Von Karl Kraus zu Robert Musil Österreichische Literatur in der Ersten Republik (1918-1938)
Sigmund Freud (1856 Freiberg – 1939 London)
Arthur Schnitzler Wien 15.5. 1862 – Wien 21.10. 1931; - ursprünglich Arzt; Bekanntschaft mit S. Freud, gegenseitige Beeinflussung Erfinder des inneren Monologs Erzähl. »Fräulein Else«, 1924 »Traumnovelle«, 1926: verbotene sexuelle Phantasien des jungen Arztes Fridolin als Literarisierung der Psychoanalyse + Gesellschaftskritik
Franz Werfel Prag 10.9. 1890 - Beverly Hills 26.8. 1945; verh. mit Alma Mahler-Werfel, expressionistischer Lyriker: Prag, Leipzig; Prosa: »Nicht der Mörder, der Ermordete ist schuldig«, 1919 (expres., Vater/Sohn-Konflikt), psychologischer Realismus: »Der Tod des Kleinbürgers«, 1927; »Der Abituriententag«, 1928; Exil (USA): »Eine blassblaue Frauenschrift«, Roman, 1941
Karl Kraus Jičín 28.4.1874-Wien 12.6.1936; Literaturkritiker, Herausgeber der Zeitschrift »Die Fackel« (1899-1936) Entdecker Peter Altenbergs, Wiederentdecker J.N. Nestroys verlangt nach genauer Sprache - Kritik der Sprache als Machtmittel: das Buchdrama »Die letzten Tage der Menschheit« (1918/19): dokumentarisch belegte Wirklichkeitsfetzen, in über 200 Einzelszenen zur Apokalypse des 1. Weltkriegs montiert Oskar Kokoschka, 1925
Ludwig Wittgenstein Wien 26.4.1889 - Cambridge 29.4. 1951; 1939-47 Professor in Cambridge; W. Sprachphilosophie ist gegen eine idealisierte Sprachauffassung gerichtet, die Bedeutung der Worte sei allein durch ihren Gebrauch gegeben: „Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“
Wittgensteins „Erbe(n)“ Werke: Logisch-philosophische Abhandlung (1921; 1922 englische Übersetzung als Tractatus logico-philosophicus); Philosophische Untersuchungen (1953); Philosophie als Sprachkritik, mathem. genaue Sprache Rezeption W.s: Musil, Wiener Gruppe, Bachmann, Bernhard
Elias Canetti: Leben Russe (Bulgarien) 25.7. 1905 - Zürich 14.8. 1994; Sohn spanisch-jüdischer Eltern; studierte in Wien Naturwissenschaften; emigrierte 1938, lebte seit 1939 v.a. in London. Belletristik und Studien zur Massenpsychologie 1972: Georg-Büchner-Preis, 1981:Nobelpreis für Literatur.
Elias Canetti: Werk Roman »Die Blendung« (1935): als Groteske, Konflikt zwischen Geisteswelt und Masseninstinkten; Kulturphilosophisches Hauptwerk: »Masse und Macht« (1960); autobiografische Werke: »Die gerettete Zunge« (1977), »Die Fackel im Ohr« (1980) ...
Robert Musil: Leben Klagenfurt 6.11. 1880 -Genf 15.4. 1942; Kadettenanstalt in Mährisch-Weißkirchen, studiert an der Brüner Technik; Auseinandersetzung mit der Philosophie E. Machs 1921-22 im österr. Staatsdienst, lebte bis 1933 in Berlin, bis 1938 in Wien, emigrierte dann in die Schweiz
Musils Erzählwerk Roman »Die Verwirrungen des Zöglings Törleß« (1906): psychologisch exakt analysierender Erzähler, Tabubrüche »Drei Frauen« »Nachlass zu Lebzeiten« (1936)
Musil monumental: MOE Roman »Der Mann ohne Eigenschaften« (1930-33; 1943): spielt in 1913/14; Österreich wird zum Spiegel für geistige und kulturelle Strömungen; Erzählstruktur: zeitlich diskontinuierliche Handlung, einbezogene kulturkritische und wissenschaftliche Betrachtungen
Joseph Roth: Leben Brody (bei Lemberg) 2.9. 1894 - Paris 27.5. 1939; Feuilletonist (FAZ), Korrespondent in Frankreich, in der Sowjetunion, in Polen und Albanien; 1933 Emigration nach Frankreich (Paris); engagiert in österreichisch-monarchistischen Kreisen gegen den Nationalsozialismus
Joseph Roth: Werk die Welt des (Ost)judentums: »Das Spinnennetz«, 1923, »Hiob«, 1930 der Untergang der Donaumonarchie: Romane »Radetzkymarsch« (Familien- und Gesellschaftschronik), 1932; »Die Kapuzinergruft«, 1938 – Allegorie des Untergangs der K.u.K-Monarchie
Stefan Zweig: Leben Wien 28.11. 1881 -Petrópolis (bei Rio de Janeiro) 23.2. 1942; pazifistischer Humanist, befreundet u.a. mit R.Rolland, bedeutender Übersetzer aus dem Französischen; verließ Österreich 1934, lebte zunächst in Großbritannien, seit 1941 in Brasilien
Stefan Zweig: Werk Psychologische Novellen: »Verwirrung der Gefühle«, 1927; »Schachnovelle«, 1942; Biografien und Essays: subjektive psychologische Deutung ungewöhnlicher Charaktere und historischer Ereignisse: »Sternstunden der Menschheit«, 1927; »Marie Antoinette«, 1932; Autobiografisches: »Die Welt von Gestern«, 1942
Hermann Broch Wien 1.11. 1886 - New Haven (Connecticut) 30.5. 1951; emigrierte 1938 in die USA Erzähler und Essayist - Zerfall der Werte: zeitkritische „deutsche“ Romantrilogie »Die Schlafwandler« (1931/32); Roman »Der Tod des Vergil« (1945): Erzähltechnik des inneren Monologs; »Bergroman« (4 Bände, 1969: 1953 als »Der Versucher«) – Schuldfrage Österreichs
Fiume (heute Rijeka) 9.12. 1901 - Paris 1.6. 1938; emigrierte 1938; ironisch-satirische Volksstücke, scharfe Analysen der kleinbürgerlichen Gesellschaft und ihrer untergründigen Bösartigkeit: »Geschichten aus dem Wienerwald«, 1931; »Glaube, Liebe, Hoffnung«, entstanden 1932, gedruckt 1936;
Der Habsburgische Mythos Claudio Magris: rückgewandte Utopie, (verklärende) Darstellung der (untergegangenen) Monarchie: Grillparzer (König Ottokar), Stifter (Nachsommer), Roth (Radetzkymarsch, Kapuzinergruft), Musil? (MOE), Zweig (Die Welt von gestern), Werfel (Das Trauerhaus); Nachklänge: Bernhard (Auslöschung), Bachmann (Malina, Drei Wege zum See)