Kapitel 10: Feminismus.

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 Präsentation transkript:

Kapitel 10: Feminismus

Belege für die Nicht-Thematisierung der Frauenfrage (1) Umgangssprache: (man, mankind, homme, der Präsident schliesst immer die Frau ein, die aber in männlicher Sprachform genannt wird).

Belege für die Nicht-Thematisierung der Frauenfrage (2) Wirtschaft: biologische Unterschiede der Frau werden nach wie vor zum Anlass von Einstellungs-, Lohn- oder Aufstiegdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, auch wenn sie zur Erbringung der Arbeit nicht relevant sind; umgekehrt werden spezifische Eigenschaften von Frauen (z.B. höhere Ausdauer und Aufmerksamkeit in bestimmten Situationen des Dauerstress) auf dem Arbeitsmarkt nicht so bewertet wie entsprechende männliche Eigenschaften (z.B. höhere physische Kraft).  

Belege für die Nicht-Thematisierung der Frauenfrage (3) Politische Theorie und Philosophie: die traditionelle Sphäre weiblichen Lebens (Prokop's "weiblicher Lebenszusammenhang der Kinderaufzucht und Hausarbeit) wurde in der politischen Theorie als "unpolitischer Bereich" betrachtet und typischerweise der Natur, der Sitte und Gewohnheit zugeordnet, auch wenn er politisch reguliert wird (z.B. Ehegesetzgebung). Bis ins 20. Jahrhundert ist es denn auch "normal", Frauen von den politischen Rechten auszuschliessen (als Protest aus der Zeit der französischen Revolution: Olympe de Gouges "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin" (John Stuart Mill).

Die Entwicklung der neuen Frauenbewegung lässt sich grob in drei Phasen zusammenfassen: bis etwa 1975 Abgrenzung (von Männern und Institutionen) und die Entwicklung eines neuen weiblichen Selbstbewusstseins; bis etwa Anfang der 80er Jahre Entwicklung einer feministischen Gegenkultur (Gründung von Frauen-projekten, vor allem im gesundheits-, sozialpolitischen und im wissenschaftlich kulturellen Bereich); seitdem zunehmende rechtliche, politische, wissen-schaftliche und soziale Einflussnahme auf den öffentlichen Bereich (Quoten auf Parteilisten, reine Frauenparteien, Frauengewerkschaft, Gründung des Vereins feministischer Wissenschaft, Frauen für den Frieden, etc.).

Die neue Frauenbewegung Die neue Frauenbewegung hat sich von Anfang an als feministisch verstanden. Im Mittelpunkt steht die Veränderung der Beziehung zwischen Frauen und Männern, die Beendigung der weiblichen Abhängigkeit vom Mann in emotionaler, ökonomischer, politischer und intellektueller Hinsicht. In der Theorie der Neuen Frauenbewegung ging es vor allem um Ansätze zur Erfassung der ausserökonomischen Faktoren von Frauenunterdrückung. Folge: Kulturkritik am Patriarchat, Analyse der Entstehung und Wirkung von Geschlechterrollen, Beschäftigung mit der Frauengeschichte, Orientierung auf Veränderung von Bewusstseinsstrukturen, Werthaltungen und Normen.

Theoretische Hauptströmungen: Politischer Radikalfeminismus. Frauenunterdrückung ist Unterdrückung einer sozialen Gruppe durch die Männer. Die Aufhebung des kapitalistischen Wirtschaftssystems beendet die Unterdrückung noch nicht. Sozialistischer Feminismus. Diskriminierung der Frau erklärt sich durch das kapitalistische Wirtschaftssystem. Fraueninteressen müssen von den autonomen Frauengruppen in die linken Parteien und Gewerkschaften hineingetragen werden. Dualistisch-kultureller Radikalfeminismus. Geschlechtsspezifische Unterschiede als unüberwindbare Gegensätze. Dem "weiblichen Prinzip" kommt eine höhere Wertung.

Hauptkritik und Forderungen der feministischen Bewegung - Bereiche: Familie Persönlichkeit Politik Kultur

Familie - Kritik Politisch: Kleinfamilie als Nährboden für das bürgerlich-individualistische Besitzdenken und Profitstreben. Reproduktionsbereich ist zentraler Ort der ökonomischen, psychischen und sexuellen Unterdrückung von Frauen. Soziologischpsychologisch: Kleinfamilie als Produktionsstätte des autoritären Charakters. Psychoanalytisch: neurotische Fehlentwicklungen des Erwachsenen durch die ungleiche Rolle von Mutter und Vater.

