Eine kognitive Typologie der Zeit Prolegomenon

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 Präsentation transkript:

Eine kognitive Typologie der Zeit Prolegomenon Wolfgang Schulze KGE/UMB - ATS/LMU © 2009

Quid est ergo tempus? Si nemo ex me quaerat, scio; Warming Up Tempus edax rerum (Ovid, Met. xv,234) Quid est ergo tempus? Si nemo ex me quaerat, scio; si quaerenti explicare velim, nescio.  (Augustinus, Confessiones XI.14.17) Tempora mutantur et nos mutamur in illis (Lothar I (795 - 855)?) Denke immer daran, dass es nur eine allerwichtigste Zeit gibt, nämlich: Sofort! (Leo Tolstoi) Dreifach kommt die Zeit: Zögernd kommt die Zukunft hergezogen, pfeilschnell ist das Jetzt entflogen, ewig still steht die Vergangenheit. (Friedrich Schiller)

Einige Typen der Zuordnung 1. Abschnitt Einige Typen der Zuordnung

ZEIT ist unteilbar: "Der Unterschied zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist für uns Wissenschaftler eine Illusion, wenn auch eine hartnäckige." (Albert Einstein (1879-1955), ohne Quelle)

ZEIT ist JETZT und EINS: Το, γε μη.ν νυ/ν αvει. πα,ρεστι τω/| ε`νι. δια. παντο.ς του/ ει=ναι\ ε;στι γα.ρ αvει. νυ/ν ο[τανπερ η=|. „Das Jetzt aber wohnt doch dem Eins bei während seines ganzen Seins. Denn es ist immer jetzt, solange es ist.“ (Platon, Parmenidēs 151a, Übers. Franz Susemihl).

ZEIT ist apriori (1) (Kant): Die Zeit ist 1. kein empirischer Begriff, der irgend von einer Erfahrung abgezogen worden. Denn das Zugleichsein oder Aufeinanderfolgen würde selbst nicht in die Wahrnehmung kommen, wenn die Vorstellung der Zeit nicht a priori zum Grunde läge. Nur unter deren Voraussetzung kann man sich vorstellen, daß einiges zu einer und derselben Zeit (zugleich) oder in verschiedenen Zeiten (nacheinander) sei.

ZEIT ist apriori (2) (Kant): 2. Die Zeit ist eine notwendige Vorstellung, die allen Anschauungen zum Grunde liegt. Man kann in Ansehung der Erscheinungen überhaupt die Zeit selbst nicht aufheben, ob man zwar ganz wohl die Erscheinungen aus der Zeit wegnehmen kann. Die Zeit ist also a priori gegeben. In ihr allein ist alle Wirklichkeit der Erscheinungen möglich. Diese können insgesamt wegfallen, aber sie selbst (als die allgemeine Bedingung ihrer Möglichkeit,) kann nicht aufgehoben werden. (Kant: Kritik der reinen Vernunft (1787) Hier: Der transzendentalen Ästhetik Zweiter Abschnitt: Von der Zeit § 4 (Metaphysische Erörterung des Begriffs der Zeit).

Veränderung und Bewegung ist in der ZEIT: (…) der Begriff der Veränderung und, mit ihm, der Begriff der Bewegung (als Veränderung des Orts) [ist] nur durch und in der Zeitvorstellung möglich: daß, wenn diese Vorstellung nicht Anschauung (innere) a priori wäre, kein Begriff, welcher es auch sei, die Möglichkeit einer Veränderung, d. i. einer Verbindung kontradiktorisch entgegengesetzter Prädikate (z.B. das Sein an einem Orte und das Nichtsein eben desselben Dinges an demselben Orte) in einem und demselben Objekte begreiflich machen könnte. Nur in der Zeit können beide kontradiktorisch-entgegengesetzte Bestimmungen in einem Dinge, nämlich nacheinander, anzutreffen sein. (Kant (ebenda) § 5).

ZEIT ist einholbar: Schulmeister: (…) daß das auseinandergelaufene Heer des Ypsilanti am 25sten künftigen Monats in einer großen Bataille gesiegt hat. Tobies (Nase und Maul aufsperrend): Am 25sten künftigen -? Schulmeister:. Wundern Sie sich nicht, Herr Tobies! Die Kuriere gehen rasch! Verbesserte Poststraßen, verbesserte Poststraßen! Tobies: Jesus Christus! so 'ne Poststraße, worauf der Kurier einen Monat vorausläuft, möchte ich vor meinem Tode wohl 'mal sehen! Schulmeister: Freilich ist so etwas hier zu Lande rar! Aber, Herr Tobies, Sie werden ja aus eigner Erfahrung bemerkt haben, daß ein gutes Pferd auf einer guten Chaussee den Weg von einer Stunde in einer halben zurücklegt; wenn Sie sich nun das Pferd immer besser und die Chaussee immer vortrefflicher denken, so muß es ja natürlich dahin kommen, daß das Pferd den Weg in einer Viertelstunde, in zehn Minuten, in einer Minute, in nichts, in garnichts und zuletzt in noch weniger als gar nichts zurücklegt! Begreifen Sie? (Christian Dietrich Grabbe (1822). Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung Ein Lustspiel in drei Aufzügen. Hier: 1. Akt.) [vgl. auch Zenon-Paradoxon von Achilles und der Schildkröte)]

