Soziale Arbeit oder ordnungspolitische Arbeit

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 Präsentation transkript:

Soziale Arbeit oder ordnungspolitische Arbeit Von Streetwork über aufsuchende Sozialarbeit mit ordnungsdienstlichen Elementen zur Arbeit der Polizei Drei unterschiedliche Arbeitsansätze als Beitrag zur Sicherheit im öffentlichen Raum? Ein Input von der Gasse…

Öffentliche Sicherheit Der Baseler Gassenarbeiter Ray Knecht wird im Forum kritische Sichtweisen und potenzielle Schwierigkeiten der „Aufsuchenden Sozialen Arbeit“ mit ordnungspolitischem Auftrag einbringen und in Bezug zu den Arbeitsprinzipien eines Gassenarbeiters / Streetworkers stellen.

Vor 35 Jahren

Verein für Gassenarbeit „Schwarzer Peter“ Tätig seit 1983 Laufende Entwicklung von spezifischen Hilfsangeboten (Gassenküche, Notschlafstelle, Frauenoase, K+A, MJA, Soup&Chill u.s.w. Laufende Veränderung der primären Zielgruppe Stetige Überprüfung des Konzeptes siehe; www.schwarzerpeter.ch

Organigramm „Schwarzer Peter“ Kanton Basel Stadt Dep. WSU Stiftungen CMS / GGG Gemeinden Gewerbe Private Vereins Vorstand 1. Stimme GA-Team Sekretariat Projektleitung, Soup & Chill GA-Team, Leitungsteam Fachgruppe, Supervision, FaGass Soup & Chill Autonomes Büro Assoziierte für Projekte

Auftrag Aufsuchende sozial Arbeit in Basel-Stadt Der Zugang zum „sozialen Basel“ ermöglichen Überlebenshilfe Hilfe zur Selbsthilfe Sozialarbeiterisches Angebot (Einzellfall = Beratung, Begleitung, Triage) Krisenintervention Seismographische Arbeit Projektarbeit Politarbeit / Öffentlichkeitsarbeit für das Klientel

Haltungen Wir arbeiten nach den Haltungen und der Ethik der Charta der aufsuchenden Sozialarbeit der Schweiz Radikal systemischer Konstruktivismus (Individuelle Realität) Niederschwellig Akzeptierend Freiwillig Parteilich Kostenlos Vertraulich Geschlechtergerecht (keine Aufträge von „Dritten“)

Angebote Aufsuchen im öffentlichen Raum, an den uns bekanten Orten, wo es aus fachlicher Sicht sinnvoll ist u.A. Bahnhof SBB, Rheinbord, Parks, flexibel den Szenen folgend. Aufsuchen im halböffentlichen Raum; SBB / Gassenküche / Wallstr. 16 / Soup + Chill während der Wintermonate / Spielsalon Hammerplätzli / Autonomes Büro Arbeit mit „festen Gruppen“ im öffentlichen Raum Gruppenspezifische Aktionen und Angebote Seismographisch in der ganzen Stadt unterwegs, auch Nachtleben, Partys Autonomes Büro: KlientInnen öffnen unsere Büroräumlichkeiten für KlientInnen zur Nutzung der Infrastruktur / Hilfe zur Selbsthilfe Spezielle Angebote: Schwarzer Peter bietet u. a. die Einrichtung von Postadressen für KlientInnen ohne Wohnsitz an Projekte im Bildungs- und Gesundheitsbereich z.B. Compikurs, Bürokurs (wie erledige ich meine Post u.s.w.), Sportprojekt, Grillfeste, Flohmarkt, u.s.w.

