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S O Z I A L - U N D V E R T E I L U N G S - P O L I T I K V O N B E R N H A R D K Ü L P D E S I G N: S T E P H A N R A D L E R B E N J A M I N S T E I M L E    

0. Vorfragen Zweck der Vorlesung: Gesamtüberblick über Sozial- und Verteilungspolitik Lektüre: Bernhard Külp. Verteilung Theorie und Politik 3. Aufl. Stuttgart 1994 Voraussetzungen: Grundlagen der Wirtschaftspolitiklehre sowie Makro- u. Mikrotheorie Deshalb wird Vorlesung in der zweiten Hälfte des 2. Studienabschnittes belegt.

Gliederung: 01. Einführung 02. Leitbilder 03. Tarifverhandlungen 04. Gesamtwirtschaftliche Verteilungstheorie 05. Institutionelle Unterschiede 06. Finanzpolitik 07. Geschichte der Sozialversicherung 08. Rentenversicherung 09. Krankenversicherung 10. Arbeitslosenversicherung 11. Vermögenspolitik 12. Bildungspolitik

Gliederung: 01. Einführung 02. Leitbilder 03. Tarifverhandlungen 04. Gesamtwirtschaftliche Verteilungstheorie 05. Institutionelle Unterschiede 06. Finanzpolitik 07. Geschichte der Sozialversicherung 08. Rentenversicherung 09. Krankenversicherung 10. Arbeitslosenversicherung 11. Vermögenspolitik 12. Bildungspolitik

Kapitel I: Einführung

Gliederung: 01. Zur Definition der Verteilungs- und Sozialpolitik 02. Unterschiede zu anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik 03. Arten der Verteilungs- und Sozialpolitik

Gliederung: 01. Zur Definition der Verteilungs- und Sozialpolitik 02. Unterschiede zu anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik 03. Arten der Verteilungs- und Sozialpolitik

Frage 1: Was versteht man unter Sozialpolitik, was unter Verteilungspolitik? (1) Man sollte Definitionsfragen nicht überschätzen, ihr einziger Zweck besteht in einer möglichst großen Verständigung. Die Definition der Verteilungspolitik ist unstrittig: Es handelt sich um "Maßnahmen des Staates und anderer politischer Einrichtungen zur Beeinflussung der Einkommensverteilung„. Nicht nur der Staat, sondern auch die Tarifpartner, sogar Betriebe können Träger der Verteilungspolitik sein. Verteilungspolitik besteht weiterhin nicht nur aus diskre-tionären Eingriffen in den Marktprozess; auch das Setzen und Verteidigen von Rahmenordnungen kann verteilungspolitischen Zwecken dienen. Nur Maßnahmen, die Einfluss auf die Verteilung be-zwecken, zählen zur Verteilungspolitik, ungewollter Einfluss zählt zu den Sekundärwirkungen anderer Politik-Bereiche.

Frage 1: Was versteht man unter Sozialpolitik, was unter Verteilungspolitik? (2) Zumeist beschränkt man sich im Rahmen der Verteilungs-politik auf die Verteilung der Einkommen, zwar stellen Einkommen nur Mittel zum Zweck dar, deshalb läge es nahe, nach der Verteilung der Nutzen zu fragen, Der Nutzen lässt sich jedoch weder kardinal messen, noch interpersonell vergleichen. In diesem Falle wäre eine wissenschaftliche Auseinander-setzung erschwert. Fragt man nach den Ursachen der Einkommensverteilung, so kann die Verteilung der Einkommen zum großen Teil auf die Verteilung der Produktionsfaktoren zurückgeführt wer-den.

Frage 1: Was versteht man unter Sozialpolitik, was unter Verteilungspolitik? (3) Insofern ist es zweckmäßig, die Verteilung der Vermögen und auch der Bildungschancen im Rahmen der Verteilungs-politik mit zu berücksichtigen. Die Definition der Sozialpolitik ist hingegen kontrovers: Vor allem zwei Richtungen sind zu unterscheiden: Die eine Gruppe versteht unter Sozialpolitik alle politi-schen Maßnahmen zum Schutze einzelner Bevölkerungs-gruppen, wobei E. Liefmann-Keil Sozialpolitik mit Verteilungspo-litik gleichsetzt, während L. Heyde und G. Weisser Sozialpolitik auch auf nicht-materielle Tatbestände (wie z.B. Mitbestimmung, Freiheitsrechte) beziehen.

