Gefühle in der Medizin Gernot Rüter

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 Präsentation transkript:

Gefühle in der Medizin Gernot Rüter Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie, Palliativmedizin 71726 Benningen/Neckar 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Hauptsächliche Literatur Alfons Labisch Homo hygienicus – Gesundheit und Medizin in der Neuzeit 1992 Campus Frankfurt/New York Antonio R. Damasio Der Spinoza-Effekt – Wie Gefühle unser Leben bestimmen 2011 List/Ullstein Berlin Thomas Fuchs Das Gehirn –ein Beziehungsorgan. Eine phänomenologisch-ökologische Konzeption 2010 Kohlhammer Stuttgart Hermann Schmitz Der Leib, der Raum und die Gefühle 2009 Sirius-Edition Bielefeld/Basel 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Stationen des Vortrages Historische Einleitung Physiologie und Biologie von Gefühlen –Antonio Damasio Übergang –Thomas Fuchs Neophänomenologischer Aspekt der Gefühle –Hermann Schmitz Übertragung in ärztliches Handeln 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Stationen des Vortrages Historische Einleitung Physiologie und Biologie von Gefühlen –Antonio Damasio Übergang –Thomas Fuchs Neophänomenologischer Aspekt der Gefühle –Hermann Schmitz Übertragung in ärztliches Handeln 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Hierarchie der Gefühle nach Damasio Soziale Emotionen Primäre Emotionen Hintergrundemotionen Antriebe und Motivationen Schmerz- und Lustverhalten Immunantworten Grundreflexe Stoffwechselsteuerung Zunehmende Komplexität, Bewusstheit und willentliche Modulationsmöglichkeit 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Phasen emotionaler Reaktionen Einschätzung und Beurteilung eines emotional besetzten Stimulus Sensorische Assoziationsareale und Kortexareale höherer Ordnung Auslösung einer Emotion Amygdala, Ventromedialer präfrontaler Kortex, gyrus cinguli, Supplemetär-motorisches Areal des Frontalhirnes Ausführung einer Emotion Basales Vorderhirn, Hypothalamus, Hirnstamm Emotionaler Zustand Multiple Modulationen 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Wer ist zu Gefühlen fähig? Für Gefühle bedarf es eines Nervensystems. Das Nervensystem muss in der Lage sein, Körperstrukturen und Körperzustände abzubilden und die neuronalen Muster dieser Kartierungen in mentale Muster und Bilder zu verwandeln. Für das Auftreten von Gefühlen muss es ein Bewusstsein geben. Allerdings tragen Gefühle ihrerseits auch zur Schaffung eines Bewusstseins bei. Die Gehirnkarten, die das grundlegende Substrat von Gefühlen bilden, zeigen Muster von Körperzuständen, die wiederum aufgrund der Befehle anderer Teile desselben Gehirns ausgeführt werden. 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Würzburger Philosophicum Gernot Rüter Resümee Damasio: „Gefühle sind notwendig, weil sie auf der mentalen Ebene Emotionen und das, was ihnen zugrunde liegt, zum Ausdruck bringen. Nur auf dieser bewussten Ebene biologischer Prozesse und bei vollem Bewusstsein werden Gegenwart, Vergangenheit und antizipierte Zukunft hinreichend verknüpft. Nur auf dieser Ebene können Emotionen mithilfe von Gefühlen die Sorge um das individuelle Selbst erzeugen. Die effektive Lösung von schwierigen Problemen verlangt Flexibilität und eine sinnvolle Zusammenstellung von Informationen. Das können nur mentale Prozesse und die geistige Besorgnis, die durch Gefühle geweckt wird, leisten.“ 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Stationen des Vortrages Historische Einleitung Physiologie und Biologie von Gefühlen –Antonio Damasio Übergang –Thomas Fuchs Neophänomenologischer Aspekt der Gefühle –Hermann Schmitz Übertragung in ärztliches Handeln 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Thomas Fuchs: Doppelaspekt des Lebendigen „..Person ist nicht ein Teil des Körpers, sondern immer die leib-seelische Einheit, der lebendige Mensch. Personen haben Gehirne, sie sind sie nicht. Diese Einheit können wir nur unter zwei komplementären Aspekten als in sich vermittelte Einheit erfassen. Unter dem einen Aspekt erscheint die Person in ihren integralen leiblichen, seelischen und geistigen Lebensäußerungen, unter dem anderen Aspekt als körperlicher Organismus –einmal als Leib, einmal als Körper..