel-lungen auch nicht auf eine günstige Zukunftsprognose im Sinn einer künftigen Verbesserung der gesundheitlichen Si-tuation berufen, liegt der Kündigungsgrund nach § 42 Abs. 2 Z 2 Wr VBO 1995 vor. OGH , 8 ObA 35/16d OLG Wien , 8 Ra 107/15m-70Nr.22, Schrank, AR-Neuerungen
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Betriebliche Kündigungsgründe und soziale Gestaltungspflicht Nichtanbot ausgeschriebener Stelllen? LE-AS Nr.22, § 105 Abs. 3 Z. 2 lit. b ArbVG Bei Vorliegen objektiver Rechtfertigungsgründe (hier: Rationalisierungs- bzw. Einsparungsmaßnahmen) ist zu fragen, ob der Arbeitgeber seiner sozialen Gestaltungspflicht nachgekommen ist; die objektiv betriebsbedingte Kündigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie als letztes Mittel eingesetzt wird Kann der Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden, so ist ihm dieser Arbeitsplatz vor Ausspruch der Kündigung anzubieten Unterlässt der Arbeitgeber dieses Anbot, so ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt Ob der AG seiner sozialen Gestaltungspflicht nachgekommen ist, ist eine Frage des Einzelfalls Die Bewertung als Verstoß des Arbeitgebers gegen seine soziale Gestaltungspflicht ist nicht zu beanstanden, wenn die Arbeitgeberin nicht nur Stellen eingespart, sondern auch Arbeitsplätze ausgeschrieben und der Arbeitnehmerin auch keinen Arbeitsplatz angeboten hat Dass sich die AN um die neuen Arbeitsplätze bewerben konnte, vermag daran nichts zu ändern, wenn durch Einschulung nicht behebbare fachliche Defizite der Arbeitnehmerin, die ihre Verwendung auf einem der möglichen Arbeitsplätze verhindert hätten, nicht feststellbar waren. OGH , 8 ObA 81/15t OLG Wien , 7 Ra 11/15m-46 Schrank, AR-Neuerungen
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Väter-Bestandschutz: Klage des Arbeitgebers im Wohnsitzstaat - Internationale Zuständigkeit (1) LE-AS Nr.11, Art. 18 bis 21 EuGVVO (VO 44/2001/EG) bzw. EuGVVO (VO 1215/2012/EU) §§ 8f, 7 Abs. 3 VKG iVm 12 MSchG, § 105 ArbVG Die Art. 18 bis 21 EuGVVO schaffen ein abschließendes Zuständigkeitsregime für Streitigkeiten um und aus einem Individualarbeitsvertrag Bei den arbeitsvertraglichen Ansprüchen handelt es sich um solche aus einem lebenden oder aus einem bereits aufgelösten Arbeitsvertrag Arbeitsvertraglich ist zudem der gesamte Kündigungsschutz Das Gleiche gilt für Streitigkeiten über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses Den Gegenbegriff zum Individualarbeitsvertrag bilden echte kollektivarbeitsrechtliche Streitigkeiten zwischen den Tarifvertragsparteien oder Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretungen aus dem Betriebsverfassungsrecht In 9 ObA 144/08d wurde ausgesprochen, dass individuelle Ansprüche, die sich aus dem kollektiven Arbeitsrecht ergeben, von Art. 18 bis 21 EuGVVO erfasst werden Dies gilt für die Kündigungsanfechtung nach § 105 ArbVG. Der allgemeine Kündigungsschutz fällt jedenfalls unter die Zuständigkeitstatbestände der Art. 18 bis 21 EuGVVO Eine grundlegende zuständigkeitsrechtliche Unterscheidung zwischen allgemeinem und besonderem Kündigungsschutz würde dem Schutzgedanken der unionsrechtlichen Zuständigkeitsbestimmungen nicht gerecht. Schrank, AR-Neuerungen