Frage 1: Was versteht man unter Sozialpolitik, was unter Verteilungspolitik? (4) Eine zweite Gruppe (die Kathedersozialisten, z. B. Gustav von Schmoller) ging davon aus, dass neben den primären Produktionszielen in den Unternehmungen zahlreiche immaterielle Ziele tangiert werden und dass es Aufgabe der Sozialpolitik sei, sicherzustellen, dass diese immateriellen Ziele nicht unberücksichtigt bleiben. Zu diesen immateriellen Zielen zählen etwa: Gesund-heits-, Jugend-, Frauenschutz etc.

Unterschiede zwischen verschiedenen Sozialpolitik-Begriffen Gemeinwohl Allokation Verteilung 1 2 3 4 5 6 Materiell immateriell Liefmann-Keil : 3 Weissser, Heyde: 3 + 6 Schmoller: 6 (Kathedersozialisten) Achinger: 4 + 5 + 6

Fazit: (1a) Unter dem Begriff "Verteilungspolitik" werden alle Maßnahmen zusammengefasst, die vom Staat oder anderen politischen Or-ganisationen ergriffen werden, um Einfluss auf die Einkommens-verteilung zu nehmen. Es ist zweckmäßig nicht nur den Staat, sondern vor allem auch die Tarifpartner als Träger verteilungspolitischer Maßnahmen zu verstehen. Nicht nur diskretionäre, sondern auch ordnungspolitische Maß-nahmen zählen zur Verteilungspolitik. So dient z. B. der Schutz der Menschenwürde im Grundgesetz u. a. auch einem verteilungspolitischen Anliegen. Nur dann, wenn die Politiker verteilungspolitische Ziele verfol-gen, soll von Verteilungspolitik gesprochen werden, nicht bereits dann, wenn Verteilungswirkungen als Nebenwirkung zu erwarten sind.

Fazit: (1b) Schließlich bezieht sich die Verteilungspolitik in der Regel nur auf die Verteilung materieller Ressourcen, insbesondere des Volkseinkommens. Die Definition der "Sozialpolitik" ist hingegen kontrovers. Auf der einen Seite werden darunter alle Maßnahmen zusam-mengefasst, die zum Schutze einer partiellen Bevölkerungsgruppe ergriffen werden, so etwa bei Elisabeth Liefmann-Keil oder Ludwig Heyde. Die Kathedersozialisten - vor allem Gustav Schmoller - fassten auf der anderen Seite unter Sozialpolitik alle Maßnahmen zusam-men, die den Zweck verfolgen, die negativen immateriellen Folgen wirtschaftlicher Aktivitäten wie Beeinträchtigung der Gesundheit, Eintritt von Unfällen etc. zu reduzieren.

Gliederung: 01. Zur Definition der Verteilungs- und Sozialpolitik 02. Unterschiede zu anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik 03. Arten der Verteilungs- und Sozialpolitik

Frage 2: Worin unterscheidet sich Verteilungspolitik zu anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik? (1) Unterschiede zur Konjunktur- und Wachstumspolitik: Rein formal beeinflusst Verteilungspolitik die Struktur der Volkswirtschaft, bestimmte Gruppen werden begün-stigt, andere benachteiligt; Konjunktur-und Wachstumspolitik hingegen soll der ge-samten Bevölkerung zugute kommen. Trotzdem bestehen Gemeinsamkeiten: In der Theorie bildet das von John Maynard Keynes entwickelte Modell die Grundlage zur Erklärung des gesamten Volkseinkommens, bei Nicholas Kaldor dient das gleiche Modell der Erklä-rung der Einkommensverteilung.

