Dealignment und Erosion der politischen Lager? Universität Hannover Institut für Politische Wissenschaft Politische Soziologie der Parteien und Wähler Dozenten: Daniel Gardemin, Stephan Meise 23.11.2006 Dealignment und Erosion der politischen Lager? Gliederung: 1. Ausmaß und Bedeutungen von Parteibindungen 2. Parteibindungen und Wahlverhalten 3. Stammwählerschaften im Vergleich 4. Schlussfolgerungen Eiths 5. Klassenstruktur und Parteiensystem 6. Zentrale Ergebnisse in Müllers Untersuchungen Referent: Sebastian Vahl
Ausmaß und Bedeutungen von Parteibindungen Parteibindungen sind Teil eines sozialwissenschaftlichen Konzeptes zur Erklärung von Wählerverhalten Parteibindungen wirken als Filter bei der Aufnahme politischer Informationen „psychologische Mitgliedschaft“
Ausmaß und Bedeutungen von Parteibindungen Parteibindungen werden meist in der Familie erworben erst mit höherem Alter werden sie von eigenen politischen Wahrnehmungen und Erfahrungen beeinflusst schrittweise Auflösung in den letzten Jahrzehnten (Dealignment-Prozess)
Ausmaß und Bedeutungen von Parteibindungen Wahlentscheidung kann aber auch unabhängig von der Parteibindung sein Parteien müssen Stammwähler politisch überzeugen und bei Wahlen mobilisieren Parteibindungen werden gefestigt, wenn program-matische Positionierungen und Situationsdeutungen als konsistent und glaubwürdig angesehen werden
Parteibindungen und Wahlverhalten Frage nach der grundsätzlichen Partibindung gehört seit 20 Jahren zur politischen Umfrage- und Wahlforschung „Viele Leute neigen in der Bundesrepublik längere Zeit einer bestimmten Partei zu, obwohl sie auch ab und zu eine andere Partei wählen. Wie ist das bei Ihnen: Neigen Sie – ganz allgemein gesprochen – einer bestimmten Partei zu? Wenn ja, welcher?“
Parteibindungen und Wahlverhalten Ergebnisse aber unterschiedlich bei verschiedenen Meinungsforschungsinstituten Ausmaß der gemessenen Parteibindungen zum Zeitpunkt von Bundestagswahlen am größten weniger politisches Interesse in der Mitte der Legislaturperiode
Parteibindungen und Wahlverhalten Westdeutschland: Je ca. 30% mit Bindung zu CDU/CSU oder SPD 25% haben keine Bindung Nur Grüne sind gesichert über 5%-Hürde Ostdeutschland: Nur ca. 20% mit Bindung an CDU/CSU oder SPD Dafür Bindung an PDS mit ca. 10% ca. 40% ohne Parteibindung Parteibindungen befinden sich in Ostdeutschland aber noch in einer Aufbau- und Stabilisierungsphase
Parteibindungen und Wahlverhalten Wahlentscheidung zu 80% in Übereinstimmung mit der Parteibindung getroffen Ca. 50% der parteipolitisch Ungebundenen wählten 1998 die SPD Bewegung bei den ungebundenen
Parteibindungen und Wahlverhalten
Stammwählerschaften im Vergleich Sozialstrukturelle Profile: Berufsstatus, Bildungsabschluss, Konfessionszugehörigkeit, Kirchengangshäufigkeit, Gewerkschafts-/Berufsverbandsmitgliedschaft, Geschlecht, Durchschnittsalter (in Jahren), Ortsgröße Einstellungsprofile: politisch-ideologische Einstellungen mit Bezug zum Umfang staatlicher Lenkung und Verantwortung Einstellungen zum bevorzugten Gesellschaftsideal Bewertungen der Demokratie und der Gerechtigkeit der Gesellschaftsordnung Einschätzungen der ökonomischen Situation
Stammwählerschaften im Vergleich Union: hoher Anteil an Konfessionszugehörigen überdurchschnittliche Kirchenbindung überdurchschnittlich vertreten in ländlichen Gebieten oder Kleinstädten Ablehnung sozialistischer Ideen positivere Einstellung zur Leistungsgesellschaft Einschätzung der Gesellschaftsordnung als gerecht
Stammwählerschaften im Vergleich SPD: Schwerpunkt in statusniedriegeren Berufsgruppen Verstärktes Aufreten von Gewerkschaftsmitgliedern hohe grundsätzliche Zufriedenheit mit der Demokratie und der Gesellschaftsordnung Wirtschaftslage wird als optimistisch gesehen größere Aufgeschlossenheit gegenüber dem Sozialismus als Idee (Ostdeutschland)
Stammwählerschaften im Vergleich FDP: überdurschnittlich selbständig oder Freiberufler hohes Bildungsniveau Stärker in urbanen Zentren vertreten Gesellschaftsordnung sei gerecht Unterstützung der Leistungsgesellschaft Einschätzung der Gesellschaftsordnung als gerecht
Stammwählerschaften im Vergleich Grüne: gehobener beruflicher Status hohes Bildungsniveau stärker in urbanen Zentren vertreten überdurchschnittliche Zustimmung zur Demokratie ¾ sehen den Menschen vor dem Geld
Stammwählerschaften im Vergleich PDS: verstärkt in Städten hoher Frauenanteil 80% halten die Gesellschaftsordnung für ungerecht 50% sind für Verstaatlichungen Sympathisation mit sozialistischen Ideen Ungebundene: Schwerpunkte in statusniedrigeren Berufsgruppen stärkerer Pessimusmus der eigenen wirtschaftlichen Lage unterdurchschnittlich zufrieden mit Regierung, Demokratie und der Gerechtigkeit in der Gesellschaftsordnung
Schlussfolgerungen Eiths Parteibindungen beeinflussen Wahlentscheidungen nach wie vor in hohem Maße 2/3 (West) bzw. 1/2 (Ost) der Bürger verfügen über entsprechende Parteibindungen Parteibindungen fungieren als längerfristig wirksamer politischer Wahrnehmungsfilter und Bewertungsmaßstab
Schlussfolgerungen Eiths Klare idealtypische Konturen der Stammwählerschaften: Güne und FDP vor allem in gehobenen westdeutschen Mittelschichten PDS eher sozialistisch geprägtes, ostdeutsches Milieu mit gehobenem Status und weitverbreiteter Skepsis dem "westlichen" Gesellschafts- und Demokratiemodell CDU/CSU und SPD besetzen entgegengesetze Positionen und integrieren zudem auch größere Gruppen aus den unteren Mittelschichten.
Schlussfolgerungen Eiths CDU mit starker christlicher Grundorientierung, z.T. auch Kirchenbindung und Eintreten für Leistungsgedanken SPD eher für Solidarität und soziale Gerechtigkeit Ungebundene haben pessimistischere und unzufriedenere Grundstimmung Vieles spreche dafür, dass die Volksparteien diese dennoch erreichen könnten Schnittmengen mit Ungebundenen Ungebundene in West Nahe an CDU, in Ost nahe SPD
Klassenstruktur und Parteiensystem Abbau der Erklärungskraft der Klassenzugehörigkeit wird infrage gestellt Alte Konfliktlinien der Klassenspaltung seien erhalten geblieben Sogenannte „Neue Politik“ besitze in erheblichem Maße eine klassenstrukturelle Grundlage Differenzierte Erwerbs- und Sozialstruktur bedürfe angepasster Begriffe und Operationalisierungen 1) Da keine signifikanten Unterschiede 2) keine großen Veränderungen CDU – SPD 3) 4) Aufteilung der Dienstklasse
Differenzierungen im Neuen Mittelstand Aufteilung der Dienstklasse des Neuen Mittelstandes in drei Bereiche: administrative Dienstklasse Experten soziale und kulturelle Dienste Variablen: Religion Erwerbsstatus Bildung Gewerkschaftsmitgliedschaft Gechlecht Postmaterialismus vom CASMIN-Projekt adaptiertes Klassenschema administrative Dienstklasse: Manager und andere Beschäftigte in höheren Verwaltungsfunktionen Experten: Inhaber von professionellen und semiprofessionellen Berufen im Technik und Ingenieurswesen und in den Natur- und Wirtschaftswissenschaften Weitere Klassen: Landwirte Kleinbürgertum Selbständige Arbeiter Ausführende nicht-manueller (Routine-)Tätigkeiten Variablen erklärt S. 14-15
Zentrale Ergebnisse Kein signifikanter Wandel der Parteipräferenz 1976 bis 1994 Geschlecht, Erwerbsstatus und Religionsbindung erwiesen sich als langfristige Konstanten deutlicher Unterschied in den Parteipräferenzen der Fraktionen der Dienstklasse: Wahlpräferenzen korrespondieren mit der Lage in der Klassenstruktur und den an diese Position gebundenen Interessen Zu 1: Auf und ab der generellen Attraktivität der Parteien für die Öffentlichkeit Zu 2: Männer eher CDU anstatt Frauen CDU auch von Erwerbstätigen bevorzugt CDU auch eher mit religiöser Bindung Zu 3: Dienstklasse nicht homogen (wie bei anderen Studien) 29-35% Abbildungen 1a-1c. Verändertes Angebot der Parteien Vergleich mit normalen Klassen
Thesen Wähler würden aufgrund ihrer sozialstruk-turellen Position generell bestimmten Parteien zuneigen. Klassenbezogene Wahlpräferenzen würden sich nicht signifikant verändern, lediglich an die programmatischen Positionierungen der Parteien angepasst.