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Väter-Bestandschutz: Klage des Arbeitgebers im Wohnsitzstaat - internationale Zuständigkeit (2) LE-AS Nr.11, Auch der Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder und generell der besondere Kündigungs- schutz sind von diesen Zuständigkeitsbestimmungen der EuGVVO erfasst Streitigkeiten über die Auflösung des Dienstverhältnisses sind auch iZm einem Feststellungs- begehren von den Art. 18 bis 21 EuGVVO erfasst Bei einem Zustimmungsverfahren zur Entlassung steht die individualarbeitsrechliche Komponente im Vordergrund, weil der Streit zwischen den Parteien des Arbeitsvertrags zu führen ist Auch eine Klage des Arbeitgebers auf gerichtliche Zustimmung zur Auflösung des Arbeitsverhält- nisses ist von Art. 20 EuGVVO erfasst Im Ergebnis fällt eine Klage auf gerichtliche Zustimmung zur Kündigung oder Entlassung im Rahmen des besonderen Kündigungs- oder Entlassungsschutzes, so wie eine Anfechtungsklage im Rahmen des allgemeinen Kündigungsschutzes, unter die besonderen arbeitsvertraglichen Zuständigkeitstatbestände der Art. 18 bis 21 EuGVVO Der klagenden Arbeitgeberin steht gemäß Art. 20 Abs. 1 EuGVVO nur die internationale Zuständigkeit im Wohnsitzstaat des beklagten Arbeitnehmers zur Verfügung. OGH , 8 ObA 41/15k OLG Linz , 12 Ra 29/15v-9 LG Linz , 31 Cga 49/14h-6 Schrank, AR-Neuerungen
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Besonderer Väter-Kündigungsschutz: Dienstkleidung – rosafarbenes Haarband städt. Linien-Busfahrer? LE-AS Nr.1, §§ 16, 17 ABGB, Art. 8 EMRK 1. Mit einer Einzelweisung, im städtischen Linien-Fahrdienst kein rosafarbenes Haarband zu tragen, wird in die Persönlichkeitsrechte des Fahrers nach § 16 ABGB und Art. 8 EMRK, sein persönliches Erschein-ungsbild nach eigenem Ermessen festzulegen, eingegriffen. 2. Die Argumente zur betrieblichen Erforderlichkeit lassen ein Überwiegen der betrieblichen Interessen gegenüber den beeinträchtigten Persönlichkeitsrechten nicht erkennen Weshalb sollten Fahrgäste an der Professionalität und Seriosität eines im öffentlichen Verkehr tätigen Buslenkers zweifeln, nur weil dieser ein farblich auffallendes Haarband trägt? 4. Das berechtigte Interesse an einem möglichst einheitlichen äußeren Erscheinungsbild der Fahrdienst-Mitarbeiter wird ohnehin durch die vorgegebenen Bekleidungsvorschriften (Uniform) gewährleistet; ebenso den Sicherheitsaspekten, wonach im Gefahrenfall der Fahrer erkennbar sein soll. Eine relevante Steigerung der Sicherheit durch Tragen eines dezenterfarbigen Haarbandes ist nicht hervorgekommen. 6. Die Vorstellungen von der „angemessenen Bekleidung“ und Ausstattung einzelner Berufsgruppen und damit dem Erscheinungsbild nach außen unterliegen naturgemäß dem Wandel der Zeit und sind selbst zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht in allen Bevölkerungsschichten gleich. Allgemein gültige Aussagen, die über den Einzelfall hinaus von Bedeutung sind, sind daher kaum möglich Fest steht aber, dass der Eingriff des Arbeitgebers in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers sehr gute Gründe braucht, um gerechtfertigt zu sein. Liegen diese – wie im Anlassfall – nicht vor, hat der Arbeitnehmer durch seine Weigerung keine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. 8. Ist die Weisung, das Haarband abzunehmen, nicht berechtigt, kann auch die „beharrliche“ Weigerung, dieser nicht berechtigten Weisung zu folgen, einem Zustimmungsbegehren nicht zum Erfolg verhelfen. 9. Auch eine – allenfalls „äußerst provokative“ – Weigerung mit den Worten „Sicher net!“ stellt für sich keinen Grund iSd § 10 Abs. 4 MSchG dar, der Kündigung eines Väterteilzeitgeschützten zuzustimmen. 10. Auf eine etwaige Diskriminierung z.B. wegen des Geschlechts ist daher nicht einzugehen. OGH , 9 ObA 82/15x Schrank, AR-Neuerungen
