Kann die Rechtssoziologie zu einer wirksamen Rechtsinformation beitragen ? Überlegungen am Beispiel der Hausangestellten Pierre Guibentif, Dinâmia-CET,

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 Präsentation transkript:

Kann die Rechtssoziologie zu einer wirksamen Rechtsinformation beitragen ? Überlegungen am Beispiel der Hausangestellten Pierre Guibentif, Dinâmia-CET, ISCTE-IUL (Instituto Superior de Ciências do Trabalho e da Empresa-Instituto universitário de Lisboa) Zur Zeit professeur invité an der Ecole normale supérieure Cachan (Institut des sciences sociales du politique) Referat im Rahmen des Projekts Domestic Work and Domestic Workers - Interdisciplinary and Comparative Perspectives (Fundação para a Ciência e Tecnologia - FCT: PTDC/JUR/65622/2006) erarbeitet; am zweiten Kongress der deutschsprachigen Rechtssoziologie-Vereinigungen, Der Kampf ums Recht, Wien, September 2011, vorgetragen

Übersicht Das Projekt Fragestellung dieses Referats Praktische Relevanz spezifischer empirischer Befunde Fazit

Das Projekt (1) Zielsetzung –Empirische Erfassung der sozio-ökonomichen und rechtstatsächlichen Lage von Hausangestellten –im Hinblick auf die Erarbeitung einer geeigneten Information der Betroffenen über ihre Rechte Methode der Datenerfassung –Komparativ / international, mit Schwerpunkt Portugal: Portugal, Brasil, Mozambique, Indien, Vereinigtes Königreich –Interdisziplinär (Recht, Volkswirtschaft, Soziologie) –Qualitativ (29 Interviews in Portugal, an Arbeitnehmer und Arbeitgeber) / Quantitativ (940 Fragebögen ausgefüllt, davon 684 in Portugal) Rechtspolitischer Kontext –Neues ILO-Abkommen zum Thema, Juni 2011 –Portugiesische Regelung revidierungsreif (Decreto-Lei nº 235/92, vom 24. Oktober 1992)

Das Projekt (2) Institutioneller Rahmen –Finanziert im Rahmen von FCT(P)-Ausschreibung –Workshop am Oñati-IISL; Oñati-Publikation in Vorbereitung –Zusammenarbeit mit den Vereinen Solidariedade imigrante und Umar (União de Mulheres Alternativa e Resposta), insbesondere in der Erarbeitung einer Brochüre zum rechtlichen Status der Hausangestellten Team –Portugal: Lisa Tortell (inzwischen zurückgetreten), António Velez (Soziologie), António Monteiro Fernandes (Arbeitsrecht), Fátima Suleman (Volkswirtschaft), Luís Francisco Carvalho (Volkswirtschaft), Pierre Guibentif (Rechtssoziologie), Valdemar Ferreira (Soziologie, Arbeit am Schlussbericht), Vanessa Blétière (Soziologie) –Andere Länder: Ana Moreira Gomes (Brasil), Anne Davies (Vereinigtes Königreich), Maria Lígia Barbosa (Brasil), Nelson Chapananga (Mozambique), Ramapriya Gopalakrishnan (Indien)

