Auf dem Weg nach Galiläa - Das Markusevangelium als Erzählung lesen

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 Präsentation transkript:

Auf dem Weg nach Galiläa - Das Markusevangelium als Erzählung lesen Lebendige Erinnerung Auf dem Weg nach Galiläa - Das Markusevangelium als Erzählung lesen

Hermeneutik: Evangelien als Erzähltexte verstehen „Wollen wir die Evangelien als Erzählungen lesen und verstehen, ist es notwendig, ihre inneren Strukturen kennen zu lernen, die Wort- und Satzverbindungen zu erfassen, die Motive und Bedeutungsgehalte zu erschliessen und letztendlich zu erfragen, warum man sich wohl gerade diese Geschichten erzählt, wie und warum sie in den Gesamtzusammenhang eines Evangelienentwurfs eingebaut sind und welche Bedeutung sie für die entsprechende Erzählgemeinschaft haben.“ Das Christentum versteht sich in der Traditionslinie des Judentums als Erinnerungs- und Erzählgemeinschaft!

Der Verfasser „Markus“ Griechische Sprache Theologisch gebildet Kennt das Erste Testament und jüdisch-hellenistische Schriften Muss mündliche und/oder schriftliche Quellen mit einem stark hebräischen oder aramäischen Einschlag benutzt haben (erklärt aramäische Ausdrücke) Kennt sich nicht gut aus in der Geografie des palästinischen Raums; schreibt sein Evangelium also ausserhalb

Die Leserinnen und Leser Ort der Ereignisse, von denen das Evangelium erzählt, ist nicht der Ort, an dem das Evangelium entstanden ist. Leben in der zweiten Generation nach dem Tod Jesu, ausserhalb Palästinas (um 70 n. Chr.) Es leben keine Augenzeugen mehr Einige Traditionen – Gleichnisse, Jesusworte, Wundererzählungen – reichen in die Zeit des historischen Jesus zurück Die LeserInnen bzw. HörerInnen sind überzeugt, dass das, was Jesus gesagt und geatan hatte, für ihr eigenes Leben von bleibender Bedeutung ist

Das Evangelium Ansporn zur Überlieferung nicht nur das Interesse am Vergangenen, Faktischen, Historischen, sondern der Glaube, dass nicht der Tod, sondern Gott das letzte Wort behält „Das Markusevangelium – und das ist nicht nur theologisch sondern auch literarisch gesehen das Besondere an ihm - ist nicht die Geschichte eines Verstorbenen, sondern eines Lebenden.“ Der Verfasser nennt sein Buch „Evangelium“

Das Buch Markus ist ein (theologischer) Buch-Autor: verarbeitet verschiedene Traditionen zu einem Buch! Er schaut bei seinem Theologisieren nicht nur nach rückwärts, sondern hat immer auch seine AdressatInnen vor Augen, konkrete Menschen, konkrete christliche Gemeinden. Der Anteil der Christusgläubigen an der Entstehung des Markusevangeliums kann nicht hoch genug veranschlagt werden. Vielleicht auch deshalb wird nirgends der Name des Verfassers genannt (erst im 2. Jh. Mit dem Namen Markus in Verbindung gebracht) Wie jedes Buch hat es einen Anfang, einen klaren Aufbau und einen Schluss und ist deshalb auch als Ganzes überschaubar.

Die Geographie 1,2-13 Wüste 1,14-15 Übergang 1,16-8,21 Galiläa 8,22-26 blind  sehend 8,27-10,45 der Weg 10,46-52 blind  sehend 11,1-15,39 Jerusalem 15,40-41 Übergang 15,42-16,8 das Grab Die Gliederung ist nicht nur geografischer Natur und hat sich gewiss nicht zufällig so ergeben. Sie ist theologisch hoch bedeutsam.