Ist Zeit messbar? scio quia metimur, nec metiri quae non sunt possumus, et non sunt praeterita vel futura. praesens vero tempus quomodo metimur, quando non habet spatium? metitur ergo cum praeterit, cum autem praeterierit, non metitur; quid enim metiatur non erit. sed unde et qua et quo praeterit, cum metitur? unde nisi ex futuro? qua nisi per praesens? quo nisi in praeteritum? ex illo ergo quod nondum est, per illud quod spatio caret, in illud quod iam non est. quid autem metimur nisi tempus in aliquo spatio? neque enim dicimus simpla et dupla et tripla et aequalia, et si quid hoc modo in tempore dicimus nisi spatia temporum. in quo ergo spatio metimur tempus praeteriens? utrum in futuro, unde praeterit? sed quod nondum est, non metimur. an in praesenti, qua praeterit? sed nullum spatium non metimur. an in praeterito, quo praeterit? sed quod iam non est, non metimur. (Augustinus (345-430) Confessiones XI,21.27).

Ich weiß es, daß wir sie messen, und daß das, was nicht ist, nicht gemessen werden kann, und daß Vergangenheit und Zukunft nicht sind. Wie messen wir aber die gegenwärtige Zeit, wenn sie keine Ausdehnung hat? Sie wird gemessen, wenn sie vorübergeht, wenn sie aber bereits vorübergegangen ist, wird sie nicht mehr gemessen, weil dann nichts mehr da ist, was gemessen werden kann. Aber woher, wie und wohin geht sie vorüber, indes sie gemessen wird? Woher, wenn nicht aus der Zukunft, wie, wenn nicht durch die Gegenwart, wohin, wem nicht in die Vergangenheit? Aus dem also, was noch nicht ist, durch das, was keine Dauer hat, zu dem, was nicht mehr ist. Was messen wir aber, wenn nicht die Zeit in irgendeiner Ausdehnung? Denn wenn wir sagen: Das Einfache, das Doppelte, das Dreifache, das Gleiche, so sagen wir das nur von der Zeit in ihrer Ausdehnung und Dauer. In welcher Dauer messen wir also die vorübergehende Zeit? Etwa in der Zukunft, von wo aus sie vorübergeht? Aber was noch nicht ist, messen wir nicht, oder in der Gegenwart, durch die sie vorübergeht? Aber wir können nicht messen, was keine Dauer hat. oder in der Vergangenheit, wohin sie vorübergeht. Aber wir können nicht messen, was nicht mehr ist. (Übers. Otto F. Lachmann).

Zeit ist messbar…. Nicht allein aber messen wir die Bewegung mit der Zeit, sondern auch mit der Bewegung die Zeit; weil sie durch einander sich bestimmen. Die Zeit nämlich bestimmt die Bewegung, indem sie ihre Zahl ist; die Bewegung aber die Zeit. Und wir sagen viel oder wenig Zeit, indem wir sie mit der Bewegung messen, gleichwie auch mit dem Zählbaren die Zahl, z.B. mit dem Einen Pferde, die Zahl der Pferde. Mittelst der Zahl nämlich zwar erkennen wir die Menge der Pferde; umgekehrt aber mittelst des Einen Pferdes, die Zahl selbst der Pferde. Eben so auch bei der Zeit und der Bewegung: durch die Zeit nämlich die Bewegung, durch die Bewegung aber messen wir die Zeit (Aristoteles Physikê akroasis, cap. XII)

Zeit ist die Summe von Zuständen Zenon sagt, dass ein fliegender Pfeil in jedem Moment seiner Flugbahn einen bestimmten, exakt umrissenen Ort einnimmt. An einem exakt umrissenen Ort befindet sich der Pfeil in Ruhe, denn an einem Ort kann er sich nicht bewegen. Da sich der Pfeil in jedem Moment also in Ruhe befindet, müsste er sich insgesamt in Ruhe befinden. (Pfeil-Paradoxon des Zenon von Elea (~490-~430), vgl. Aristoteles Physikê akroasis, cap. IX).

Zeit'teile' sind soziale Konstruktionen: Ära-Zeitskala (…), die es den lebenden Generationen ermöglichte, ihren eigenen Platz in der Generationsabfolge präzise zu bestimmen. (Norbert Elias (1988) Über die Zeit, p.23).