Familie - Forderungen Aufhebung der hierarchisch-strukturierten Arbeitsteilung, was sowohl die volle Integration der Frauen in die Berufswelt als auch die gleiche Verantwortung des Mannes für Hausarbeit und Erziehung der Kinder impliziert. Aufhebung der familienfeindlichen Lebensbedingungen (Beck) und Durchbruch zur neuen Familie nach dem Modell einer sozialen Elternschaft. Abbau der Vorurteile bezüglich der Zuständigkeit von Emotionalität, die einseitig den Frauen zugewiesen werden. Schaffen von Lebensumständen, die nicht mehr in erster Linie auf technisches und wirtschaftliches Wachstum ausgerichtet sind, sondern auf die Entwicklung eines menschenwürdigen Daseins.

Persönlichkeit - Kritik Unterdrückung der selbstbestimmten Sexualität und Mutterschaft durch herrschendens Rechtssystem (Abtreibungsgesetze, Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe, Inzesttabu). Unterdrückung der sexuellen Bedürfnisse der Frauen, die Enteignung und die Entfremdung ihres Körpers, die Vergesellschaftung des weiblichen Körpers als Lustobjekt. Problem der Gewalt, sei es die strukturelle Gewalt des patriarchalen Gedankenguts, die sich in einer grundlegenden Frauenverachtung äussert, sei es die individuelle physische Gewalt des einzelnen Mannes gegen Körper und Psyche der Frau oder die offene, brutale, teilweise lebensbedrohende Gewalt, die Frauen durch Männer erleiden müssen (Prügel, Vergewaltigung, Totschlag).

Persönlichkeit - Forderungen Herausbildung einer selbstbestimmten Identität als Frau, Abschaffung der Unterdrückung der Frauen. Abschaffung des gesellschaftlich definierten Frauenbildes, dem sog. "Wesen der Frau", grundlegende Infragestellung von Macht und Machtstrukturen. Neudefinition der menschlichen Reife, im Sinne von persönlich und sozial tragfähigem Erwachsensein von Mann und Frau. Fähigkeit zur reziproken, nichthierarchischen Partnerschaft. Eine psychophysische sexuelle Präsenz für beide Geschlechter, die nicht auf sexuelles Normenverhalten reduziert wird.

Politik - Kritik Untervertretung der Frauen in der öffentlich-politischen Sphäre. Kritik an den rechtlichen und gesellschaftlichen, wirtschaftlichen Normen, die einseitig auf die typisch männliche Biographie und männliche Identität ausgerichtet sind und Frauen benachteiligen. Entlarvung der Herrschaftsbeziehungen in der Politik und Wirtschaft.

Politik - Forderungen Machtumverteilung und Partizipation auf allen Ebenen für beide Geschlechter, Dezentralisierung, Basisdemokratie, vernetzte und ganzheitliche Wahrnehmung von Politik. Neudefinition des Rechts, der Arbeit, des Arbeits- und Zeitbegriffs. Inhaltliche Korrektur der heute gültigen Rechts-, Staats-, Wirtschafts- und Arbeitstheorien. Änderung des politischen Stils (Emotionalität versus Rationalität). Chancengleichheit der politischen Partizipation für beide Geschlechter und alle Klassen.

Kultur - Kritik Patriarchaler Kulturbegriff, der der weiblichen Kunst und der weiblichen Kreativität keinen Platz übrig lässt. Verdrängung der Frauen aus dem Kultur und Wissenschaftsbetrieb über Jahrhunderte hinweg. Sprache, welche keine adäquaten Ausdrucksmöglichkeiten für die spezifisch weiblich definierten Empfindungen und kulturellen Vorstellungen finden lassen und die Frauen in vielen Bereichen von vornherein ausschliesst: Männersprache, die von der sozialen Vorrangstellung des Mannes und von männlichen Verhaltens und Begriffsstereotypien geprägt sind (herrlich-dämlich). Die Nicht-Existenz der Frau im gesellschaftlichen und sprachlichen und kulturellen Bewusstsein.

Kultur - Forderungen Wiederentdeckung weiblicher Kreativität und Schaffenskraft, Aufbrechung der elitären Wissenschaft und abgehobenen Kunstbetrieb, feministische Sprachkritik. Chancengleichheit der Frauen für alle kreativen Leistungen und für Schlüsselpositionen auf sämtlichen Gebieten der Wissenschaft, der Kunst und der Erziehung und die Korrektur des einseitig männlichen Kulturbegriffs zu einer allgemein menschlichen Vorstellung von Kultur.