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Entlassungsgründe: Beweislast des AG Nachschieben von Gründen? LE-AS Nr.3, §§ 25, 27 AngG Für die Rechtfertigung einer Entlassung genügt es, wenn nur im Prozess ein die Entlassung rechtfertigender, im Zeitpunkt der Entlassung vorliegender und nachträglich nicht untergegangener Entlassungsgrund nachgewiesen wird Wird ein derart „nachgeschobener“ Entlassungsgrund erwiesen, ist die Entlassung selbst dann berechtigt, wenn sie durch die bei ihrem Ausspruch genannten Gründe nicht gerechtfertigt werden könnte Für alle für den Untergang des Entlassungsrechts maßgeblichen Umstände – auch für die Verspätung – ist der Arbeitnehmer behauptungs- und beweispflichtig. OGH , 9 ObA 160/15t OLG Wien , 7 Ra 49/15z-153 Schrank, AR-Neuerungen
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Entlassungsgrund Vertrauensunwürdigkeit? Filialleiterin übermittelt der Zentrale unvollständige und von ihr für diese unterschriebene DN-Arbeitszeitaufzeichnungen LE-AS Nr.108, § 27 Z.1 dritter Fall AngG, § 26 Abs. 1 AZG Übermittelt eine Filialleiterin der Zentrale Zeitaufzeichnungen bezüglich einer Mitarbeiterin weisungs- widrig nicht vollständig ausgefüllt (kein Eintrag der Pflegefreistellung der Mitarbeiterin) und hatte sie diese Aufzeichnungen entgegen der formularmäßigen Vorgabe ohne Kenntnis der Mitarbeiterin auch für diese unterschrieben, begründet dies den Entlassungsgrund dienstlicher Vertrauensunwürdigkeit Die Unterzeichnung des Zeiterfassungsblatts für die Mitarbeiterin – wie auch für sich selbst – lediglich mit den Vornamen ändert nichts am der Arbeitgeberin dadurch fälschlich vermittelten Eindruck, dass die Datenaufzeichnung und -übermittlung vom Wissen und Wollen der Mitarbeiterin getragen war, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall war Gründe dafür, warum die Lohnverrechnung die Echtheit und Richtigkeit der ihr übermittelten Daten ohne weiteren Anlass nachzuprüfen gehabt hätte, sind hier nicht ersichtlich, zumal die gewählte Vorgangsweise das Entdecken fehlerhafter Arbeitsaufzeichnungen erschwert Bestehen keine Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit, ändert es an der Vertrauens-unwürdigkeit der Filialleiterin nichts, dass die Aufzeichnungen nachträglich hätten korrigiert werden können Ein solches Verhalten birgt die Gefahr ungewollter Lohnverkürzungen und für den Fall eines arbeits- rechtlichen Streits die Gefahr eines unrichtigen Beweismittels in sich Dass die Filialleiterstellvertreterin die Aufzeichnungen vor Versendung an die Zentrale auf ihre Richtig- keit zu prüfen und entsprechende Änderungen vorzunehmen gehabt hätte, entlastet die Filialleiterin nicht, wenn die Aufzeichnungen für die Stellvertreterin keinen ersichtlichen Anlass zu Nachprüfungen boten. OGH , 9 ObA 148/15b OLG Graz , 7 Ra 29/15m-40 Schrank, AR-Neuerungen
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Verstoß gegen Alkoholverbot nach einmaliger Ermahnung (Alkoholkonsum in Lokal in Dienstkleidung und Dienstzeit)? LE-AS Nr.49, § 45 Abs. 2 Z 2 und 4 VBO Wird ein Vertragsbediensteter nach Abschluss der Tagesarbeit jedoch vor Ende der Dienstzeit in Dienstkleidung mit Kollegen in einem Lokal beim Konsum von Alkohol mit 0,98 Promille angetroffen, nachdem er bereits einmal nach dem Konsum von Alkohol ermahnt, deswegen der Straßenreinigung zugewiesen und darauf hingewiesen wurde, dass er mit der Auflösung des Dienstverhältnisses zu rechnen habe, falls er das Alkoholverbot nicht einhalte, ist seine Entlassung gerechtfertigt erfolgt Auf eine von den Mitarbeitern „anders gelebte und von der Dienstgeberin akzeptierte Praxis“ in Bezug auf das Alkoholverbot, welches per Dienstanweisung und mit Broschüren kommuniziert wird, kann sich der Arbeitnehmer nicht berufen, wenn die Dienstgeberin bereits mit ihrer Ermahnung deutlich zum Ausdruck gebracht hatte, Alkoholkonsum gerade nicht dulden zu wollen. OGH , 9 ObA 1/16m OLG Wien , 8 Ra 60/15z-17 Schrank, AR-Neuerungen