Zeit ist Macht und ein fait social Die Entwicklung eines derartigen Maßstabs für lange, nicht-wiederkehrende Zeitsequenzen wäre erst möglich, als soziale Einheiten wie Staaten oder Kirchen den Charakter eines langdauernden Wandlungskontinuums gewannen, innerhalb dessen lebende Gruppen - gewöhnlich herrschende Gruppen - es um der Funktionsfähigkeit ihrer Institutionen willen für nötig erachteten, die Erinnerung an die Kontinuität dieser Institutionen in einer präzisen und artikulierten Weise lebendig zu halten." (Norbert Elias (1988) Über die Zeit, p.24).

Realtime Eine über all dem schwebende Zauberformel lautet: Realtime. Dabei bilden sich - gleichsam hinter dem Rücken der Mehrheit - neue Kompetenzstrukturen heraus, verändern sich ökonomische Zeitregeln: Zeitvorsprünge, Echt- und Gleichzeitigkeit werden zum wichtigen Faktor im Entwicklungsprozeß moderner Gesellschaften (Dieter Hoffmeister, U Müster; Institut für Soziologie, SS 2000)

Zeit als soziale Realität Die »Zeit« ist eine soziale Realität. Sie ist aber keine objektive Realität, kein von der Existenz von Menschen unabhängiger Gegenstand. Das Aufeinander-Abstimmen von Ereignissen (timen) ist ein menschliches Verhalten. »Zeit« ist nicht eine a priori gegebene Bedingung menschlicher Erkenntnis. Es gibt nicht Die Zeit. Sie ist nicht, wie z.B. Kant gedacht hat, »die formale Bedingung a priori aller Erscheinungen überhaupt« (KdrV, B51), die »Form des inneren Sinnes« (KdrV, B49). Sie ist auch kein biologisch bedingtes Grundmuster menschlichen Handelns überhaupt, keine individuelle Eigenschaft, Fähigkeit oder Verstehensstruktur. Das hoch elaborierte Zeitbewußtsein, wie wir es heute besitzen, ist vielmehr erst die Folge eines menschheitsgeschichtlichen Lernprozesses (vgl. Thomas Heinrichs (1999). Zeit der Uneigentlichkeit. Heidegger als Philosoph des Fordismus, Münster 1999, S. 40-55)

Götter der Zeit? Chronos (?): Urprinzip, Personifikation der Lebenszeit, Gott der Liebe und des Lichts, Lebensbringer. Bis auf Zeus verschlang er alle seine Kinder, um nicht von ihnen entmachtet zu werden. [Beziehung zu Fruchtbarkeitsgott Cerunnos der Kelten?] Zervan (~ Zurvan, zrwan) = „Zeit“. Iranischer Gott der Zeit; Vater von lichtem Ahura Mazda und dunklem Ahriman. Als Schicksalsgottheit mit Chronos verwandt.

Radical Experientialism, kognitive Typologie und die ZEIT 2. Abschnitt Radical Experientialism, kognitive Typologie und die ZEIT

Radical Experientialism Sprache (grosso modo): Ein in seinen Symbolisierungsverfahren gelerntes, daher vergesellschaftetes (kollektives), tradiertes und als Wissen gespeichertes, artikulatorisches Ausdrucksystem kognitiver Zustände (Wahrnehmung in Erfahrung), dessen Wirksamkeit als Kommunikation konstruiert wird.

Sprachstrukturen Sprachstrukturen sind bedingt durch den perzeptiven Apparat, die Verarbeitung des diesbezüglichen Outputs als Erfahrung und Routinen und die Kopplung der daraus emergenten konzeptuellen Ebene mit dem artikulatorischen (motorischen) Apparat der Atmungshemmung (sprachbasierte Symbolisierung). [Stark vereinfacht]

Schemata Beispiele: Basal: Unmittelbar sensorisch begründete Schemata e.g. F -> G Konstruiert (mit Eigenwahrnehmung): e.g. MOTION (EGO- ~ ALTRI-) -> Die Konstruktion von Bewegung erfolgt inferentiell über die Füllung von Wahrnehmungssakkaden gekoppelt mit sensomotorischen Mustern/Wahrnemungen der Eigenbewegung.

Die Konstruktion von Bewegung G1 G2 G3 G4 F 1 F 2 F3 F4 Sakkaden Fixationen Bewegung von F in G1-G4

Bewegung und Zeit Wenn G1-Gn und und F1-Fn als verwandt‘ konstruiert werden, ergibt sich: F1(G1) F1‘(G1‘) F1‘‘(G1‘‘) F1‘‘‘(G1‘‘‘) ……. F1n(G1n) Sakk1 Sakk2 Sakk3 Sakkn -> F bewegt sich in G

Bewegung 1: Ground dynamisch

Bewegung 2: Figure dynamisch G1 G8 G7 G2 G6 G3 G5 G4

Zeit als Sakkade Im sensorischen Gedächtnis (überführt in Kurzzeitgedächtnis) werden Einzelbilder sequentiell gespeichert und im ‚neuen‘ Bild ‚wiederbelebt‘: B1 B2 B3 B4 B5 B6 B7 B8 B9 B10 B11 B12 B13 B14 B15

