Eva Hammes-Di Bernardo Saarbrücken

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Hat alles ein Ende? Ist/wäre das gut so?
Advertisements

Deutschlehrertag in Barcelona,
ELDiB Entwicklungstherapeutischer/ entwicklungspädagogischer Lernziel-
Modell der Beschreibung der kognitiven Entwicklung des Kindes nach
Sprache und Lateralisation
Sozialisation 2. Vorlesungseinheit:
aus Sicht der Neuropsychologie
Kommentar zum Vorschulkonzept Kaleidoscoop
HK 2013 BAD BOLL Vom Spielerischen in der Religion.
Philosophie des Alterns
professioneller Akteur
Eingewöhnung Krippe QUALITÄTSHANDBUCH
Die präventive Psychomotorik nach Bernard Aucouturier
Foreign Language Acquisition with the Instinct of a Child = Fremdspracherwerb mit dem Instinkt eines Kindes FLIC = Foreign Language Acquisition with the.
Sprachen lernen in der Schule
Lesen durch Schreiben – Erste Schritte
Der erste Schritt in die richtige Richtung
Prezentacja końcowa - Prezentacja końcowa - Abschlusspräsentation.
Präsentation #5 Schiffe zur See.
Gymnasium №6 und 5d2.
Viertes Buch: Reifezeit
Patrick Hamouz   Die Euro-krise  .
Das menschliche Gehirn - eine Einführung in die Neuropsychologie
Philosophie des Alterns George Carlin (im Alter von 102 Jahren) Wenn Du dieses nicht bis zum Schluss liest, dann hast Du einen Tag Deines Lebens verloren.
Englisch an der Primarschule
Religion unterrichten – aber wie ? Einführung in die Planung und
Lern- und Denkstrategien I
Lernjournal als Förderinstrument
Körperorientierte Psychotherapie nach Ron Kurtz
Hochdeutsch als Unterrichtssprache
Mis Mami redet Portugiesisch, de Papi Italienisch – und ich? Workshop
ASIPA – gemeinsam ein Feuer entfachen!
Sexualpädagogik HZA Herzlich willkommen zum Elternabend „Sexualpädagogik“ an der HZA Freienbach!
Auswirkungen des DS auf die Entwicklung
Die Taufe schließt den Himmel auf
Elman-Netzwerke Wintersemester 2004/05 Seminar Kindlicher Spracherwerb C. Friedrich & R. Assadollahi vorgestellt von Christian Scharinger & Guido Heinecke.
Dienende Leiterschaft nach Zielen planen
Elternabend der Schule … vom …
fit und pfiffig kinder bewegen ihre zukunft 24. FEB 2007
Kinderbetreuung hat Zukunft * 30. Mai – 1. Juni 2007 * Kursaal Interlaken Schweiz Zweisprachige Kindergärten im Saarland Eva Hammes-Di Bernardo, Saarbrücken.
QUIMS-Handlungsfeld Sprachförderung
1.
Philosophie des Alterns George Carlin (im Alter von 102 Jahren) Wenn Du dieses nicht bis zum Schluss liest, dann hast Du einen Tag Deines Lebens verloren.
Geschmack entsteht im eigenen Kopf
Lernszenarien Ich finde dieser Text ganz interessant.
Was meinen wir, wenn wir sagen, was wir denken? Was denken andere, wenn sie hören, was wir sagen, was wir denken? Mal‘ sehn!
NEIN – böse Absicht ist es nicht!
NEIN – böse Absicht ist es nicht!
Wie erwerben/lernen Kinder Sprache(n)?
FH-GELSENKIRCHEN || EJÖ || PROF. OBERMEIER || JTK SS 2005 || STEFAN GEWECKE PR FÜR FORTGESCHRITTENE INTERNATIONALE PR || MARKETING UND PR ||
Grammatikalische Begriffe im Unterricht
Emotionale Intelligenz
Benjamin Disraeli 1804 – 1881 Ein Mensch, der sich ernsthaft ein Ziel gesetzt hat, wird es auch erreichen.
8 Biblische Leitsätze, die uns führen
Theoretischen und Empirischen Vertiefung im Fach Sozialpsychologie!
Vermeiden Sie den Hauptgrund für Unterrichtsstörungen?
Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V.
Schulerfolg ist kein Zufall! Herzlich willkommen Informationsveranstaltung der Schulpflege Dienstag, 3. Juni 2014.
Das Schulsystem in Deutschland.
Wer ist schwer erreichbar – Institutionen oder Eltern? Prof. Dr. Tilman Lutz, Diakon.
„Backen und St. Martin“ Wochenrückblick vom bis Ein Kind der Riesengruppe brachte uns in dieser Woche eine große Weltkarte von zu Hause.
Deutsch in unserem Leben
Latein am Städtischen Gymnasium Rheinbach. Inhaltsverzeichnis Warum Latein? LATEIN: Neue Unterrichtswege für eine alte Sprache LATEIN: Entwicklungshelfer.
Seite Fallstricke: Stereotype und schulische Leistungen Aus- und Fortbildungsmodule zur Sprachvariation im urbanen.
Englischunterricht mit dem Lehrmittel «New World».
Sprachen lernen und erwerben: erste Begriffe und Unterscheidungen Dörthe Uphoff FLM 0640 – Februar.
Amt für Volksschule Englisch in der Primarschule Elternabend Braunau, 30. April 2009.
Wir müssen oft neu anfangen, aber nur selten von vorne.
NMS ENTWICKLUNGSBEGLEITUNG BUNDESWEITES VERNETZUNGSTREFFEN APRIL 2009 Herzlich Willkommen!
 Präsentation transkript:

Eva Hammes-Di Bernardo Saarbrücken Kinderbetreuung hat Zukunft * 30. Mai – 1. Juni 2007 * Kursaal Interlaken Schweiz Frühvermittlung einer Zweitsprache: Möglichkeiten und Voraussetzungen Eva Hammes-Di Bernardo Saarbrücken Do 31.5. 14.00 Forum 2 Eva Hammes-Di Bernardo

Fragen, die zur Zeit in der Öffentlichkeit diskutiert werden: Ist das Gehirn eines Mehrsprachigen anders ‚gebaut‘ als das Gehirn eines Einsprachigen? Kann das Gehirn eines Kindes durch zu viele Sprachen überlastet werden? Welchen Einfluss hat die Mehrsprachigkeit auf weitere kognitive Leistungen?

Und was wir über unsere Sprache zu wissen glauben: Sprache ist eine natürliche Veranlagung des Menschen Sprache ist ein natürlicher Reifungsprozess Jeder lernt sprechen Einsprachigkeit ist der natürlichste Zustand des Menschen

Eine neue Sprache zu erlernen sehr schwer ist Wir glauben auch, dass … Kinder überfordert sind, wenn sie schon ganz klein mit mehreren Sprachen konfrontiert werden Eine neue Sprache zu erlernen sehr schwer ist Viele Menschen einfach keine Begabung haben, um Sprachen zu erlernen Man ab einem bestimmten Alter einfach nicht mehr gut eine Sprache erlernen kann

Doch: Sprache ist eine natürliche Veranlagung des Menschen !!! Die körperlichen Voraussetzungen für Sprache sind erfüllt: zerebrale Sprachzentren, Sprechapparat (Mund, Zunge, Zähne, Gurgel, Stimmbänder, …), Lunge und Luftröhre, Ohren Der ganze Körper ist an der Sprache und Kommunikation beteiligt

Sprache ist ein natürlicher Reifungsprozess !!! Verschiedene Phasen in der Entwicklung des Menschen als sprechendes Wesen Spracherwerbsphase der frühen Kindheit (0-8 Jahre) Sensible Phasen der Spracherwerbsphase Sprache lernt man ein ganzes Leben lang Altersabhängige Spracherwerbsstrategien

Etwas lernen – Wissen erwerben: wo liegt der Unterschied? Jeder lernt sprechen !!! Etwas lernen – Wissen erwerben: wo liegt der Unterschied? Wann lerne ich eine Sprache und wann erwerbe ich eine Sprache?

30000 Gene 100 Milliarden Neurone 100 Billionen plastische Synapsen Die Umwelt wirkt unterschiedlich auf das Individuum und damit auf sein Gehirn ein: Jedes Gehirn ist so einzigartig wie ein Fingerabdruck.

Vorlesen Sehrinde Lesezentrum (G. angularis) Wernicke-Areal Broca-Areal Motorische Rinde vorne Aus: M. Posner/M. Raichle, Bilder des Geistes, Spektrum Akademischer Verlag 1994

Einige Stichworte zum Spracherwerb Der Spracherwerb in der frühen Kindheit erfolgt in mehreren Stufen und korreliert mit der Hirnentwicklung. Diese “muttersprachliche” Art des Sprach-erwerbs vollzieht sich auf der Basis von Kommunikation und bedient sich eines language acquisition device. Dieser steht mehreren Sprachen offen. aus: Sakai KL, Science 2005 Zweit- und Drittspracherwerb kann sich unfokussiert (außerschulisch, im sozialen Kontext, spontan und natürlich) und/oder fokussiert (schulisch, regelbasiert, gelenkt durch Lehrperson) vollziehen. Altersfenster sind nachgewiesen worden, ein support-system bleibt jedoch bis ins Alter hin offen.

Die wesentlichen Phasen der Spracherwerbsprozesses beim Kind : Prägende pränatale Phase Passive Phase Lallphase Echophase Einwort-Phase Phase der Zwei-Wort-Sätze Phase der Drei-Wort-Sätze und der grammatikalischen Reifung

Sprache entwickelt sich weiter: Wortschatz, Grammatik Sprache – ein Experimentierfeld Die Basis ist gelegt, was geschieht jetzt?