Politarbeit als Vertretung unseres Klientels. z. B Politarbeit als Vertretung unseres Klientels. z.B. Wegweisungsparagraph Öffentlichkeitsarbeit zu „gassenrelevanten“ Themen Sozialarbeit: Beratung auf der Gasse, im halböffentlichen Raum, 2 x pro Woche an Fixpunkten im öffentlichen Raum mit dem „Mobilen Büro“, Sprechstunden im Büro 3h pro Woche, Einzeltermine, Krisen-Intervention Vernetzung: fachlicher Austausch mit themennahen Institutionen, Zusammenarbeit bei Projekten, fachliche Beratung und Unterstützung von Fachleuten Stadtentwicklung; Beteiligung an Planungsprozessen und Einbringen der Sicht unserer KlientInnen. Deeskalation: Vermitteln zwischen verschiedenen NutzerInnen derselben Örtlichkeit Info / Empowerment: Erarbeiten und Verteilen von Flyern und Infobroschüren, zu für unser Klientel relevanten Themen Die momentan wichtigsten Themen unseres Klientel sind: Wohnen, Suche nach Arbeit, Umgang mit Behörden/ Recht, Probleme mit Geld; soziale Kontakte - Freizeit-Beschäftigung

FaGass / Fachverband Sucht Die FaGass (Fachgruppe Gassenarbeit gegründet 1989) ist einer von ca. 15 Fachgruppen des deutschschweizer Fachverband Sucht. (Zusammenschluss; Verband Sucht- und Drogenfachleute / Fachverband Alkohol) In der FaGass sind zur Zeit aufsuchende Institutionen der Städte St. Gallen, Winterthur, Biel, Bern, Zürich, Basel, Luzern als Fachgremium zusammengeschlossen. Drei Ganztägige Treffen pro Jahr. Austausch über Entwicklungen und Tendenzen (Methode / Arbeitsinhalte / politische Themen) Intervision Arbeiten an Fachthemen Politarbeit Gemeinsame Aktionen Erarbeiten von gemeinsame Haltungspapiere www.fachverbandsucht.ch

Haltungspapiere Gassenarbeit und Migration Professioneller Umgang mit rechter Gesinnung Männerspezifische Gassenarbeit Frauenspezifische Gassenarbeit

Entstehung der Charta Die Charta der Aufsuchenden Sozialarbeit wurde durch die Fachgruppe «Hors-murs» erarbeitet und von dieser am 25.September 2002 verabschiedet. Die Fachgruppe «Hors-murs» vereinigt rund 30 Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter aus verschiedenen Institutionen in der Romandie. In der Absicht, die Charta als gesamtschweizerisches Grundlagenpapier zu verwenden, wurde sie auf Deutsch übersetzt und im Herbst 2003 anlässlich einer gemeinsamen Sitzung der Fachgruppe «Hors-murs» und der Fachgruppe Aufsuchende Sozialarbeit/Streetwork (FAGASS) des Fachverbandes Sucht vorgestellt und diskutiert. Die FAGASS befasste sich in der Folge mehrfach mit der Charta, redigierte die deutschsprachige Version und fügte ein paar ihr wesentlich scheinende Ergänzungen an. Am zweiten Treffen der beiden Fachgruppen vom 25. November 2004 wurde die Charta der Aufsuchenden Sozialarbeit genehmigt und verabschiedet.

Inhalt der Charta Ethik der Aufsuchenden Sozialarbeit 2. Definition der Aufsuchenden Sozialarbeit 3. Einsatzorte und Arbeitszeiten der Aufsuchenden Sozialarbeit 4. Berufsethik des/der Aufsuchenden SozialbeiterIn 5. Zielgruppen 6. Ziele der Aufsuchenden Sozialarbeit 7. Wirkungen der Aufsuchenden Sozialarbeit 8. Spezifische Ansätze der Aufsuchenden Sozialarbeit Der gemeinschaftliche, gemeinwesenorientierte Ansatz b) Der gruppenorientierte Ansatz c) Der individuelle Ansatz d) Der institutionelle Ansatz