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Beschimpfungen, Anspucken, heftiger Stoß gegen Rücken eines Arbeitskollegen LE-AS Nr.24, § 82 lit. g GewO 1859, § 45 Abs. 2 Z. 2 VBO Selbst wenn der Dienstgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht verhalten gewesen wäre, Maßnahmen gegen das ihm bekannte Spannungsverhältnis des Arbeitnehmers zu seinem Kollegen zu setzen, wären Beschimpfungen und Tätlichkeiten im hier vorliegenden Ausmaß (massive Beschimp-fungen, Anspucken, von hinten einen heftigen Stoß gegen den Rücken Versetzen) nicht zu rechtfertigen Dass ein Arbeitnehmer vor dem Ausspruch der Entlassung der Ernst der Lage bewusst gemacht werden müsste, ist nicht erforderlich, wenn die Verletzung der Verpflichtungen offensichtlich ist. OGH , 9 ObA 55/16b OLG Wien , 10 Ra 96/15h-28 Schrank, AR-Neuerungen
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Erhebliche Ehrverletzungen? LE-AS Nr.24, § 27 Z 6 AngG, §§ 2 Abs. 1, 68 K-GVBG, 72 K-GVBG Ob eine Äußerung als erhebliche Ehrverletzung zu qualifizieren ist, hängt immer von Umständen des Einzelfalls ab Es kommt darauf an, ob die Äußerung objektiv geeignet ist, ehrverletzend zu wirken und in concreto auch diese Wirkung gehabt hat In der Beurteilung der Äußerungen des Vertragsbediensteten gegenüber seinem Vorgesetzten (diesem sei „anscheinend die Ernennung zum Amtsleiter bereits in jungen Jahren etwas zu Kopf gestiegen“) sowie einer Gemeindebediensteten (sie solle „die Pappn halten“, sie sei ein „Nichts“, er werde ihr „einen Fußspitz anreiben“) als erhebliche Ehrverletzungen liegt kein Rechtsirrtum. OGH , 8 ObA 96/15y OLG Graz , 7 Ra 39/15g-32 Schrank, AR-Neuerungen
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Vertrauensunwürdigkeit/Ehrverletzung: Langj. Prokurist – Unternehmen werde mit der GF „an die Wand gefahren“? LE-AS Nr.109, § 27 Z. 1 letzter Fall AngG, § 105 Abs. 3 Z 1 lit. i ArbVG Entscheidend ist, ob das Verhalten nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Kreise – also nicht nach dem subjektiven Empfinden des AG, sondern nach objektiven Grundsätzen – als so schwerwiegend angesehen werden muss, dass das Vertrauen des AG derart heftig erschüttert wird, dass ihm eine Fortsetzung des AV nicht mehr zugemutet werden kann Dieses Merkmal der Unzumutbarkeit ermöglicht die Abgrenzung zwischen einem in abstracto wichti- gen Entlassungsgrund und einem in concreto geringfügigen Sachverhalt Die Äußerung gegenüber einem ehemaligen Kollegen, wonach „das Unternehmen der Dienstgeberin in Kombination mit der Geschäftsführerin an die Wand gefahren“ werde, stellt die unternehmerischen Fähig- keiten der Geschäftsführerin in Frage und ist zweifellos herabsetzend Aufgrund seiner hierarchischen Stellung im Unternehmen ist von einem Prokuristen gegenüber Dritten ein loyales Verhalten zur Geschäftsleitung zu erwarten Ist kein Grund ersichtlich, weshalb dem Prokuristen bei seiner Äußerung gegenüber dem bei einem wichtigen Kunden beschäftigten ehemaligen Arbeitskollegen an der Gefährdung der Geschäftsbeziehung zu diesem Kunden gelegen sein sollte, hatte er doch selbst durch seinen Anspruch auf Bilanzgeld Anteil am Erfolg des Unternehmens, liegt Untreue nach der Lage des Falls nicht vor Gab es vor dieser bloß einmaligen abfälligen Bemerkung bei 22-jähriger Beschäftigung keine auch nur einmalige Abmahnung wegen einer Pflichtwidrigkeit, mag dies zwar die Geschäftsführerin aus subjektiver Sicht betroffen gemacht haben, doch muss aus objektiver Sicht aufgrund dieser bloß einmaligen verbalen Entgleisung in einem Gespräch mit einem ehemaligen Arbeitskollegen noch nicht befürchtet werden, dass der Prokurist seinen arbeitsvertraglichen Pflichten in Hinkunft nicht mehr nachkommen werde, liegt auch dienstliche Vertrauensunwürdigkeit, welche die Fortsetzung des AV unzumutbar macht, nicht vor. OGH , 9 ObA 12/16d OLG Linz , 11 Ra 40/15d-33, LG Linz , 9 Cga 67/13t-28 Schrank, AR-Neuerungen