ZEIT ist Wahrnehmung in Erfahrung ZEIT ist abhängig von Wahrnehmung. Ohne Wahrnehmung gibt es keine ‚autonome‘ Zeit. -> Das physikalische RAUM-ZEIT-Kontinuum ist für die Konstruktion der ZEIT unerheblich. Wahrnehmung konstruiert Bewegung. Bewegung wird konstruiert als Veränderung. ZEIT resultiert aus der Inbeziehungsetzung der Wahrnehmung varianter, aber ‚verwandter‘ Umweltreize. ZEIT resultiert also aus der Inbeziehungsetzung von Wahrnehmung und Erfahrung. Dabei ist ZEIT selbst ein emergentes Schema, das unmittelbar konzeptualisiert werden kann.

Dynamizität der Zeit ZEIT-Wahrnehmung erfolgt auf der Basis der Dynamizität (‚Bewegung‘) der Erfahrung: ZEIT Wahrnehmung UR >ur‘ Memory

Zeit ist (zyklische) Veränderung (1) Die Wahrnehmung von Veränderung beinhaltet also die Fixation->Speicherung etwas Wahrgenommenen (> Erfahrung) und (nach Sakkade, s.u.) die Fixation->Speicherung eines varianten Analogons, wobei die qualitative/quantitative Differenz als Veränderung und in ihrer Kopplung mit dem Gedächtnisappell als ‚Zeitdifferenz‘ konstruiert wird. Die konstante Wahrnehmung von Eigen- und Fremdveränderungen bedeutet die Konstruktion eines ‚Zeitpfeils‘. Damit verbunden ist die Erfahrung von Geburt und Tod als Skalen auf dem Zeitpfeil.

Zeit ist (zyklische) Veränderung (2) Die Wahrnehmung/Erfahrung rekursiver Veränderungen (e.g. Tag -> Nacht -> Tag -> Nacht etc.) ermöglicht ‚prognostische‘ Konstruktionen: Auf den Tag folgt die Nacht. Dann ist Zukunft lediglich eine projezierte Vergangenheit (die kommende Nacht ist analog zu dem, was dem (jetzigen) Tag vorausgegangen ist). Zyklische Veränderungen werden als Teil des globalen Zeitpfeils konstruiert:

Zeit ist (zyklische) Veränderung (3) Zyklische Veränderung von F in G t0 tn

Die ‚Konzeptualisierung‘ der ZEIT Konzeptualisierung: Schema-basierte Fixierung von Erfahrungssegmenten, die kategoriell als ‚verwandt‘ verarbeitet werden: Disjunkt Prototypisch Radial Familienähnlich Embodiment Konzeptualisierung ist sprachunabhängig!

Die Allegorie der ZEIT www.fes.de/.../internet/images/s-schur/zeit.jpg www.realschule.bayern.de/.../bilder/uhr_dali.jpg Ilse Schütze-Schur: Die Zeit (um 1921) Salvatore Dali: Persistence of Time (1931) Originalholzschnitt (40,5 cm x 36,5 cm) (Ausschnitt)

Allegorie Allegorie: Die reifizierende (dimensionale) Abbildung von Vorstellungen, die nicht-dimensionale Umweltreize abbilden. -> Reifikation kognitiver Sakkaden

Kognitive Sakkaden (1) Fixation1 Fixation2 Sakkade Mensch bewegt Arme http://www.badminton-technik.de/vh_aufschlag.html / modifiziert] Fixation1 Fixation2 Sakkade Mensch bewegt Arme

Kognitive Sakkaden (2) ZEIT kann nicht sensorisch als dimensional erfahren werden. Ergo: ZEIT ist eine kognitive Sakkade, die die Wahrnehmung/Erfahrung von Bewegung/Veränderung etc. schematisiert. Die Konzeptualisierung von ZEIT kann also nur auf einer höherer Ebene (Ereignisvorstellung) erfolgen. Gleichzeitig liefern die relationalen (Sakkaden-) Vorstellungen die Quelldomäne für die dann über Metaphorisierung gewonnenen ZEIT-Vorstellungen.

