Ist die Insolvenz bei der Justiz in guten Händen ?

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 Präsentation transkript:

Ist die Insolvenz bei der Justiz in guten Händen ? Alternativen zur gerichtlichen Verfahrensabwicklung von Prof. Dr. Manfred Hunkemöller Bonn, den 04.03.2010

Ist die Insolvenz bei der Justiz in guten Händen ? Ausgangslage Unternehmensinsolvenzen Seit 11 Jahren ist die Insolvenzordnung in Kraft. Unternehmen haben seitdem das Recht, Gläubigerschutz beantragen zu können. Der Sanierungsgedanke soll im Vordergrund stehen. Es sollen Vermögenswerte erhalten, Arbeitsplätze gesichert und Gläubiger gerecht behandelt werden. Es stellt sich jedoch die Frage: Ist diese Intention des Gesetzgebers bei den deutschen Insolvenzgerichten noch nicht angekommen? Der Mangel an einer positiv verstandenen Insolvenzkultur manifestiert sich in den deutschen Gerichtsfluren. Kundenfreundlichkeit und Bürgernahe sind kaum anzutreffen. Nicht zuletzt auch deswegen werden Insolvenzanträge immer noch viel zu spät gestellt. Ein Gang durch die Gerichtsbarkeit ...

Der Gesetzgeber hat es versäumt, auch die Justiz zu modernisieren Das Insolvenzgericht heute Wie zu Zeiten der Konkursordnung Vollstreckungsgedanke steht im Vordergrund Bereits 1978 hat die damalige Reformkommission darauf hingewiesen, dass ein modernes Insolvenzrecht auch besondere Anforderungen an Richter und Rechtspfleger stellt. Das hat der Gesetzgeber aus Budgetgründen ignoriert. Das Hauptinteresse der Gerichte gilt der Wahrung formaler Kriterien der Rechtsanwendung, so dass die wirtschaftlichen Resultate – wenn überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle spielen Richter und Rechtspfleger sind heute Opfer einer tradierten Festlegung von Zuständigkeiten Kommission zur Vorauswahl und Bestellung von Insolvenzverwalter(innen) sowie Transparenz, Aufsicht und Kontrolle im Insolvenzverfahren („Uhlenbruck-Kommission“) beschäftigt sich auch ausführlich mit den „Qualitätskriterien für Richter und Rechtspfleger“ und kommt zu einem eindeutigen Urteil: Massive Defizite in der Aus- und Fortbildung des Justizpersonals Unzulängliche, quantitative Personalausstattung (Stichwort: Pensen) Massive Defizite in der Sachmittelausstattung (EDV, Literatur, etc.)

„Grenzerfahrung ?“ Beeindruckendes Zitat aus der Gerichtspraxis ... Ich habe „noch keine Richterstelle innegehabt, in der der Wissens- und Erfahrungsunterschied – Stichwort: Augenhöhe – zum Nachteil des Richters so groß ist wie im Insolvenzrecht. Insofern war dies in der Tat eine Grenzerfahrung.“ Alexander Riedel, Präsident des Landgerichts Karlsruhe, ehemaliger Insolvenzrichter, Mitglied der Projektgruppe InsO in Baden-Würtemberg Quelle: Indat 7/09 Ein anderes, zugegeben plakatives und nicht despektierlich gemeintes Beispiel für den Niveauunterschied ist folgender: Die amerikanischen Insolvenzrichter treffen sich in Las Vegas Die deutschen Insolvenzverwalter in Berliner Nobelhotels Und die deutschen Insolvenzrichter treffen sich wo ? In der Jugendherberge in Köln!

