Prof. Dr. J.-U. Niehoff, September 2006

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Prof. Dr. J.-U. Niehoff, September 2006 Die Transformation des Systems der Krankenversorgung in den USA – ein medizinisches Versorgungsmodell zwischen Hoffnung und Befürchtung – Prof. Dr. J.-U. Niehoff, September 2006 Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Gliederung    I.  Von prepaid services, dispensaries, Indemnity insurances zu Medicaid, Medicare, CHIP und Medical Saving Accounts       II. Vom niedergelassenen Arzt zu HMOs und zur Managed Care Industry, Disease management systems, Medical Benefit Management Companies und Integrated Delivery Systems (IDS)      III. Die Steuerung medizinischer Leistungserbringung zwischen Markt und Staat Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Ziel Warum ist das System wie es ist? Welche besonderen Probleme hat das System? Wie verändert sich das System und was sind die Motive? Welche Entwicklungen betreffen uns? Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA 1. Kernproblem Why Some Countries Have National Health Insurance, Others Have National Health Service, and the United States has Neither” V. Navarro, International Journal of Health Services, Vol. 19, No. 3, pp. 383-404, 1989 Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA 2. Kernproblem „The rise of a sovereign profession and the making of a vaste industry“ Untertitel zu dem Buch: The social Transformation of American Medicine, Paul Staar 1982, Basic Book inc. Pulitzer Prize 1984 Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA 3. Kernproblem „The Changing Doctor-Patient Relationsship and Performance Monitoring“ Beitrag von W. D. White, J.W. Salmon and J. Feinglass in J.W. Salmon (1994), The Transformation of Health Care, Baywood Publishing Company Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Zitat „erstens verschiebt sich der Schwerpunkt der Marktkraft von der Anbieterseite auf die Nachfrageseite, und zwar mit einer rasanten Geschwindigkeit, die besonders den Leistungserbringern fast den Atem raubt.... Zweitens verlagert sich die Kontrolle der Gesundheitsausgaben und der Qualität mehr und mehr ... in die Hand von profitorientierten Unternehmen ... diese zweite Verlagerung macht nicht nur Sorge, sondern regelrechtes Grauen.... Ich bin überzeugt davon, dass die Übertragung dieses Konzepts in Deutschland die Kosten herauftreiben würde“ u.a., weil die Regulierungskosten „in den USA ca. 20 bis 30 %“ der Beiträge verbrauchen. U. Reinhardt, Können von amerikanischen Gesundheitssystem nützliche Impulse für Europa erwartet werden?, in: das Krankenhaus, 9/96, S. 440 - 447 Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Block I Von prepaid services, dispensaries, Indemnity insurances zu Medicaid, Medicare, CHIP und MSA Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgungssysteme in Europa (I) 1. Steuerfinanzierte Systeme (erste in Frankreich, die sog. Dispensaires 1629) 2. Sozialversicherungen, die oft aus Selbsthilfebewegungen hervorgingen und dann gesetzlich geregelt wurden (Deutschland 1883, Österreich, Ungarn, Norwegen, Großbritannien, Niederlande folgten bis 1912, Schweden (1891), Dänemark (1892), Frankreich (1910) und Schweiz (1912) Befördert von zumeist konservativen Regierungen gegen die Ausbreitung von Arbeiterparteien und Gewerkschaften. Zumeist unterstützt von der Ärzteschaft, die sich durch eine solche Versicherung zumeist die Verbesserung ihrer Einkommenssituation erhoffte. Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgungssystemen in Europa (II) Finanzierung Alleinige Finanzierung durch Sozialversicherung: Bundesrepublik Deutschland, Italien, Österreich gemischte Finanzierung aus Mitteln der Sozialversicherung und aus Steuermitteln: Belgien, Dänemark, Griechenland, Spanien, Frankreich, Irland, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Finnland, Schweden alleinige Finanzierung aus Steuermitteln: Großbritannien Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgungssystemen in Europa (III) Organisation der Kostenkompensation Überwiegend Kostenerstattung: Belgien, Frankreich, Irland, Luxemburg Überwiegend Sachleistungen: Dänemark, Bundesrepublik Deutschland, Griechenland, Spanien, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal, Finnland, Schweden Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgungssystemen in Europa (IV) Zugänglichkeit gesamte Wohnbevölkerung: Dänemark, Irland, Italien, Niederlande, Portugal, Finnland, Schweden, Großbritannien Teile der Wohnbevölkerung: Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Luxemburg, Österreich Krankenversorgung in den USA