Die Chronologie Auch der chronologische Aufriss des Evangeliums ist nicht zufällig und ist bedeutsam. Die Zeit spielt für das Markusevangelium eine bedeutende Rolle: Mk 1,15 Die Erzählzeit (≠ erzählte Zeit) wird zu einem sinnvoll strukturierten Ablauf, zur Heilszeit Beispiel: Ausgehend von 16,1 (am ersten Tag der Woche), lassen sich die Ereignisse in Jerusalem einfach in einer Woche unterbringen, so dass der Einzug in Jerusalem am ersten Tag der Woche (=Sonntag) zu liegen kommt

Der Weg Das Evangelium ist in geografischer Hinsicht konzentrisch um den Weg gegliedert. (8,27-10,45) Abschnitt beginnt mit Bekenntnis des Petrus zum Messias Jesus (8,27-30) und leitet am Schluss mit der Heilung des blinden Bartimäus (10,46-52) zum Einzug in Jerusalem über (11,1ff.) Jesus mit den Seinen auf dem Weg nach Jerusalem = Herzstück des Evangeliums Gliederung durch drei Leidens- und Auferstehungsankündigungen: 8,31-32; 9,30-32; 10,32-34 Hier wird etwas mit z.T. wörtlichen Übereinstimmungen den Jüngern unterwegs „eingehämmert“, was offensichtlich nur schwer zu verstehen und zu vermitteln ist Das bleibende Unverständnis der Jünger wird gerahmt durch je eine Blindenheilung! Sollen die LeserInnen eingeladen werden, wie Bartimäus zu schreien, dass ihnen doch (endlich!) die Augen geöffnet werden?

Der Sohn Gottes An drei zentralen Stellen im Markusevangelium wird Jesus als Sohn Gottes proklamiert: > bei der Taufe (1,9-11) – anschl. Jesus in der Wüste > bei der Verklärung (9,2-7) – anschl. Schweigegebot In beiden Fällen scheint es, als ob Markus sich bewusst sei, dass er hier - je nach Gottesvorstellung – Anlass zu schweren Missverständnissen geben konnte > unter dem Kreuz: Höhepunkt des Evg = Proklamation des heidnischen Hauptmanns: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn“ (Mak 15,39) Erst jetzt, unter dem Kreuz, braucht Markus nichts mehr hinzuzufügen. Erst jetzt und erst hier „stimmt“ das Bekenntnis zum Sohn Gottes.

Anfang und Ende „Anfang des Evangeliums Jesu Christi es Sohnes Gottes“ (Mk 1,1): Was bedeutet dieser Anfang? Was gehört dazu? Gehärt zum Anfang auch noch die Zusammenfassung der ersten Verkündigung Jesu in 1,14-15? Welche Funktion haben diese ersten Verse? Sind sie eine Art „Vorspiel“, „Prolog“ oder „Ouvertüre“? Der Schluss des Evangeliums ist ebenfalls von grosser Bedeutung Markus 16,1-8 ist der ursprüngliche Schluss des Evangeliums. Dass die in V17 verheissenen Begegnungen mit dem Auferstandenen stattgefunden haben, erzählt das Evangelium nicht mehr. Es endet mit der Furcht und dem Schweigen. Eine Einladung an die (heutigen) LeserInnen, sich auf den Weg nach „Galiläa“ zu machen um mit IHM den WEG je neu aufzunehmen?

Der „Ort“ Evangelium geschrieben als in Jerusalem der Tempel von den Römern zerstört wurde (70 n. Chr.) Zeit, in der der Kaiser in Rom und sein Imperium göttliche Züge annahmen Was das für das jüdische Volk und diejenigen, die sich zum Messias Jesus bekannten, bedeutete kann man sich heute kaum mehr vorstellen. Tempel („Ort Gottes“, vgl. Dtn 12,11 u.v.a.) und auch Kaiser und Imperium sind keine Orte der Begegnung mit dem Göttlichen (mehr). „Könnte das Markusevangelium der Versuch sein, auf die Frage nach dem ‚neuen‘ und ‚eigentlichen‘ Ort eine Antwort zu suchen? Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn finden.“