Globale Arbeitsverhältnisse – Gewerkschaftliche Perspektiven? Ringvorlesung des Instituts für Politikwissenschaft in Kooperation mit der Gewerkschaft der Privatangestellten GPA-djp
Erosionskrise Ich glaube, dass wir es heute mit einem Zeitalter zu tun haben, das man auch als ein Zeitalter von Vertreibung oder von Bindungszerstörung bezeichnen kann. Oskar Negt in: Demirovic, A./ Kaindl, C./ Krovoza (Hg.): 2010: 12
Erosionskrise Erosion umfasst alle gesellschaftlichen Bereiche, Gewissheiten des Fordismus stehen zur Disposition. Gewerkschaften müssen sich den neuen Verhältnissen anpassen. Sie sind selbst Teil dieses Erosionsprozesses weil die gesellschaftliche Basis des fordistischen Klassenkompromisses erodiert.
Erosionskrise Teil des Erosionsprozesses ist die intensive Welle von Globalisierungsprozessen seit den 70iger Jahren Sie ist Teil einer Krisenbearbeitungsstrategie der organischen Krise des fordistischen Entwicklungsmodells Globalisierung wird heute aber zur catch all phrase Phänomenologische Beschreibungen: Transnationalisierung, Internationalisierung, Netzwerkstrukturen, Hypermobilität, TNCs, Europäisierung, Internationalisierung, Beschleunigung, Just in Time Production, Share Holder Value, …
Erosionskrise Globalisierung ist der Kampf um die Definitionsherrschaft von gesellschaftlich bestimmenden zeitlichen und räumlichen Rhythmen, sowie der Prozess veränderter Produktions- und Arbeitsverhältnisse Dabei erhalten die Finanzmärkte seit den 1990er Jahren verstärkt Bedeutung, indem sie die Unternehmensinvestitionen verändern und eine Hierarchisierung der einzelnen Märkte vorantreiben
Erosionskrise Herrschaft kann man in diesem Sinne als die Chance verstehen, jederzeit die Regeln vorzugeben, nach denen die Menschen ihre Zeit aufteilen müssen, und die Räume, in denen sie sich zu bewegen haben. (Negt 2001: S 143) Die Verschiebung räumlicher und zeitlicher Rhythmen vollzieht sich auf vielen Ebenen. Es ist Makroregulierung und Detailregulierung. Kapitalbesitzende haben eine Offensivkraft in dieser Auseinandersetzung, da Realinvestitionen in Arbeitsplätze zunehmend abgelöst wurden durch Reinvestitionen auf den Finanzmärkten, da diese höhere und schnellere Profite bringen.
Erosionskrise Zeitliche Strukturen des Fordismus waren bis dahin: Orientierung an langfristiger ökonomischer Entwicklung des Binnenmarktes Fiskal- und Finanzpolitik ausgerichtet an langfristiger Stabilität Langfristige betriebliche Planung kontinuierliche Belegschaftspolitik KMUs orientiert an langfristiger Planung Verstaatlichte Industrie ermöglichte langfristige Prosperitätsplanung Langfristige und stabile Netzwerke der ökonomischen und politischen Eliten kontinuierliche Erwerbsbiographien
Erosionskrise Räumliche Strukturen des Fordismus: Gesellschaften waren geprägt durch klare räumliche Orientierung am Nationalstaat Nationalökonomien Nationale Gesetzgebung Nationale Entwicklungspfade Am Binnenmarkt orientierte Betriebe Nationale Umverteilungspolitik Dichtes Netzwerk entscheidungsmächtiger nationaler Elitennetzwerke relativ homogen imaginierte weiße, männliche und industriell geprägte ArbeiterInnenklasse
Erosionskrise Auch in Österreich zeigen sich die Auswirkungen dieser neuen räumlichen und zeitlichen Muster. Zwar scheint es noch immer eine anscheinende Stabilität der sozialpartnerschaftlich austrokorporatistischen Strukturen zu geben, doch sowohl auf makropolitischer als auch auf Branchen – und Betriebsebene existieren Erosionsmomente. Tradierte Sozialpartnerschaftliche Praxen verlieren an Durchsetzungsfähigkeit.