Ursachen für die Entstehung von Krankenversicherungen in Europa soziale Friedenssicherung, Abwehr sozialer Krisen, soziale Kohärenz als Gesellschaftsziel teilfinanziert durch indirekte Lohnkosten Sozialisierung der Lohnausfallfolgen im Interesse von Arbeitnehmern und Arbeitgebern Steigerung der Arbeitsproduktivität und Wettbewerbskraft Sicherung der individuellen Kaufkraft von potenziellen Konsumenten Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA – die ganz andere Geschichte Prepaid services in ländlichen Regionen – Ärzte treten als Versicherer auf „Dispensaire“ in Metropolen mit hohem Armenanteil (Einwanderer, Alte, Behinderte, „Lumpenproletariat“) Alle Versuche, eine ähnliche Entwicklung wie in Europa voranzubringen, scheitern bis heute Krankenversorgung in den USA

Chronologie des Scheiterns (I) Theodore Roosevelt (1901 — 1909) scheitert mit dem Versuch, eine allgemeine Krankenversicherung zu etablieren 1913 Nationale Konferenz der American Labour Legislation (das Komitee für Wohlfahrt erarbeitet ein Mustergesetz (AALL Bill 1915): Pflichtversicherung für alle Arbeiterhaushalte mit < 1200 $ Familieneinkommen; Leistungen: begrenzte ambulante und stationäre Leistungen, Mutterschutz, Sterbegeld; zu finanzieren durch Arbeiter, Arbeitgeber und Staat Die in der American Medical Association (AMA) organisierten Ärzte unterstützen zunächst dieses Modell Krankenversorgung in den USA

Chronologie des Scheiterns (II) 1917 scheitert das Modellgesetz der ALL an 3 Gegnern: 1. an den Gewerkschaften, die auf dieses Kampfmittel gegen die Arbeitgeber nicht verzichten wollen und eine jeweils auf betrieblicher Ebene auszuhandelnde Krankenversicherung durch die Arbeitgeber vorziehen; 2. an der AMA, die ihre Unterstützung zurückzieht, weil das Gesetz die direkt Entgeltung der Ärzte durch den Versicherungsträger vorsieht (Sachleistung statt Kostenerstattung); 3. an den Lebensversicherungen, die Sorge haben, die attraktiven Sterbegeldversicherungen zu verlieren. Krankenversorgung in den USA

Chronologie des Scheitern (III) Die öffentliche und partiell bis heute fortwirkende Argumentation: Eine allgemeine Krankenversicherung führt zu einem paternalistischen Überwachungsstaat. Eine allgemeine Krankenversicherung ist der Versuch der Deutschen (!), mittels des sozialistisch-bolschewistischen deutschen Krankenversicherungsmodells eine Revolution in den USA vorzubereiten. Soziale Krankenversicherung = Kommunismus, es ist deshalb eine patriotische Pflicht, gegen eine nationale Krankenversicherung einzutreten. Krankenversorgung in den USA

Die 1920er Jahre – einiges ändert sich Fortschritte der Medizin verlangen Behandlungsversicherung Krankenhäuser werden von der Mittelklasse akzeptiert Es gelingt der AMA, die Dispensaires zu eliminieren Die Versicherungswirtschaft hat an Krankenversicherungen weiterhin kein Interesse Gründung des „Committee on the Cost of Medical Care (CCMC)“ - private Initiative, u.a. der Rockefeller, der Millbank und der Rosenwald Foundation: 26 bändiger Report und viele Einzelpublikationen zeigen die Notwendigkeit einer allgemeinen Krankenversicherung, die aus Steuermitteln finanziert und durch gemeinnützige freiwillige Krankenversicherungen (non-profit) ergänzt werden muss. Die AMA wandte sich wiederum scharf gegen diesen Vorschlag als eines Aufrufs zur kommunistischen Revolution in den USA. Krankenversorgung in den USA

Das Jahr 1929 (Beginn der Weltwirtschaftskrise) Justin Ford Kimball (Baylor University, Texas) entwickelte ein Prepaid service für die stationäre Versorgung, um die Einnahmen des Univ.-Krankenhauses zu verbessern; für die Lehrer in Dallas wird angeboten, gegen die Zahlung von 6$ pro Jahr bei Bedarf eine Krankenhausbehandlung von bis zu 21 Tagen zu erhalten. Das Modell erregte landesweit Aufsehen. Andere Arbeitgebergruppen beginnen, mit solchen benefits um Arbeitskräfte zu konkurrieren. Es wird so das System einer von der Medizin ausgehenden privaten non – profit – Versicherung begründet, das später und bis heute mächtig unter dem label “Blue cross – Blue Shield” wirksam ist. (Blue Cross – stationäre Leistungen, Blue Shield – ambulante Leistungen) Krankenversorgung in den USA