Das Projekt (3) Schon verfügbare Working Papers (Abrufbar auf ) –BLÉTIÈRE, Vanessa (2008a), Por uma Sociologia do Trabalho Doméstico: Contribuição para um Projecto Interdisciplinar, Lissabon, Dinâmia-CET – ISCTE-IUL, Working paper 2008/62 –BLÉTIÈRE, Vanessa (2008b), Reconhecer o trabalho doméstico: desafios de uma análise sociológica, Lissabon, Dinâmia-CET – ISCTE-IUL, Working paper 2008/71 –FERNANDES, António Monteiro (2011), Trabalho doméstico – Direitos e deveres das pessoas envolvidas, Draft for an informative booklet produced in partnership with the Grupo de Apoio à Mulher Imigrante (GAMI), Lissabon, Dinâmia-CET –GUBENTIF, Pierre (2011), Rights perceived and practiced. Results of a survey carried out in Portugal as part of the project Domestic Work and Domestic Workers – Interdisciplinary and Comparative Perspectives, Lisbon, Dinâmia-CET, Working Paper 2011/01, 2011 (60 S.+Tabellen). –GUBENTIF, Pierre (2011), Rights perceived and practiced (2nd Part). Results of a survey carried out in Brazil, India, Mozambique and the United Kingdom, as part of the project Domestic Work and Domestic Workers – Interdisciplinary and Comparative Perspectives, Lissabon, Dinâmia-CET, Working Paper 2011/02, 2011 (16 S.+Tabellen). –GUBENTIF, Pierre (2011), La reconnaissance juridique du travail domestique, Paris (ENS- Cachan), July 2011, 12 S. + Anlagen (Referat am Kongress de Association française de Sociologie, Grenoble, Juli 2011.

Fragestellung dieses Referats Das Projekt umfasst eine praktische Komponente. Allgemein spielt in ihm die Rechtssoziologie eine strategische Rolle. Naheliegende Frage: worin besteht genauer diese Rolle, was diese praktische Komponente betrifft? Konkrete Ausgestaltung dieser praktischen Komponente: Erarbeitung einer Brochüre zum rechtlichen Status von Hausangestellten. Daher die Frage: spezifischer Beitrag der Rechtssoziologie zu dieser Arbeit? Entspricht einem allgemeineren Interesse an der praktischen und normativen Relevanz der rechtsoziologischen Forschung Trifft sich mit dem Thema des Kongresses: es geht um die Rolle der Rechtssoziologie an dem genauen Punkt wo konkret Instrumente im Hinblick auf einen Kampf um Rechte erarbeitet werden.

Praktische Relevanz spezifischer empirischer Befunde (1) Befunde, die aus den im Rahmen des Projekts selber gesammelten Daten i.e.S. hervorgehen (1): –Rechtfertigung eines Vorgehens, welches die Information über Rechte in den Vordergrund stellt: eine Kategorie von Befragten, die mehrheiltich Bereitschaft signalisieren, das Recht zu mobilisieren, ist vergleichsweise weniger haüfig von Misshandlungen betroffen. Personen, die in sozioökonomisch besser situierten Haushalten leben, und die im Durchschnitt zufriedener sind mit ihrer Lage, haben auch häufiger einen Vertrag unterzeichnet. –Rechtfertigung eines Vorgehens, welches die Rechtslage der direkt von privaten Haushalten angestellten Personen behandelt: Vorerst in Portugal der häufigste Fall. Wird von den befragten Personen mehrheiltich deutlich bevorzugt. weit verbreitete Anstellungsart

Praktische Relevanz spezifischer empirischer Befunde (1) Befunde, die aus den im Rahmen des Projekts selber gesammelten Daten i.e.S. hervorgehen (1): –Rechtfertigung eines Vorgehens, welches die Information über Rechte in den Vordergrund stellt: eine Kategorie von Befragten, die mehrheiltich Bereitschaft signalisieren, das Recht zu mobilisieren, ist vergleichsweise weniger haüfig von Misshandlungen betroffen. Personen, die in sozioökonomisch besser situierten Haushalten leben, und die im Durchschnitt zufriedener sind mit ihrer Lage, haben auch häufiger einen Vertrag unterzeichnet. –Rechtfertigung eines Vorgehens, welches die Rechtslage der direkt von privaten Haushalten angestellten Personen behandelt: Vorerst in Portugal der häufigste Fall. Wird von den befragten Personen mehrheiltich deutlich bevorzugt.