“ 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Stationen des Vortrages Historische Einleitung Physiologie und Biologie von Gefühlen –Antonio Damasio Übergang –Thomas Fuchs Neophänomenologischer Aspekt der Gefühle –Hermann Schmitz Übertragung in ärztliches Handeln 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Würzburger Philosophicum Gernot Rüter Hermann Schmitz „Gefühle sind räumliche, ortlos ergossene Atmosphären“ 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Paradigmenwechsel vor zweieinhalb Tausend Jahren Altes Paradigma Neues Paradigma (Demokrit, Plato, Aristoteles) Archaischer Dynamismus Reduktionismus-Psychologismus-Introjektion Leiblich gespürte Eindrücke in polarisierten Gegensatzpaaren: Flink-Beweglich-Flammenhaftes versus Zäh-Sperrig-Schwerfälliges Yin-Yang Säftelehre-Temperamente Alchimie Tierkreiszeichen Innenweltdogma Einquartierung des Erlebens in die Innenwelt (Seele) Reduktionismus: Abschleifung der Außenwelt auf messbare, identifizierbare und manipulierbare Merkmale = Abstraktionsbasis der Physik 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Neue Phänomenologie (Schmitz): „Die neue Phänomenologie widmet sich der Aufgabe, die Abstraktionsbasis der Theorie- und Bewertungsbildung tiefer in die unwillkürliche Lebenserfahrung hineinzulegen“. “Die Abstraktionsbasis entscheidet darüber, was so wichtig genommen wird, dass es durch die Worte und Begriffe Eingang in Theorien und Bewertungen findet.“ 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Würzburger Philosophicum Gernot Rüter Der Leib Unter dem eigenen Leib eines Menschen verstehe ich das, was er in der Gegend seines Körpers von sich spüren kann, ohne sich auf das Zeugnis der fünf Sinne…und des perzeptiven Körperschemas..zu stützen. Leibliche Dynamik durch Engung und Weitung, epikritische und protopathische Tendenz Der Antagonismus zwischen Engung und Weitung liefert den vitalen Antrieb Auch die leibliche Richtung vermittelt zwischen Engung und Weitung Leibliche Einheit ist nicht durch den Umriss, sondern die Einheitlichkeit der Empfindung bestimmt Lokalisierbare Teilbereiche der Empfindung=Leibinseln Orte leiblicher Empfindungen = absolute Orte Leibliche Zuordnung durch das „motorische Körperschema“ 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Würzburger Philosophicum Gernot Rüter Das Gefühl „Gefühle sind räumlich, aber ortlos, ergossene Atmosphären“ „Gefühle sind anspruchsvolle Atmosphären, die dank ihrer ortlosen Ergossenheit in der jeweiligen Umgebung einen totalen Anspruch stellen und zum Konflikt führen, wenn konträre Atmosphären zusammenprallen“. 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Würzburger Philosophicum Gernot Rüter Leibliche Kommunikation „wenn man am eigenen Leib spürt, was der vielsagende Eindruck zu sagen hat“ Typ der Einleibung (Normalfall optischer Wahrnehmung) Situation (gebildet durch einen Hof der Bedeutsamkeit), bei voller Bewusstheit: vielsagender Eindruck, bestehend aus: Relevante Sachverhalte Probleme Rettungsprogramme 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Würzburger Philosophicum Gernot Rüter Der Raum der leibliche Raum. Er dehnt sich über das Spüren am eigenen Leib auf das sinnlich Erfahrene aus. der Gefühlsraum, in dem sich die Gefühle als räumlich ortlos ergossene, leiblich ergreifende Atmosphären ausdehnen. Vom Leib durch Flächen getrennt: der Ortsraum. Er ist dem schon beschriebenen Raum der Naturwissenschaften identisch. Die Wohnung als Kultur der Gefühle im umfriedeten Raum. Hier finden sich die drei anderen Formen von Räumlichkeit zusammen. 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Der Gefühlsraum (Schichtung von Gefühlen nach Schmitz) Zunahme an Richtung und Zentrierung Verdichtungsbereich Verankerungspunkt von Gefühlen Furcht – Zorn – Scham (zentrierte Gefühle) ------------------------------------------------------- Grauen (gegabeltes Zentrum) Sehnsucht Liebe Bangnis Furcht Abgründige Gefühle: (Ahnungen) Sehnsucht--------------Bangnis Freude---Sehnsucht---Schwermut---Kummer Reine Stimmungen: Zufriedenheit ---------------Verzweiflung 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Würzburger Philosophicum Gernot Rüter Die Wohnung Umfriedende, umfriedete Hegung Dichtung, bildende Kunst und Architektur sind Mittel, ein haltbares Verhältnis zur Betroffenheit des Menschen zu entwickeln Leibliche Kommunikation greift ein in das affektive Betroffensein des Menschen Gefühle stellen Ansprüche, haben Autorität. Für eigene Stabilität braucht es Distanz in der Ergriffenheit (ästhetische Andacht) Möglich: der ästhetische Genuss 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter

Fünf Dimensionen wachen und besonnenen Lebens des Erwachsenen das räumliche Hier und die Weite das zeitliche Jetzt und die gleitende Dauer des Dahinlebens und Dahinwährens Sein und Nichtsein Identität und Verschiedenheit das Eigene und das Fremde. Ereignisse plötzlichen Betroffenseins lassen Hier, Jetzt, Sein, Identität und die Subjektivität, dass es sich um mich selbst handelt, auf der Spitze des Plötzlichen zusammenfallen. 17.01.2013 Würzburger Philosophicum Gernot Rüter