The Blues Blue Cross und Blue Shield System Arbeitgeberbindung des Versicherungsschutzes Berufsgruppespezifische Risikokalkulation Unterschiedliche und sich ständig ändernde Vertragsformen, u.a. weil die Arbeitgeberinteressen maßgeblich die Versicherungsformen bestimmen Non-profit-insurance Es wird der Nachweis erbracht, dass Krankenversicherungen attraktive Produkte sind. Gegen die Blues konnte künftig nur erfolgreich sein, wer billiger war, damit wurde die Risikoselektion zum wichtigsten Gestaltungsprinzip von for-profit-insurances Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Die 1930 Jahre M. Keynes zeigte, dass der freie Markt ohne Steuerung durch den Staat nicht funktionieren und überleben kann Non-profit und For-profit Versicherungen weiten sich aus, jedoch unterschiedlich schnell 1935 Social Security Act (SSA) (New deal: Der Versuch, eine Krankenversicherung einzuschließen, wurde aufgegeben, weil absehbar war, dass die mächtige AMA dann den gesamten SSA zu Fall bringen würde.) Ein 2. Versuch 1939 (Wagner – Bill) scheiterte (Mehrheitsveränderungen im Kongress) Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Die 1940 und 1950er Jahre 1941 – Verbot mittels Lohnangeboten um Arbeitskräfte zu konkurrieren H. Sigerist gewinnt intellektuellen Einfluss, zwei seiner Schüler, Milton Roemer und Milton Terris werden später in der American Public Health Association die medizinische Sektion aufbauen, die zur Plattform für gesundheitspolitischen Reformen wird und die AMA deutlich schwächt.  1943 Wagner-Murray-Dingell Bill (Konzept einer allgemeinen Krankenversicherung), wird insgesamt 14 x zur Abstimmung gebracht und scheitert jedesmal Hill-Burton Act of 1946 unterstützte die Ausweitung der Krankenhausversorgung, medizinische Forschung und Impfungen (kommt vor allem auf Drängen des Militärs zustande) Präsident Truman tritt für eine allgemeine und egalitäre Krankenversicherungspflicht ein Krankenversorgung in den USA

Folgen des Scheiterns: Die 1940 und 1950er Jahre Folgen des Scheiterns: Ideologisierung des Themas, unter Mc Carthy gelingt es der AMA erneut, die Aktivisten einer Krankenversicherung als kommunistische Verschwörer mit der Folge ihres Berufsverbots zu denunzieren. Zugangsbeschränkungen zur Medizin (versichert ist nur, wer sich selbst eine Krankenversicherung kaufen kann oder eine solche vom Arbeitgeber hat; Arme, Kinder, Arbeitslose, chronisch Kranke und Behinderte sowie Rentner und bestimme ethnische Gruppen sind regelmäßig nicht versichert ) Arbeitgeber sind die wichtigsten Kunden der Versicherungen, employer paid health insurance, senkt für Arbeitgeber die Steuerpflicht Veränderung der Machtverhältnisse zwischen den Interessengruppen (Umsatzbegrenzung für einen Teil der Ärzte und der Krankenhäuser, der Einfluss der AMA und der Gewerkschaften sinkt, Rentnerorganisationen gewinnen an Einfluss, soziale Auseinandersetzungen nehmen zu) Strategiewechsel bei den Befürwortern einer Krankenversicherung Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Die 1960er Jahre Präsident Johnson unterstützt eine Versicherung für Sozialhilfeempfänger (Medicaid) und für Renter (Medicare) Da sich für beide Gruppen die Gewerkschaften nicht interessierten, stand die AMA ohne „alte“ Verbündete da und ist kompromissbereit. Sie gibt den Widerstand gegen eine Krankenversicherung für Rentner und für Sozialhilfeempfänger auf. Gegenleistung: Fortbestand der Einzelleistungsvergütung und der Extravergütung der ärztlichen Leitungen in Krankenhäusern. Ende des Berufsverbots für die Aktivisten einer Krankenversicherung 1965 Novellierung des SSA durch einen 3 Stufen Plan: comprehensive health insurance (“Part A”), government subsidized voluntary physician insurance (“Part B”) und Medicaid Act Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Aspekte Arbeitgeber zahlen die Versicherungsprämien, diese Zahlungen sind steuerfrei Besonders „kleine“ Arbeitgeber sind den Versicherungen hilflos ausgeliefert Auch steuerfinanzierte Leistungen erfolgen nach FFS und Indemnity Model Versicherungen betreiben Risikoselektion und differenzieren Versicherungsprodukte nach dem Preis Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Die 1970er Jahre 1974 HMO Act Nixon (Die Etablierung von non-profit-Organizations zur Versorgung der Medicaid und Medicare-Versicherten und Überwindung des FFS) Non-Profit-HMOs entstehen, quasi auch als Weiterentwicklung der ärztlichen prepaid services, also der Integration von Versicherung und Leistungserbringung. Tendenzielle Aufhebung des sog. purchaser-provider-splitts Indemnity Insurances (z.B. die Blues) bleiben zunächst mächtigste Versicherungen Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Die 1980er Jahre Steuerfinanzierte Leistungen nehmen zu, u.a. wegen der wachsenden sozialen Ineffektivität der privaten Arbeitgeberversicherungen Ausbau von Medicaid und Medicare Kostensteuerung wird so zum maßgeblichen Staatsziel Erste Rationierungsmodelle entstehen (The Oregon Medical Case) Beginnende Integration von Versicherung und Versorgung For-Profit-Organizations übernehmen die Arbeitsweise der Non-Profit-HMOs und werden deren Konkurrenten Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Die 1990er Jahre ungelöste Probleme (Nichtversicherte, Arbeitgeber schränken Versicherungen ein, direkte Löhne sinken durch Gewinnbeteiligungen, Social Security Tax und Beitragsbemessungsgrenze steigt, Zersplitterung des Systems nimmt zu) Medicare und Medicaid werden zu Managed Care Versicherungen – massives Anwachsen der Unzufriedenheit Forderungen nach einem single-payer-system 1997 Begründung von Medicare Part C Die Entstehung der Managed Care Industry: The big corporatisation Der Bedeutungsverlust der Indimnety Insurances Die strategische Schwächung der Ärzteschaft Die Internetstory im Pharmahandel CHIP (The Children Health Insurance Program) Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Ab 2000 Die Luft für Non-Profit-Organizations MCOs wird dünner Erste Integrated Delivery Systems erste Medical Saving Accounts Der Kampf gegen Medicare and Medicaid gewinnt an Schärfe Die AMA auf Kurswechsel in Richtung NHS Entstehung von Prepaid Services als Genossenschaften von Ärzten und Patienten 2005 erste umfassende Studien über das Problem von individuellen Insolvenzen (chapter 7) auf Grund nichtbezahlter medizinischer Versorgungskosten durch die Versicherungen (häufigster Grund für Privatinsolvenzen in den USA) Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Etwa die Gegenwart < 3500 Krankenversicherungen mit rasch sinkender Tendenz davon 1000 Indemnity Health Plans mit < 20 % Marktanteil 500 HMOs 1000 PPOs 1500 weitere MCOs + Subunternehmen Also: gewaltige Konzentrationsprozesse Krankenversorgung in den USA