Praktische Relevanz spezifischer empirischer Befunde (2) Befunde, die aus den im Rahmen des Projekts selber gesammelten Daten i.e.S. hervorgehen (2): –Inhalt der Information: Wer in mehreren Haushalten tätig ist, scheint im Durchschnitt eher mit seiner Arbeit allgemein und mit bestimmten Aspekten dieser Arbeit zufrieden zu sein: Die Arbeit in mehreren Haushalten wird in der Information und im Vertragstextmodell berücksichtigt. Antworten bestätigen, dass auf Misshandlungen oder Unzufriedenheit mit der Beendigung der Arbeitsbeziehung reagiert wird. Die Art und Weise der möglichen Beendigung des Vertrages wird in der Information berücksichtigt (s. auch den von Koller erwähnten Fall von Iherings Dienstmädchen!). Erhebung zeigt deutliche Unterschiede in den Tätigkeitsprofilen. Information weist darauf hin, dass der Inhalt der Tätigkeit im Voraus sorgfältig umgrenzt werden sollte.

Praktische Relevanz spezifischer empirischer Befunde (3) Befunde, die sich aus den in der Durchführung des Projekts gesammelten Erfahrungen ergeben (nach Lautmann: verdeckte Forschung in der Forschung selber?): –Legen die strategische Lösung der Zusammenarbeit mit Migrantenvereinen nahe: Erfahrung der Zusammenarbeit mit Migrantenverein ermöglicht Kontakt zu einer sozialen Dynamik, die der Kategorie der Hausangestellten an sich fehlt –Beleuchten die Beziehungen zwischen spezialisierten Juristen und interessierten Akteuren. In der Praxis dieser Beziehungen wird man insbesondere folgende Sachverhalte berücksichtigen müssen: Interessierte Akteure haben ihre eigenen rechtspolitischen Strategien, insbesondere im Hinblick auf die zukünftige Gesetzgebung, an deren autonomen Gestaltung sie ein starkes Interesse haben. Spezialisierte Juristen haben ein Interesse an die Bewahrung ihres Informationsvorteils.

Praktische Relevanz spezifischer empirischer Befunde (4) Befunde, die sich aus anderen Forschungen ergeben und von den im Rahmen des Projektes gesammelten Daten und Erfahrungen wenigstens teilweise bestätigt wurden: –Legen die konsequente Aufwertung der Rolle der Hausangestellten in der Gestaltung und im Inhalt der vorbereiteten Rechtsinformation nahe, sowie durch die Figur des Vertrags. Soziale Unsichtbarkeit / Minderbewertung der Hausangestellten. –Bestätigen die Hypothese eines subjektivierendes Potentials des Rechts, auch in seiner Praxis in privaten Kontexten: Vertragsverhandlung, Vereinstätigkeit. Eine private Rechtspraxis, welche die Rechtsinformation fördern sollte. Begeisterung der Teilnehmer an der Vorbereitung der Brochüre im Hinblick auf die Möglichkeit, ein Büchlein zeigen zu können, welches ihre Rechte würdig dokumentiert. Bevorzugung eines Dokumentes, das sich sowohl an Arbeitnehmer, als auch an Arbeitgeber richtet, und dabei zu einem gewissen Gleichgewicht zwischen den Vertragspartnern und an deren reziproken Anerkennung beiträgt.

Fazit Voraussetzungen eines effektiven Beitrags der Rechtssoziologie –Daten- und Erfahrungsaustausch zwischen Projekten von entscheidender Bedeutung –Reflexives Vorgehen notwendig, welches insbesondere im theoretischen Rahmen des Projekts zu berücksichtigen ist Beitrag der Rechtssoziologie, in seinem wesentlichen Kern –Die Erfahrung dieses Projektes legt nahe, dass das Recht nicht nur die Möglichkeit eines Moratoriums bietet, alternativ zur den lebensweltlichen Routinen wechselseitiger Begründungen und Verpflichtungen (Honneth, Das Recht der Freiheit, 2011, S. 155), sondern, dass es diese auch konstitutiv anreichern kann (Hassemer, mikrosoziologisch?), vorausgesetzt, es bestehen geeignete Vermittlungsmechanismen, an welchen die Rechtssoziologie wirksam beitragen kann.