Disability Studies: UN- Behindertenrechtskonvention

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Predigt zu Offenbarung des Johannes 2,18-29 „Falsche Kompromisse“
Advertisements

Der LVR auf dem Weg zur Etablierung inklusiver Bildungsstrukturen
What do you get marks for?
Warum sind die Wünsche von Kindern wichtig für die Stadtentwicklung?
Die Deutschen im Herbst 2008
für behinderte Frauen, Männer und Kinder
Kursleitung: Hier ist Platz für Ihren Namen
Die europäische Union Die Geschichte ihrer Entstehung.
Die UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2006
Dr. Valentin Aichele, LL.M.
Was ich gern lese Lesetagebuch von
Ralf KüstersDagstuhl 2008/11/30 2 Ralf KüstersDagstuhl 2008/11/30 3.
Was machen wir besser als die Wettbewerber
Bildung für nachhaltige Entwicklung – ein Thema für die Förderschule?
International Disability Alliance
ACT.
Internationale Fachkonferenz zur Umsetzung der VN-Behindertenrechts- konvention in der Praxis Diakonie RWL und Evangelische Fachhochschule RWL, Bochum,
Frauen sind anders – Männer auch Geschlecht und Behinderung
Menschen Recht Inklusion Internationale Fachtagung zur Umsetzung der VN-Behindertenrechtskonvention in der Praxis 6. bis 8. Juni 2013 in Bochum Thema:
Barrierefreies Internet
Fortbildungskurse für Männer 2004
Weinviertel-Südmähren-Westslowakei“
Sommer.
Inklusion aus meiner Sicht
...ich seh´es kommen !.
Geist, Seele, Leib Wer regiert in uns?
Du bist der Meinung mich geht das nichts an.
Hoffnung für alle – Die Vision des Paulus
Präsentation läuft auch vollautomatisch ab … wie du möchtest
Auslegung eines Vorschubantriebes
Deutsch 1 Unit 1 Tag September 2013
Ist es gut Geschwister zu haben?
Grundpositionen> Schulfachbezogene Entscheidungen (Skript)
TRANSAKTIONEN (Transaktionsanalyse)
GZD Warten bedeutet für den einen vertane Zeit, für den anderen Vorfreude auf Kommendes. Christina Küfner.
Auf Deutsch – natürlich!
UN - Behindertenrechtskonvention
Perspektive Gemeinwesen? Prof. Dr. Albrecht Rohrmann
UN – Behindertenrechtskonvention
Das ist die Geschichte eines kleinen Jungen aus der Schweiz.
Du wurdest als Teil von Gottes ________ erschaffen!
Ein kleiner Text, der zu denken gibt - das dauert nur 2 Minuten!
Was macht mich einzigartig?
Das bin ich Clariro Clariro Das bin ich
Religionsmonitor 2008 Dr. Martin Rieger Wittenberg, 07. Mai 2008.
Analyseprodukte numerischer Modelle
2014 Januar 2014 So Mo Di Mi Do Fr Sa So
FRÜHLING.
Der Gesundheitslauf – das Spiel
Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung
Arbeitsgruppe 7 Schutz der Menschen- und Persönlichkeitsrechte
DIE GESCHICHTE EINES ELEFANTENKÖNIGS Mündlich überliefert.
Der Erotik Kalender 2005.
Weshalb laufen Planeten manchmal rückwärts?
Inklusion/Exklusion von Menschen mit Behinderung
Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Sandra KlopschMartin Waltermann.
„Die rechtliche Dimension des Gesundheitsbegriffs“

מקור למחשבה.... Selbstliebe למד להעריך את חייך !.
1 10 pt 15 pt 20 pt 25 pt 5 pt 10 pt 15 pt 20 pt 25 pt 5 pt 10 pt 15 pt 20 pt 25 pt 5 pt 10 pt 15 pt 20 pt 25 pt 5 pt 10 pt 15 pt 20 pt 25 pt 5 pt Wie.
1 Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest KIM-Studie 2014 Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) Landeszentrale für Medien und Kommunikation.
Frauen-Beauftragte in Einrichtungen. Eine Idee macht Schule. Weibernetz e.V.
PARTicipation Basis Workshop Inklusion
Die Erde.
Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Berlin, )
Disability Mainstreaming Impuls auf der 4. Sitzung der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe „Leitlinien der Berliner Seniorenpolitik am Christine.
What day is today? Welcher Tag ist heute? Welchen Tag haben wir heute?
Was ist eine Menschenrechtskonvention?
 Präsentation transkript:

Disability Studies: UN- Behindertenrechtskonvention Prof. Dr. Theresia Degener Evangelische Fachhochschule RWL (Bochum) Tag der Menschen mit Behinderungen in Baden Württemberg, 5. Mai 2008