Medical Saving Accounts (MSA) ein Modell aus Singapur für die USA? 10% der Bevölkerung verbrauchen 72% der Ressourcen Jene 20 % der Bevölkerung, die keine medizinische Leistungen benötigen, fallen für eine Finanzierung (“cross-subsidy”) aus wirkt als Steuersparmodell, Effekt wird verstärkt, wenn hohe Einkommen ihre Accounts schonen und bestimmte Leistungen direkt bezahlen Das Budget Office des Kongresses geht davon aus, dass sich durch MSA die Medicare-Kosten deutlich erhöhen würden. Krankenversorgung in den USA

Human rights vs. Competition "Health care is an essential safeguard of human life and dignity and there is an obligation for society to ensure that every person be able to realize this right.„ - Cardinal Joseph Bernardin, Chicago Archdiocese Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Block II Vom niedergelassenen Arzt zu HMOs und zur Managed Care Industry, Disease management systems, Medical Benefit Management Companies und Integrated Delivery Systems (IDS) Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Das klassische System Freie Arztwahl Der niedergelassene Arzt leistet Hilfe gegen Geld in der Einzelpraxis, Vereinbarung der Preise zwischen Arzt und Patient Freie Entscheidung des Arztes über die medizinischen Maßnahmen Der Versicherte bekommt die Kosten je nach Kontraktbedingung ersetzt Infolge der Kostenerstattung (FFS) haben Krankenhäuser für ärztliche Leistungen im Regelfall keine Einnahme, folglich auch keine angestellten Ärzte – das Belegarztsystem ist die Regel Krankenversicherungen arbeiten nach dem Prinzip der Haftpflicht Folge: teure und aufwändige Leistungen sind eher versichert als simple medicine, d.h. die Spezialisten profitieren, d.h. hausärztliche Versorgung ist gegenüber der fachärztlichen unterprivilegiert, d.h. das Spezialisierungsinteresse hat massive Systemwirksamkeit Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Die HMO – die neue Welt Ärzte (oft angestellte- Staff Group Models) erfüllen gemeinsam einen Leistungsvertrag, Alternative Network Models Anknüpfung an die Dispensaireerfahrungen Übergang zur Sachleistung Gemeinnützige komplex Versorgungseinrichtungen Vertraglich gebundene Versicherte, pauschale Entgeltung Wegfall der (kostenpflichtigen) Anträge und Formulare für die Kostenerstattung Umfassendes Versorgungsangebot unter einem Dach (Typ: Poliklinik) Verpflichtung, die Versorgung und die „Versicherung“ integriert anzubieten (Capitation, Übernahme aller finanziellen Risiken, die bislang bei der Versicherung gelegen haben). Weitergabe dieser Risiken an die Ärzte, die für die HMO als Nachauftragnehmer arbeiten. Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Typische Leistungen Grundversorgung mit Diagnostik und Therapie (simple medicine) Notversorgung präventive Behandlungen und Beratungen (defensive medicine) Begrenzt ambulante Rehabilitation Hausbesuche (professional nurse) Begrenzt med. Hilfe für Drogenkranke Familienplanungsberatung soziale Hilfen (access to subsidies) Krankenversorgung in den USA

