Globalisierung der Wirtschaft und Wirtschaftspolitik: Nationalstaaten vs. europäische Integration IQSH – WIP0041 - Februar 2008.

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
nach Halbjahren; Veränderung gegenüber Vorjahr in %, Index 2000 = 100
Advertisements

9. Zulieferforum der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie in Düsseldorf Die Osterweiterung der EU - Chance und Risiko der deutschen Zulieferindustrie.
Der Welthandel im Überblick
Materialwirtschaft heute
Auswirkungen der Unternehmenskonzentration
„Chemie – Old Economy oder Fortschrittsmotor?“
ein historisch neues Phänomen?
Globalisierung.
Die Politische Ökonomie der Europäischen Union
Gender Mainstreaming- Sprachakrobatik oder die Verwirklichung der Chancengleichheit
Dynamische Anreize umweltpolitischer Instrumente
Was ist Globalisierung?
Kapitel 1 Einführung Übung 3: Kapitel 8, Aufgaben 1-7.
Kapitel 1 Einführung Internationale Wirtschaft 1
Thema 6: Steuerwettbewerb - „Probleme“ des Finanzausgleichs
Tutorium: Wirtschaftliche Grundlagen für den Arbeitslehreunterricht
Input-Output-Workshop 2010
Geldpolitik in Europa - EZB und EWWU
„Globalisierung“ 1. Beschreibung des Phänomens Globalisierung
Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel Die Erfolgsgeschichte der Handelsliberalisierung nach Frisst der Erfolg seine Kinder? Konferenz.
Die Theorie David Ricardos:
Prekäre Beschäftigung in Europa
Kapitel 1: Eine Einführung Kapitel 1 Einführung Einleitung
Die Ursachen der makroökonomischen Ungleichgewichte in der Eurozone und die wirtschaftspolitischen Konsequenzen Referat zur Tagung der Akademie für Politische.
Industrieland Deutschland
Europäische Erfahrungen zur Gewerkschaftsintegration “
Anwendung: Internationaler Handel
DKB –Eliteforum Milch, Schloss Liebenberg, Prof. Dr. Bernhard Brümmer
Die EU-Dienstleistungsrichtlinie
Bereiche der Wirtschaftspolitik
© Copyright 2010 STI INNSBRUCK Social Media im Tourismus.
Historie der Zollunion
Kapitel 1 Einleitung Originale (englisch) von Iordanis Petsas
1. FIW Workshop – Thema: „EU-Erweiterung und österreichischer
Industrieland Deutschland
Produktion und Preise bei Autarkie
Enger Zusammenhang mit dem Warenhandel Von welchen Faktoren wird die Teilnahme am Dienstleistungshandel bestimmt? Enger Zusammenhang mit dem Warenhandel.
Ideologie und Wirklichkeit Von der Finanzarktkrise zur Schuldenkrise
Globale Institutionen und Vereinigungen
European Conference EUROPE: 20 Years in Transition Univ.-Prof. Dr Ewald Nowotny Gouverneur Oesterreichische Nationalbank.
GK/LK Sozialwissenschaften
Weltwirtschaftskrise 1929 – ca. 1930
Die neue Zahlungsbilanz aus Sicht der Interessenvertretung
Arbeitsmarkt und Personenfreizügigkeit Was sind die ökonomischen Folgen? George Sheldon Forschungsstelle für Arbeitsmarkt- und Industrieökonomik, Universität.
Globalisierung – Was ist das?
Globalisierung und Internationale Verantwortung
Wdhlg. AVWL 2: Das Mundell-Fleming Modell
Spendings (Input) Income (Output) GDP = C + I + G + (X – M) Legend: GDP: Gross Domestic Product C: Consumption (private households) I: Investments (Loan,
Wirtschaftsperspektiven: Finanzkrise / Wirtschaftskrise: Wie sieht es wirklich für die Kärntner Wirtschaft aus? Ao.Univ.-Prof. MMag. Dr. Gottfried Haber.
Einfu ̈ hrung in die Weltwirtschaftspolitik Helmut Wagner ISBN: © 2014 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, Mu ̈ nchen Abbildungsübersicht.
21. Oktober 2005 Dr. Peter Baumgartner, Industrie-Holding, Bern Steuertagung von economiesuisse, Zürich 1 Internationale Entwicklungen im Bereich der Besteuerung.
In welcher Welt leben wir?
WSIS – World Summit on the Information Society Weltgipfel zur Informationsgesellschaft Perspektiven für Bibliotheken Präsentation zur ASpB-Tagung 2005.
Tutorium Makroökonomik
Investitionen in Deutschland
1. Globalisierung Definition: Unter Globalisierung versteht man den Prozess der zunehmenden internationalen Verflechtung in allen Bereichen.
Der Europäische Binnenmarkt
Der Policy-Prozess in der EU
GK/LK Sozialwissenschaften
Geldpolitik in Europa - EZB und EWWU
Kapitel 1 Einführung Kapitel 3 Spezifische Faktoren (Forsetzung)
Industrieland Deutschland
Landwirtschaftliche Grossbetriebe im globalen Handel
GK/LK Sozialwissenschaften Informationen Klasse 9 1. Februar 2016.
© economiesuisse Der attraktive Wirtschaftsstandort Schweiz hängt von einer langfristigen Wachstumspolitik ab. Diesbezüglich braucht es: ►Freiheitliche.
Internationales/Europa Horst Mund Gewerkschaften und Globalisierung.
Strukturreformen & Handelspolitik Neuseelands Rod Harris, Botschafter von Neuseeland in Deutschland Hayek-Club Münsterland Dienstag, 15. März 2016.
Technische Universität München Industrielle Beziehungen in Europa – eine neue Erfindung Dr. Michael Whittall Lehrtstul für Soziologie SS 2010.
Ökonomische Wohlfahrtswirkungen regionaler Präferenzabkommen (PTAs) Rolf J. Langhammer, Institut für Weltwirtschaft Kiel BMWI Workshop 28. März 2012 Berlin.
 Präsentation transkript:

