Was ist ein Text? UE Grammatik der Gegenwartssprache Dr. Peter Ernst

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 Präsentation transkript:

Was ist ein Text? UE Grammatik der Gegenwartssprache Dr. Peter Ernst Krasnokutskaya, Liudmila 20.01.2014

Was ist ein Text? Textus  texere (lat.) „Gewebe“, „Geflecht“. Der Text als Geflecht der sprachlichen Zeichen Mitte der 1960-er Jahren - Herausbildung der Textlinguistik Der Satz, und zwar der Einzelsatz - die oberste linguistische Bezugseinheit  Erweiterung des sprachlichen Systems um die Einheit „Text“ Das Erweiterungspostulat: Texte als phrasen- bzw. satzübergreifende (transphrastische) Einheiten. „Texte sind strukturelle Einheiten vom gleichen Typ wie Sätze, nur umfangreicher“ (H.Vater 1992, s.20). Text  „das originäre sprachliche Zeichen“ (P.Hartmann)

Metzler Lexikon Sprache von Helmut Glück (2010) Text 1) textinterne (grammatische, strukturelle) Kriterien: - eine durch grammatische, vorrangig pronominale Vertextungsmittel verkettete kohärente Folge von Sätzen - ein relativ abgeschlossenes behandeltes Textthema 2) textexterne (kommunikativer) Aspekte: - Produkt sprachlichen Handelns eine erkennbare kommunikative Funktion

Neuere Forschungsansätze verbinden textinterne und textexterne Kriterien + - das kognitiv, grammatisch, illokutiv und ggf. prosodisch strukturierte Ergebnis - mündlich oder schriftlich - Kommunikative Handlung eines Produzenten - Kontext die Basis für kognitiv und intentional strukturierte Handlungen von Rezipienten

Medialisierung und Digitalisierung der Kommunikation Das Wirkungspotential und der Kontext des Textes werden durch die Interaktion der Bestandteile verstärkt

Was macht einen Text zum Text? „Einführung in die Textlinguistik“ von Robert-Alain de Beaugrande und Wolfgang Ulrich Dressler : „Wir definieren einen TEXT als eine KOMMUNIKATIVE OKKURENZ, die sieben Kriterien der TEXTUALITÄT erfüllt. Wenn irgendeines dieser Kriterien als nicht erfüllt betrachtet wird, so gilt der Text als nicht kommunikativ. Daher werden nicht-kommunikative Texte als Nicht-Texte behandelt.“

I. Kohäsion (grammatischer Zusammenhang) “K. betrifft die Art, wie Komponenten des OBERFLÄCHENTEXTES, d.h. die Worte, wie wir sie tatsächlich hören oder sehen, miteinander verbunden sind“. Wiederholung (Rekurrenz, Paraphrase), Mittel der Textverdichtung (Ellipse, Proformen), morphologische und syntaktische Mittel (Tempus, Deixis, Thema-Rhema-Gliederung). LANGSAM SPIELENDE KINDER Kahn kritisierte seinen Chef. Er wurde entlassen.

Tiefenstruktur des Textes II. Kohärenz (Sinnzusammenhang)  Tiefenstruktur des Textes K. „bezeichnet speziell den semantischen, der Kohäsion zugrundeliegenden Sinnzusammenhang eines Textes, seine inhaltlich-semantische bzw. kognitive Strukturiertheit“ (H.Bußmann „Lexikon der Sprachwissenschaft“, 1990, s. 389). Sinnkontinuität Dunkel war’s, der Mond schien helle, Schneebedeckt die grüne Flur, Als ein Wagen blitzeschnelle Langsam um die Ecke fuhr. Drinnen saßen stehend Leute, schweigend ins Gespräch vertieft, als ein totgeschoss’ner Hase auf der Sandbank Schlittschuh’ lief.

III. Intentionalität als Ausdruck der kommunikativen Absicht Produzent  Rezipient III. Intentionalität als Ausdruck der kommunikativen Absicht   I. „bezieht sich auf die Einstellung [...] des Textproduzenten, der einen kohäsiven und kohärenten Text bilden will, um die Absichten seines Produzenten zu erfüllen, d.h. Wissen zu verbreiten oder ein in einem PLAN angegebenes Ziel zu erreichen“. IV. Akzeptabilität der Äußerung als Text   A. „betrifft die Einstellung des Text-Rezipienten, einen kohäsiven und kohärenten Text zu erwarten, der für ihn nützlich oder relevant ist [...]“ (R.-A. de Beaugrande/W.U. Dressler „Einführung in die Textlinguistik“ 1981, s.9) Ein Text kann danach befragt werden, an wen er gerichtet ist und für welche Adressaten er adäquat erscheint. Der Text-Produzent kann die Erwartungen bewusst enttäuschen (Werbung).