Agenda Disability Studies Die UN Behindertenrechtskonvention aus DS – Perspektive Ursula Eggli- eine Grande Dame der DS

1. Disability Studies Ist eine interdisziplinäre neue Wissenschaft Literaturwissenschaften, Rechts-, Geschichts-, Kommunikations-, Medienwissenschaften, Soziologie, etc. Architektur, Medizin, Sozialarbeit, Kunst (disability arts!!) etc. Paradigma: soziales statt medizinisches Modell von Behinderung Behinderung als sozial konstruierte Kategorie Angelehnt an gender und critical race studies Wurzeln der DS: emanzipatorische Behindertenbewegung (70 er Jahre ff) Von Forschungsobjekten zu ForscherInnen Von Kunstobjekten zu KünstlerInnen Arbeitsgemeinschaft Disability Studies in Deutschland (AG DS) seit 2002

2. Die UN Behindertenrechtskonvention aus DS - Perspektive Convention on the Rights of Persons with Disabilities (CRPD) 2006, in Kraft seit. 3.5.2008! Behinderung als Menschenrechtsfrage wurde lange ignoriert Bis zu den 80er Jahren: Behinderung als medizinische / soziale Frage im VN System: WHO: Prävention & Rehabilitation & Definition Soziale Entwicklungskommission nicht Menschenrechtskommission

Wandel in den 80er Jahren 1981 Internationales Jahr der Behinderten 1983 – 1992 UN Dekade der Behinderten 1986 & 1993 Berichte über Menschenrechts-situation behinderter Menschen in der UN Menschenrechtskom-mission 1993 UN- Rahmen-bestimmungen zur Herstellung der Chancen-gleichheit für Menschen mit Behinderungen

Entstehungshintergrund der CRPD Januar 2002: Quinn/ Degener Studie für UN Behinderung als Thema innerhalb des Menschenrechtssystems der UN Behinderung als Thema bei der Umsetzung der damals sechs wichtigsten Menschenrechtsverträge Befund: Behinderte sind nicht mehr unsichtbar, aber immer noch reduziert auf medizinische Fragen und als Problem der sozialen Sicherheit 19. Dezember 2001 UN – GV Resolution 56/168: Ad Hoc Ausschuss auf Initiative von Mexiko 13. Dezember 2006 UN – GV Resolution 61/106 Behindertenrechtskonvention

Ad Hoc Commission in New York 9 Sitzungen, je 2-3 Wochen in New York (2002 – 2006) 1 AG-Sitzung (2004) Beteiligte: Staaten, NROs, UN-Org., Nat. MRI 2002: 100 Menschen 2006: 900 Menschen

Der Inhalt der CRPD Art. 1 Zweck Art. 2 Definitionen Art. 3 Allg. Grundsätze Art. 4 Allg. Verpflichtungen Art. 5 Nichtdiskriminierung Art. 6 Frauen mit Behinderung Art. 7 Kinder mit Behinderung Art. 8 Förderung des Bewusstseins Art. 9 Zugänglichkeit Art. 10 Recht auf Leben Art. 11 Gefahrensituationen Art. 12 Rechts-/Geschäftsfähigkeit Art. 13 Zugang zur Justiz Art. 14 Persönliche Freiheit ... Art. 15 Freiheit von Folter ... Art. 16 Freiheit von Ausbeutung ... Art. 17 Schutz der Unversehrtheit.. Art. 18 Freizügigkeit und Staatsangehörigkeit Art. 19 Unabhängiges Leben und Teilhabe an der Gemeinschaft Art. 20 Persönliche Mobilität Art. 21 Meinungsfreiheit ... Art. 22 Schutz der Privatsphäre Art. 23 Achtung von Heim und Familie Art. 24 Bildung Art. 25 Gesundheit Art. 26 Rehabilitation Art. 27 Arbeit und Beschäftigung Art. 28 Angemessener Lebensstandard Art. 29 politische Teilhabe Art. 30 kulturelle Teilhabe Art. 31Statistik und Datensammlung Art. 32 Internationale Zusammenarbeit

Status der CRPD am 8. April 2008: 127 Unterzeichner / 20 Ratifikationen

Staaten, die die CRPD ratifiziert haben Bangladesh - 30 November 2007 Croatia - 15 August 2007 Cuba - 6 September 2007 Ecuador - 3 April 2008 El Salvador - 14 December 2007 Gabon - 1 October 2007 Guinea - 8 February 2008 Hungary - 20 July 2007 India - 1 October 2007 Jamaica - 30 March 2007 Jordan - 31 March 2008 Mexico - 17 December 2007 Namibia - 4 December 2007  Nicaragua - 7 December 2007 Panama - 7 August 2007 Peru - 30 January 2008 San Marino - 22 February 2008 South Africa - 30 November 2007 Spain - 3 December 2007 Tunisia - 2 April 2008

