Sind die Menschenrechte universal? Ein Streitgespräch

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 Präsentation transkript:

Sind die Menschenrechte universal? Ein Streitgespräch Individuum und Gesellschaft Unser Menschenbild im Einklang mit dem Grundgesetz sowie andere Menschenbilder Sind die Menschenrechte universal? Ein Streitgespräch

U = Kulturuniversalist, R = Kulturrelativist Vorläufer der Menschenrechtsidee: Virginia Bill of Rights (USA, 1776) Déclaration des droits de l‘homme et du citoyen (Frankreich 1789) UN-Menschenrechtspakte (1966): Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt) Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) Dass die Menschenrechte im „Westen“ entstanden sind, spricht nicht dagegen, dass sie universal gültig sein können. Die Menschenrechte sind eine westliche Erfindung und nur ein Vorwand, imperiale Interessen zu verfolgen.

U = Kulturuniversalist, R = Kulturrelativist Afghanistan hat ratifiziert: im Jahr 1983 beide UN-Menschenrechtspakte sowie die Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam (1990) im Jahr 1994 die UN-Kinderrechtskonvention Wenn es zur Kultur der Afghanen gehört, dass Frauen keine Bildung erhalten dürfen, darf das von außen nicht geändert werden.

U = Kulturuniversalist, R = Kulturrelativist Artikel 13 des UN-Sozialpakts, Ziffer (1): Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf Bildung an. Sie stimmen überein, dass die Bildung auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und des Bewusstseins ihrer Würde gerichtet sein und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten stärken muss. Sie stimmen ferner überein, dass die Bildung es jedermann ermöglichen muss, eine nützliche Rolle in einer freien Gesellschaft zu spielen, dass sie Verständnis, Toleranz und Freundschaft unter allen Völkern und allen rassischen, ethnischen und religiösen Gruppen fördern sowie die Tätigkeit der Vereinten Nationen zur Erhaltung des Friedens unterstützen muss. Wenn es zur Kultur der Afghanen gehört, dass Frauen keine Bildung erhalten dürfen, darf das von außen nicht geändert werden.

U = Kulturuniversalist, R = Kulturrelativist UN-Kinderrechtskonvention, Artikel 28: Recht auf Bildung; Schule; Berufsausbildung Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Bildung an; um die Verwirklichung dieses Rechts auf der Grundlage der Chancengleichheit fortschreitend zu erreichen, werden sie insbesondere den Besuch der Grundschule für alle zur Pflicht und unentgeltlich machen; die Entwicklung verschiedener Formen der weiterführenden Schulen allgemeinbildender und berufsbildender Art fördern, sie allen Kindern verfügbar und zugänglich machen und geeignete Maßnahmen wie die Einführung der Unentgeltlichkeit und die Bereitstellung finanzieller Unterstützung bei Bedürftigkeit treffen; allen entsprechend ihren Fähigkeiten den Zugang zu den Hochschulen mit allen geeigneten Mitteln ermöglichen; Bildungs- und Berufsberatung allen Kindern verfügbar und zugänglich machen; Maßnahmen treffen, die den regelmäßigen Schulbesuch fördern und den Anteil derjenigen, welche die Schule vorzeitig verlassen, verringern. Afghanisches Mädchen by My afghanistan (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons Wenn es zur Kultur der Afghanen gehört, dass Frauen keine Bildung erhalten dürfen, darf das von außen nicht geändert werden.

U = Kulturuniversalist, R = Kulturrelativist Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam Artikel 9 Das Streben nach Wissen ist eine Verpflichtung und die Gesellschaft und der Staat haben die Pflicht, für Bildungsmöglichkeiten zu sorgen. Der Staat muss sicherstellen, dass Bildung verfügbar ist und dass im Interesse der Gesellschaft ein vielfältiges Bildungsangebot garantiert wird. Die Menschen müssen die Möglichkeit haben, sich mit der Religion des Islams und den Dingen der Welt zum Wohle der Menschheit auseinanderzusetzen. Jeder Mensch hat das Recht auf eine sowohl religiöse als auch weltliche Erziehung durch die verschiedenen Bildungs- und Lehrinstitutionen. Dazu zählen die Familie, Schule, Universitäten, die Medien usw. Alle zusammen sorgen sie ausgewogen dafür, dass sich seine Persönlichkeit entwickelt, dass sein Glaube an Gott gestärkt wird und dass er sowohl seine Rechte wahrnimmt als auch seine Pflichten beachtet. Zwei Anmerkungen: Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam („Kairoer Erklärung“) zeigt, dass die Menschenrechte nicht universal sind. Wären sie es, gäbe es nicht so viele regionale Menschenrechtserklärungen.

U = Kulturuniversalist, R = Kulturrelativist Begründung der Menschenrechte Islam Die Einleitung der Kairoer Erklärung hält fest, „… dass … die grundlegenden Rechte und Freiheiten im Islam ein integraler Bestandteil der islamischen Religion sind und dass grundsätzlich niemand das Recht hat, sie ganz oder teilweise aufzuheben, sie zu verletzen oder zu missachten, denn sie sind verbindliche Gebote Gottes, die in Gottes offenbarter Schrift enthalten und durch Seinen letzten Propheten überbracht worden sind …“ Christentum Altes Testament: Gottebenbildlichkeit (Gen 1,27) Neues Testament: Gotteskindschaft (Gal 3,26) Zwei Anmerkungen: Artikel 24 der Kairoer Erklärung Alle Rechte und Freiheiten, die in dieser Erklärung genannt wurden, unterstehen der islamischen Scharia.

