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Faust Vorlesung Sommersemester 2017:

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Präsentation zum Thema: "Faust Vorlesung Sommersemester 2017:"—  Präsentation transkript:

1 Faust Vorlesung Sommersemester 2017:
Geschichte der deutschen Literatur II: Goethezeit. Faust

2 „Die Welt muß romantisirt werden!“
Die Welt wird romantisiert: im Faust.

3 „Da kommen sie und fragen, welche Idee ich in meinem Faust zu verkörpern gesucht? – Als ob ich das selber wüsste und aussprechen könnte! – Vom Himmel durch die Welt zur Hölle, das wäre zur Not etwas; aber das ist keine Idee, sondern Gang der Handlung.“ (Zu Eckermann, 6. Mai 1827)

4 Faust II als story, nacherzählt von Hans Christian Andersen in Märchen und Geschichten, übs. von H.D. (Reclam Bibliothek)

5 Der Faust-Stoff vor und bei Goethe
(to make a long story short) Mündliche Sagen um Georg (Johann) Faust, um 1500 in Schwaben, angereichert durch Wandersagen über Teufelsbündner, bringen populäre Lesestoffe hervor, u. a. die Historia von D. Fausten (das „Volksbuch“) 1587, dessen englische Übersetzung um 1590 von Christopher Marlowe dramatisiert wird: The Tragicall History of D. Faustus (um 1600). Englische Wandertheater machen daraus u. a. in Deutschland drastische Jahrmarktsunterhaltung, aus der im 18. Jh. Puppenspiel-Versionen hervorgehen, mit denen auch der sechsjährige Goethe in Frankfurt spielt. Ab 1765 arbeitet er an einer Faust-Tragödie, deren Erster Teil 1808 erscheint; der Zweite Teil, an dem er wird bis kurz vor seinem Tod gearbeitet hat, wird erst posthum 1832 veröffentlicht.

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7 Erste Lektüre: das Drama als Thriller von Liebe und Mord
(mit Fantasy-Elementen) Wissenschaft und Magie. Lebenskrise bis zur Suizidbereitschaft. Offenes Ende, Ausblick auf den 2. Teil: „Heinrich! Heinrich!“ Goethe, Bühnenzeichnung zum 1.Akt

8 Ausbruchsversuch mit Hilfe Mephistos, dieses teuflischen Intellektuellen (Wieland-geschulter Weltmann: „Auch die Kultur, die alle Welt beleckt, / Hat auf den Teufel sich erstreckt; / Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen, / Wo siehst du Hörner, Schweif und Klauen?“); der „Pakt“ (aber worum genau geht es?) Sex (Hexenküche und Strumpfband), drugs (Verjüngungsmittel und Aphrodi-siaka: „Dich zu verjüngen, gibt’s auch ein natürlich Mittel … So muss denn doch die Hexe dran.“ „Du siehst, mit diesem Trank im Leibe, / Bald Helenen in jedem Weibe.“), more drugs (Auerbachs Keller), Rock‘n‘roll (Walpurgisnacht) –

9 Aber wer mordet da eigentlich?
und dann die Liebesgeschichte: „Gretchen“ – und mit ihr die Morde: Margaretes Mutter („Sie winkt nicht, sie nickt nicht, der Kopf ist ihr schwer, / Sie schlief so lange, sie wacht nicht mehr. / Sie schlief damit wir uns freuten. / Es waren glückliche Zeiten!“), Bruder („Ich glaub’ der Teufel ficht!“ – „Nun ist der Lümmel zahm!“), Kind („Mein Kind hab’ ich ertränkt. … Fort! Immer den Weg / Am Bach hinauf, / Über den Steg, / In den Wald hinein, / Links wo die Planke steht, / Im Teich. / Fass’ es nur gleich! … Es zappelt noch!“), am Ende sie selbst (nach den Akten des Frankfurter Prozesses um Susanna Margaretha! Brandt – angekündigt durch eine Horror-Vision). Im 2. Teil: Höflinge und Soldaten, die Arbeiterheere („Menschenopfer mussten bluten, / Nachts erscholl des Jammers Qual“), zuletzt noch Philemon und Baucis. Aber wer mordet da eigentlich?

