Aus: Memorandum „Wenn alte Menschen nicht mehr leben wollen-Situation und Perspektiven der Suizidprävention im Alter“ der AG Alte Menschen im NaSPro (2015) Unter Suizidalität wird das ganze Spektrum von Gedanken, Äußerungen und Handlungen verstanden, ausgehend von suizidalen Erwägungen, Phantasien und Gedanken über den häufigeren Suizidversuch bis zum selteneren Suizid
Perspektiven der Suizidprävention im Alter Norbert Erlemeier 7. Thementag Initiative Tabu Suizid e. V. „Wenn die Psyche erkrankt“ 12. September 2015 in Düsseldorf
Doppelgesicht des Alters Suizidalität im Alter Warnzeichen Gliederung Doppelgesicht des Alters Suizidalität im Alter Warnzeichen Risikofaktoren Schutzfaktoren Suizidprävention Fazit
Belastungen des Alters Abnahme sozialer Wertschätzung und Einflussnahme Unflexible Verhaltens- und Anpassungsformen Einbuße an Autonomie und Selbstbestimmung Angst, dass Gebrechen, Krankheiten und Leid Überhand nehmen Geschwächtes Selbstwertgefühl Lang schwelende Beziehungskonflikte Soziale Isolierung und Vereinsamung Angst, anderen zur Last zu fallen Gefühl der Endgültigkeit und Zukunftslosigkeit Existenzielle Fragen am Lebensende
Suizidraten Deutschland 2013
Suizidversuche: Häufigkeit nach Alter und Geschlecht Quelle: Schmidtke et al. (2009) Suizidversuchsraten der einzelnen Altersgruppen in der Bundesrepublik Deutschland. Aus Reliabilitätsgründen sind die Jahre 2005 und 2006 zusammengefasst. Die Altersverteilung der Personen mit Suizidversuchen ist der der Suizide entgegengesetzt. Suizidversuche werden in Deutschland häufiger von Frauen als von Männern unternommen. Die Suizidversuchsraten zeigen aber, dass Suizidversuche relativ häufig auch in den älteren Altersgruppen zu finden sind. 2006 betrugen die auf Basis der WHO-Erhebung geschätzten Suizidversuchsraten in der Altersgruppe der 60-Jährigen und Älteren für die Männer 53,7/100.000 und für die Frauen 32,4/100.000. 8
Warnzeichen für Suizidgefährdung Frühere Suizidversuche Psychische Erkrankungen (bes. Depressionen) Chronische, schmerzhafte Leiden mit schlechter Prognose Vereinsamung im Gefolge gestörter Sozialbeziehungen Verlusterfahrungen (z. B. Partnerverlust) Todeswünsche, Suizidfantasien Suizidplanungen Gefühle der Hilf- und Ausweglosigkeit Verlust von Wertbindungen Suizidhandlungen in der Familie Indirekte Formen von Suizidalität
Entstehungsbedingungen (Risikofaktoren) Risikofaktoren: Alter, Geschlecht, Erkrankungen, kritische Lebensereignisse, Primärpersönlichkeit Psychische Erkrankungen v.a. affektive Störungen, Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen Somatische Erkrankungen v.a. Krebs, sensorische Störungen, Schmerzzustände Verfügbarkeit von Suizidmitteln Psychosoziale Krisen und Konflikte z.B. Berufsaufgabe, Partnerverlust, andere Verlusterfahrungen Suizidalität Im Alter Desolation, Isolation Einstellungen, Gesellschaft, Anomie, ökonomische Instabilität Nach eigenem Suizidversuch, nach Suizid eines Angehörigen Fehlende stabilisierende sinnstiftende Faktoren
Risikofaktoren - Zusammenfassung Frühere Suizidversuche haben den stärksten Vorhersagewert für vollendete Suizide Affektive Störungen, vor allem Depressionen, tragen bis zu zwei Drittel zum Suizidrisiko bei Störungen auf Grund von Suchtmitteln, besonders Alkohol, erhöhen das Suizidrisiko Chronisch körperliche Erkrankungen, starke Schmerzzustände, neurologische Störungen, bösartige Tumorerkrankungen und Einbußen der Sinnesfunktionen, besonders des Sehens, sind Risiken für Suizidalität Interpersonale Verluste und Beziehungsstörungen spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Suizidalität (Männer im Alter scheinen dafür anfälliger zu sein als Frauen) Faktoren, die als Schutz gegen Suizidgefährdung im Alter wirken können, sind bisher unzureichend untersucht worden (Quelle Metaanalyse von Studien: Dombrovski, Szanto & Rynolds 2005)
Psycho-soziale Schutzfaktoren Kohärenzgefühl Psychische Widerstandsfähigkeit (Resilienz) Selbstwirksamkeitsüberzeugungen Realistischer Bewältigungsstil Sozial-emotionale Unterstützung Sinnstiftende Lebensinhalte (z. B. Religiosität) Realistisches Altersbild Akzeptanz von Verlusten und Einbußen Annahme von Beratung und Hilfe
Suizidprävention - Begriff Suizidprävention umfasst im weitesten Sinne alle Vorkehrungen, Maßnahmen, Hilfen und Einrichtungen zur Verhütung von Suizidrisiken, aber auch Hilfen in akuten suizidalen Krisen sowie die Versorgung und Behandlung nach einem Suizidversuch, einschließlich der Nachbetreuung zur Verringerung der Wieder-holungsgefahr. Eingeschlossen sind auch Hilfen für Hinterbliebene von durch Suizid Verstorbenen. Zur Suizidprävention gehört auch die Stärkung von Ressourcen und Schutzfaktoren.