Managed Care – ausgewählte Aspekte Die medizinischen Dienstleister werden entsprechend ihrer Bereitschaft ausgewählt, mit den Managementsystemen und Wettbewerbs- (= Qualitätssicherungs-) systemen der Versicherer zusammenzuarbeiten. Durchgehendes Versorgungsmanagement durch vertraglich bindende Leitlinien Vorgegebene Preise Verpflichtung für den Versicherten, die von der Versicherung ausgewählten Ärzte aufzusuchen Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Milliman & Robertson “We do not base our guidelines on any randomized clinical trials or other controlled studies, nor do we study outcomes before sharing the evidence of most efficient practices with colleagues.” Krankenversorgung in den USA

Die Evolution der HMO in Managed Care Organizations Management aller vertraglich gebundenen Leistungen, Einbindung von Nachauftragnehmern (Group Models) Schrittweise Differenzierung in Medicaid HMO, Medicare HMO, Privat finanzierte Verträge Hybrid Models kombinieren mehrere Organisationsformen unter einem Dach Durch die zunehmende Integration von immer mehr Wertschöpfungsebenen und -segmenten und die hierdurch entstehenden Konflikte unterschiedlichster Anreizsysteme erhebliche Modifikation der Organisationsformen Heute sind die HMOs und die hieraus hervorgegangene Familie der Managed Care Organizations Quelle großer Unzufriedenheit, da sich tendenziell nicht nur betriebswirtschaftliche Steuerungsziele gegen medizinische, sondern auch Renditeinteressen gegen gemeinnützige Interessen massiv und hochwirksam, z.T. mit erheblicher krimineller Energie durchsetzen. Der Patient gilt heute als weitgehend durch den Kunden ersetzt, womit die HMOs zum Symbol der paradigmatischen Veränderungen von medizinischer Hilfeleistung zur Produktion und zum Vertrieb von Produkten geworden sind. Krankenversorgung in den USA

Managed Care Organizations - Typologie Health Maintenance Organization Independent (auch Individual) Practice Association (IPA) oder Organization (IPO) Preferred Provider Organization (PPO) Exclusive Provider Organization (EPO) Point-of-Service Plan (POS) Physician-Hospital Organization (PHO) Integrated Delivery System (IDS) oder Integrated Services Network (ISN) Accountable Health Plan (AHP) Provider Sponsored Organizations (PSO) Management Services Organization (MSO) Physicians Practice Management Organizations Krankenversorgung in den USA

Die wichtigsten Typen von MCOs Gesundheitseinrichtungen/Versicherungen mit angestellten Ärzten Ärztegruppen, die gemeinsam als Vertragsnehmer gegenüber einer anderen MCO auftreten (etwa analog der Gemeinschaftspraxis) der Zusammenschluss von einzeln agierenden Ärzten (etwa analog zur Praxisgemeinschaft) regionale Ärztenetzwerke und Verbünde von Krankenhäusern und ambulanten Ärztegruppen Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Managed Care Sammelbegriff für mikroökonomische Steuerungstechniken medizinischer Versorgungsleistungen unter den Bedingungen der Integration von Leistungsträger und Leistungsanbieter, der freien, d.h. selektiven Gestaltung von Versicherungs- und Leistungsverträgen des Wettbewerbs der Akteure Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Erläuterung I Managed Care folgt der in den USA gültigen Rechtsauffassung, medizinische Versorgung sei uneingeschränkt mit jeder anderen gewerblichen Tätigkeit vergleichbar. Deshalb müsse sie zwingend der freien Marktwirtschaft unterliegen. Diese Rechtsauffassung folgt der Ideologie, dass soziale Sicherung zulasten der Öffentlichkeit im Widerspruch zur Freiheit stehe, zumindest jedoch eine Einschränkung fundamentaler Freiheitswerte darstelle und deshalb verfassungsrechtlich zumindest bedenklich sei. Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Erläuterung II Managed Care ist heute die regelhafte Form der Absicherung von Krankheitsrisiken. Dennoch spielt wegen der vielfältigen Mischformen weiterhin das System des FFS eine wichtige Rolle, auch in Managed Care Organizations, die nicht immer die Option aufgeben wollen, sowohl Fee for Service als auch Managed Care Plans anzubieten. Da Managed Care in den USA entstanden ist und vor allem hier auch weiterentwickelt wird, ist es an die kulturellen Gegebenheiten dieses Gesundheitssystems und seine Funktions- und Wertelogik maximal angepasst. Krankenversorgung in den USA