10 Und worin bestand das Ausgangs-Problem eigentlich?
emotionale Krise: Fausts Midlife Crisis – aber Mephisto weiß Rat; kognitive Krise: Erkenntniswille und Erkenntnisgrenzen – Mephisto weiß fast nichts (anders als im Volksbuch!); psychische Disposition: Rastlosigkeit („werd’ ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch“) – Mephisto kann nichts ändern. ‚Rastlosigkeit‘ als Epochen-Signatur: Faust erkennt, dass er in lauter Filmen mitspielt, von denen er nicht weiß, welcher der richtige ist. Er will Regisseur werden und bleibt doch nur Akteur. Und ein Außerhalb der Filme gibt es nicht. Julius Heinrich Lips, Faust (nach Rembrandt)

11 Beispiel: das Religionsgespräch in „Marthes Garten“ – eine
Zweite Lektüre: das Drama als Darstellung und Durchspielen der epistemischen Krise einer Epoche Beispiel: das Religionsgespräch in „Marthes Garten“ – eine Engführung des Kontrastes von Gretchens und Fausts Weltsicht mit der Frage nach Selbst oder Fremdbestimmung, nach Autonomie und Heteronomie Peter Cornelius, Gretchen und Faust im Garten

12 Margarete: „wie hältst du’s mit der Religion?“
„Glaubst du an Gott?“ „man muss d’ran glauben.“ (Kirche, Sakramente, Messe, Beichte) Faust: „Wer darf ihn nennen? / Und wer bekennen: / ‚Ich glaub ihn!‘? / Wer empfinden, / Und sich unterwinden / Zu sagen: ‚Ich glaub ihn nicht!‘? / Der Allumfasser, / Der Allerhalter … webt in ewigem Geheimnis … Gefühl ist alles; / Name ist Schall und Rauch, / Umnebelnd Himmelsglut.“ Margarete: „Das ist alles recht schön und gut; / Ungefähr sagt das der Pfarrer auch, / Nur mit ein bisschen andern Worten.“ – „Denn du hast kein Christentum.“ Faust: „Lieb’s Kind!“

13 Vom Thema zum pragmatischen Kontext:
Margarete: „Der Mensch, den du da bei dir hast, Ist mir in tiefer innrer Seele verhaßt; … Aber wie ich mich sehne, dich zu schauen, Hab ich vor dem Menschen ein heimlich Grauen,… Gott verzeih mir's, wenn ich ihm unrecht tu! … Es steht ihm an der Stirn geschrieben, Daß er nicht mag eine Seele lieben. Mir wird‘s so wohl in deinem Arm, So frei, so hingegeben warm, Und seine Gegenwart schnürt mir das Innre zu … Auch, wenn er da ist, könnt ich nimmer beten …“ Faust: „Du ahnungsvoller Engel du!“

14 Und vom Gespräch zur Tat:
Faust: Hier ist das Fläschchen! Drei Tropfen nur In ihren Trank umhüllen Mit tiefem Schlaf gefällig die Natur. Margarete: Es wird ihr hoffentlich nicht schaden! Faust: Würd’ ich sonst, Liebchen, es dir raten? Faust (zu Mephisto): diese liebe treue Seele Von ihrem Glauben voll … Du Ungeheuer … Spottgeburt von Dreck und Feuer Autonomie? – Teufels Werk und Faustens Beitrag.

15 Faust (versus Gretchen) als aufgeklärter Stürmer-und-Dränger,
als vernünftiger Deist, als Anhänger einer Vernunft- und Gefühlsreligion, ohne inhaltlich spezifizierte Moralvorschriften, als sich autonom setzendes Subjekt, das den Teufel als Instrument gebrauchen will und vom Teufel gebraucht wird: Autonomiewille führt in die Heteronomie Fausts, nicht Gretchens „Tragödie“. Faust als Person im epochalen Spannungsfeld – zwischen den Weltansichten, zwischen den Lebensentwürfen.