Frage 2: Worin unterscheidet sich Verteilungspolitik zu anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik? (2) In beiden Fällen werden Problemgrößen durch Investi-tions- und Sparverhalten erklärt. Bei Keynes sind die Bestimmungsgründe allerdings die Investitions- (I) und Sparsumme (S), bei Kaldor hingegen die Investitions- (I/Y) und Sparquote (s). Bei Keynes wird das Inlandsprodukt (Y), bei Kaldor die Gewinnquote (g) erklärt. J. M. Keynes setzt Verteilung kurzfristig als Datum und erklärt das Beschäftigungsniveau; N. Kaldor setzt das Beschäftigungsniveau konstant und erklärt die Verteilung. In der Politik besteht ein unlösbares Spannungsverhältnis zwischen Konjunktur- und Wachstumspolitik auf der einen und Verteilungspolitik auf der anderen Seite.

Unterschied zwischen J. M. Keynes und N. Kaldor Keynes-Modell Kaldor-Modell S, s, s = s L + (s G - s L ) * g I I/Y S = f (Y) I/Y = const. I = const. Y0 Y g 0 g Verteilung const. Problem: Inlandsprodukt Inlandsprodukt const. Problem: Verteilung

Frage 2: Worin unterscheidet sich Verteilungspolitik zu anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik?(3) Unterschiede zur Außenwirtschaftspolitik: Zunächst liegt wieder eine klare Trennung vor: Außenwirtschaftspolitik besteht in einer Einflussnahme auf die Beziehungen zwischen in- und ausländischen Wirtschaftssubjekten; Sozialpolitik hingegen besteht aus einer Einflussnahme auf Beziehungen inländischer Wirtschaftssubjekte. Trotzdem bestehen Gemeinsamkeiten: In der Theorie erklären E. Heckscher und B. Ohlin sowohl allokative wie distributive Aspekte; Die Kaldortheorie erklärt den Zusammenhang zwi-schen der Lohnquote und dem LB-Ungleichgewicht. Es besteht ein unlösbarer Konflikt zwischen der Lohnpolitik zugunsten der Arbeitnehmer und inter-nationaler Wettbewerbsfähigkeit.

Theorie Kaldor s, I, Im, Ex s = s L + (s G - s L) * g Ex-Im I/Y = const. g 1 g 2 g

Frage 2: Worin unterscheidet sich Verteilungspolitik zu anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik? (4) Unterschiede zur sektoralen Politik: Rein formal findet wiederum eine klare Trennung statt: Die Allokation ist Gegenstand der sektoralen Politik; die Distribution hingegen Gegenstand der Verteilungspolitik. Trotzdem bestehen Gemeinsamkeiten: Die sektorale Politik wird oftmals distributiv begrün-det: Beispiel Landwirtschaft. Die Sozialpolitik besteht oftmals darin, dass schutzbe-dürftige Bevölkerungsgruppen auf Teilmärkten be-günstigt werden. Beispiel: Wohnungsmarkt, Bildungspolitik, sozia-le Sicherheit.

Frage 2: Worin unterscheidet sich Verteilungspolitik zu anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik? (5) Unterschiede zur Ordnungspolitik: Sozialpolitik wird vorwiegend als Korrektur einer markt-bedingten Verteilung verstanden. Sie besteht zumeist aus diskretionären Eingriffen in den Markt. Trotzdem bestehen Zusammenhänge: Die Förderung des Wettbewerbes – ein ordnungspoli-tisches Unterziel - hat unmittelbaren Einfluss auf die Einkommensverteilung; dies gilt nicht nur für Arbeitsmärkte. Die Forderung nach marktkonformen Maßnahmen wird auch in der Verteilungspolitik erhoben.

Fazit: (2a) Verteilungspolitik unterscheidet sich von Konjunktur- und Wachstumspolitik darin, dass mit der Konjunktur- und Wachs-tumspolitik die Belange der gesamten Bevölkerung, mit der Sozial- und Verteilungspolitik hingegen die Belange einer Teilgruppe der Bevölkerung vertreten werden sollen. Allerdings bestehen Zusammenhänge zwischen beiden Politikbe-reichen, teilweise dadurch, dass ein und dieselbe Theorie Vertei-lungs- und Beschäftigungsfragen zu klären versucht, teilweise da-durch, dass Konflikte zwischen beiden Zielen bestehen. Sozial- und Verteilungspolitik unterscheidet sich von der Außen-wirtschaftspolitik darin, dass Außenwirtschaftspolitik zwischen den Interessen der Inländer und Ausländer, die Verteilungspolitik hingegen zwischen den Interessen verschie-dener Inländergruppen vermitteln will.

Fazit: (2b) Aber auch hier gilt, dass im Rahmen der Außenwirtschaftsthe-orie z. B. beim Heckscher-Ohlin-Theorem neben allokativen auch distributive Aspekte angesprochen werden, während umgekehrt die Verteilungstheorie von Kaldor in ihrer modifizierten Form u. a. die Bedeutung der Leistungsbilanz-Un-gleichgewichte für die interne Einkommensverteilung unter-streicht. Auch zwischen Außenwirtschafts- und Verteilungspolitik beste-hen Zielkonflikte. Während die Verteilungspolitik das Inlandsprodukt nach distri-butiven Aspekten untergliedert (Lohnquote, Gewinnquote etc.), wird im Rahmen der sektoralen Wirtschaftspolitik (Strukturpo-litik) das Inlandsprodukt nach allokativen Kriterien unterglie-dert.

Fazit: (2c) Gemeinsamkeiten beider Politikbereiche ergeben sich daraus, dass im Rahmen der sektoralen Agrarpolitik auch verteilungs-politische Ziele verfolgt werden, als auch daraus, dass sich Sozialpolitik oftmals auf ganz be-stimmte Sektoren der Volkswirtschaft (Gesundheit, Bildung, Wohnung) bezieht. Sozial- und Verteilungspolitik besteht in der Regel aus diskre-tionären Maßnahmen, die in den Marktprozess eingreifen. Aber auch ordnungspolitische Maßnahmen, die sich auf die Schaffung von allgemeinen Regeln beschränken, können sehr wohl verteilungspolitische Ziele verfolgen. Dies gilt vor allem deshalb, weil Verteilungsziele bisweilen im Rahmen langfristiger Verfassungsgesetze effizienter angegangen werden können als in kurzfristig gültigen Gesetzen.

Gliederung: 01. Zur Definition der Verteilungs- und Sozialpolitik 02. Unterschiede zu anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik 03. Arten der Verteilungs- und Sozialpolitik

Frage 3: In welche Bereiche lässt sich die Sozial- und Verteilungspolitik untergliedern? (1) Ausgangspunkt ist die Verteilungsformel: Lnr = ((l * A + i * V)(1-t))/P Lnr: Arbeitnehmereinkommen netto und real l: Lohnsatz pro Stunde A: Anzahl der Arbeitsstunden i: Marktzinssatz V: Erwerbsvermögen t:durchschnittlicher Einkommenssteuersatz P: Güterpreisniveau

Enr = (l * A + i * V - T + Tr) : P Verteilungsformel Enr = (l * A + i * V - T + Tr) : P Lohnpolitik Vermögenspolitik Preispolitik Bildungspolitik Fiskalpolitik Enr: Netto-Real-Einkommen l: Lohnsatz A: Arbeitsstunden i: Zinssatz V: Vermögen T: Steuern Tr: Transferzahlungen P: Preisnniveau

Frage 3: In welche Bereiche lässt sich die Sozial- und Verteilungspolitik untergliedern? (2) In einer Marktwirtschaft wird die Verteilung auf dem Markt durch Bildung von Faktorpreisen festgelegt. Also kann die Verteilung erstens durch Lohnpolitik beein-flusst werden. Allerdings werden politisch zumeist nur Mindestlöhne festgelegt, die tatsächlichen Effektivverdienste weichen hiervon ab. Lohnsteigerungen können durch Preissteigerungen kom-pensiert werden.

Frage 3: In welche Bereiche lässt sich die Sozial- und Verteilungspolitik untergliedern? (3) Zweitens korrigiert der Staat im Rahmen der sekundären Verteilung die Bruttoeinkommen dadurch, dass er Steuern in unterschiedlicher Höhe erhebt und einzelnen Haushalten Transferzahlungen gewährt. Also versucht der Staat über Finanzpolitik die Verteilung zu beeinflussen. Es gibt aber die Möglichkeit der Steuerumgehung und der Steuerüberwälzung.

Frage 3: In welche Bereiche lässt sich die Sozial- und Verteilungspolitik untergliedern? (4) Drittens hängt der Wohlstand der einzelnen Bürger weniger vom Nominal- als vom Realeinkommen ab. Indem der Staat die Preise der Konsumenten unter-schiedlich beeinflusst, übt er einen dritten Einfluss auf die Verteilung aus. Dieser Einfluss findet vor allem innerhalb der Sozialver-sicherung statt. Die Verteilung hängt aber neben dem Faktorpreis auch davon ab, über wie viel Ressourcen der einzelne verfügt.

Frage 3: In welche Bereiche lässt sich die Sozial- und Verteilungspolitik untergliedern? (5) Der Staat kann sich somit viertens über eine Politik der Vermögensbildung in breiten Schichten um eine Anhebung des Gesamteinkommen der Arbeitnehmer bemühen. Allerdings gewährt der Staat im allgemeinen nur Anreize. Auch ist nicht sicher, inwieweit das Lohneinkommen hiervon berührt wird. Fünftens schließlich kann der Staat auch dadurch die Ein-kommensverteilung beeinflussen, dass er über bildungspoli-tische Maßnahmen die Arbeitsqualität verbessert. Maßnahmen zur Sozialen Sicherung können sich insofern auch auf die Einkommensverteilung auswirken, als die Arbeitsfähigkeit verbessert und damit gleicher verteilt wird.

Fazit: (3a) Die Verteilung der Einkommen lässt sich auf fünf verschiedene Weisen beeinflussen. Ein erster Ansatzpunkt erfolgt dadurch, dass die Faktorpreise, insbesondere die Lohnsätze, politisch korrigiert werden. Allerdings ist eine solche Politik nicht immer erfolgreich, da die Tariflöhne von den Effektivverdiensten abweichen und da nominelle Lohnsteigerungen durch Preissteigerungen über-wälzt werden können. Ein zweiter Ansatzpunkt für Verteilungspolitik besteht in dem Einsatz fiskalpolitischer Mittel und zwar dadurch, dass der Staat bestimmten Bevölkerungsgruppen höhere Steuern abverlangt als anderen oder dadurch, dass bestimmten Bevölkerungsgruppen Transfer-einkommen gezahlt werden. Auch hier gilt, dass der Markt Überwälzungsprozesse erlaubt, sodass nicht jede fiskalpolitische Maßnahme die Verteilungsab-sicht erreicht.

Fazit: (3b) Ein dritter Ansatzpunkt für Verteilungspolitik besteht in der Ein-flussnahme auf die Preise. Da sich Inflationsprozesse auf die verschiedenen Bevölkerungs-gruppen unterschiedlich auswirken, gehen von einer Stabilisie-rung des Geldwertes durchaus auch distributive Wirkungen aus. In diesen dritten Bereich fällt jedoch vor allem der Versuch, einzelnen Bevölkerungsgruppen bei einzelnen Gütern (vor allem in den Einrichtungen der Sozialen Sicherheit) Preisvergünsti-gungen zu gewähren. Auch hier gilt wiederum, dass nicht jede Verteilungsabsicht reali-siert werden kann.

Fazit: (3c) Ein weiterer Ansatzpunkt für eine Verteilungspolitik besteht in der Einflussnahme auf die Verteilung der Produktionsfaktoren. So kann der Staat die Einkommensverteilung viertens auch da-durch nachhaltig beeinflussen, dass er zu einer Umverteilung der Erwerbsvermögen beiträgt oder fünftens dass im Rahmen der Bildungspolitik eine Steigerung der Quali-fizierung der Arbeitskraft erfolgt.

Fragen zu Kapitel 1: (1) 01. Was versteht man unter Sozialpolitik? 02. Kommt es bei der Zurechnung zur Sozialpolitik auf die tatsäch-lichen Wirkungen an? 03. Warum hebt man im Rahmen der Verteilungspolitik nicht auf die Verteilung der Nutzen ab? 04. Mit welchem Politikbereich setzt Liefmann-Keil Sozialpolitik gleich? 05. Worin unterschieden sich die Sozialpolitik-Definitionen von Weiser und von Liefmann-Keil? 06. Worin liegen die Unterschiede zwischen Verteilungs- und Wachstumspolitik? 07. Was haben Verteilungs- und Wachstumspolitik gemeinsam? 08. Worin bestehen die Gemeinsamkeiten zwischen der Verteilungs-theorie und der Außenwirtschaftstheorie?

Fragen zu Kapitel 1: (2) 09. Worin bestehen die Gemeinsamkeiten zwischen Verteilungspoli-tik und sektoraler Politik? 10. Welche Gemeinsamkeiten bestehen zwischen Verteilungspolitik und Ordnungspolitik? 11. Welche fünf Bereiche der Verteilungspolitik lassen sich aus der Verteilungsformel ableiten? 12. Aus welchen beiden Gründen können die Ziele der Lohnpolitik vereitelt werden?

Antworten zu Kapitel 1: (1) 01. Unter Verteilungspolitik versteht man alle Maßnahmen des Staates und anderer politischer Einrichtungen zur Beeinflus-sung der Einkommensverteilung. 02. Ob eine Maßnahme der Verteilungspolitik zugerechnet wird, hängt nicht von den tatsächlichen, sondern von den beabsichtig-ten Wirkungen ab. 03. Die Zielsetzung der Verteilungspolitik richtet sich primär nicht an der Verteilung der Nutzen aus, da Nutzeneinheiten weder kardinal gemessen noch interpersonell miteinander verglichen werden können. 04. Liefmann-Keil setzt Sozialpolitik mit Verteilungspolitik gleich. 05. Weiser rechnet zur Sozialpolitik auch Maßnahmen zur Umver-teilung immaterieller Güter hinzu.

Antworten zu Kapitel 1: (2) 06. Während es im Rahmen der Verteilungspolitik um die Vertei-lung der Einkommen geht, wird im Rahmen der Konjunktur- und Wachstumspolitik auf die Gesamtgröße des Volkseinkom-mens abgehoben. 07. Im Rahmen der Keynesianischen Theorie bildet das Modell von Keynes Grundlage sowohl zur Erklärung des Volkseinkommens wie der Einkommensverteilung. 08. Legt man das Heckscher-Ohlin-Theorem zugrunde, werden auch in der Außenwirtschaftstheorie distributive Aspekte behandelt. 09. Sektorale Politik wird oftmals mit verteilungspolitischen Argu-menten verteidigt, Sozialpolitik hat bisweilen das Ziel, lediglich die Ergebnisse eines Sektors zu beeinflussen. 10. Nach neoliberaler Auffassung sollten auch sozialpolitische Maß-nahmen marktkonform erfolgen. Gleichzeitig hängt die Ein-kommensverteilung auch davon ab, ob Wettbewerb vorliegt.

Antworten zu Kapitel 1: (3) 11. Aus der Verteilungsformel lassen sich folgende fünf Bereiche un-terscheiden: Lohnpolitik, Bildungspolitik, Vermögenspolitik, Fiskalpolitik und Preispolitik. 12. Die Ziele der Lohnpolitik können erstens vereitelt werden, weil im Rahmen der Lohnpolitik in der Regel nur Mindestlöhne, nicht aber die effektiven Lohnsätze vereinbart werden. Zweitens kann die beabsichtigte Steigerung der Reallöhne durch Preis-steigerungen zunichte gemacht werden.

Ende