Die Justiz hat es versäumt, Ihre Richter(innen) den Anforderungen entsprechend aus- und fortzubilden Stimmen von Insidern ... Um die Qualifikation des Insolvenzrichters ist es regelmäßig schlecht bestellt, da weder die Ausbildung der Justiz-Juristen noch die berufliche Praxis den notwendigen Raum für Spezialisierungen lasse In der Literatur wird die mangelnde Kompetenz der Insolvenzgerichte gerügt Nicht selten werden junge, unerfahrene Richter für diese Aufgabe ausgewählt Ein häufiger Richterwechsel erschwert die Zusammenarbeit mit den Insolvenzverwaltern Fraglich, ob Richter ihren originären Aufgaben noch ordnungsgemäß nachkommen können oder „längst in einer Aktenumwälzanlage“ arbeiten Gesetzgeber hat es bislang unterlassen, die Voraussetzungen für die Qualifizierung von Insolvenzrichtern festzulegen Insolvenzrichter zu sein ist keine Karriereoption Längst ist nicht mehr die Qualifikation des Insolvenzverwalters das Schicksal des Verfahrens, sondern auch die Qualifikation des Insolvenzrichters Quelle: Qualitätssicherung auch für Insolvenzrichter? Uhlenbruck, ZInsO 8/2008

Die Justiz hat es ebenfalls versäumt, Ihre Rechtspfleger(innen) adäquat aus- und fortzubilden sowie zu motivieren Stimmen von Insidern ... Aufgrund seines Studiums ist der Rechtspfleger Experte für das Vollstreckungsrecht Im Studium werden Rechtspfleger nur unzureichend auf eine Tätigkeit im Insolvenzdezernat vorbereitet Die Bereitschaft, Insolvenzaufgaben zu übernehmen, ist häufig nicht sehr ausgeprägt „Gelegentlich werden Insolvenzaufgaben nur übernommen, um nicht noch unangenehmere Aufgaben übernehmen zu müssen“ Es fehlt jeglicher, finanzieller Anreiz Die Ausstattung mit Sachmitteln wird als dürftig beurteilt Qualitativ hochwertige Fortbildungen werden nicht angeboten Häufig ungenügender Austausch / mangelhafte Zusammenarbeit zwischen Richtern und Rechtspflegern (Motto: „Die da vorne bekommen doch nicht mit, was hinten dabei rauskommt“) Die Rechtspfleger erhalten Sonderurlaub zwecks Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen häufig nur ohne Zeitausgleich bei gleichzeitiger, persönlicher Übernahme der Kosten und Auslagen Die Rechtspfleger sind zwar die Stütze der Insolvenzabteilung; bei anspruchsvollen Unternehmensinsolvenzen, insbesondere auch bei Insolvenzpanverfahren, teilweise völlig überfordert

Die Bundesländer verschließen sich aktuell vor den objektiven Missständen Ergebnis der Befragung von sechs Landesjustizministerien Baden-Würtemberg: ... „wir können Defizite in Ausstattung und Fortbildungsmöglichkeiten nicht feststellen.“ Bayern: ...“kein Defizit feststellbar.“ Hessen: ... „kein Bedarf für weitere Fortbildungsveranstaltungen.“ Niedersachsen: ...“über ein mangelndes Fortbildungsangebot sind hier keine Beschwerden bekannt.“ Rheinland-Pfalz: ...“wir sind bemüht ... Fortbildung im gebotenem Umfang anzubieten.“ Schleswig-Holstein: ... „es werden regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen angeboten. Insofern besteht ... derzeit auch kein Änderungsbedarf. Eine weitere Konzentration der Insolvenzgerichte an den jeweiligen Sitz der Landgerichte wird überwiegend mit dem Hinweis auf eine „flächendeckende Bürgernähe“ sowie dem „reibungsfreien gerichtsinternen Kommunikationsablauf“ zum Registergericht abgelehnt. Eines ist damit klar: Des Wurzel des Übels liegt nicht bei den Richtern und Rechtspflegern, sondern ausschließlich bei den Justizverwaltungen und dem Gesetzgeber! Quelle: Keine Mängel, aber auch keine Konzentration, Indat-Report 1/2010

Das Fremdbild der Insolvenzgerichte ist stark verbesserungsbedürftig Rollenverhalten der Gerichte Das Insolvenzgericht als Auftraggeber des Insolvenzverwalters Leidenschaftslos Bürokratisch Nicht ergebnisorientiert Keine wirkliche Kontrollinstanz Ärger mit den Vergütungsanträgen Das Insolvenzgericht als Interessenwahrer der Gläubiger Deren Interessen werden allenfalls verwaltet Als Kunde des Staates nicht beachtet Das Insolvenzgericht als Anlaufstelle für den Schuldner(vertreter) Empathielos Bürgerfremd Gleichgültig „Der Gang zum Zahnarzt ist dagegen eine Freude“ Zum Glück gibt es eine kleine Anzahl von Richtern und Rechtspflegern, die trotzdem mit großem Engagement tätig sind, z.B. auf Kongressen, im BAK InsO oder als Autoren. Diese orientieren sich jedoch vornehmlich nach außen. Eine innere Reform der Gerichtsbarkeit – das hat die Vergangenheit gezeigt – erreichen sie damit nur marginal.