V. Informativität   I. ist „das Ausmaß der Erwartetheit bzw. Unerwartetheit oder Bekanntheit bzw. Unbekanntheit/Ungewissheit der dargebotenen Textelemente“ Dadaismus Das Lautgedicht KARAWANE von Hugo Ball, 1917  

Lesezeichen. „Hast du schon einmal ein richtig dickes Buch gelesen, zwischendurch eine Lesepause eingelegt und die Seite verschlagen? Und warst du dann ärgerlich, dass du die Stelle, an der du weiterlesen wolltest, nicht mehr gefunden hast? Hier hilft ein Lesezeichen, zum Beispiel ein Stück Papier, das du zwischen die Seiten legst und oben aus dem Buch herausschauen lässt “. (www.internet-abc.de) “1. etwas ein langer, schmaler Karton-, Papierstreifen, ein Stoffbändchen o.Ä.), was als Zeichen zwischen zwei Seiten eines Buches gelegt wird, damit eine bestimmte Stelle schnell wieder aufgefunden werden kann. 2. (EDV) Bookmark” (www.duden.de)

VI. Situationalität Intertextualität   S. „betrifft die Faktoren, die einen Text für eine Kommunikations-Situation relevant machen“. Intertextualität Nach W.Krause wird „allgemeine Intertextualität [...] als Bestandteil der Kenntnissysteme überhaupt oder als integrale Komponente vorgängiger Kommunikationserfahrung gesehen“. Schau mir in die Augen, Kleines (Zitat aus dem Film „Casablanca“) Schau mir in die Augen, Modem (Dossier [Internet])  

Intertextualität (nach W.Krause) allgemeine (potentielle, paradigmatische) spezielle (aktuelle): deiktische Intertextualität: es wird auf andere Texte verwiesen, andere Texte werden zitiert (wissenschaftliche Texte); kooperative Intertextualität: es handelt sich um die Interaktion zwischen Textproduzenten (Buch-Rezension, Nachricht-Kommentar-Lesebrief); transformierende Intertextualität: die Ausgangstexte werden in einen oder mehrere umformuliert (Werbetexte); inkorporierende Intertextualität: etablierte Textsorten werden als Teiltexte integriert (Lebenslauf, Reisebericht).

Textbeschreibungsmodelle Strukturell-grammatische Textauffassungen Ununterbrochene pronominale Verkettung (R.Harweg) Pronominalisierung als Prinzip der Wiederaufnahme: explizite - Referenzidentität (Bezugnahme auf dasselbe Objekt = Koreferenz): wörtliche Wiederholung (Rekurrenz) Wien - Wien, ein synonymer (bedeutungsgleicher oder -ähnlicher) Ausdruck: der Sprachwissenschaftler – der Linguist, Pro-Formen (Pronomen, Pronominaladverbien) Carl hörte die munteren Stimmen. Sie hätten ihn vorwarnen können. Ober- bzw. Unterbegriffe (Hyperonyme): Assam - Teesorte.

implizite (parzielle Koreferenz) logische: Niederlage - Sieg ontologische: Blitz - Donner kulturelle: Stadt - Bahnhof situationelle: der langhaarige Knabe – das englische Matrosenkostum usw. Semantische Textbeschreibungsmodelle Konzept der Funktionalen Satzperspektive: Die Struktur eines Textes als Sequenz von Themata

Thema-Rhema-Modell von F.Danes Thematische Progression   Lineare Progression: Das Rhema des ersten Satzes wird zum Thema des zweiten: Es war einmal ein Mann, der hatte einen Schwamm. Der Schwamm war ihm zu nass, da ging er auf die Gass'.

Progression mit einem durchlaufenden Thema: Einem konstanten Thema werden fortlaufend neue Rhemen zugeordnet: Spanien ist ein wunderschönes Reiseziel. Das Land hat kulturell eine Menge zu bieten. Es steht nunmehr (2011) nach Frankreich, den USA und China mit 53 Millionen Besuchern an der vierten Stelle in der Reisestatistik. Progression mit abgeleitetem Thema: Die Themen der einzelnen Sätze werden von einem übergeordneten Hyperthema abgeleitet: Wahlkampf Die Parteien überschütteten uns mit Werbespots in Hörfunk und Fernsehen. Die Straßen waren mit Plakaten zugeklebt. Redner machten wieder einmal tausenderlei Versprechungen.

Progression eines gespaltenen Themas: das Rhema eines Satzes wird in mehrere Themen zerlegt: Chancen auf die Meisterschaft haben nur noch zwei Vereine. Leverkusen scheint die besseren Karten zu haben, denn die Bayern haben bereits drei Punkte Rückstand. Progression mit einem thematischen Sprung: In der Progression wird ein Glied der thematischen Kette ausgelassen, weil dieses aus dem Kontext weiteres erschließbar ist: Morgen ist schon wieder Montag. Wenn ich daran denke, so früh aufzustehen zu müssen!

Kommunikationsorientierte Textlinguistik   Pragmatische Wende 1970er Jahren Frage: die Textfunktion und der Handlungswert eines Textes K.Brinker unterscheidet auf sprechakttheoretischer Grundlage die folgenden textuellen Grundfunktionen: Informationsfunktion (Vorlesung, Reportage); Appellfunktion (Werbeanzeige, Kommentar); Obligationsfunktion (Vertrag, Versprechen); Kontaktfunktion (Ansichtskarte, Liebesbrief); Deklarationsfunktion (Testament, Schuldspruch).

Integrative Textmodelle Transphrastische Textauffassung: vom Satz zum Text Kommunikative Textauffassung: vom Text zum Satz. Das integrative Textmodell setzt Textfunktion und Textstruktur in Zusammenhang.

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