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Mehrsprachigkeit und Mehrsprachigkeitsförderung in Deutschland – Widersprüche der aktuellen Bildungspolitik Ulrich Mehlem Goethe-Universität Frankfurt.

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Präsentation zum Thema: "Mehrsprachigkeit und Mehrsprachigkeitsförderung in Deutschland – Widersprüche der aktuellen Bildungspolitik Ulrich Mehlem Goethe-Universität Frankfurt."—  Präsentation transkript:

1 Mehrsprachigkeit und Mehrsprachigkeitsförderung in Deutschland – Widersprüche der aktuellen Bildungspolitik Ulrich Mehlem Goethe-Universität Frankfurt Institut für Pädagogik der Elementar- und Primarstufe

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3 Übersicht 1.Ein Paradox: monolingualer Habitus und globalisierte Bildung? 2.Mythen zur Mehrsprachigkeit und empirische Befunde 3.Der sprachliche Bildungsauftrag der Schule und sein Dilemma 4.Förderung von Mehrsprachigkeit als Erwerb einer zweiten Bildungssprache oder Sprachsensibilisierung 5.Sprachförderung im Elementarbereich als bilinguale Erziehung

4 1.1.Der monolinguale Habitus „Zu den “Normalitätsannahmen”, die dringlich überwunden werden müssen, gehört die Überzeugung, dass Individuen und Staaten “normalerweise” einsprachig seien. Aus dieser Grundüberzeugung heraus – ich habe sie als “monolingualen Habitus” bezeichnet (vgl. Gogolin 1994) – werden in unserer Gesellschaft die Maßstäbe dafür gewonnen, Sprachkönnen und Sprachpraxis von Menschen zu beurteilen sowie den ”Marktwert” eines sprachlichen Vermögens zu bestimmen. Die hier zu Lande als legitim geltende Sprache ist das Deutsche, und ein Leben, das in der einen Sprache Deutsch geführt wird, gilt als das normale.“ (Gogolin 2001, S. 2)

5 1.2. Mehrsprachigkeit und Globalisierung: Barcelona Europarat (2002): A Competitive Economy based on knowledge Education (No. 44) (p. 19)

6 1.3. ‚monolingualer Habitus‘ vs. globalisierte Bildung: der Bildungs- und Erziehungsplan Fünf Bildungsvisionen: 1)starke Kinder 2)kommunikationsfreudige und medienkompetente Kinder 3)Kreative, fantasievolle und künstlerische Kinder 4)lernende, forschende und entdeckungsfreudige Kinder 5)verantwortungsvoll und wertorientiert handelnde Kinder

7 Sprachkompetenzen im Elementarbereich (1) Begriff Literacy: „Es sind damit vor allem frühe kindliche Erfahrungen und Kompetenzen rund um Buch-, Erzähl-, Reim- und Schriftkultur gemeint. Literacy- Erziehung beginnt bereits in den ersten drei Lebensjahren und ist ein lebenslanger Prozess.“ Bildungs- und Erziehungsplan S. 67f.

8 Sprachkompetenzen im Elementarbereich (2) Neugierde auf fremde Sprachen Mehrsprachigkeit als Bereicherung Neben der Familiensprache auch fundierte Deutschkenntnisse erwerben Bildungs- und Erziehungsplan S. 69

9 2. Mythen der Mehrsprachigkeit: 2.1.Das Time-on-Task-Argument „Der spätere Lernerfolg in der Schulsprache (L2) hängt davon ab, wie groß dieser Input in der vorschulischen Erziehung war. Eine Erziehung in einer anderen Familiensprache (L1) führt zwangsläufig zu einem Rückstand in der Entwicklung der L2.“  Situation des substraktiven Bilingualismus Leseman, Scheel, Mayo, Messer 2009, 291-293

10 Ein Beispiel: Entwicklung des Wortschatzes in L1 und L2 in den Niederlanden (3-6 jährige) Niederländisch (L1 und L2)L1 (Niederländisch, Tarifit, Türkisch)

11 Wortschatzentwicklung in L1 und L2 11 1.Der Rückstand der beiden allochthonen Gruppen (A) im Wortschatz gegenüber den Autochthonen (B) ist stärker als der zwischen niedrigem und höherem SES bei letzteren. 2.Der Abstand zu B verringert sich nur geringfügig. 3.Türkische rangieren hinter marokkanischen Kindern, aber der Abstand verringert sich langsam.