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Abfertigung Alt: Todfallsabfertigung – Wiederaufleben der Unterhaltspflicht (Notstandshilfebezug)? (1) LE-AS Nr.4, § 23 Abs. 6 AngG, § 2 Abs. 1 Satz 2 ArbAbfG, KV für Arbeiter der holzverarbeitenden Industrie § 293 Abs. 1 lit. a bb und b ASVG, §§ 33 Abs. 3, 36 Abs. 2 AlVG Die Abfertigung beträgt nur die Hälfte, wenn das Dienstverhältnis durch Tod aufgelöst wird; der Arbeiter-KollV holzverarbeitende Industrie erhöht den Anspruch auf 100 % Der Abfertigungsanspruch ist nicht Teil des Nachlasses, sondern gebührt nur den gesetzlichen Erben, zu deren Erhaltung der Erblasser gesetzlich verpflichtet war Der Anspruch des unterhaltsberechtigten gesetzlichen Erben auf die Todfallsabfertigung ist originärer Natur. Maßgeblich ist der Unterhaltsanspruch zum Todeszeitpunkt Keinen Anspruch haben z.B. Kinder, die beim Ableben ihres Vaters selbsterhaltungsfähig sind Der Unterhaltsanspruch des Kindes richtet sich nach § 140 ABGB (aF) bzw. § 231 ABGB idF KindNamRÄG Die elterliche Unterhaltspflicht entfällt grundsätzlich mit der Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes Selbsterhaltungsfähigkeit bedeutet die Fähigkeit zur eigenen angemessenen Bedarfsdeckung auch außerhalb des elterlichen Haushalts Selbsterhaltungsfähig ist ein Kind, wenn es die zur Deckung seines Unterhalts erforderlichen Mittel selbst erwirbt oder in zumutbarer Beschäftigung zu erwerben imstande ist Der Beurteilung sind die Lebensverhältnisse des Kindes wie auch der Eltern zugrunde zu legen Bei einfachen und durchschnittlichen Verhältnissen orientiert sich die Rsp an der sozialversicherungs- rechtlichen „Mindestpension“ (Ausgleichszulagenrichtsatz) Eine einmal eingetretene Selbsterhaltungsfähigkeit kann unabhängig vom Alter des Kindes aus unter- schiedlichsten Gründen – etwa infolge längerfristiger Unmöglichkeit der Berufsausübung wegen Krankheit, unverschuldeter Arbeitslosigkeit bei Fehlen ausreichender sozialer Absicherung – auch wieder wegfallen, wenn es außerstande ist, die Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts durch eigene Erwerbstätigkeit zu verdienen. Als Folge lebt die Unterhaltspflicht der Eltern wieder auf. Schrank, AR-Neuerungen
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Abfertigung Alt: Todfallsabfertigung – Wiederaufleben der Unterhaltspflicht (Notstandshilfebezug)? (2) LE-AS Nr.4, Eine bloße Einkommensminderung hat aber noch nicht den Verlust der Selbsterhaltungsfähigkeit und das Wiederaufleben der Unterhaltspflicht zur Folge Das selbsterhaltungsfähige erwachsene Kind verliert bei (unverschuldeter) Arbeitslosigkeit seine Selbsterhaltungsfähigkeit nur, wenn es aufgrund fehlender sozialer Absicherung seinen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten kann Die soziale Absicherung ist bei Langzeitarbeitslosigkeit jedenfalls gegeben, wenn es Arbeitslosen- geld bezieht, aber auch durch den Bezug der Notstandshilfe Ein selbsterhaltungsfähige Kind, das behauptet, die Selbsterhaltungsfähigkeit verloren zu haben, und ein Wiederaufleben der Unterhaltspflicht eines Elternteils geltend macht, ist für diese Umstände beweispflichtig Dieser Beweis ist nicht gelungen, wenn das Erstgericht zur Erwerbsunfähigkeit im Todeszeitpunkt des Vaters eine bindende negative Feststellung traf Ist das Kind im Übrigen zum Todeszeitpunkt, der in die Zeit seiner bloß vorübergehenden Arbeits- losigkeit fiel, durch die Notstandshilfe in der Lage, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und war es sowohl vor als auch danach wieder beschäftigt, war seine Selbsterhaltungsfähigkeit nicht weggefallen, sodass die Unterhaltspflicht nicht wieder auflebte Damit besteht kein Anspruch auf Todfallsabfertigung. OGH , 9 ObA 15/16w OLG Graz , 6 Ra 68/15i-40 Schrank, AR-Neuerungen