1. Ethik der Aufsuchenden Sozialarbeit Die Aufsuchende Sozialarbeit orientiert sich an der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Die Aufsuchende Sozialarbeit postuliert einen unmittelbaren Zugang zu Zielgruppen und ihren Lebenswelten, deren Situation durch Krisen und/oder Schwierigkeiten und/oder gesellschaftliche Brüche geprägt ist. Dieser soziale Ansatz will eine umfassende und ganzheitliche Sicht auf die komplexen Realitäten der verschiedenen Zielgruppen und Lebenswelten haben. Die Aufsuchende Sozialarbeit anerkennt, dass die Lebenswelten und ihre Ausdrucksformen Teil des öffentlichen Raumes sind. Die Aufsuchende Sozialarbeit versteht und positioniert sich ausserhalb der normativ-repressiven Kräfte. Der Aufsuchenden Sozialarbeit zu Grunde liegt eine Ethik, die sich orientiert: • an den real erlebten Situationen der Betroffenen, • an der Achtung vor dem Gegenüber als handelndes Individuum, • an einem emanzipatorischen Ansatz, der die aktive Beteiligung der Betroffenen einschliesst, • am Bemühen, die Situationen im Arbeitsfeld möglichst nicht moralisch zu bewerten.

2. Definition der Aufsuchenden Sozialarbeit Unter Aufsuchender Sozialarbeit verstehen wir die Tätigkeit aller Personen, deren hauptsächliche Aktionsfelder der öffentliche Raum und/oder die Lebenswelt der jeweiligen Zielgruppe sind, die qualifiziert arbeiten und die den Grundsätzen dieser Charta zustimmen können. 3. Einsatzorte und Arbeitszeiten der Aufsuchenden Sozialarbeit Das Tätigkeitsfeld der Aufsuchenden Sozialarbeit kann sowohl geographisch bestimmt werden (Quartier, Gemeinde, Stadt, ländliches Gebiet etc.) wie auch in Bezug auf die anvisierten Zielgruppen. Der/die Aufsuchende SozialarbeiterIn garantiert eine regelmässige Präsenz im Tätigkeitsfeld und orientiert sich bezüglich seiner/ihrer Arbeitszeiten an den Gewohnheiten der Zielgruppen. Er/sie sorgt dafür, niederschwellig, leicht und einfach erreichbar zu sein.

4. Berufsethik des/der Aufsuchenden SozialarbeiterIn Der/die Aufsuchende SozialarbeiterIn achtet die Besonderheiten und das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Personen. Der/die Aufsuchende SozialarbeiterIn begegnet den Zielgruppen, indem er/sie aktiv Kontakt aufnimmt oder passiv Kontakt anbietet. Geht die Initiative vom/ von der Aufsuchenden SozialarbeiterIn aus, tut er/sie das, ohne sich aufzudrängen. Er/sie überlässt den Betroffenen die Wahl, das Angebot anzunehmen oder abzulehnen. Der/die Aufsuchende SozialarbeiterIn legt seine/ihre Rolle und Funktion offen und zeigt sowohl seine/ihre Möglichkeiten und Grenzen des Handelns auf wie auch den vorgegebenen institutionellen Rahmen. Ebenso schafft er/sie Klarheit bezüglich der beruflichen Beziehung: Schweigepflicht, Freiwilligkeit, Inhalte und Grenzen der Beziehung. Der/die Aufsuchende SozialarbeiterIn schafft ein Umfeld, das die Kontaktaufnahme, die Zuwendung, den Dialog sowie das Artikulieren von Bedürfnissen und Aktivitäten ermöglicht oder begünstigt. Er/sie zieht alle Anliegen der Betroffenen in Betracht. Der/die Aufsuchende SozialarbeiterIn setzt sich bei den zuständigen Behörden ein für die Anliegen und Interessen seiner/ihrer Klientel.

