Über Holländische Deiche und Risikokaptial für Banken und Versicherungen Paul Embrechts Professor für Mathematik Departement Mathematik,

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 Präsentation transkript:

Über Holländische Deiche und Risikokaptial für Banken und Versicherungen Paul Embrechts Professor für Mathematik Departement Mathematik, ETH Zürich www.math.ethz.ch/~embrechts

Frage Weshalb ist der 1. Februar 1953 ein wichtiges Datum für das Risikomanagement?

Extreme Ereignisse: über Holländische Deiche und Risikokapital

Zwei Zitate En in alle gewesten Wordt de stem van het water Met zijn eeuwige rampen Gevreesd en gehoord (Marsman, 1938) Springtij en orkaan veroorzaken nationale ramp Nederland in grote watersnood (De Yssel – en Lekstreek, 6. Februar 1953)

Historische Informationen Im Lauf der Jahrhunderte erlebte die Niederländische Küste zahlreiche verheerende Fluten: 1421, 1570, 1775, 1825, 1916, 1925, 1953, 2002* 1421: die St. Elisabeth – Flut 1570: die Allerheiligen – Flut * Aufzählung unvollständig Im Lauf der Jahrhunderte erlebte die Niederländische Küste zahlreiche verheerende Fluten:

31. Jan. 1953 – 1. Feb. 1953* (Februarflut) 1836 Menschen getötet 72000 Menschen evakuiert 49000 Häuser und Bauernhöfe überflutet 201000 Stück Vieh ertrunken 500 km Küstendeiche zerstört; über 400 Deichbrüche 200000 ha Land überflutet * Antwerpen (Schoten), 3. Feb. 1953

Das Delta – Projekt Küstensicherung gegen Überflutung Notwendige Deichhöhe am Ort l: hd(l) Sicherheitsmarge: MJSH(l) = Maximale Jährliche SeeHöhe am Ort l: Wahrscheinlichkeit(MJSH(l) > hd(l)) sollte „klein“ sein, wobei „klein“ bedeutet: 1 / 10000 in Randstad 1 / 250 im Deltagebiet im Norden Ähnliche Forderungen für Flüsse, aber mit 1/10 – 1/100 Für Randstad: Deichhöhe = Normal-Null + 5.14 m

Guus Balkema und P.E.: NAP

Finanzmarktaufsicht Banken, Versicherungen, Pensionskassen sowie der Wertpapierhandel unterliegen aufgrund des volkswirtschaftlichen Interesses an einem stabilen Finanzsektor einer besonderen Aufsicht. Vor dem Hintergrund der ständig steigenden Komplexität an den Finanzmärkten sowie der Gründung grenz- überschreitender Allfinanzkonzerne stehen die Aufsichtsbehörden weltweit vor neuen Herausforderungen.

Basel II – Solvenz von Banken Die Value-at-Risk-Methode quantifi- ziert den möglichen Verlust für ein bestimmtes Portfolio, der unter normalen Marktbedingungen während eines vorgegebenen Zeitintervalls mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. => Festlegung des Risikokapitals

Aus dem Jahresbericht einer Grossbank

Renditeverteilung eines Industrieunternehmens 1993-1997 Value-at-Risk (1/2) Renditeverteilung eines Industrieunternehmens 1993-1997

Value-at-Risk (2/2)

Die Mathematik Methode aus der Extremwerttheorie (EVT) Abschätzung seltener und extremer Ereignisse Anwendbar auf Value-at-Risk Deichhöhen und vieles mehr... Einfache Umsetzung auf dem Computer wobei mit

Aktuelle Statements Charlie McCreevy, EU-Binnenmarktkommissar, in einer Ansprache in Dublin: "the irresponsible lending, blind investing, bad liquidity management, excessive stretching of rating agency brands and defective value-at-risk modelling that prompted the turmoil of recent months" (red. subprime credit crisis). (Financial Times, Friday, October 26, 2007) Marking to Market ... Marking to Model ... Marking to Myth From risk-free return to return-free risk

LTCM (Long Term Capital Management) De meeste salicheyt hangt an de hoochte van eenen dijck. (Andries Vierling, Tractaet van Dyckagie, 1578) Die Aufsichtsbehörden haben LTCM und die Banken dafür kritisiert, dass sie Risikomodelle nicht gegen (extreme) Marktbewegungen getestet haben… Die Märkte erlebten auf einmal das Mehrfache des Äquivalents von Hurrikan Andrew, als er Florida traf. Ist es die passende Antwort zu sagen, dass es einfach Pech war, ein so seltenes Ereignis zu erleben – oder sollte man nicht Prognosemodelle finden, die für die Zukunft mehr Stürme vorhersagen? (The Economist, Oktober 1998, nach der Rettung von LTCM)

LTCM: Einige Bemerkungen

Risikoklassen Basel II reguliert Weitere Risiken Marktrisiko Kreditrisiko Operationelles Risiko Weitere Risiken Strategisch, Reputation, Liquidität, …

Beispiel: Operationelles Risiko (1/4) Definition (Basel II): „Die Gefahr von Verlusten, die in Folge der Unangemessenheit oder des Versagens von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder in Folge von externen Ereignissen eintreten. Diese Definition schliesst Rechtsrisiken ein, beinhaltet aber nicht strategische Risiken oder Reputationsrisiken.“

Beispiel: Operationelles Risiko (2/4) Verluste der Kategorie "Menschen" sind Schäden, die von Mitarbeitern eines Unternehmens vorsätzlich verursacht werden (darunter fallen sämtliche Betrugsfälle). Verluste von Mitarbeitern, die nicht vorsätzlich zugefügt werden, sind der Kategorie "interne Verfahren", auch "Prozesse" genannt, zugeordnet. Beispiele dafür sind Transaktionsfehler und Fehler verursacht durch Missverständnisse. Unter "externe Ereignisse" sind Versagen der Infrastruktur, Naturkatastrophen und Betrüge durch externe Personen (z.B. Raubüberfälle) zusammengefasst.