Globalisierung der Wirtschaft und Wirtschaftspolitik: Nationalstaaten vs. europäische Integration IQSH – WIP0041 - Februar 2008

Impulse Überblick: Was ist Globalisierung? Maßzahlen für die Globalisierung der deutschen Wirtschaft Triebkräfte: Gravitationsmodell des internationalen Handels und Währungsunion „Policy Space“, „Race to the Bottom“ und Globalisierung IQSH - WIP0041 - Februar 2008

(1.) Überblick: Was ist Globalisierung? Integration von nationalen Märkten für Güter und Produktionsfaktoren über nationale Grenzen hinweg: Internationaler Handel mit Gütern Internationaler Handel mit Dienstleistungen Internationaler Kapitalverkehr einschließlich Niederlassungsfreiheit von Unternehmen Internationale Wanderungen von Arbeitskräften IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Wirtschaftspolitische Herausforderungen Triebkräfte der Globalisierung Informations- und Kommunikationskosten Transportkosten (Containerisierung) Abbau von Marktzugangsbarrieren: Zölle, Regulierungen (Luftverkehr); Währungsunion: Euro Wirkungen: Gesamtwirtschaftlicher Einkommenszuwachs (weltweit: vermutlich; national: hoffentlich!) Einkommensumverteilung IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Politische Gestaltungsmöglichkeiten: EU Innerhalb der EU sind die 4 Freiheiten (Waren, Dienstleistungen, Kapital, Arbeitskräfte) weitgehend umgesetzt Übergangsfristen bei der Arbeitskräftewanderung “technischen” Probleme bei der Anerkennung von Ausbildungszeugnissen etc. Nachteilige / politisch problematische Auswirkungen werden durch Gemeinschaftspolitiken kompensiert (z.B. regionale Strukturpolitik). IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Politische Gestaltung: global Multilaterales Handelssystem (WTO/GATT); für Dienstleistungen nur in Ansätzen (GATS), außer für neue WTO-Mitglieder Kapitalverkehr und ausländische Direktinvestitionen: Regulierung in Teilbereichen (bilaterale Investitionsschutzabkommen; IWF) Arbeitskräftewanderungen durch die Aufnahme-bereitschaft der Zielländer begrenzt Kein internationaler Rahmen für die Kompensation von nachteiligen ökonomischen Effekten IQSH - WIP0041 - Februar 2008