5. Zielgruppen Der/die Aufsuchende SozialarbeiterIn richtet seine/ihre Aktivitäten auf Personen aus, die – unabhängig von Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Problemsituation usw. – von Ausgrenzung bedroht oder betroffen1 sind und sich gelegentlich oder regelmässig in den entsprechenden Arbeitsfeldern aufhalten. Einige Aufsuchende SozialarbeiterInnen haben durch ihr institutionelles Mandat ihre Aktivitäten auf bestimmte Zielgruppen auszurichten (Alter, Geschlecht oder Problemfelder), ohne dass dies andere vor Ort Beteiligte ausschliesst.

6. Ziele der Aufsuchenden Sozialarbeit Die Ziele der Aufsuchenden Sozialarbeit sind: • die soziale Vernetzung zu fördern, zu erhalten und zu verstärken, • zur Entwicklung, Entfaltung und Emanzipation der Individuen auf persönlicher Ebene in ihrem gewohnten und gesellschaftlichen Umfeld beizutragen, • Situationen vorzubeugen, welche die Betroffenen in ihrer physischen und/ oder psychischen Unversehrtheit beeinträchtigen können, • beizutragen zu einer Begrenzung und Verminderung von psychischen, physischen und sozialen Beeinträchtigungen, • Einzelnen zu ermöglichen, gesellschaftlichem Ausschluss jeder Art zu entkommen oder diesen zu vermeiden und einen verantwortungsvollen und kritischen Zugang zur Gesellschaft zu finden, • Prozesse zu unterstützen, welche die individuellen und kollektiven AkteurInnen befähigen, bezüglich der eigenen Situation (gesundheitlich und sozial), der Zukunft und der Lebenswelt selbstständig zu handeln, • den Einzelnen Zugang zu benötigten Ressourcen, Dienstleistungen, Strukturen und Angeboten zu ermöglichen, • solidarische Beziehungen und das Gefühl der Zugehörigkeit zu fördern. 1 Unter sämtlichen Betroffenen werden hier nicht nur die Ausgegrenzten verstanden, sondern ebenfalls die Ausgrenzenden.

7. Wirkungen der Aufsuchenden Sozialarbeit Die Tätigkeiten der Aufsuchenden Sozialarbeit können in Bezug auf ihre Ziele verschiedene Wirkungen haben. Diese Wirkungen sollten losgelöst von eigenen Zielsetzungen betrachtet werden. Wirkungen können unter anderem sein: • das Entstehen von Raum für freien Ausdruck und interkulturellen, generationsübergreifenden etc. Austausch, • die Wiederherstellung und/oder Verstärkung der Kommunikation zwischen dem/der Einzelnen und seinem/ihrem Umfeld, • die Verhinderung von Ghettoisierung, Ungerechtigkeit, Fremdenfeindlichkeit etc., • die Förderung verschiedener Formen kollektiver Organisation, • die Entwicklung einer solidarischen Haltung und des Sinnes für Kommunikation, • die Verringerung der Delinquenz, des Ausreissens, des Schul- oder Berufsabbruchs, der Suizidalität etc., • die Förderung des Zusammenlebens und der Integration. Nur wenn die weiter oben beschriebenen Ziele erreicht sind bzw. angestrebt werden, können bestimmte Wirkungen festgestellt werden. Die Basis des Handelns bleiben aber unvermindert die von der Aufsuchenden Sozialarbeit gesetzten Ziele (vgl. 6). Aufsuchende Sozialarbeit, die ausschliesslich bestimmte Wirkungen erreichen will (wie z.B. die Verminderung der Delinquenz) und/oder Aufträge erfüllt, die nicht in die unter Abschnitt 6 formulierten Ziele eingebettet sind, wird von den Unterzeichnenden dieser Charta nicht als solche anerkannt.