Bedeutung der CRPD für Deutschland aus DS Perspektive Am 30. März hat Deutschland die Behindertenrechtskonvention zusammen mit über 80 anderen Staaten unterzeichnet Rechtswirkung nach Ratifikation: Gesetzeswirkung (Bundesgesetz) CRPD markiert den rechtlichen Paradigmenwechsel vom medizinischen zum sozialen (menschenrechtlichen) Modell von Behinderung

Die Rolle der Behindertenverbände Menschenrechtskon-ventionen werden von Staaten unterzeichnet aber von NROs erkämpft Auch die Durch-setzung muss errungen werden.1. Schritt: Ratifikation

3. Ursula Eggli, eine Grande Dame der Behindertenbewegung Geb. 1944 in Zürich als Älteste von 3 Kindern, 2 davon mit Muskelschwund Begründerin der schweizer Behindertenbewegung Kämpfte ihr Leben lang gegen Menschenrechtsverletzungen an Behinderten, wie z.B. Institutionalisierung in Heimen Autorin der ersten Werke der deutschsprachigen DS z.B.: Herz im Korsett (1977) Freakgeschichten (1983) Die Zärtlichkeit des Sonntagsbratens (1986) ......und viele andere Werke

Selbstporträt 1997 Als was würde ich mich am liebsten vorstellen? Vielleicht als Freakfee, «d’Fee mit dä vier Rädli am Füdli», wie es bei den Kindern heißt: alt, grauhaarig, etwas schrullig, wirft Klischees und Vorstellungen über den Haufen. Ja, als dies sehe ich mich auch: durch die blosse Existenz ein Fragezeichen zu sein, eine Infragestellung, bei den Schreibenden, in der Frauenbewegung… Behinderte Frau… Schriftstellerin? Lesbe? Feministin? Die Begriffe passen nicht zum Bild der hilfsbedürftigen Behinderten. Hie und da erleb ich mich als Kassandra. Welch Schreibende fühlt sich nicht verwandt mit jener erfolglos Warnenden? Manchmal wäre ich gern eine Hexe, im Geheimen, unerkannt, denn das entsprechende Feuer fürchte ich wie alle sich erinnernden Frauen. Und in solchen Momenten der Angst wünsche ich mir, selber Feuer zu sein, oder Wasser, oder Luft: eins mit den Naturmächten…

Ursula Eggli auf der ersten deutschen Sommeruni zu DS Juli 2003 in Bremen Schreibwerkstatt für behinderte Menschen: "Behinderung neu denken" hieß das Motto unserer Sommeruniversität in Bremen und "Behinderung neu denken" heißt auch: Behinderung überall hin denken, hinein in Malerei, Literatur, überhaupt jegliche Form von Kultur. Hineindenken in die hintersten Hirnwindungen. Dorthin, wo sich oft das Empfinden unsrer Kontrolle entzieht. Normalerweise haben wir Aktivistinnen und Aktivisten der Behindertenbewegung die theoretischen Erkenntnisse und Schlagworte präsent und versuchen auch, sie zu verinnerlichen, zum Beispiel die Überzeugung: Ich bin ok, so wie ich bin. Ich bin ok mit meinem behinderten Körper. Wir alle wissen aber auch, dass Symbole und Bilder aus unserer Kindheit oder aus der Gesellschaft uns dabei immer wieder einen Streich spielen. Sie haben sich schon vor langer Zeit tief in uns eingeprägt. Wer hat sich noch nie dabei ertappt, dass ihm das Bild einer zarten Prinzessin oder des tatkräftigen Prinzen eine Illusion vorgaukelt, der Illusion, die dem morgendlichen Blick in den Spiegel , dem mühsam humpelnden Überqueren einer Strasse oder dem Erleben einer Cocktailparty aus der Rollstuhlperspektive nie gerecht wird. Frust resultiert aus diesen oft unbewussten Vorbildern, Frust und nochmals Frust. Und sollten wir so weit sein, dass wir mindestens unser Eigenbild als behindertes Individuum akzeptiert haben, so merken wir doch immer wieder unsere Irritation im Blick auf andere behinderte Menschen. Verinnerlichte Bilder, Symbole und auch Clichées gilt es, sich bewusst zu machen, zu hinterfragen und durch andere zu ersetzen. Neu zu programmieren.

Ihr warmes Herz hat aufgehört zu schlagen Einen Tag bevor die UN Behinderten-rechtskonvention in Kraft trat, - am 2. Mai 2008 - ist eine große Menschenrechtlerin und Schriftstellerin der Disability Studies von uns gegangen.