Die Insolvenzverwalter haben in den vergangenen 10 Jahren kräftig aufgerüstet In der Insolvenzverwalterszene hat sich viel bewegt Der Beruf des Insolvenzverwalters ist attraktiv geworden Ansehen in der Öffentlichkeit ist gestiegen Wandel vom Vollstrecker zum Sanierer Aus- und Fortbildung haben einen zunehmend hohen Stellenwert Zahlreiche Insolvenzverwalter haben ein betriebswirtschaftliches Zweitstudium absolviert Einführung des Fachanwaltes für Insolvenzrecht Zusätzliche Qualifikation als Steuerberater / Wirtschaftsprüfer Organisationsverbesserungen wurden durchgeführt Leistungsfähigere Büros Moderne IT QS-Systeme, Zertifizierungen, Ratings Zusammenschlüsse zu flächendeckenden überörtlichen Sozietäten Es hat sich ein sehr aktives Verbandswesen etabliert (Arge Insolvenzrecht, VID, Gravenbrucher Kreis) Bundesweite Kongresse ziehen hunderte von Teilnehmern an Seminarveranstaltungen: Ein inzwischen beeindruckendes Angebot Publikationen: Ein lebhaftes Schrifttum hat sich etabliert

„Vorne Porsche, hinten Trabi ?“ Handlungsbedarf Einschneidende Veränderungen sind erforderlich, um das Insolvenzwesen im Interesse der Gläubiger, des Staates und der Arbeitnehmer zu verbessern. Es darf nicht länger sein, dass von Staats wegen Entscheidungen, die tausende von Arbeitnehmern und Milliardenvermögen betreffen, in nicht hinreichend ausgebildete und erfahrene Hände gelegt wird. Das Prinzip der Flächenversorgung muss zugunsten einer Kompetenzkonzentration bei Unternehmensinsolvenzen aufgegeben werden. Die „Nebentätigkeit Unternehmensinsolvenz“ an kleineren Amtsgerichten muss beendet werden. Und nicht zuletzt: Den Gerichtsangestellten mutet der Dienstherr eine große Frustrationstoleranz zu. Dies muss umgehend abgestellt werden.

Der Gesetzgeber kann nicht weiterhin untätig bleiben Drei mögliche Lösungswege zur Optimierung des Insolvenzwesens Signifikante Verbesserung der Qualität und Leistungsfähigkeit der Justiz Ausbildung Sachmittel Pensenreduzierung Einführung eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens Entlastung der Justiz Schadenreduzierung und Kostenminderung Vollständige Ausgliederung des Insolvenz- und Registerwesens aus der Justiz Zuständigkeitsverlagerung auf das BMWI Übertragung der Aufgaben an die öffentlich-rechtlichen Körperschaften der wirtschaftlichen Selbstverwaltung

Optimierungsoption I: Die Justiz muss umgehend modernisiert werden Erforderliche Maßnahmen Umfassende Zusatzausbildung für Richter und Rechtspfleger vor Aufnahme der Tätigkeit in den Insolvenzdezernaten, insbesondere in betriebswirtschaftlichen Aspekten Betriebspraktika für Rechtspfleger in Industriebetrieben und Verwalterkanzleien Insolvenzdezernate sollten, wie auch die Schwerpunktstaatsanwaltschaften, zusätzlich mit Wirtschaftsreferenten personell ausgestattet werden Die Zahl der von den einzelnen Richtern und Rechtspflegern zu behandelnden Verfahren muss herabgesetzt werden Die Kompetenz in Insolvenzplanverfahren muss sich deutlich verbessern Die innergerichtliche Kommunikation ist zu verbessern Die Insolvenzgerichte müssen bürgerfreundlicher werden Den Richtern und Rechtspflegern muss mehr Raum für eine eigene Weiterbildung gewährt werden Die Stelle „Insolvenzrichter“ muss zu einer Karriereoption werden Einführung einer leistungsgerechteren und der Verantwortung entsprechenden Vergütung für Richter und Rechtspfleger Budgeterhöhung für Literatur Einführung der elektronischen Akte zur Effizienzsteigerung Last, but not least: Richter und Rechtspfleger sollten dazu angehalten werden, hin und wieder die Schuldnerbetriebe zu besuchen, um an „Bodenhaftung“ zu gewinnen