Die Managed Care Industry Bezeichnung für die Integration praktisch der gesamten Wertschöpfungskette der Gesundheitswirtschaft. Diese Industrie, die vor allem seit den späten 1980er Jahren entstanden ist (Corporate Transformation) wird heute weitgehend von hoch integrierten und politisch extrem einflussreichen Monopolisten beherrscht. (vergleichbar der Rüstungs- und der Ölindustrie) Integration von mindestens drei Wertschöpfungsebenen: Versicherungsvertrag, Wertschöpfung durch die Leistung am Patienten und Wertschöpfung durch die Stellung eines potenziell marktbeherrschenden Großunternehmens (Werbung, Vertragsaquisition, Bindung von Nachauftragnehmern, Einkaufsrabatte usw.). Krankenversorgung in den USA

Beispiele aus einem offiziellen „Investigation Report“ Florida‘s For Profit Medicaid HMOs: 21 von 29 HMOs erreichten minimale Standards der Qualität nicht 5 HMOs verbrauchten für Controlling und Gewinnentnahmen 51 – 77 % der Einnahmen aus den Medicaid-Verträgen Eine große Zahl dieser HMOs haben CEOs, die zuvor die ICM leiteten. ICM musste in einem Betrugsverfahren in den 1980er Jahren 200 Mill. $ Strafe zahlen, u.a. weil der Präsident von ICM an Jeb Bush 75000 $ Bestechungsgeld zahlte, eine Strafverfolgung gelang nicht, weil der ICM-Chef nach Spanien fliehen konnte, von wo er nicht ausgeliefert werden kann. A. Gutman, Vorsitzender des Gesundheitsausschusses in Florida wurde von einer HMO mit 500000 $ bestochen, um (erfolgreich) ein Gesetz zur Kontrolle der HMOs zu verhindern. Das Geld reinvestierte er in eine Medicaid-HMO. Krankenversorgung in den USA

Medical Benefit Management Companies (MBMC) MBMCs sind zumeist Gründungen von MCOs (Interesse: Delegierung von Haftungsproblemen infolge strategischer Qualitätsabsenkung) oder von Pharmaunternehmen (andere Hersteller analog) und verdeckte Marketingunternehmen. wichtigstes Handelsprodukt der MBMCs sind die Disease Management Programs Entstehung der MBMC ist eine Folge des Aufkaufs der Internetapotheken durch die Pharmaindustrie, große Versorgungsunternehmen (Wal Mart) und Versicherungskonzerne Krankenversorgung in den USA

Veränderungen durch Managed Care (zunächst) Abbau von Wartelisten (same day appointments) Standardisierung von Produkten (evidence based practice, guidelines) Defensive Medicine / Screening Risikoselektion Abnahme der stationären Verweildauer, weniger Aufnahmen Qualitätsverbesserung durch Fallselektion, Leistungsausschluss und Profilbildung Optimierung der internen Steuerung von Versorgungsprozessen und Qualifikationsverwertungen Anbieterselektion und Spezialisierung Gatekeeper and Coordinator Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Das neue System Verlust der freien Arztwahl Der angestellte Arzt: Akteur im Unternehmensauftrag und gegenüber dem Unternehmen verantwortlich Das Ende der Therapiefreiheit Schwarze Listen Credentialing Der industrialisierte Versorger Qualitätsabsenkung durch Privatisierung Einführung von Pflichtversicherungen für Arbeitnehmer in Kalifornien und Maine Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA „The doctor backlash“ Obwohl Managed Competition von vielen Ärzten als Zukunft unterstützt wurde, wurden sie die Verlierer, weil sie Autonomie einbüssten und massive Einkommens- und Vermögensverluste hinnehmen mussten Wichtigste Ursache: die Ärzte erkannten nicht, dass die Patienten keine Kunden sind Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Block III Die Steuerung medizinischer Leistungserbringung zwischen Markt und Staat Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Motive der Steuerung MCOs: wallet biopsy: sarkastisch-scherzhafter Begriff für die Prüfung des „Kunden“ vor der Behandlung Arbeitgeber: Druck auf die Beschäftigten, sich zu den von den Arbeitgebern gesetzten Bedingungen zu versichern, massiver Druck auf die Versicherten, ihre Health Plan zu wechseln, Arbeitgeber und nicht die Arbeitnehmer wurden zu Kunden der HMOs Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Steuerungsziele Im non-profit-managed care: Anpassung der Ausgaben an die Einnahmen Im for-profit-managed care: Anpassung der Ausgaben an die Gewinnvorgaben Krankenversorgung in den USA