12 2.2.Schwellenniveau-Hypothese Cummins, James (1979): Linguistic Interdependence..., zit. in Roche: Interkulturelle Sprachdidaktik, S. )

13 2.2.Schwellenniveau-Hypothese Nach der Schwellenniveau-Hypothese muss „zunächst eine ausreichende Kompetenz in der S 1 erreicht sein […], bevor der Zweitspracherwerb einen positiven Einfluss auf die intellektuelle Entwicklung des Kindes haben kann.“ Diese Hypothese wurde im Rahmen der Erforschung der Ausbildung der kognitiven Fähigkeiten (CALP) bilingual aufgewachsener Schüler formuliert: wenn in der Muttersprache die kognitiven (und sprachlichen) Fähigkeiten einen bestimmten Schwellenwert noch nicht überschritten haben, ist der Wechsel zu einer Zweitsprache der Entwicklung (insbesondere der kognitiven Fähigkeiten) hinderlich. Bei der Interdependenz-Hypothese wird davon ausgegangen, dass die Kompetenz, die ein zweisprachiges Kind in der L2 erreicht, zum Teil vom Stand der Kompetenzentwicklung der L1 beim ersten Kontakt mit der L2 abhängig ist. 13

14 Transfer L1  L2 ?

15 Erklärung der statistischen Analyse Gibt es einen Einfluss der Kompetenz in der Erstsprache im Alter von 3 auf die Kompetenz in der Zweitsprache im Alter von 6 Jahren (wenn andere Variablen wie Kompetenz im Niederländischen, Intelligenz und verbales Kurzzeitgedächtnis konstant gehalten werden) Ja, es gibt diesen, und zwar: in der Semantik (Wortschatz) in der Erzählfähigkeit Nicht dagegen in der niederländischen Syntax

16 Bilingualism Representation of Concepts of Print Oral Proficiency Metalinguistic (phonological) Awareness Metacognitive Knowledge and Strategies Language- Specific Print Concepts L2 Proficiency Reading Background L1 Skill Specialized L2 Skill - + 0 Bialystok 2007, S. 52. 2.3. Ein differenziertes Modell der Zusammenhänge unterschiedli- cher Sprachkompetenzen

17 Phonologische Bewusstheit im Sprachtransfer (Bialystok 2005) Die Entwicklung „phonologischer Bewusstheit“hängt davon ab, wie gut eine bestimmte analytische Kategorie (wie z.B. das Phonem) in einer Sprache zugänglich und erlernt ist: Wird das entsprechende Konzept in einer Sprache beherrscht, ist es auch für die andere zugänglich: die bilinguale chinesisch-kanadische Gruppe überträgt ihre für das Englische erlernte Fähigkeit zur Onsettilgung vom Englischen auf das Chinesische, den L2-Englischlernern in Hongkong gelingt dies nicht, da diese Fähigkeit hier nicht erlernt wurde. Der Umgang mit dem Kantonesischen begünstigt dagegen Silbenbewusstheit, die entsprechend auch für das Englische verfügbar ist.

18 Konzept der Invarianz von Schrift Moving word task: Bildkarten und Textkarten werden einander zugeordnet, das Kind ‚liest‘, was auf der Textkarte steht Katze

19 Konzept der Invarianz von Schrift Maus Katze Durch angebliches Versehen des Versuchsleiters wird eine Textkarte dem falschen Bild zugeordnet: Was ‚lesen‘ vierjährige Kinder?