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Abfertigung Alt: Bemessungsgrundlage und hohe offene Üstd.-Zeitausgleiche – Auszahlungsvereinbarung 6 Monate von Ende schlüssiges Abgehen von ZA-Vereinbarung? LE-AS Nr.4, § 23 Abs. 1 AngG, § 10 AZG Nach (auch bloß) schlüssigem Abgehen von der grundsätzlichen Zeitausgleichsvereinbarung ist der Durchschnitt der im letzten vollen Jahr geleisteten Überstunden – nicht daher das gesamte im Naturaljahr des Ausscheidens ausbezahlte – Überstundenentgelt als regelmäßiger Verdienst in die Abfertigungsbe- messungsgrundlage einzurechnen Gelangten die in den letzten drei Jahren zur Bewältigung eines plötzlich gestiegenen Arbeitsaufwands erforderlichen zahlreichen Überstunden, für welche Abbau durch Zeitausgleich vereinbart war, praktisch von Anfang an nicht zur Verwirklichung (das Guthaben stieg trotz fallweisen ZA-Konsums stetig an, sodass vier Monate der verbleibenden Dienstzeit von 6 Monaten bis zum Pensionsausscheiden für den ZA benötigt worden wären), bedeutet die zu diesem Zeitpunkt getroffene Vereinbarung, den überwiegenden Teil des Überstundenguthabens trotz der theoretischen Verbrauchsmöglichkeit auszubezahlen, schlüssiges Abgehen von der Zeitausgleichsvereinbarung. OGH , 8 ObA 64/15t OLG Wien , 10 Ra 35/15p-15 ASG Wien , 1 Cga 68/14x-11 Schrank, AR-Neuerungen
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Abfertigung Neu: Beitragspflicht wiederholter DV unter 1 Monat beim selben AG innerhalb von 12 Monaten? (1) LE-AS Nr.5, §§ 6 Abs. 1 erster, zweiter und dritter Satz, 14 Abs. 1, 2, 3, 17 Abs. 1 BMSVG Der Anwartschaftsberechtigte hat bei Beendigung gegen die BV-Kasse Anspruch auf eine Abfertigung. Anspruch auf eine Verfügung über die Abfertigung besteht nicht bei Beendigung durch AN-Kündigung Die Verfügung über diese Abfertigung kann vom Anwartschaftsberechtigten erst bei Anspruch auf Ver- fügung über eine Abfertigung bei unschädlicher Beendigung eines oder mehrerer folgender AV verlangt werden Nach Beendigung kann er, ausgenommen in Fällen des § 14 Abs. 2 BMSVG, die Auszahlung der gesamten Abfertigung als Kapitalbetrag verlangen Gemäß § 6 Abs. 1 BMSVG hat der Arbeitgeber für den AN ab Beginn des AV einen laufenden Beitrag an den Krankenversicherungsträger zur Weiterleitung an die BV-Kasse zu überweisen, sofern das AV länger als einen Monat dauert (Satz 1), wobei der erste Monat jedenfalls beitragsfrei ist (Satz 2); wird innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten ab Ende eines AV mit demselben AG erneut ein AV geschlossen, setzt die Beitragspflicht mit dem ersten Tag dieses AV ein (Satz 3) § 6 Abs. 1 erster Satz legt als Grundregel fest, dass die Beitragspflicht grundsätzlich mit dem ersten Tag eintritt, allerdings nur, wenn das Arbeitsverhältnis länger als einen Monat dauert, wobei der erste Monat beitragsfrei ist (Satz 2) § 6 Abs. 1 dritter Satz BMSVG verdrängt als speziellere Regelung für ein innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten ab Ende eines AV mit demselben AG erneut abgeschlossenes AV diese Grundregel und bestimmt seinem klaren Wortlaut nach, dass für das Nachfolgearbeitsverhältnis die Beitragspflicht bereits mit dem ersten Tag des neu geschlossenen Nachfolge-AV entsteht. Schrank, AR-Neuerungen