Das Steuerungsdilemma in der Medizin Der Zusammenhang von Preis und Menge Der Widerspruch zwischen Effizienz und Effektivität Spezialisierungs- und Integrationszwang Verteilung begrenzter Ressourcen Die Asymmetrie des Bedarfs Der Widerspruch zwischen individuellen und gesellschaftlichen Gesamtinteressen Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Die gesundheitsökonomische Theorie zur Marktwirtschaft in der medizinischen Versorgung Uno-actu-Prinzip (Leistungserbringung und –nachfrage fallen zusammen); der Patient kann kein bereits vorhandenes Produkt prüfen und seine Kaufentscheidung treffen) Roemer’s Law reine marktwirtschaftliche Gesundheitssysteme sind sozial ineffektiv, Folge: sozialspezifische Unterversorgungen oder steuerfinanzierte Zusatzsysteme marktwirtschaftlicher Gesundheitsversorgung ist bei hoher betriebswirtschaftlich Effizienz makroökonomische ineffizient; Folge: die Entwicklung einer extrem bürokratischen Steuerungs-, Regelungs- und Kontrolldichte die marktypische Figur des Käufers ist nur durch Verzicht auf das sozialethische Prinzip einer allgemeinen Zugänglichkeit medizinischer Versorgung zu konstruieren; zudem ist der Kunde - Käufer zumeist nicht der Nutzer des Gesundheitssystems Märkte verlangen die Definition und Preisfindung für normierbare Produkte Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Die 6 Übel nach Enthoven und der „managed (regulated) competition“ (1979) 1.      Freie Arztwahl 2.      Die freie ärztliche Entscheidung bei der Therapiewahl 3.      Der Einfluss des Arztes auf die Kosten (Roemer’s Law) 4.      Die Kostenerstattung 5.      Die Einzelpraxis 6.      Das Prinzip „Geld folgt der Leistung“, insbesondere die retrospektive Bezahlung von Krankenhausleistungen Krankenversorgung in den USA

Die Folgen der 6 Übel nach Enthoven 1. Anreiz zur Leistungsausweitung: je mehr ich tue, desto mehr Geld 2.  keine bevölkerungsbezogene Bedarfs- und Ressourcenplanung, wenig Interesse an Prävention 3.  mangelnde Versorgungsintegration, fragmentierte Versorgung 4.  Krankenhäuser betreiben Wettbewerb um Ärzte, die Patienten anziehen („medical arms race“) 5.  non-profit hospitals haben kein Interesse, Kosten zu senken, weil sie keine Profite machen dürfen 6.  Einzelpraxis führt zu mangelnder Integration von Wertschöpfung 7.  die Eigentümerschaft des Arztes über die Patienteninformationen verhindert die von freien Märkten geforderte umfassende Transparenz 8. ständige Kostensteigerung und zunehmende Zahl nicht Versicherter Krankenversorgung in den USA

Enthoven‘ managed (regulated) competition (1979): Lösungen I die Lösung des Problems: Wettbewerb in einem umfassend integrierten Finanzierungs- und Versorgungssystem diese Integration muss über die Integration von Wertschöpfung erfolgen, sie kann wegen des fehlenden Anreizes durch öffentlichen und gemeinnützigen Versorgern nicht geleistet werden im Mittelpunkt des Konzepts steht das Theorem von einem umfassend informierten und kostenbewussten (eigenverantwortlichen) Kunden als Alternative zum Moral Hazard Krankenversorgung in den USA

Enthoven‘ managed (regulated) competition (1979): Lösungen II Die sieben Ebenen der Integration:  1.  Integration von medizinischer und finanzieller Verantwortung durch Prospective Payment Systems (Capitation und risk adjustment) 2.   Bevölkerungs- statt Individualmedizin (Bedarfsplanung, Primärversorgung und Rationierung) 3.   Integrierte Versorgung (in-patient, out-patient und home care) 4.   Integration von ambulanter und stationärer Versorgung über ein total capitation + Bezahlung der Ärzte aus den Krankenhauseinnahmen 5.   Integration von Krankenhäusern in ein Gesamtsystem der Versorgung 6.   polyspezialisierte Gruppenpraxen 7.   IDS –Transparenz über alle Patientendaten innerhalb des IDS, einschließlich der produzierenden Gesundheitsindustrie Krankenversorgung in den USA

Enthoven‘ managed (regulated) competition (1979): Lösungen III Empfehlungen an die Politik: Schaffung eines politischen Klimas von Veränderungsbereitschaft unter Nutzung der Medien Schaffung informationeller Transparenz über Patientendaten als „the oxygen for free markets“ (Einschub: Ernst & Young prognostizieren für Deutschland, dass der Datenschutz innerhalb der nächsten 10 Jahre abgeschafft wird und „knowledge broker“ mit diesen Daten dann frei handeln können) Schaffung eines motivierten Käufertyps, der die Freiheit hat, selektiv zu kaufen Schaffung von Anbietern, die die Freiheit haben, ihr Verhalten nur von den Marktbedingungen abhängig zu machen Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Managed Competition System ökonomischer Anreize, sich wie auf einem quasi-Markt mit vollkommenem Wettbewerb zu verhalten. Hierzu werden Wettbewerbsregeln vorgegeben und strikt kontrolliert. Die Kontrolle wird einem sog. Sponsor übertragen. Er agiert als Agent für eine Gruppe, z.B. von Konsumenten einer Region oder von Unternehmen. (Die neueren Varianten schließen aus, dass der Staat selbst als Sponsor auftritt. Der Staat kontrolliert jedoch die Einhaltung der gesetzten Regeln für den Wettbewerb, stellt sicher, das alle Kunden über die Informationen verfügen, die für souveräne Kundenentscheidungen erforderlich sind und versucht Risikoselektion zu verhindern.) Krankenversorgung in den USA

Die Regeln des Managed Competition Grundversicherungsgarantie für alle freie Auswahl der Leistungsanbieter durch die Versicherungsträger (MCO) oder durch den Staat (National Health Service) Überwachung der Versorgungsqualität und -quantität durch geregelte Steuerungstechniken zur Verhinderung der marktbedingten Qualitätsabsenkung, gesetzliche Mindeststandards zur Vermeidung von Unterversorgung ständige experimentelle Suche nach neuen Vergütungsformen das Recht der Versicherten, den Versicherungsträger zu wechseln Anreizsysteme für die Vermeidung von Inanspruchnahme Diskriminierungsverbot für Versicherungsträger Beitragseinzug durch den Sponsor, der die Mittel entsprechend des Risikoprofils der Versicherten an die Versicherungen verteilt (single payer system - der so installierte Risikoausgleich soll der Theorie nach garantieren, dass Wettbewerb nur über den Preis, die Qualität und den Umfang der Leistungen stattfindet) und insbesondere die jährliche Neueinschreibung der Versicherten Krankenversorgung in den USA

Managed Competition: Wie soll Risikoselektion vermieden werden? Unabhängige Kontrollstelle für die Überprüfung des Kontrahierungsverhaltens der HMOs Standardisierte und lizensierte Vertragstypen Risikoadjustierte Prämien Vereinbarte Gewährleistungen Risikoabhängige Finanzierungsmodelle Verbot des Versicherungsausschlusses für Personen mit Vorerkrankungen Verbraucherschutz Krankenversorgung in den USA

Steuerungstechniken - utilization management techniques umfassendes System von Genehmigungsverfahren und Überprüfungen geplanter medizinischer Interventionen, „Ersatz“ ärztlicher Leistungen durch professional nurses, Depersonalisierung von Leistungen (Telephone Support Systems). Standardisierung von fallbezogenen Versicherungsprodukten und hierauf abgestimmte Leistungsverträgen und medizinische Versorgungsprodukte interne und externe, z.T. online basierte utilization review techniques (Professional Review Organizations) Inanspruchnahme- und Leistungsprotokolle z.B. Appropriateness Evaluation Protocol, EP, Drug Utilization Evaluation (siehe Verbindung zum Disease Management), Pre-Admission Review, Pre-Admission Certification, Pre-Certification, Pre-Authorization, Pre-estimate of Cost, Pre-treatment estimate, Prior Authorization, Triage Programs Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Perspektiven Managed Care verändert sich Kongress schätzt in 2004, dass ein single payer system 225 Milliarden Doller sparen würde und zugleich das Problem der Nichtversicherung praktisch abschaffen würde Wettbewerb führt zur Ausgabensteigerung, hoher mikroökonomischer Effizienz und geringer Effektivität wachsende Steuerfinanzierungen (derzeit etwa 50%) fortschreitende Destabilisierung und Unterfinanzierung Krankenversorgung in den USA

Krankenversorgung in den USA Die derzeit häufigsten Forderungen der Bürger an eine Krankenversicherung Freier Zugang zu medizinischer Hilfe für alle Freie Arztwahl Qualitätsverbesserung Bezahlbarkeit Vertrauen und Respekt Krankenversorgung in den USA