Optimierungsoption II: Ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren könnte die Justiz deutlich entlasten Eckpunkte eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens Koalitionsvertrag: „Wir wollen die Restrukturierung und Fortführung von sanierungsfähigen Unternehmen erleichtern und damit der Erhalt von Arbeitsplätzen ermöglichen. Hierzu gehört es, die rechtlichen Rahmenbedingungen für außergerichtliche Sanierungsverfahren für Unternehmen im Vorfeld der Insolvenz zu verbessern.“ Zu erfüllende Kriterien: Zügige Durchführbarkeit Geringe Publizität Einfach strukturiert Vorhaben ist materiellrechtlich umstritten, grundsätzlich aber diskussionswürdig Damit keine Zeit verloren geht, könnte es das vorläufige Insolvenzverfahren substituieren (Eigenverwaltung im vorläufigen Verfahren; Gläubigerausschuss im vorläufigen Verfahren; Sachwalter als Gutachter und Mediator; Zahlungsmoratorium; Vollstreckungsschutz). Geeignet nur für Unternehmen, die rechtzeitig das Verfahren einleiten. Vorteile: Geringere Verfahrenskosten Höhere Quoten für die Gläubiger Erhalt von Arbeitsplätzen

Optimierungsoption III: Ausgliederung des Register- und Insolvenzwesens aus der Justiz Alternative zur gerichtlichen Abwicklung von Unternehmensinsolvenzen Überleitung der Zuständigkeit des Register- und Insolvenzwesens auf das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Übertragung der Aufgaben auf die eigenverantwortlichen, öffentlich-rechtlichen Körperschaften der wirtschaftlichen Selbstverwaltung Schwerpunkt-IHK in jedem Bundesland Konzerninsolvenzen werden durch DIHK koordiniert Verwalterauswahl und -bestellung durch interdisziplinäres Gremium Anhörung der Verfahrensbeteiligten Schriftliche Begründung der Bestellung Verfahrensüberwachung durch kompetenten Beirat, der verfahrensindividuell durch Gläubigerausschussmitglieder ergänzt wird Zeitnahe Regelung streitiger Themen durch institutionalisierte Schiedsgerichtsbarkeit Vorteile: Entlastung der Justiz Betriebswirtschaftlicher Sachverstand gepaart mit Branchenkompetenz vorhanden IHK ist natürlicher Repräsentant vieler gewerblicher Gläubiger Nachteile: Reibungsverluste durch Systemwechsel Eingeschränkte Sanktionsmöglichkeiten der interdisziplinären Gremien

Fazit: Derzeit ist die Insolvenz bei der Justiz nicht in den besten Händen ! Handlungsnotwendigkeiten Der Gesetzgeber erreicht sein Reformziel nicht, wenn er die vorgenannten, justizpolitischen Probleme nicht umgehend löst. Weitere Reformerfordernisse: Vereinfachung des Insolvenzplanverfahrens / Eingriff in die Gesellschafterrechte Endlich eine Regelung zur Verwalterauswahl (unter Anhörung der Beteiligten?) In der Gerichtsbarkeit müssen – sofern das Insolvenzwesen dort konzentriert bleiben soll - die gleichen, professionellen Strukturen Einzug finden, wie dies bei den Insolvenzverwaltern schon lange der Fall ist. Insolvenzverwaltung ist – besonders zu Verfahrensbeginn – eine betriebswirtschaftliche Managementaufgabe. Insolvenzrecht ist Wirtschaftsrecht. Daher muss in den Amtsstuben betriebswirtschaftliches Denken Einzug finden, um die spannenden Herausforderungen im Zusammenhang mit der Sanierung von Unternehmen besser bewältigen zu können.