16 Flucht durch Welten vs. kleine Welt:
Fausts ‚Selbstanalyse‘ Bin ich der Flüchtling nicht? der Unbehauste? Der Unmensch ohne Zweck und Ruh, Der wie ein Wassersturz von Fels zu Felsen brauste, Begierig wütend nach dem Abgrund zu? Und seitwärts sie, mit kindlich dumpfen Sinnen, Im Hüttchen auf dem kleinen Alpenfeld, Und all ihr häusliches Beginnen Umfangen in der kleinen Welt. Und ich, der Gottverhasste, Hatte nicht genug, Dass ich die Felsen fasste Und sie zu Trümmern schlug! Sie, ihren Frieden musst ich untergraben! Du, Hölle, musstest dieses Opfer haben.

17 Doppelte Codierung der Kerkerszene: religiös
Faust lebt in mehreren Welten. Gretchen lebt in einer Welt. Faust ist viele, und Gretchen ist eine. Doppelte Codierung der Kerkerszene: religiös („Du, Hölle, musstest dieses Opfer haben“ – „Gericht Gottes! dir hab ich mich übergeben!“) epistemisch („meine Ruh ist hin“ – und wiedergefunden; das Gefallene Mädchen als Hl. Margarete): „Sie ist gerichtet / gerettet“.

18 Wie stellt Goethe diesen
Konflikt zwischen Welten dramentechnisch dar, wie bringt er ihn auf dem Theater zur Anschauung? Indem er die Pluralisierung der Weltansichten als eine Pluralisierung der theatralen Ausdrucksformen inszeniert. (Vom Rockkonzert zum Streichquartett.)

19 mittelalterliches Mysterien-Spiel (Osterspiel, Weltgerichtsspiel)
Morality Play (Domszene) barockes Welttheater (Prolog im Himmel und Ende des 2. Teils) barocke Allegorien (Mummenschanz) barockes Staatsdrama (2. Teil, 4. Akt) Commedia dell’arte (Vorspiel auf dem Theater) Bürgerliches Trauerspiel (die „Gretchentragödie“) Sturm-und-Drang-Drama („Fetzenszenen“) Ballette und Maskenzüge (Osterspaziergang als Panorama der Stände und Schäfertanz; Mummenschanz; Klassische Walpurgisnacht) Gerichtsverhandlung (die Akten des Frankfurter Prozesses um Susanna Margaretha Brandt als Quelle!) satirisches Kabarett (Auerbachs Keller, Marthe, Walpurgisnacht) Volksballade („Nacht. Offen Feld“) Summa metrica: Sturm-und-Drang-Prosa / frühneuzeitliche Knittelverse / ‚moderne‘ Blank- und Madrigalverse / ‚barocke‘ Alexandrinerverse / Terzinen wie bei Dante / jambische Trimeter wie in der griechischen Tragödie / diverse Liedformen usf.

20 → Naturwissenschaftliche und naturphilosophische Modelle
Faust als frühneuzeitlicher Alchimist, Magier, Naturphilosoph Wagner als fortgeschrittener Alchimist im 2. Teil (Homunculus) Hexenküche und schwarze Magie der „Erdgeist“ Farbenlehre (Fausts Monolog zu Beginn des 2. Teils) Vulkanismus und Neptunismus (im 2. Teil) Theologie, Geographie, Witterungslehre am Schluss des Dramas:

21 Die „Bergschluchten“-Szene ganz am Ende: Fausts Himmelfahrt…
in religiösen Hierarchien: Einsiedler, heilige Büßer – darunter Gretchen –, Engel, Maria als Himmelskönigin in geographischen Ordnungen: Landschaftsformen („Waldrand“, „Wasserstrom“, „Felsen“) und -Ordnung („Tiefe Region, „Mittlere Region“, „die höchsten Gipfel“, „in der höhern Atmosphäre“)

22 3. in meteorologischen Ordnungen: „Himmel“ und Himmel („Wolkengewande“ „Morgenwölkchen“, „nebelnd“, „Die Wölkchen werden klar … Los von der Erde Druck“, „Löset die Flocken los / Die ihn umgeben“, „höhere Atmosphäre“, Maria „im blauen … Himmels-zelt“, um ihre Füße schlingen „sich leichte Wölkchen“ als „der Büße-rinnen Völkchen“; darüber geht es „ätherisch“ in „höhere Sphären“) Cirrus Cumulus Strato-Cumulus Stratus