Konzeptuelle Metaphern Beispiele der metaphorischen Gewinnung von ZEIT-Konzeptualisierungen Zieldomäne Quelldomäne ZEIT ist Bewegung/Prozess ZEIT ist Veränderung ZEIT ist vor ~ nach

Die Reifikation der ZEIT Griechisch: χρόνος *das umfassende/Umfasste (?) Latein: tempus *‘Ausdehnung‘? Irisch: aimser (unklar) Kymrisch: pryd *‘-mal‘ (?) Gotisch: Èeihs *‘Ausdehnung‘ Altnordisch: tīð *‘Teil, Antei, Zuteilung‘ Litauisch: laikas *‘bleiben, halten‘ (?) Avestisch: zvran *‘alt‘ Sanskrit kāla- (unklar) Altkirchslawisch: vrěmę *‘Rücklauf, Rundlauf‘

Sprachbasierte Symbolisierung Die sprach-basierte Symbolisierung von konzeptuellen Einheiten: Die artikulatorische Fixierung einer konzeptuellen Einheit: Konzeptueller Raum Artikulationen

3. Abschnitt ZEIT in der Sprache

ZEIT als Raumkonzept (Deutsch) In die/der Zeit (in) Über die/der Zeit (supra) supra Kontaktzone Hinter die/der Zeit (post) super Unter der Zeit (sub) Vor der Zeit (ante) ante ad in post post An der Zeit (ad) sub

ZEIT ist teilbar Von der Zeit (genitivus/ablativus partitivus)

Weitere Eigenschaften ZEIT ist ein Container: Aus der ZEIT heraus In die ZEIT hinein ZEIT ist ein (humaner?) Begleiter Sie ging mit der ZEIT.

ZEIT als Aktant (1) ZEIT als Aktant: Korpus (deutsch) mit 2536 Belegen (hier höchstfrequente Belege): Subjective (intrans. Agens): 1482 vergehen 404 <MOVE> stehen 279 <STATE> reif=sein 243 <STATE/FLORA> verstreichen 167 <MOVE> dauern 91 <EXTENSION> Agentive (trans. Agens): 52 heilen 23 <HEEL> bringen 19 <BRING> Objective (trans. Patiens): 1072 nehmen 147 <SEIZE> rauben 123 <SEIZE> verbringen 102 <?>

ZEIT als Aktant (2) Semantische Primitive (Auswahl): MOVE 791 THING 360 EXTENSION 114 POSSESSION 186 ANIMATE 124 PLANT 243 STAND 279 ERGO: ZEIT (Deutsch) ist eine bewegliche/sich flüssig bewegende bzw. sich nicht bewegende (un)belebte, dreidimensionale Einheit (Ausschnitt). ZEIT findet im Raum statt (F:ZEIT->G) oder ist Raum (Landmark) eines Trajektors (F->G:ZEIT).

Die Attribuierung der ZEIT einige 18048 QUANTITY geraume 9410 DIMENSION lang (Pos/Kom/Sup) 8202 DIMENSION kurz (Pos/Komp/Sup) 5297 DIMENSION absehbar 4966 VISIBIL gleich 2344 IDENTITY jene 2291 IDENTITY meiste 2144 QUANTITY unser 2003 POSSESSED jung (Komp/Sup) 1832 AGE ganz 1276 GESTALT hoch (Superlativ) 824 DIMENSION unabsehbar 500 VISIIAL genügend 464 QUANTITY selbe 378 IDENTITY begrenzt 372 GESTALT viel 309 QUANTITY BASIS: 65305 Belege

Die Semantik der ZEIT ERGO (2): [Deutsch] ZEIT ist eine begrenzte, teilbare, zählbare, sichtbare, bewegliche/sich flüssig bewegende bzw. sich nicht bewegende (un)belebte, dreidimensionale , mit Identität versehene Einheit, die penetrieren ebenso wie penetriert werden kann. [vorläufig]

Die sprachliche Segmentierung der Zeit 4. Abschnitt Die sprachliche Segmentierung der Zeit

Optionen der linguistisches Kodierung Kog.Kat. Ling.Kat. Lexikalisch Konstruktionell Flektiv Radikal Lexikalisch Idiomatisch

Beispiele der Kodierung von ZEIT Lexikalisch: Morgen gehe ich in die Stadt. Konstruktionell (rad.): *ich gehen Stadt (~nFUT) / *gehen ich Stadt (~FUT) Konstruktionell (lex.): Ich werde in die Stadt gehen. Konstruktionell (idiom.): *Wenn=die=Sonne=aufgeht (> morgen) gehe ich in die Stadt. Flektiv: in forum ibo. Je lexikalischer der Zeit'ausdruck', desto 'enger' ist der Zeit-Raum (spezifisch, überbestimmt). Die Grammatikalisierung von Zeit'ausdrücken' öffnet den Zeit-Raum (unspezifisch, unterbestimmt).