(2.) Maßzahlen der Globalisierung für Deutschland Zusammengestellt aus im Internet frei zugänglichen Datenquellen Statistisches Bundesamt: www.destatis.de (Bruttoinlandsprodukt) Deutsche Bundesbank: www.bundesbank.de (Zahlungsbilanz, Auslandsvermögensstatus) Disaggregation der meisten Zahlen nach EU und Rest der Welt aus diesen Quellen nicht ohne Weiteres möglich (wer es genau wissen will: www.zbw-kiel.de) IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Außenhandel, Deutschland (vH des BIP) IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Warenhandel - Wirtschaftspolitische Gestaltung Zölle sind weltweit in den letzte Jahrzehnten stark gesunken (u.a. durch multilaterale Liberalisierung: WTO/GATT). Marktsegmentierung heute durch Transport- und Kommunikationskosten, Produktstandards, ... EU: Binnenmarkt, weitgehend Herkunftslandprinzip (was im Herkunftsland in Verkehr gebracht werden darf, darf auch in jedem anderen EU-Land verkauft werden) – verbunden mit harmonisierten Regulierungen auf EU-Ebene. EU – Wettbewerbspolitik; Strukturpolitik; Mindestsätze für Mehrwertsteuer IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Dienstleistungshandel - Erbringungsarten Wie können Dienstleistungen überhaupt international gehandelt werden? Definition der Erbringungsarten nach GATS: Mode 1: grenzüberschreitende Lieferung Mode 2: Konsum im Ausland Mode 3: ausländische Direktinvestitionen in Dienstleistungssektoren Mode 4: temporärer Aufenthalt von natürlichen Personen IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Dienstleistungshandel - Trends Dienstleistungen stellen fast überall mehr als die Hälfte die BIP und etwa ein Fünftel des internationalen Handels. Internationaler Handel mit Dienstleistungen wird dominiert durch Transport und Tourismus. IT- Dienstleistungen nur für wenige Länder relevant (Indien, Irland). Europäischer Binnenmarkt für Dienstleistungen - revidierte Dienstleistungsrichtlinie: Sektorale Ausnahmen (Pflege etc.) Bestimmungsland- statt Herkunftslandprinzip (Löhne etc.) IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Finanzmärkte und Direktinvestitionen (Bestände in vH des BIP) IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Direktinvestitionen Erwerb oder Neuerrichtung eines Unternehmens mit unternehmerischer Kontrolle; OLI – Modell: Ownership Location Internalization Vertikale (Zulieferungen) vs. horizontale (absatzmarktorientierte) Direktinvestitionen Unternehmenskonzentration im Europäischen Binnenmarkt (Mergers and Acquisitions) hat stark zugenommen. IQSH - WIP0041 - Februar 2008

IQSH - WIP0041 - Februar 2008

IQSH - WIP0041 - Februar 2008

(3.) Gravitationsmodell und Währungsunion Modelle des des internationalen Handels: Wer exportiert/importiert welches Gut? In welcher Menge? Welche Wirkungen auf Produktion, Faktoreinkommen, Produktpreise? Gesellschaftliche Wohlfahrt? Ansatzpunkte: Technologische Unterschiede (Ricardo) Nationale Faktorausstattungen (Heckscher-Ohlin) Produktdifferenzierung und Skalenerträge (Krugman) Transaktionskosten (Gravitationsmodell) IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Gravitationsmodell Exporte von A nach B = Funktion von BIP_A BIP_B „Entfernung“ (bilaterale Transaktionskosten) Transportkosten (km, Kostenschätzung) Proxies für kulturelle Nähe (gemeinsame Sprache, Kolonialgeschichte, Rechtssystem, ...) Handelsabkommen Währungsunion IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Währungsunion? Andrew Rose (Auswertung von zahlreichen empirischen Schätzungen von Gravitationsmodellen): Eine Währungsunion erhöht langfristig den Handel zwischen zwei Ländern um 30 bis 90 vH (bei ansonsten gleichen Bedingungen) Warum? Wechselkurse sind nicht prognostizierbar und Wechselkursschwankungen sind nur begrenzt versicherbar (Terminmärkte). IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Währungsunion! Markterschließung (z.B. für Exporte) bedingt oft langfristige Investitionen, deren Rentabilität bei schwankenden Wechselkursen schwer zu prognostizieren ist. Unternehmensstrategien: betriebliche Standortpolitik und ausländische Direktinvestitionen – Kosten und Erlöse sollen möglichst in denselben Währungen anfallen. Währungsunion (äquivalent zu einem unwiderruflich festen Wechselkurs) eliminiert das Wechselkursrisiko. IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Wirkungen der Integration von nationalen Märkten Relevantes Modell: Produktdifferenzierung und Skalenerträge (Krugman) Verschärfter Wettbewerb führt zu niedrigeren Preisen und höherem Gesamtabsatz (zum Nutzen der Konsumenten) höherer Produktion je überlebende Firma Konzentration auf der Anbieterseite (einige Firmen scheiden aus dem Markt aus) Zum Vergleich: Wohlfahrtsgewinn durch den Europäischen Binnenmarkt (1992) – 4 bis 6 vH des Volkseinkommens IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Währungsunion und ausländische Direktinvestitionen Horizontale Direktinvestitionen (zur Erschließung neuer Märkte): werden u.U. weniger wichtig, weil ausländische Märkte ohne Wechselkursrisiko vom Stammsitz aus beliefert werden können. Vertikale Direktinvestitionen (Kostensenkung durch Auslagerung von Produktionsabschnitten etc.): werden vermutlich attraktiver, da niedrigere Produktionskosten im Ausland nicht durch Wechselkursrisiko überkompensiert werden. IQSH - WIP0041 - Februar 2008