Erosionskrise Es stellt sich immer mehr die Frage, ob wir in einer entfesselten, hemmungslosen, kapitalistischen Gesellschaft mit der alten Sozialpartnerformel noch punkten können. Ich glaube nicht, dass das mit einem eindeutigen Ja oder Nein zu beantworten ist. Ich bin aber davon überzeugt, dass das Handlungsrepertoire von Gewerkschaften und BetriebsrätInnen breiter werden muss. Es reicht nicht mehr allein, sich auf das zu verlassen, was am Verhandlungstisch vereinbart wird. (Mernyi 2009: 68)
Erosionskrise Die Ringvorlesung wird unterschiedliche Aspekte dieser Erosionskrise und die daraus entstehenden Herausforderungen für Gewerkschaften aus unterschiedlichen Perspektiven und durch eine Vielfalt an aktuellen Beispielen analysieren. Denn: verschiedene Personengruppen von ArbeitnehmerInnen sind unterschiedlich oder verstärkt betroffen.
Erosionskrise Ein Beispiel hierfür wären die Produktionsbedingungen von HP – Druckern in China. In den dortigen Fabriken arbeiten sehr viele junge Frauen in der Produktion zu sehr niedrigen Löhnen. Die Abwanderungstendenzen von Unternehmen in Niedriglohnländer und der Grad der gewerkschaftlichen Organisierung vor Ort wird sich thematisch durch die RV ziehen.
Sozialabbau in der EU Aber auch innerhalb der Europäischen Union und an ihren Rändern entstehen durch europäisches Recht neue Herausforderungen: Durch eine restriktive Haushaltspolitikvorgabe und die Maastrichter Kriterien sind die Mitgliedsstaaten nicht mehr alleine in der Lage, produktivitätsorientierte Politiken zu verfolgen.
Vortragende im Einzelnen Prof. Dr. Klaus Dörre wird daher nächste Woche zum Auftakt über die notwendige strategische Neuausrichtung von Gewerkschaften in Europa vortragen; Mag. Roland Atzmüller (FORBA) wird sich den korporatistischen & sozialpartnerschaftlichen Strukturen in Österreich und den sich daraus ergebenden Problemen widmen
Vortragende im Einzelnen Dr. Clarissa Rudolph wird sich den in Deutschland bestehenden Debatten um Hartz IV und der Frage der Grundsicherung auch von ArbeitnehmerInnen zuwenden Dr. Martina Sproll, ehemalige Betriebsrätin von ThyssenStahl, wird Arbeitsbedingungen in der Kontraktfertigung in China und Mexiko darstellen
Vortragende Mag. Wolfgang Greif, GPA-djp, wird sich der Europäischen Union und den bisher bestehenden Eurobetriebsräten detaillierter zuwenden Mag. Lukas Oberndorfer, AK Wien, wird die Veränderungen der industriellen Beziehungen durch das Europarecht diskutieren
Lubomir Bratic wird die Situation von MigrantInnen und deren gewerkschaftlichen Vertretung oder nicht Vertretung thematisieren Prof. James K. Galbraith wird außerhalb der RVO einen Vortrag zur Krisenpolitik in den USA und in Europa halten im Alten Rathaus Wien am 09. Dezember
Vortragende Dr. Heidi Schroth, IG BAU, wird sich mit den Spannungsfeldern gewerkschaftlicher Repräsentation im Niedriglohnsektor auseinandersetzen Bruno Ciccaglione wird sich mit Formen transnationalen Campaignings beschäftigen
Vortragende Diese Einheit wird sich mit globalen Arbeitskämpfen beschäftigten. Referent steht noch nicht fest. Als Abschluss werden wir die gemeinsam Erarbeiteten Erkenntisse noch einmal auf ihre Praxisrelevanz in Form einer Podiumsdiskussion debattieren.