8. Spezifische Ansätze der Aufsuchenden Sozialarbeit Die Tätigkeit der Aufsuchenden SozialarbeiterInnen umfasst vier spezifische Ansätze, die in der Praxis allerdings immer miteinander verflochten sind. Alle vier sollen vor allem die Wiedererlangung (oder Wiederaneignung) der Handlungsfähigkeit begünstigen. a) Der gemeinschaftliche, gemeinwesenorientierte Ansatz Die Aktivitäten der Aufsuchenden SozialarbeiterInnen können sich nicht aus den Zusammenhängen lösen, in denen sie stattfinden. Zu berücksichtigen ist, dass alle anwesenden, potentiellen AkteurInnen interagieren können. Die Aufsuchenden SozialarbeiterInnen können sich also an den verschiedenen Prozessen beteiligen, die von und mit der lokalen Gemeinschaft geschaffen werden, und dabei ihre spezifische Tätigkeit voll und ganz beibehalten. Die Aufsuchenden SozialarbeiterInnen unterstützen insbesondere die Erhaltung und/oder Schaffung solidarischer sozialer Netze. Die Aufsuchenden SozialarbeiterInnen integrieren sich in das Umfeld durch ihre Aktivitäten, die sie dort entwickeln. Sie erreichen so seitens der Gesamtheit der AkteurInnen Anerkennung als glaubwürdige Bezugspersonen, die einen nutzbringenden Beitrag zum Funktionieren der Gemeinschaft leisten können. b) Der gruppenorientierte Ansatz Die Aufsuchenden SozialarbeiterInnen stehen in direktem Kontakt mit Gruppen (Jugend-Cliquen, BenutzerInnen-Gruppen, BewohnerInnen etc.). Ihre Aktivitäten richten sich auf die Unterstützung und Begleitung autonomer und/oder selbstbestimmter Projekte solcher Gruppen.

c) Der individuelle Ansatz Hier geht es vor allem darum, sich einzulassen und zuzuhören. Dieser Ansatz umfasst die Rolle der Beratung, der Orientierungshilfe, der Begleitung und Vermittlung – mit dem Ziel, (wieder) eine Verbindung herzustellen zwischen der betroffenen Person und den für die angesprochene Problemsituation geeigneten Netzen. Die Aufsuchenden SozialarbeiterInnen können auch eine lockere Begleitung anbieten. Diese individuelle Begleitung soll partizipativ ausgerichtet sein und die Emanzipation und Selbstständigkeit des/der Betroffenen fördern und ermöglichen. d) Der institutionelle Ansatz Die Nähe zur Alltagsrealität kann dazu führen, dass Aufsuchende SozialarbeiterInnen in der Öffentlichkeit und gegenüber Politik, Wirtschaft, Kultur und Sozialwesen Mediations- und Sensibilisierungsaufgaben übernehmen müssen. Dabei geht es in erster Linie darum, die Kommunikation zwischen den verschiedenen Beteiligten zu ermöglichen.

Gassenarbeiter bündeln Kräfte: Gassenarbeiter aus der Deutsch- und Westschweiz haben am Dienstag eine Charta der Aufsuchenden Sozialarbeit vorgestellt. Diese formuliert ethische Leitlinien und ist ein Manifest gegen die behördliche Einbettung der Gassenarbeit in die Sicherheitspolitik. Seit Ende der 90er Jahre orientiere sich die Sozialpolitik an einer zunehmenden sozialen Kontrolle über Personen in prekären Lebenssituationen. Die Einsätze für die öffentliche Sicherheit würden wichtiger als jene der Sozialarbeit, hiess es an einer Medienkonferenz der Groupe Hors-murs und der FaGASS in Bern. Damit würden mehr und mehr Menschen an den Gesellschaftsrand gedrängt. Die gemeinsame Charta der FaGASS (Fachgruppe Aufsuchende Sozialarbeit und Streetwork des Fachverbandes Sucht) und der Groupe Hors-murs des GREAT (Groupement romand d'études sur l'alcoolisme et les toxicomanies) wehrt sich gegen diese Entwicklung. Als «Manifest gegen die Instrumentalisierung der Gassenarbeit durch die Behörden in einer sicherheitspolitischen Perspektive», bezeichnete Nicolas Pythoud, Sozialarbeiter in Lausanne, die Charta. Ganz allgemein wollen die Gassenarbeiter vor einem «Sicherheitswahn» warnen.