23 Goethe zu Eckermann: Übrigens werden Sie zugeben, daß der Schluß, wo es mit der geretteten Seele nach oben geht, sehr schwer zu machen war, und daß ich, bei so übersinnlichen, kaum zu ahnenden Dingen, mich sehr leicht im Vagen hätte verlieren können, wenn ich nicht meinen poetischen Intentionen, durch die scharf umrissenen christlich-kirchlichen Figuren und Vorstellungen, eine wohltätig beschränkende Form und Festigkeit gegeben hätte. Das Wahre, mit dem Göttlichen iden- tisch, läßt sich niemals von uns direkt erkennen, wir schauen es nur im Ab- glanz, im Beispiel, Symbol, in einzelnen und verwandten Erscheinungen; wir werden es gewahr als unbegreifliches Leben und können dem Wunsch nicht entsagen, es dennoch zu begreifen. – Dieses gilt von allen Phänomenen der faßlichen Welt, wir aber wollen diesmal nur von der Witterungslehre sprechen.

24 Politische und ökonomische Modelle
spätmittelalterlicher Ständestaat Faust als ‚Ausbrecher’: ‚freischwebender Intellektueller’ (vs. Wagner) Erfindung des Papiergeldes und staatliche Finanzkrise reaktionäre Kaiserherrschaft und frühneuzeitlicher Bürgerkrieg neuartige technisch-industrielle Naturunterwerfung: Fausts Land- gewinnungsprojekt (nach modernen Vorbildern) neue Formen imperialistischer Gewaltherrschaft

25 Figuren-Schemata aus unterschiedlichen literarischen Welten (vgl
Figuren-Schemata aus unterschiedlichen literarischen Welten (vgl. Shakespeare) kulturgeschichtlich und sozial datierbare, ‚realistisch’ gezeigte Figuren (Dr. Faust und seine Patienten, Bürgermädchen Margarete und Bruder Valentin als Soldat, Witwe Schwerdt- lein, die Leipziger Studenten usf.) Gestalten der Bibel (der HERR, Engel, Maria) Figuren des volkstümlichen ‚deutschen’ Mythologie (Teufel, Hexen, Irrlichter usf.), im 2. Teil griechisch-römisch erweitert von Goethe erfundene pseudo-mythische Figuren (Erdgeist, Euphorion) allegorische Personifikationen (Böser Geist, im 2. Teil Mangel, Schuld, Sorge, Not) satirische Figuren (Nicolai als „Proktophantasmist“) psychologisch-mythologische Doppeldeutigkeiten: Gretchens Böser Geist, der „Chor der Engel“ – und Fausts Mephisto?

26 Überdetermination, Pluralität der dargestellten Welten (eine Herausforderung für jede Inszenierung und für die LeserInnen-Phantasie) Kombination und Kontrastierung von Weltansichten und Lebensentwürfen, daraus folgenden moralischen Handlungs- anweisungen und damit verbundenen dramatischen Geschehensregeln und situiert in der Epochenwende vom Mittelalter zur Neuzeit, im 2. Teil ausgedehnt auf „3000 Jahre“ (Goethe): von der mythischen Heroen- Zeit der griechischen Antike bis zu den Anfängen der Industrialisierung.

27 17. Februar 1832: „Was hab‘ ich denn getan? Ich habe gesammelt, benutzt, was ich gehört und beobachtet habe. Meine Werke speisen sich aus Tausenden von Individuen, Unwissenden und Klugen ... Mein Werk ist das Werk eines Kollektivwesens, und es trägt den Namen Goethe.“ „Qu’ai-je fait? J’ai recueilli, utilisé ce que j’ai entendu, observé. Mes œuvres sont nourries par des milliers d’individus divers, des igno-rants et des sages [...] Mon œuvre et celui d´un être collectif, et il porte le nom de Goethe.“

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