Gründe der Segmentierung (1) Die Gegenwart zeigt man, aber das Vergangene muss man erzählen. Und da man dies auf so viel Art erzählen konnte und anfangs im Bedürfnis, Worte zu finden, es so vielfältig tun mußte, so wurden in allen alten Sprachen viel Präterita, aber nur ein oder kein Präsens. (Herder (1772) Abhandlung über den Ursprung der Sprache, 3. Abschnitt V,3)

Gründe der Segmentierung (2) Warum gibt es konzeptuelle ‚Tempora‘ (besser: eine Faktorisierung der ZEIT)? Grundlage: Die ‚Zugänglichmachung‘ des Gedächtnisses! - Kognitionsinterner Reiz (KIR -> kir‘):

REIZ-Verarbeitung in der Kognition (1) Jeder Umweltreiz (UR) wird primär in der Wahrnehmung durch den spezifischen sensorischen Apparat (-> sensorisches Gedächtnis) gebrochen. Die daraus resultierende Abbildung (ur‘) initiiert einen Erfahrungsappell (-> Gedächtnis (μ)), der gekoppelt ist mit dem durch UR>ur‘ gegebenen aktuellen ‚Zustand‘ der Kognition (α). Das Verfahren des memory appeal (in seiner Korrelation mit α) kann einen kognitionsinternen Reiz (KIR) auslösen, der über eine unspezifische, interne Sensorik erneut in eine Abbildung (kir‘) umsetzt wird. kir‘ wird dann analog zu ur‘ verarbeitet. Der Prozess KIR>kir‘ ist die Voraussetzung dafür, dass Gedächtnisinhalte (μ) ‚bewusst‘ gemacht werden können.

REIZ-Verarbeitung in der Kognition (2) *UR ur‘α KIR kir‘α ur‘μ kir‘μ

Die Faktorisierung der ZEIT als kognitionsinterner Reiz (1) Die humane Fähigkeit, sich ihre eigenen ‚Gedächtnisprozesse‘ zu erschließen, gibt ihr die Möglichkeit, Gedächtnisanteile selbst als Reiz (KIR) auszulösen und entsprechend zu verarbeiten (ohne die Kopplung mit einem unmittelbaren ur‘α) *UR -> ur‘μ-> KIR -> kir‘ Der deiktische Hinweis auf diesen Prozess wird als ‚Vergangenheit‘ konzeptualisiert.

Die Faktorisierung der ZEIT als kognitionsinterner Reiz (2) Der deiktische Hinweis auf eine hochgradige Aktivierung des ur‘α-Bereichs (unter Einschluss einer ur‘μ-Aktivität) wird als ‚Gegenwart‘ konzeptualisiert. Die KIR-basierte Imagination eines UR mit Appell an ur‘μ führt zur Konstruktion von ur‘α ‚zukünftigt‘.

REIZ-Verarbeitung in der Kognition (1) Vergangenheit *UR ur‘α KIR kir‘α ur‘μ kir‘μ

REIZ-Verarbeitung in der Kognition (2) Gegenwart UR ur‘α KIR kir‘α ur‘μ kir‘μ

REIZ-Verarbeitung in der Kognition (3) Zukunft *UR ur‘α KIR kir‘α ur‘μ KIR kir‘μ

Augustinus über die Zeiten `tempora sunt tria, praesens de praeteritis, praesens de praesentibus, praesens de futuris.' sunt enim haec in anima tria quaedam et alibi ea non video, praesens de praeteritis memoria, praesens de praesentibus contuitus, praesens de futuris expectatio. si haec permittimur dicere, tria tempora video fateorque, tria sunt. dicatur etiam, `tempora sunt tria, praeteritum, praesens, et futurum,' sicut abutitur consuetudo; dicatur. (Augustinus Confessiones XI,20.26) Es gibt drei Zeiten, eine Gegenwart in Hinsicht auf die Gegenwart, eine Gegenwart in Hinsicht auf die Vergangenheit und eine Gegenwart in Hinsicht auf die Zukunft. In unserem Geiste sind sie wohl in dieser Dreizahl vorhanden, anderswo aber nehme ich sie nicht wahr. Gegenwärtig ist hinsichtlich des Vergangenen die Erinnerung, gegenwärtig hinsichtlich der Gegenwart die Anschauung und gegenwärtig hinsichtlich der Zukunft die Erwartung. Wenn es uns gestattet ist, so zu sagen, so sehe ich allerdings drei Zeitunterschiede und gestehe, daß es wirklich drei gibt. Man mag auch sagen: Es gibt drei Zeiten, Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, wie es einmal der Mißbrauch der Gewohnheit ist; mag man es sagen,

Tempus in der Antike (1) Tempus praesens de praeteritis praesens de praesentibus praesens de futuris memoria contuitus expectatio esse nosse velle visio voluntas intelligentia providentia