Wir glaubten zu wissen, dass … Einsprachigkeit der natürlichste Zustand des Menschen ist! - FALSCH !!! Über 2/3 der Menschheit leben in einer natürlichen Mehrsprachigkeit Genetische Aussage: der Mensch ist ein sprechendes Wesen. Keine Aussage darüber, wie viele und welche Sprachen wir sprechen

Wir glaubten zu wissen, dass … Kinder sind überfordert sind, wenn sie schon ganz klein mit mehreren Sprachen konfrontiert werden ! – FALSCH !!! Für Kinder ist Sprache Kommunikation Sie machen sich anfangs keine Gedanken über die Problematik der Mehrsprachigkeit Der natürliche Spracherwerbsprozess ist nicht an eine Sprache gebunden

Später Mehrsprachiger: Einzelne Aktivierungen in Broca überlappen sich nur teilweise. Bedeutet dies, dass Späte Mehrsprachige für jede Sprache ein neues neuronales Netzwerk aufbauen?

Früher Mehrsprachiger: Starke Überlappung der Aktivierung in Broca bei allen 3 Sprachen. Bedeutet dies, dass Frühe Mehrsprachige ein sprachverarbeitendes neuronales Netzwerk aufgebaut haben, das mehrere, auch spät gelernte Sprachen integrieren kann?

Je nach frühkindlicher Sprachexposition wird ein unterschiedliches Sprachprozessierungssystem aufgebaut Frühe Mehrsprachige benutzen ein ausgedehntes frontales und präfrontales Netzwerk unter Einschluss des Broca-Areals. Diese Hirnregionen sind u.a. dafür verantwortlich, ein Konzept aus mehreren Alternativen zu wählen, und sie sinnvoll in einer zeitlichen Abfolge zu organisieren. Sie sind eine zentrale Schaltstation für das Arbeitsgedächtnis. .

Späte Mehrsprachige aktivieren eher posteriore Bereiche, insbesondere das Wernicke-Areal. Hier handelt es sich um ein Integrationsgebiet mit sensiblen Kontrollfunktionen

Einige Thesen, die wir entmystifizieren sollten: Eine neue Sprache zu erlernen ist sehr schwer Viele Menschen haben einfach keine Begabung, um Sprachen zu erlernen Ab einem bestimmten Alter kann man nicht mehr gut eine Sprache erlernen

Altersgerechte Sprachsituationen Die besten Voraussetzungen für ein gelungenes mehrsprachiges Aufwachsen: Altersgerechte Sprachsituationen Spracherwerb ist kein Sprachen-Lernen! Berücksichtigung der Prinzipien des frühkindlichen Spracherwerbs Emotionale Bindung beachten

Denn … Frühe Mehrsprachige entwickeln eine andere Strategie der Sprachprozessierung als späte Mehrsprachige. Die Sprachprozessierungsstrategie wird für spät gelernte (Fremd-)Sprachen beibehalten. Die individuelle Lernstrategie spiegelt sich bei der regionalen Aktivierung wider. Jede/r Heranwachsende entwickelt eigene Sprachprozessierungs- und Sprachlernstrategien Frühe Mehrsprachige aktivieren größere Bereiche der präfrontalen Rinde, dem Ort des Arbeitsgedächtnisses.

Frühe Mehrsprachige aktivieren größere Bereiche der präfrontalen Rinde, dem Ort für Problemlösungen. Die Typologie der einzelnen Sprache beeinflusst Wahrnehmung und Verarbeitung anderer kognitiver Prozesse. Der Gebrauch mehrerer Sprachen kann hier zu reicherer Wahrnehmungs- und Verarbeitungsfähigkeit führen.

Je früher, desto empfänglicher für später zu erwerbende Sprachen. Schlussfolgerungen Das Gehirn ist für Mehrsprachigkeit potentiell empfänglich – lebenslang. Je früher, desto akzentfreier und in gewissen Bereichen grammatikalisch korrekter (Artikelgebrauch, bspw.), kein Einfluss auf Satzbau oder Wortschatz. Je früher, desto empfänglicher für später zu erwerbende Sprachen.

4. Je mehr, desto geschickter: Sprachen kann man ein Leben lang lernen. 5. Es gibt Barrieren – sie sind sozialer Natur (Einstellungen, Bildungstradition, Sprachpolitik etc.).

Für diese Präsentation geht mein Dank speziell an: Prof. Dr. Rita Franceschini, Forschungszentrum Sprachen, Freie Universität Bozen - Libera Università di Bolzano - Free University of Bolzano Prof. Dr. Sabine Ehrhart, Universität Luxemburg Unsere Söhne Matthias, Benjamin und Thomas