20 Konzept der Invarianz von Schrift Mehrsprachige Vierjährige (mit verschiedenen Sprachkombinationen) erkennen die Invarianz der Schrift zwischen 70% und 80%, einsprachige nur zu ca. 35% (Bialystok 2007, 62)

21 3. Der sprachliche Bildungsauftrag der Schule 3.1. Begriff der Bildungssprache Bildungssprache ist „… eine sozial dominante Varietät, die von denen verwendet wird, die in der Gesellschaft Macht und Einfluss besitzen, und die oft auch als Erkennungszeichen eingesetzt wird, um Menschen in diese Gruppe aufzunehmen oder sie davon auszuschließen.“ (Vollmer/Thürmann 2013, 42)  Soziolinguistische Perspektive

22 3.1. Begriff der Bildungssprache Bildungssprache bezieht sich „… auf den Zusammenhang von Lernen und Sprache: Die Vermittlung und die Verinnerlichung komplexer Sachverhalte erfolgt in der Institution Schule größtenteils im System einer natürlichen Sprache; unabdingbare Voraussetzung für erfolgreiches Lernen ist demnach die hinreichend differenziert ausgebildete sprachliche Ausdrucks- und Verstehensfähigkeit…“ Gantefort 2013, S. 72f.)  erziehungswissenschaftlich-linguistische Perspektive

23 3.2. Spannungsverhältnis beider Perspektiven  Soziolinguistisch „elaborierter Code“ als Mittel der sozialen Abgrenzung einer „Elite“ Abwertung aller anderen Sprachformen „Codes“ als minderwertig, nicht nur gegen Minderheitensprachen gerichtet, sondern auch gegen Dialekte, subkulturelle Sprachen etc. Durchsetzung der Norm als Zwang und Mittel der Ausgrenzung  Erziehungswissenschaftlich „Bildungssprache“ als Ressource des Lernens: Zugang zum Wissen, Erschließung komplexer Sachverhalte, Bildung als Auseinandersetzung mit kulturellen Erfahrungen der Menschheit, Fähigkeit zur Selbstreflexion Möglichkeit gesellschaftlicher Teilhabe und Entwicklung

24 4. Förderung von Mehrsprachigkeit als Erwerb einer zweiten Bildungssprache Grenze der Erhaltung von Zweisprachigkeit allein im Kontext der Familie Ohne Unterstützung der Minderheitensprache durch Bildungsinstitutionen wird diese immer stärker zurückgedrängt  nur noch ältere Sprecher  jüngere verstehen nur noch, aber sprechen kaum noch  Weitergabe z.B. an dritte Generation gelingt nicht mehr  Aussterben der Sprache Gilt vor allem in literalen Gesellschaften, wo Schriftlichkeit wichtige Ressource des Alltagslebens darstellt

25 Perspektive der Globalisierung mehrere legitime Sprachen konkurrieren miteinander Lebensläufe vieler Menschen nicht mehr allein durch die Vorgaben eines Nationalstaats bestimmt Internationalen Schulen in Frankfurt: diese Art von Mehrsprachigkeit schon längst Realität: Deutsch als eine Schulsprache neben anderen Fremdsprachenunterricht in Deutschland: erfolgreich für die erste Fremdsprache, weit weniger für die zweite Neue Formen des Sprachunterrichts: Bilingualer Unterricht z.B. in einem Fach; Grundschulenglisch; Fremdsprache in Kita

26 Grenzen des Ausbaus für Einwanderersprachen? Geschichte der bilingualen Klassen Deutsch-Italienisch in Frankfurt: große Hindernisse auf vielen Ebenen  der Einzelschule (welches Einzugsgebiet, welche Interessen der Eltern)  der Schullandschaft (Weiterführung an welcher Realschule, Gesamtschule oder Gymnasium)  der Rekrutierung von Lehrkräften Trotz eines relativ hohen Prestiges des Italienischen in Deutschland Ambivalenz des Prestigebegriffs am Beispiel des Spanischen: Völlig verschiedene Kontexte in den USA und Europa

27 Grenzen des Ausbaus für Einwanderersprachen? Minderheitensprachen bereits in den Herkunftsländern: Kurdisch in der Türkei, Romanes in Serbien, Berber in Marokko Innerhalb des Arabischen starke Spannung zwischen dem Hocharabischen als Bildungssprache und der regional sehr unterschiedlichen gesprochenen Sprachen