Tempus in der Antike (2) Prudentia  est rerum bonarum et malarum neutrarumque scientia.  Partes eius: memoria,  intellegentia, providentia. Memoria est, per quam animus repetit illa, quae fuerunt; intellegentia, per quam ea perspicit, quae sunt; providentia, per quam futurum aliquid videtur ante quam factum est. Cicero, de inventione 2.160 “Weisheit ist das Wissen um das, was gut ist, was schlecht ist, was keines von beiden ist. Ihre Teile (sind): Gedächtnis, Wahrnehmung und Vorausschau. Gedächtnis (ist), wodurch sich der Geist daran erinnert, was geschehen ist. Wahrnehmung (ist), wodurch er feststellt, was ist. Vorausschau (ist), wodurch etwas gesehen wird, bevor es geschehen ist“ (Übers. W. Schulze).   Vgl. Aristoteles (De Memoria et Reminiscentia 1, 449b, 27) του/ δε. νυ/ν εvν τω|/ νυ/ν ουvκ ε;στι μνη,μη, καθα,περ ει;ρηται και. προ,τερον, αvλλα. του/ με.ν παρο,ντος αι;σθησις, του/ δε. με,λλοντος εvλπι,ς, του/ δε. γενομε,νου μνη,μη. „Vom Jetzt ist im Jetzt keine Erinnerung, wie schon vorher gesagt, sondern Wahrnehmung des Bestehenden, Erwartung des Zukünftigen, Erinnerung des Entstandenen.“ (Übers. W. Schulze).

Die Triade der ZEIT in der Sprache Tripartite Bipartite(1) Bipartite(2) Bipartite(3) Neutral PRESENT PRES nFUT nPAST General PAST FUT nPRES FUTUR Sprache (exempl.) Latein Pama-Nyunga Germanisch Archi (i.T.) Vietnam.

Die Begrifflichkeit der Zeit-‘Stufen‘ Vergangenheit: Lehnübersetung aus lat. praeter-itum ‚was vorüber gegangen ist‘ Gegenwart: Schon ahd. geginwartī ~ andwart (adj.) mit -wart zu lat. vertere = 'dem Gegenüber zugewandt' , vgl. "in meinem gesichtskreis gegen mich gekehrt oder gegen mich herkommend" (Grimm V,sp.2281), vgl. Latein praesens ‚was vor(a)n steht‘ [‚ZEIT‘ erst später] Zukunft: Schon ahd. zuochunft 'was einem zukommt' (vgl. franz. avenir)['ZEIT' erst ab spätem Mhd.]

Schematisch (Deutsch) PAST PRESENT FUTURE Gegen- wart KOG ver-gehen zu-kommen

Grammatikalisierungsbasen PRESENT PAST FUTURE essive ablative allative come come=from come=to comitative get copula do go deontic modality essive have-possession go=to exist itiv have-possession go(=in) pass love/want in (spatial) throw obligation keep yesterday take lie then live tomorrow locative ventive sit stand (vgl. u.a. Heine & Kuteva 2002)

Basiskonzeptualisierung Gegenwart ist Sein in/an einer Ereignisvorstellung -> (ANTE-)ESSIV Vergangenheit ist Separierung von einer Ereignisvorstellung -> ABLATIV Zukunft ist Zuwendung hin zu einer Ereignisvorstellung -> ALLATIV

Raum- und Zeit-Paradigmatisierung TRI BI(1) BI(2) BI(3) NEUTRAL PR ESS nFUT nALL nPA nABL GEN. LOC PA ABL nPR nESS FU ALL FUT

Points of Reference (1) Die Fixierung der Zeit-‘Stufen‘ basiert auf dem Typ der Zuordnung von Figure und Ground: KOG definiert sich in seiner (primär räumlichen) Beziehung zu einer Ereignisvorstellung Trajektor REL Landmark a. F:KOG ->/ESS/ABL/ALL G:EV b. F:EV ->/ESS/ABL/ALL G:KOG E.g. KOG entfernt=sich=von einer Ereignisvorstellung PAST/Egomotion Eine Ereignisvorstellung kommt=zu=auf KOG FUTURE/Altrimotion

Points of Reference (2) Intern: COG konstruiert sich als im Zeitpfeil befindlich (EGO-Reference Point) ALTRIMOTION: Integration der Kategorie VENTIV/ITIV: Ventiv: X bewegt sich zum Zentrum hin E.g: Zukunft (kommen) Itiv: X bewegt sich vom Zentrum weg E.g.: Vergangenheit (gehen)

Points of Reference (3) EGOMOTION: PAST PoR FUTURE VENTIV: Ich komme aus der Vergangenheit. ITIV: Ich gehe in die Zukunft. EGO VENTIV ITIV PAST PoR FUTURE ALTRI ITIV VENTIV

Points of Reference (4) VISION "Die praktisch erkannte Gegenwart ist keine Messerschneide, sondern ein Sattelrücken mit einer gewissen ihm eigenen Breite, auf den wir uns gesetzt finden und von dem aus wir nach zwei Seiten in die Zeit hineinblicken." (William James (1886). The Perception of Time. [1886] In: The Principles of Psychology (Chapter XV). London 1901. Deutsch: Die Wahrnehmung der Zeit. In: Klassiker der modernen Zeitphilosophie. Hrsg. v. Walther Ch. Zimmerli, Mike Sandbothe. Darmstadt 1993. S. 31-6, hier p.35).