Präventive Strategien Interventionsbereiche der Suizidprävention (Beautrais 2004; Bertolote 2004) Internationaler Konsens > Bewusstseinsbildung, Aufklärung über psychische Gesundheit in der Bevölkerung und bestimmten Risikogruppen (Public Health) > Informations- und Bildungsprogramme für professionelle und freiwillige Helfer > Erschwernis des Zugangs zu Suizidmethoden > Kommunale Programme für Kontaktpersonen (Gatekeeper, Telefonketten, Neue Medien) > Programme zur Früherkennung und Behandlung von Depressionen und Suizidalität (z. B. „Bündnis gegen Depression“) > Nachsorge bei Suizidversuchen und Betreuung von Angehörigen > Sachgerechte Behandlung der Suizidthematik in den Medien > Verbesserung der Krisenberatung und Therapie bei Suizidalen
Projekt Diakonie RWL „Lebenslinien – Krisenbewältigung im Alter“ Bezugsquelle: www.diakonie.rwl.de
Präventive Strategien Handlungsebenen (AG Alte Menschen im NaSPro) >Existenzielle Fragen am Lebensende ernst nehmen und ansprechen >Körperliche und seelische Leiden alter Menschen fachgerecht erkennen und behandeln >Aufklärung und Bildungsarbeit zu Themen des Alters, der Krisenhilfe und Suizidprävention auf vielen Ebenen betreiben >Mithelfen, um Rahmenbedingungen für gelingende Bewältigung des Alter zu schaffen >Sich dem eigenen Altern stellen
Memorandum der AG Alte Menschen im NaSPro 2015 Download: www.naspro.de/dl/memorandum2015
Memorandum der AG Alte Menschen 2015 - Perspektiven Wahrnehmung erhöhter Suizidgefährdung alter Menschen als gesundheits- und versorgungspolitisches Problem Ernstnehmen des Alterssuizids, um Suizidprävention nicht als überflüssig erscheinen zu lassen Alte Menschen in Lebenskrisen frühzeitig erreichen, ihre Not erkennen und Entlastung schaffen Ausbau leicht erreichbarer Fachdienste und Einrichtungen für alte Menschen in Lebenskrisen Qualifizierung von Fachpersonal für die Wahrnehmung und den Umgang mit Suizidalität alter Menschen Förderung und Ausbau von Forschung und Entwicklung zur Verbesserung der Suizidprävention bei alten Menschen Untersuchung von Häufigkeit und Entstehung von Suizidalität in Pflege- und Versorgungseinrichtungen Vermeidung von Risikofaktoren und Förderung von Schutzfaktoren als Handlungsauftrag für Suizidprävention im Alte Vorrang präventiver und therapeutischer Bemühungen zur Reduktion von Suizidalität vor Formen der Suizidbeihilfe
Lebensschutz und freie Selbstbestimmung Fazit Suizidprävention im Spannungsfeld ethischer Prinzipien: Lebensschutz und freie Selbstbestimmung Kollision dieser beiden Prinzipien, wenn sich (meist nahe dem Lebensende) mit zunehmender, unumkehrbarer Einschränkung der Freiheitsgrade im wachsenden Maße die Sinnfrage des Weiterlebens stellt Suizidprävention im Alter als Hilfsangebot, das belastete Weiterleben ertragen zu können Einstellungen, ethische, religiöse & rechtliche Aspekte
Suizidprävention im Alter Publikationen der AG Alte Menschen im NaSPro Broschüre zum Alterssuizid mit dem Ziel einer Sensibilisierung der Öffentlichkeit Medien Betroffene Angehörige (2013, 5. Auflage) Vertrieben durch: http://www.bmfsfj.de/Kategorien/Publikationen/Publikationen,page=4.html
Mabuse - Verlag, Frankfurt 2011 Publikationen Mabuse - Verlag, Frankfurt 2011
Publikationen
Suizidprävention im Alter ist möglich und notwendig! Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit