Physikalisch-chemische Grundlagen der Erneuerbaren Energien: Geothermie – Grundlagen und Verfahren Michael Garbowski, 28.06.2013
Inhalt Warum ist die Erde heiß? Energie aus Urzeit Aufbau der Erde Zum Mittelpunkt der Erde! Bohrverfahren Wissenschaftliche Bohrungen Wie wird die Erdwärme genutzt? Oberflächengeothermie Tiefengeothermie Hydrothermale Systeme Petrothermale Systeme Tiefe Erdwärmesonden Pro & Contra
Warum ist die Erde heiß? - Energie aus der Urzeit 1. Entstehung der Erde (vor 4,6 Mrd. Jahre) Kinetische Energie Innere Energie 2. Zerfall der radioaktiven Elemente (238U, 232Th, 40K) Atombindungsenergie Innere Energie 3. Dichteunterschied der Elemente Gravitatonsenergie Innere Energie 4. Gezeitenkräfte (Sonne, Mond) Bewegungsenergie Innere Energie Abb. 1: Junge Erde, Illustration (Spiegel.de, 2013). Elemente der Erde [in % der Erdmasse]: Fe O2 Si Mg S Ni Ca Al Rest C 32,1 % 30,1 % 15,1 % 13,9 % 2,9 % 1,8 % 1,5 % 1,4 % 1,2 % 0,017 %
Warum ist die Erde heiß? – Aufbau der Erde Kugelähnliche Form Das kleinste A/V-Verhältnis (R=6.300km) Schalenmodell: Kern: Innen: Fe+Ni, fest, ρ = 10 g/cm³, T = 5.000 – 7.000 °C Außen: Fe, flüssig, ρ = 10 g/cm³, T = 3.000 – 5.000 °C Erdmantel: Unterer Mantel: Magnesium-Eisen-Silikate, flüssig, ρ = 3,5 – 5 g/cm³, T = 1.500 – 3.000 °C Oberer Mantel: Silikate + Oxide, zähplastisch, ρ = 3,5 – 5 g/cm³, T = 1.000 – 1.500 °C Erdkruste: Silikate, fest, 50 % der Masse O2 (95 Vol.-%) ρ = 2 – 3,5 g/cm³, T(60 km) = 1.000 °C gradT = 5 – 80 °C/km (i.w.M. 25 °C/km) Ozeanische Kruste: H = 8 km (i.w.M.) Kontinentale Kruste: H = 35 km (i.w.M.) Abb. 2: Schalenaufbau der Erde (geodz.com, 2013).
Zum Mittelpunkt der Erde! – Bohrverfahren Tiefe: Flachbohrung, bis 500 m Tiefbohrung, bis 5.000 m Übertiefe Bohrung, > 5.000 m Raumlage: Vertikalbohrung Horizontalbohrung Schrägbohrung Art der Gesteinszerstörung: Vollbohrung (gebrochener Gestein) Kernbohrung (zylindrischer Gesteinskörper - Bohrkern) Abb. 4: Rotary-Bohrverfahren: (1)Saugtank; (2)Rotary-Spülpumpe; (3)Steigleitung; (4)Spülschlauch; (5)Spülkopf; (6)Kelly; (7)Bohrgestänge; (8)Schwerstangen; (9)Bohrwerkzeug; (10)Preventer; (11)Drehpreventer; (12)Schüttelsieb; (13)Drehtisch; (14)Kompressor; (15)Rückschlagventil; (16)Austragschlauch (geodz.com, 2013). Abb. 3: Bohrkopf (fotos-informationen.de/tiefbohrung, 2013).
Zum Mittelpunkt der Erde! – Wissenschaftliche Bohrungen Tiefste Bohrung 1970-1989, Halbinsel Kola in Russland (HKruste = 30 km), 12.262 m, T = 180 °C Natürlicher Wärmestrom ca. 70 kW/km² Kontinentale Tiefbohrung (KTB) 1987-1995, Windscheschenbach in Oberpfalz 9.101 m, T = 265 °C KTB: TU Braunschweig entwickelte Dreiachs-Hochtemperaturbohrlochmagnetometer, zur Messung des Erdmagnetfeldes im Bohrloch, Einsatz bei Tmax = 300 °C, pmax = 2.800 bar! Abb. 5: Wärmestromdichte, Kola-Bohrung (geodz.com, 2013). Abb. 6: Geothermischer Gradient, KTB (geodz.com, 2013).
Wie wird die Erdwärme genutzt? Oberflächengeothermie Tiefengeothermie Hydrothermale Systeme Petrothermale Systeme Tiefe Erwärmesonden Wärme Niederenthalpielagerstätten Hochenthalpielagerstätten Wärme Strom Wärme Strom
Oberflächengeothermie Tiefe bis ca. 400 m Tnutz = 10 – 20 °C Meist Wärmepumpenheizung (ε = 3,5 – 6,0) Gebäudekühlung möglich gradT = 2,5-3,0 °C/100 m Abb. 7: Temperaturverlauf im Erdreich (Umweltministerium Bayern, 2013). Abb. 8: Wärmepumpennutzung: (1)Verdampfer; (2)Kompressor; (3)Kondensator; (4)Expansionsventil (Umweltministerium Bayern, 2013).
Tiefengeothermie – Hydrothermale Systeme Wasserführende Gesteinsschicht wird angeschlossen Niederenthalpie-Lagerstätten Tiefe: 1.000 bis 4.500 m Tnutz = 40 – 150 °C Geothermische Heizzentralen (GHZ) Tnutz > 80°C Stromerzeugung über Sekundärkreislauf mit Organic-Rankine-Cycle, ɳel,max = 8-12 % (z.B. GKW Landau, ɳel = 5 MW) Tnutz > 150 °C Stromerzeugung, direkt mit Heiß- und Trockendampfvorkommen Stromerzeugung, indirekt über Sekundärkreislauf Abb. 9: Hydrothermale Wärmenutzung am Beispiel der Neustadt-Gleve, ɳel = 0,2 MW, ɳth = 5,5 MW (Erdwärme-Kraft GbR).
Tiefengeothermie – Hydrothermale Systeme Wasserführende Gesteinsschicht wird angeschlossen Hochenthalpie-Lagerstätten Geologischen Wärmeanomalien werden angeschlossen: Hohe Temperaturen (> 200 °C) in geringen Tiefen (< 2.000 m) Hohe elektrischen Wirkungsgrade möglich BSP: Nesjavellir-Kraftwerk, Island 10 Bohrlöcher (Tiefe: 1.000 – 2.000 m) Tnutz = 380 °C Pel = 120 MW Pth = 300 MW Energiereserven: 30 Jahren, danach Abnahme der Leistung Investitionskosten: ca. 190 Mio. US$ Abb. 10: Nesjavellir-Kraftwerk, Island, Lage (wikipedia.org, 2013). Abb. 11: Nesjavellir-Kraftwerk, Island (wikipedia.org, 2013).
Tiefengeothermie – Petrothermale Systeme Heißes, wenig permeables Gestein wird angeschlossen Verfahren: Hot-Dry-Rock (HDR) Hot-Wet-Rock (HWR) Hot-Fractured-Rock (HFR) Enhanced-Geothermal-System (EGS) Erzeugung / Aufweitung der Fließwege im Gestein durch eine hydraulische Simulation Injektions- und Produktionsbohrung Injektion von Wärmeträgermedium (Wasser, CO2 u.ä.) Tiefe: ab 4.000 m Tnutz > 150 °C Überwiegend Stromerzeugung 95 % des gesamten geothermischen Potentials in Deutschland Abb. 12: HDR-Verfahren (wikipedia.org, 2013).
Tiefengeothermie – Tiefe Erdwärmesonden Ein geschlossenes System zur Wärmegewinnung Tiefe: 2.000 – 3.000 m Tnutz = 90 – 120 °C Direkte Wärmenutzung Bei kontinuierlichem Bedarf Anschluss an Wärmepumpe notwendig Nutzung der alten Bohrungen (z.B. Öllagerstätte) Abb. 13: TEWS in Luzern, Schweiz (stadt-zuerich.ch, 2013).
Pro & Contra Wärmebereitstellung gesamt: ca. 28 GW Positiv Negativ Kaum THG Ausstoß Wirtschaftlichkeit bis max. 3.000 m Tiefe gegeben (heute) Unbegrenzte Energievorkommen Ineffiziente Stromgewinnung in Niederenthalpielagerstätten Keine Fluktuationen wie bei Sonne und Wind Mineralhaltiges, starkkorrosives Thermalwasser Effizienter Ansatz mit Wärmepumpen für Gebäudeheizung Wärmebereitstellung gesamt: ca. 28 GW Stromerzeugung gesamt: ca. 11 GW Abb. 14: Nutzung der Geothermie, global (BGR, Energierohstoffe, 2009).
Tiefengeothermie in Braunschweig? Geothermisches Informationssystem für Deutschland (http://www.geotis.de) Abb. 15: Isothermen, Vertikaler Schnitt in Braunschweig (geotis.de, 2013).
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Quellen GeoDataZone, Das Lexikon der Erde, www.geodz.com. http://www.stadt-zuerich.ch. Wikipedia, wikipedia.org http://www.regenerative-zukunft.de/erneuerbare-energien-menu/geothermie. GtV, Bundesverband Geothermie, http://www.geothermie.de Geothermisches Informationssystem für Deutschland, http://www.geotis.de. Focus online, www.focus.de. Internationales Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR), www.iwr.de. Erneuerbare Energien: Systemtechnik, Wirschaftlichkeit, Umweltaspekte; M. Kaltschmitt, W. Streicher, A. Wiese (Hrsg.), 4. Auflage, 2006, Springer. Erneuerbare Energien: Innovationen für nachhaltige Energiezukunft; Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit; 8. Auflage, Oktober 2011.