(4.) Wirtschaftspolitische Herausforderungen Geringerer Spielraum für nationale Wirtschaftspolitik? Speziell Währungsunion: nominaler Wechselkurs fällt als möglicher Puffer aus. Zu fragen bleibt allerdings: Welche sinnvolle wirtschafts-politische Maßnahme wird durch die Integration von nationalen Märkten verhindert? „Policy space“: Forderung von Entwicklungsländern nach nationalen Entscheidungsspielräumen angesichts von „Weltmarktzwängen“ und Konditionalitäten der internationalen Finanzinstitutionen IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Policy Space: Para. 8, Sao Paulo Consensus, UNCTAD XI "The increasing interdependence of national economies in a globalizing world and the emergence of rule-based regimes for international economic relations have meant that the space for national economic policy, i. e. the scope for domestic policies, especially in the areas of trade, investment and industrial development, is now often framed by international disciplines, commitments and global market considerations. IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Aber … "It is for each government to evaluate the trade-off between the benefits of accepting international rules and commitments and the constraints posed by the loss of policy space. It is particularly important for developing countries, bearing in mind development goals and objectives, that all countries take into account the need for appropriate balance between national policy space and international disciplines and commitments." IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Industrieländer: „Race to the bottom“? Empirische Evidenz: Umweltpolitische Regulierungen? – Unklar. Unternehmensbesteuerung! Grundproblem: je mobiler ein Produktionsfaktor ist, desto schwieriger ist er zu besteuern; Kapital ist in den letzten Jahrzehnten wesentlich mobiler geworden. Folge: Sinkende Steuersätze für Unternehmen! Verschiebung des Steueraufkommens hin zu indirekten Steuern, direkten Steuern auf (relativ immobile) Arbeit? IQSH - WIP0041 - Februar 2008

http://www.kpmg.at/de/files/Final_Tax_Data_Report_Web.pdf

SVR: Jahresgutachten 2007/8

Deutschland: Kassenmäßige Steuereinnahmen nach Steuerarten (vH) BMF website IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Schlussfolgerungen Es kommt nicht nur auf die Steuersätze, sondern auch auf die Definition der Steuerbasis an. Da vor allem die Bedeutung der veranlagten Einkommen-steuer gesunken ist, die von natürlichen Personen zu zahlen ist, bleibt die Tragweite des internationalen Steuerwettbewerbs unklar. Theoretisch könnte eine Austrocknung der Steuern auf Unternehmensgewinne die Finanzierung staatlicher Transfers erschweren, die sozialen Sicherungssysteme aushöhlen und so die politische Unterstützung für weitere Schritte zur europäischen Integration untergraben. Es fehlt aber die empirische Evidenz. IQSH - WIP0041 - Februar 2008

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. IQSH - WIP0041 - Februar 2008