U = Kulturuniversalist, R = Kulturrelativist Menschenrechte … … haben sich erst in der Moderne durchgesetzt … sind im Nachhinein religiös begründet worden … mussten erst in jeder Kultur erkämpft werden … lassen sich auf verschiedene Weise begründen Wenn aber eine Religion oder Kultur verbieten würde, dass Frauen Bildung erhalten dürfen?

U = Kulturuniversalist, R = Kulturrelativist Kategorischer Imperativ „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person als auch in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ Immanuel Kant zitiert nach der Akademieausgabe: Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, AA IV, 429. Wie begründet man die Menschenwürde in Kulturen, in denen man nicht Immanuel Kant folgt?

U = Kulturuniversalist, R = Kulturrelativist In jeder Kultur leben mehrere Menschen zusammen, die bestimmte Regeln für ihr Zusammenleben entwickeln und ihre Zusammengehörigkeit sowie die Regeln des Umgangs miteinander ausdrücken, z.B. durch Kunst, Religion, Recht usw. Aber das heißt noch nicht, dass alle Menschen die gleichen Rechte haben.

U = Kulturuniversalist, R = Kulturrelativist Menschenrechte mussten und müssen gegen die jeweils Herrschenden erkämpft werden. Wenn das Volk von den Herrschenden unterdrückt wird und sich das Volk nicht wehren kann, was hat dann das Volk davon, dass ihr Land einen Menschenrechtspakt unterzeichnet hat? Faktisch haben die Unterdrückten dann keine Rechte.

universelles ethisches Ideal U = Kulturuniversalist, R = Kulturrelativist Dilemma der Menschenrechte universelles ethisches Ideal können nur in jedem einzelnen Staat durchgesetzt werden, indem sie in staatliches Recht gegossen werden

U = Kulturuniversalist, R = Kulturrelativist Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Artikel 2, Ziffer (1) Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, die in diesem Pakt anerkannten Rechte zu achten und sie allen in seinem Gebiet befindlichen und seiner Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen ohne Unterschied wie insbesondere der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status zu gewährleisten. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Artikel 1, Ziffer (1) Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.

U = Kulturuniversalist, R = Kulturrelativist overlapping consensus „Indem wir eine politische Gerechtigkeitskonzeption so anlegen, dass ein übergreifender Konsens über sie möglich ist, passen wir sie nicht der existierenden Unvernunft an, sondern dem Faktum eines vernünftigen Pluralismus.“ John Rawls Politischer Liberalismus (1993), Frankfurt/Main 1998, S. 232.

U = Kulturuniversalist, R = Kulturrelativist overlapping consensus in der Auseinandersetzung um die Menschenrechte eigenständiger kritischer Anspruch begrenzte normative Reichweite Vermittlung, Verständnis und Begründung mit unterschiedlichen kulturellen Traditionen Heiner Bielefeldt, Philosophie der Menschenrechte. Grundlagen eines weltweiten Freiheitsethos, Darmstadt 1998, 145–149.

Streitgespräch – Spielregeln Zunächst müsst ihr euch mit dem Thema, dem Problem oder der Fragestellung vertraut machen. Führt in einer Abstimmung ein erstes Meinungsbild herbei: Wie steht ihr zu dem Problem oder der Frage? Bildet nun Gruppen für die jeweiligen Positionen. Am besten ist es, wenn die Gruppen durch Los oder ein Zufallsprinzip gebildet werden (z.B. indem verschiedenfarbige Spielkarten gezogen werden). Es geht nämlich jetzt nicht um die eigene Meinung zu dem Problem, sondern darum, Begründungen für einen Standpunkt vorzutragen, in den man sich hineinversetzt. Die Gruppen setzen sich nun anhand von Materialien vertiefend mit „ihren“ Positionen auseinander und erarbeiten sich begründete Standpunkte. Dabei sollten sie auch Argumente der gegnerischen Partei erkennen und überlegen, wie man sie widerlegen kann. Anschließend bestimmen sie Gruppensprecher (2 oder3). Für die Durchführung des Spiels wird eine geeignete Sitzordnung hergestellt: Vorne sollen die Gesprächsleiter sitzen (dies können Schüler oder Lehrer sein), an zwei sich gegenüberstehenden Längstischen sitzen die „Parteien“, hinten die übrigen Schüler als Beobachter. …

Streitgespräch – Spielregeln Die Gesprächsleiter eröffnen das Streitgespräch, begrüßen die Zuschauer, nennen das Thema, stellen die Gesprächsteilnehmer vor und erklären den Ablauf des Spiels. Anschließend halten die Gruppensprecher jeweils einen ca. dreiminutigen Eingangsvortrag (Statement). Danach erfolgt in Rede und Gegenrede der Austausch der Argumente und Gegenargumente (ca. 15–20 Minuten). In der Auswertung des Spiels fordern die Gesprächsleiter die Beobachter auf, mitzuteilen, welche Argumente sie überzeugend fanden und welche nicht. Außerdem sollen sie ihren Gesamteindruck wiedergeben und sagen, was gut war und was ihnen nicht gefallen hat. Zum Abschluss des Spiels wird noch einmal eine Abstimmung über die Ausgangsfrage durchgeführt. Das Ergebnis wird mit dem ersten Abstimmungsergebnis verglichen. Wenn es Unterschiede gibt, sollten die Ursachen dafür diskutiert werden. © Bundeszentrale für politische Bildung, Adenauerallee 86, 53113 Bonn, Autor: Lothar Scholz. Redaktion: Iris Möckel. Gestaltung: Leitwerk, Büro für Kommunikation, Köln.