Die Freiheit aller Sie denken insbesondere an die Risiken politischer Missbräuche im Zusammenhang mit Wegweisungs- und Ausgrenzungszonen. Diese würden die Freiheit aller einschränken. Die ersten Wegweisungszonen wurden 1997 in Bern geschaffen. Seitdem sind mehrere Städte – wie Genf und Lausanne in der Romandie, Winterthur und neuerdings St. Gallen in der Deutschschweiz - dieser Praxis gefolgt. Die Charta soll so viele Gassenarbeiter und ihre Trägerschaften wie möglich auf der Grundlage einer gemeinsamen Ethik vereinigen. Die Aufsuchende Sozialarbeit orientiert sich an der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, heisst es darin. Sie versteht und positioniert sich ausserhalb der normativ-reppressiven Kräfte. Zugrunde liegt eine Ethik, die sich orientiert unter anderem an den real erlebten Situationen der Betroffenen, an der Achtung vor dem Gegenüber als handelndes Individuum, an einem emanzipatorischen Ansatz, der die aktive Beteiligung der Betroffenen einschliesst, und am Bemühen, Situationen möglichst nicht moralisch zu werten.

Gewisse Kompromisse Zu den dadurch angestrebten Wirkungen gehört die Verhinderung von Ghettoisierung, Ungerechtigkeit und Fremdenfeindlichkeit. Delinquenz, Ausreissen, Schul- oder Berufsabbruch sowie Suizidalität sollen verringert werden. Bei der Ausarbeitung der Charta seien auch gewisse Kompromisse gemacht worden, erklärte Rolf Lobsiger vom Verein für Gassenarbeit Schwarzer Peter, Basel - zum Beispiel betreffend die Parteilichkeit der Gassenarbeiter. In der Deutschschweiz sei die anwaltschaftliche Position stark, in der Romandie eher die mediative Position. In der Schweiz sind gemäss Lobsiger einige hundert Personen in der Gassenarbeit tätig. FaGASS und Hors-murs zählen bisher je rund 50 Mitglieder. Die Charta sei nur eine Etappe, erklärte Jean-Jacques Marro, Sozialarbeiter in Morges VD. Nächstes Ziel sei ein darauf basierendes Lernprogramm für Sozialarbeiterschulen. Am Mittwoch führen die Gassenarbeiterinnen und Gassenarbeiter in mehreren Schweizer Städten symbolische Aktionen durch. Das Ziel: Ausgrenzungs- und Wegweisungszonen für bestimmte Kategorien von randständigen Menschen verhindern. © 2005 National Zeitung und Basler Nachrichten AG

Ist dies bereits Sozialarbeit?

Am Dienstag, 5. Mai 2009 referiert Prof. Dr. phil Am Dienstag, 5. Mai 2009 referiert Prof. Dr. phil. Silvia Staub-Bernasconi in St.Gallen über die Bedeutung der Finanz- und Wirtschaftskrise für die Zukunft des Sozialstaats. Sie zeigt die schleichende Ökonomisierung der Sozialen Arbeit auf, eröffnet eine Diskussion um Schlüsselkonzepte und entwirft eine Strategie, an der sich die Aktionen der engagierten SozialarbeiterInnen und ProfessorInnen orientieren können. Ordnungspolitische Kolonialisierung Wer unerwünschte Submilieus aus dem Stadtbild entfernen will, kann das auf verschiedenste Arten tun: mit architektonischen Konzepten, die den „falschen Gruppen“ ihren Aufenthalt unwirtlich machen, aber auch klassischen ordnungspolitischen Instrumenten. Das Resultat ist ein Konzept von öffentlicher Sicherheit, das letztendlich auf eine Intensivierung der sozialen Kontrolle abzielt. Alltagspraktisch werden sozialpolitische, sozialarbeiterische, stadtplanerische, ordnungspolitische, polizei- und strafrechtliche Massnahmen miteinander vermengt. Sozialarbeit steht dabei vor neuen Herausforderungen bis hin zu einer ordnungspolitischen Kolonialisierung und Instrumentalisierung dieses Arbeitsfeldes. Bei den Bemühungen um eine „sichere und saubere Stadt” kommt es in einer Vielzahl von Fällen zu willkürlichen Massnahmen, die kaum als rechtsstaatlich bezeichnet werden können. Das Abschieben, Hinausweisen und Fortjagen als populäre Umgangsformen mittlerer Brutalität besitzen eine Jahrhunderte alte Tradition. In dieser Tradition stehen die Platzverweise und Aufenthaltsverbote moderner Stadtordnungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts, wobei Städte und Gemeinden eine Vorreiterrolle einnehmen, die sich touristisch besonders attraktiv geben wollen.