28 Programm der zweisprachigen Kitas in Frankfurt Pflege zweier Sprachen, die auch in der Regel in den Familien der Kinder gesprochen werden Sehr verschiedene Fallgruppen: - Kinder aus binationalen Ehen mit zweisprachiger Erziehung zu Hause - Kinder aus Migrantenfamilien, in denen neben der Herkunftssprache Deutsch unterschiedlich intensiv betrieben wird - Kinder aus neu eingereisten Zuwandererfamilien ohne Deutschkenntnisse - Kinder mit einer weiteren Familiensprache neben Deutsch, die nicht die Partnersprache der Kita ist - Kinder aus rein deutschsprachigen Familien mit kulturellen / beruflichem Interesse an der Partnersprache

29 Zweisprachige Erziehung zielt auf Ausbau beider Sprachen, nicht nur Sprachsensibilisierung (Bereicherungsdiskurs) soll auf schulisches Angebot vorbereiten, das auch die Partnersprache als Schriftsprache ausbaut und zur Bildungssprache führt Die Kinder sollen in beiden Sprachen einen einsprachigen Modus lernen, der entsprechend höhere Legitimität (unter Einsprachigen, aber auch vielen Zweisprachigen besitzt)  Realität in vielen Bildungseinrichtungen: große sprachliche Heterogenität (je nach Einzugsgebiet bis zu 30 Sprachen)

30 5. Sprachförderung in der Kita Seit PISA verstärkter Fokus auf sprachlicher Bildung (vgl. den Bildungs- und Erziehungsplan) Streit darüber, ob durch zusätzliche und systematische Angebote Sprache (bzw. Deutschlernen) besser gefördert werden kann oder alltagsintegriert Zahlreiche Studien mit negativen Befunden bei Sprachförderprogrammen  Kurswechsel in vielen Sozialministerien und bei Trägern

31 5. Sprachförderung in der Kita Die Dynamik, die dieser Entwicklung zugrunde liegt, ist noch nicht klar  Neuer Schub in der Steigerung sprachlicher Anforderungen, die auch bei relativ einfachen Tätigkeiten vorausgesetzt werden Eine Versäumnis der neuen Aufgaben trägt zur Verschärfung von Bildungsungleichheit bei Höhere berufliche Anforderungen an pädagogische Fachkräfte Chance bilingualer Kitas, neuere Konzepte der Sprachförderung nicht nur für Deutsch, sondern auch die Partnersprache zu nutzen Die Besonderheit mehrsprachiger Sotuationen im Alltag selbst schon ein optimaler Anlass für Sprachförderung

32 Literatur Bialystok, Ellen (2007): Acquisition of Literacy in Bilingual Children: A framework for Research, in: Language Learning 57, Suppl. 1, S. 45-77 Cummins, J. (1979): Linguistic Interdependence and the Educational Development of Bilingual Children. Review of Educational Research 49, S. 222-251. European Council (2002): Presidency Conclusions. Barcelona European Council 15th and 16th March 2002 Gantefort, Christoph (2013): ‚Bildungssprache‘ – Merkmale und Fähigkeiten im sprachtheoretischen Kontext, in: Gogolin, I., Lange, I., Michel, U., Reich, H.-H. (Hg.): Herausförderung Bildungssprache – und wie man sie meistert. Münster: Waxmann, S. 71-105 Gogolin, I. (2001): Sprachenvielfalt durch Zuwanderung – ein verschenkter Reichtum in der (Arbeits-)Welt? http://good- practice.de/1_Gogolin.pdfhttp://good- practice.de/1_Gogolin.pdf Gogolin, I. (1994): Der monolinguale Habitus der multilingualen Schule. Münster. Hessisches Ministerium für Soziales und Integration / Hessisches Kultusministerium (Hg.) (2009): Der Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0 bis 10 Jahren. Wiesbaden Leseman, Paul P. M. Scheele, Anna F. Mayo, Aziza Y. & Messer, Marielle H. (2009): Bilingual development in early childhood and the languages used at home: competition for scarce resources? In: Gogolin, Ingrid & Neumann, Ursula (Hrsg.): Streitfall Zweisprachigkeit – The Bilingualism Controversy. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 289-316 Vollmer/Thürmann (2013): Sprachbildung und Bildungssprache als Aufgabe aller Fächer der Regelschule, in: Becker-Mrotzek, M., Schramm, K., Thürmann, E., Vollmer, H.J. (Hg.): Sprache im Fach. Sprachlichkeit und fachliches Lernen. Münster: Waxmann, S. 41- 57


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