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Abfertigung Neu: Beitragspflicht wiederholter DV unter 1 Monat beim selben AG innerhalb von 12 Monaten? (2) LE-AS Nr.5, Diese eindeutige gesetzliche Anordnung setzt weder für das Grundarbeitsverhältnis noch für das Nachfolgearbeitsverhältnis eine bestimmte Dauer voraus, stellt also weder auf ein beitragspflichtiges Grund- noch ein (für sich allein betrachtet) beitragspflichtiges Nachfolgearbeitsverhältnis ab Zusammengefasst ist § 6 Abs. 1 dritter Satz dahin auszulegen, dass in jenen Fällen, in denen innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten ab dem Ende mit demselben Arbeitgeber erneut ein Arbeitsverhältnis geschlossen wird, die Beitragspflicht bereits mit dem ersten Tag dieses Nachfolgearbeitsverhältnisses einsetzt, und zwar unabhängig von der Dauer des ersten Arbeitsverhältnisses und des Nachfolgedienstverhältnisses Bestand daher schon ab Beginn des zweiten (ebenfalls kürzer als ein Monat dauernden) Arbeitsverhält- nisses zwischen der Dienstnehmerin und derselben Dienstgeberin Beitragspflicht des Arbeitgebers zur BV- Kasse, kann der Dienstnehmer bei Beendigung dieses jetzigen Arbeitsverhältnisses durch Arbeitgeber- kündigung die Auszahlung der bis dahin „gesperrten“ Abfertigung aus dem früheren durch Selbstkün- digung beendeten, mehr als drei Einzahlungsjahre umfassenden Arbeitsverhältnis beanspruchen. OGH , 9 ObA 30/16a OLG Linz , 12 Ra 82/15p-12 LG Salzburg , 11 Cga 68/15h-8 Schrank, AR-Neuerungen
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Abfertigung Alt und Neu: Übertrittsvereinbarung in das BMSVG schon vor ? LE-AS Nr.5, §§ 46 Abs. 1, 47 Abs. 1, 2, 3 BMSVG Wie bei vor dem bestehenden Altverträgen konnte auch bei vor dem neu abgeschlos- senen Vertrag die Geltung des BMSVG ab wirksam vereinbart werden An der Wirksamkeit der Vereinbarung ändert auch eine fehlende vertragliche Regelung der Behandlung der bis erworbenen Anwartschaften auf die Abfertigung Alt (Einfrier- oder Übertragungs- variante) nichts, da § 47 Abs. 2 BMSVG ohnedies eine Regelung trifft Danach finden, wenn keine Übertragung der Altabfertigungsanwartschaft nach § 47 Abs. 3 vereinbart wird, schon von Gesetzes wegen auf die Altabfertigungsanwartschaft bis zum Stichtag weiterhin die Abfertigungsbestimmungen nach dem AngG mit der Maßgabe Anwendung, dass sich das Ausmaß der Abfertigung aus der Anzahl der zum Zeitpunkt des Stichtags fiktiv erworbenen Monatsentgelte ergibt Bei nur zweimonatiger Beschäftigung vor dem Stichtag hat der Dienstnehmer aber keine berücksichtigungswürdige Abfertigungsanwartschaft erworben Ob der Arbeitgeber seine Aufklärungspflicht erfüllt hat, ist als Frage des Einzelfalls keine erhebliche Rechtsfrage. OGH , 9 ObA 10/16k OLG Graz , 7 Ra 58/15a-18 LG für ZRS Graz , 24 Cga 152/14h-13 Schrank, AR-Neuerungen
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Unfallschutz: Wegunfälle – Arztbesuch im Krankenstand? LE-AS Nr.7, § 175 Abs. 2 Z. 2 ASVG Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit sind grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen Mit der Arbeitstätigkeit zeitlich zusammenhängende Arztwege sind in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen, sofern der Arztbesuch zuvor dem DG bekannt gegeben wurde Schutzvoraussetzung ist, dass der Arztweg in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Weg von oder zur Arbeitsstätte steht Ein Arztweg während eines Krankenstands erfolgt nicht im Zusammenhang mit einem Weg zum Arbeitsplatz und