Soziale Arbeit, zu deren Zielgruppen die im öffentlichen Raum „auffälligen” Personen seit langem gehören, befindet sich in vielen Situationen ihres professionellen Handelns in Widersprüchen, in die sie gelegentlich aus eigenem Antrieb gerät, die ihr allerdings häufig auch im Kontext der neuen Ausschluss- und Kontrollpolitiken zugewiesen werden. Sie muss sich zwischen dem staatlichen Versorgungs- und Normalisierungsauftrag einerseits und den konkreten Bedürfnissen und Rechten der Klienten andererseits behaupten. Die mit diesem „doppelten Mandat” zusammenhängenden Fragen und Probleme sind eine „alte Angelegenheit” der Professionalisierungsdebatte in der Sozialarbeit: Zum einen geht es um Fürsprache, um Mobilisierung von Verständnis für sogenannte soziale „Randgruppen”. Sozialarbeit trägt zweitens auch selbst zur Segregation bei – und zwar da, wo Menschen in einer elenden Lebenssituation sich selbst überlassen werden, wo zu hochschwellige Angebote und Konzepte ausgrenzende Wirkungen entfalten. Im Überlebenskampf Sozialer Arbeit komme es drittens immer wieder zu Situationen, in denen ihre Auftraggeber eine in ihrem Sinne wirksam werdende „Problemlösungskompetenz” unter Beweis gestellt sehen möchten. Die nicht mehr zu übersehende Flut von Regelungen und Interventionen wird bürgerschaftliche Gegenwehr weiter erschweren. Ungeachtet aller technischen Neuerungen im Sicherheits-, Überwachungs- und Vertreibungswesen bleibt freilich ein alter Kern beständig: der Versuch der Entstörung einer sich gestört fühlenden Öffentlichkeit. Von den alten Armenordnungen bis zu „Zero Tolerance” besteht eine nahezu bruchlose Kontinuität des repressiven Umgangs mit Gruppen, welch die vormals feudalistische und heute bürgerliche Ordnung des öffentlichen Raums zu stören drohen. Die Geschichte hat gezeigt, dass die erzielten Effekte eher mässig sind: „Alles, was wir erreichen können,” so drückte es einmal ein für die öffentliche Ordnung einer grösseren Stadt verantwortlicher Polizist aus, „ist nichts anderes, als das Elend auf Trab zu halten und im Kreis herumzuführen”.

3 Thesen Soziale Arbeit mit ordnungspolitischen Aufträge lassen sich besser verkaufen wie „reine“ soziale Arbeit. Der Nutzten ordnungspolitischer aufsuchender sozialer Arbeit hat primär die Bevölkerung und nur sekundär das „eigentliche“ Klientel. Viele Fachleute getrauen sich nicht ihre Profession gegenüber ihren Auftraggeber zu definieren und zu verteidigen.

Danke für das Interesse Bücher-Tip zum Thema; Zurück zur Armutspolizei Reinhold Knopp / Thomas Münch (Hg.) Ray Knecht / rayxray@usa.net