Points of Reference (5) a. FACING THE PAST (der Aymara-Typ) PAST PoR FUTURE Gesehen Sichtbar Nicht gesehen Vor Augen Nicht vor Augen / hinter Gesehen>Gewusst Nicht gesehen>nicht gewusst [vgl. οι=δα-Prinzip] Aymara : nayra pacha (Augen/Front/Sicht-Zeit) Geste nach vorne > PAST q'ipa pache (Rückseite-Zeit) Geste nach hinten > FUTURE

Points of Reference (6) b. FACING THE FUTURE Deutsch: PAST PoR FUTURE Gesehen Sichtbar Nicht gesehen Nicht vor Augen Vor Augen Gesehen>Gewusst Nicht gesehen>vorgestellt Deutsch: Morgen Geste nach vorne > FUTURE Gestern Geste nach hinten > PAST

Points of Reference (7) c. Das chinesische Modell oben vorn hinten unten Mit: Yang = 'formlose Zeit Yin = 'durch ein Objekt geformte Zeit' (mit zwei Grenzen)

Points of Reference (8) Externer PoR: Separatum Projektion Basales Verfahren PoR PA FU

Points of Reference (9) Externer PoR (1) Separatum Projektion Profilierung des Zeit-Abschnittes (1): PoR ‚blickt‘ in die Vergangenheit [PoR ist intrinsisch ‚links‘ profiliert]: Ich komme vor dem Essen (vor der Zeit des Essens) [MOTION in einen Zeitraum hinein, der vor dem des Essens liegt] Ich komme nach dem Essen (nach/hinter der Zeit des Essens) [Motion in einen Zeitraum hinein, der hinter dem des Essens liegt.] PoR FU nach PA vor

Points of Reference (10) Externer PoR (2) Separatum Projektion Profilierung des Zeit-Abschnittes (1): PoR ‚blickt‘ in die Zukunft [PoR ist intrinsisch ‚rechts‘ profiliert]. PoR FU vor PA nach

Points of Reference (11) tn to Analog zu PoR / extern (1): Vor-fahren (~gehen) / Nach-kommen Vor-gestern / *nach morgen (vgl. engl. after tomorrow) tn to vor nach nach nach nach nach ->vor ->vor ->vor ->vor -vor

5. Abschnitt Conclusio

CONCLUSIO (1) Tizian: Allegorie der Zeit (1565; Org. 75,5 x 68,5 cm) Auschnitt: Original Umstellung links/rück rechts/vorn links/vor rechts/rück

Conclusio (2) Kognitive Linguistik kann nicht klären, was ZEIT ist, sondern nur wie etwas als Zeit konzeptualisiert wird. Es gibt keinen universellen ZEIT-Begriff. Universell ist die Konzeptualisierung von gedächtnisbezogenes kognitiven Ereignissen. Dabei gilt: Die Triade der ZEIT (PAST/PRES/FUT) ist eine universelle, operationale Eigenschaft der humanen Kognition. Die emergente Konzeptualisierung dieser Eigenschaft als e.g. ‚Vergangenheit‘, ‚Gegenwart‘ und ‚Zukunft‘ erwächst mit der zunehmenden Verarbeitung von Gedächtnis-Ereignissen als kognitionsinterne Reize (‚Bewusstwerdung‘) ZEIT ist das Wissen um die eigene Erfahrung.

Conclusio (3) Die sprachbasierte Konzeptualisierung von ZEIT-Dimensionen beruht nicht auf der Vorstellung von ‚Zeit‘, sondern resultiert aus der Metaphorisierung heterogener Quelldomänen. Eine umfassende lexikalische Typologie, die Präferenzen für bestimmte Quelldomänen in den Sprachen der Welt aufzeigen würde, fehlt jedoch noch. Die Fraktionierung der ZEIT (Triade) wird hingegen weitaus einheitlicher konzeptualisiert. MOTION und VISION sind die zentralen Verfahren. Die Fraktionierung der ZEIT läuft dabei konzeptuell analog zur Dimension der Trajektor-Landmark-Beziehung (Essiv, Ablativ, Allativ).

Conclusio (4) Die Grammatikalisierung der ZEIT-Fraktionen beruht auf der Explikation oder Unterspezifikation der Triade PRES/PAST/FUTURE. Der Grad der Differenzierung ist sprachspezifisch. TEMPUS ist eine rein linguistische Kategorie und reflektiert die kognitiven Verfahren zur Konzeptualisierung der ZEIT-Triade nur bruchstückhaft. Ergo: ZEIT ist keine linguistische Kategorie. Als kognitives Segment ist ZEIT eine emergente Struktur, die sekundär ‚vergesellschaftet‘ und als konzeptuelle Entität reifiziert werden kann. Die Annahme, dass bestimmte Sprachgemeinschaften keinen Zeit-Begriff hätten, ist falsch (sie basiert irrig auf der Parallelsetzung von Tempus und Zeit). ZEIT erfährt man, man ‚hat‘ sie nicht.