steht daher nicht unter Unfallversicherungsschutz. Das gilt selbst dann, wenn der Krankenstand durch einen Arbeitsunfall veranlasst wurde Auch ein Unfall, den ein Versicherter im Krankenstand auf einem Weg zur Behandlung einer bei einem Arbeitsunfall erlittenen Verletzung erleidet, ist nicht geschützt § 175 Abs. 2 Z 2 erster Fall ASVG setzt einen notwendigen Zusammenhang des Arztwegs mit der betrieblichen Tätigkeit voraus, weil Voraussetzung für den Versicherungsschutz auf derartigen Wegen die vorherige Meldung des Arztbesuchs am Arbeitsplatz ist Die Verständigung des DG vom beabsichtigten Arztbesuch hat den Zweck, den Versicherungsträger durch zeitlich im Vorhinein festgelegte Grenzen vor missbräuchlicher Inanspruchnahme zu schützen Eine planwidrige Gesetzeslücke liegt im Hinblick auf diese bewusste Entscheidung nicht vor Wird die ärztliche Untersuchungsstelle direkt von zu Hause aus aufgesucht, ist für den Unfallversiche- rungsschutz (weiterhin) erforderlich, dass der Arztweg im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Weg von oder zur Arbeitsstätte steht, was im Krankenstand nicht der Fall ist Dass die Maßnahme zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit zugleich der Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitskraft dient (um die versicherte Tätigkeit dann wieder ausüben zu können), führt nicht zum Versicherungsschutz. OGH , 10 ObS 131/15k OLG Wien , 10 Rs 51/15s-13 Schrank, AR-Neuerungen
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Unfallschutz: Wegunfälle – Sturz bei Einstieg durch das Fenster wegen abgebrochener Türschnalle? LE-AS Nr.6, § 175 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1ASVG Der Versicherungsschutz beginnt bzw. endet an der Außenfront des Wohnhauses, in der Regel am ins Freie führenden Haustor oder Garagentor. Er erstreckt sich nicht auf den häuslichen Bereich, weil der Versicherte für diese ihm bekannte Gefahrenquelle selbst verantwortlich ist Grund des Schutzes bei Wegunfällen ist, dass der Versicherte nicht vermeiden kann, sich typischen Weggefahren auszusetzen, will er seiner Erwerbstätigkeit nachgehen Für den Versicherungsschutz ist daher ein hinreichender sachlicher Zusammenhang zwischen der realisierten Unfallgefahr und dem Zurücklegen des Weges erforderlich Wird ein Unfall durch eine selbst geschaffene Gefahr herbeigeführt, fehlt der kausale Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit, wenn der Unfall auf einem völlig unvernünftigen oder unsinnigen Verhalten des Versicherten beruht und eine solche Gefährdung entstanden ist, dass die versicherte Tätigkeit nicht mehr wesentliche Unfallbedingung ist Grobe Fahrlässigkeit spricht nicht von vornherein gegen einen Arbeitsunfall. Der Unfall muss aber aus typischen Gefahren und Risiken eines Arbeitswegs resultieren Keine typische Weggefahr (und daher kein Arbeitsunfall) ist der Versuch, ein Haus über ein Fenster im ersten Stock durch eine Leiter zu betreten, auch wenn beim Unfall die Außentür des Wohnhauses noch nicht überschritten wurde Dabei handelt es sich auch nicht um die Fortsetzung des Arbeitsweges, sondern um Überwindung eines häuslichen Problems (nicht mögliches Öffnen des Haustores) Wer sich ohne jeden inneren Zusammenhang mit seiner geschützten Tätigkeit einer leicht erkennbaren Gefahr aussetzt und von dieser ereilt wird, kann nicht mit Leistungen der Versicherungsgemein-schaft rechnen. Insoweit muss nicht geprüft werden, ob ein unvernünftiges oder unsinniges Verhalten vorliegt. OGH , 10 ObS 86/15t OLG Graz , 6 Rs 35/15m-10, LG Graz , 9 Cgs 273/14p-6 Schrank, AR-Neuerungen
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