Barings, Allied Irish, 9/11, Chiasso-Affair „The Chiasso-affair, a case of white-collar crime, over-shadows the Swiss Financial Center“

Beispiel: Operationelles Risiko (3/4) Einer der spektakulärsten Fälle von operationellem Risiko ist der Fall Nick Leeson, der als Händler für die Barings Bank tätig war. Einer der Hauptgründe für den unglaublich hohen Schaden von 1.2 Mrd. EUR war der Umstand, dass Nick Leeson sowohl für die Abwicklung von Wertpapiergeschäften als auch das Backoffice zuständig war. Durch seine anfänglichen grossen Erfolge wurden ihm von der Geschäftsleitung umfassende Freiheiten gewährt und wurde auf eine genauere Prüfung der Vorgänge in seinem Geschäftsumfeld auch nach den ersten Hinweise auf Verluste, verzichtet.

Beispiel: Operationelles Risiko (4/4) Eine (oder mehrere) Zeitbombe(n) Normalfall

OpRisk: Einige Fakten Verteilungen sind nicht selten „heavy-tailed“, in einigen Fällen sogar mit unbeschränktem Erwartungswert Verteilungen sind „schief“ Es ist wenig über die Interdependenzen von operationellen Risiken bekannt  Ein Value-at-Risk für  = 99.9%, T = 1 Jahr für operationelles Risiko ist (wenn überhaupt) nur sehr schwer zu schätzen

Die Subprime-Krise (1/2) Die Fakten: US housing boom -> mortgage brokers -> subprime loans -> mortgage firms -> investment banks -> packaging into CDO’s -> rating agencies -> (off balance) conduits and SIVs -> funding mismatch -> client portfolios

„Ein Ende der Subprime-Krise ist nicht in Sicht“ Josef Ackermann (Deutsche Bank) verlangt von den Banken mehr Transparenz (NZZ, 6 Dezember, 2007) Am schlimmsten hat es nach Meinung des deutschen Spitzen-Bankers aus dem Sarganserland jene (offenbar nicht allzu seltenen) Finanzinstitute erwischt, die im Sommer in der plötzlich und unerwartet aufgebrochenen Marktverunsicherung noch Gewinnchancen gewittert und sich zusätzlich mit günstig gewordenen und Vermeintlich tadellosen AAA-Verbriefungen eingedeckt hatten.

Die Subprime-Krise (2/2) Sie hätten unterschätzt, dass dem Markt nicht einfach nur eine Liquiditätskrise bevorstand, sondern ein eigentlicher «Streik der verunsicherten Investoren». Die Banken begannen zu ahnen, welche Gefahren ihnen aus den ausserhalb der Bilanzen geführten Investitions-vehikeln erwachsen könnten, sie wurden misstrauisch und weigerten sich, weitere Finanzierungen über Com-mercial Papers vorzunehmen. Eine derart unglückliche Gefahrenverkettung sei auch in den Worst-Case-Szenarien der Stresstests der Banken nicht enthalten gewesen.

Gauss Copula “Mathematik hat versagt“ "Doppelte Niederlage für Wall Street - Mathematik“ "Doch statt gesunder Menschenverstand regierte nur noch die Finanzmathematik" "The (Gauss copula) model is flawed but easy to grasp (somewhat like Black-Scholes) and hence explosive growth of CDO market” "Ein weiteres Problem war die oft unkritische Über-nahme moderner statistischer Wunderwaffen wie Copulas . . . die in falschen Händen extrem viel Schaden anrichten können."

Gauss- versus t-Copula

Einige wissenschaftliche Kommentare zur Anwendung von Copula "The Gauss copula is the worst ever invention for credit risk analysis" (LCGR) "Everything you can do to deliver the world of finance from copulas, please do" (DD) "A bas les copules!" (TM) Copulas (PE): "Pedagogic. Pedagogic. Stress testing." -> Read: "Copulas: A personal view.“ (www.math.ethz.ch/embrechts)

Mathematisches Theorem: The Banach-Tarski paradox (1924)

Abschliessende Kommentare Die quantitative Arbeit zur VaR-Berechnung ist gut Der VaR war sehr erfolgreich im Bereich der Marktrisiken, hat jedoch seine Anwendungsgrenzen erreicht bei Kreditrisiken und insbesondere bei Operationellen Risiken. Dies führt zu Schwierigkeiten bei der Risikoaggregation und der Kalkulation des ökonomischen Kapitals (99.97%) Anerkennung der endogenen Natur von Risiko und Liquidität auf systemischem Level Notwendigkeit von Liquidity- und dynamischem QRM Modellen Die Finanzbranche muss lernen, mit Risiken in Nicht-normalen Marktumfeldern umzugehen Insbesondere, wenn sie weiterhin „on the edge“ wandern möchte

Any Questions?