Vorlesung Didaktik der Mathematik 11.1.2007 Fallrekonstruktives Arbeiten und der Allgemeinheits- anspruch von Erkanntem Professionstheorien und Mathematikunterricht.

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 Präsentation transkript:

Vorlesung Didaktik der Mathematik Fallrekonstruktives Arbeiten und der Allgemeinheits- anspruch von Erkanntem Professionstheorien und Mathematikunterricht Andeutungen zur Methode der Objektiven Hermeneutik Bezugsliteratur: Andreas Wernet: Pädagogische Permissivität. Schulische Sozialisation und pädagogisches Handeln jenseits der Professionalisierungsfrage. Verlag Leske und Budrich, Opladen 2003 Vorbemerkungen : - Wir wenden Theorien nicht an (in einem mechanischen Sinne), sondern Theorien helfen uns, unsere Wahrnehmung der Welt bzw. von Phänomenen zu strukturieren. (Theorie-Praxis-Problem) - Kontraintuitivität sowohl der vorgestellten Professionstheorie als auch der empirischen Methode der Objektiven Hermeneutik (Überschreiten der Grenzen von Alltagsdeutungen, Theorie ist dann fruchtbar, wenn sie uns hilft, unsere hergebrachten Sichtweisen in Frage zu stellen statt sie zu reproduzieren bzw. schöner hinzuschreiben)

Wernets einführende Beispiele S2, 3, 4, 6, 8 (S ), hier S1: L: Hast Du die Hausaufgaben? S: Nee, tut mir leid. L: Mir nicht. Die Frage eines Lehrers, ob der Schüler die Hausaufgaben hat, wird von dem Schüler verneint. Es liegt also eine Pflichtverletzung vor. Aber der Schüler verneint nicht nur die Frage nach dem Vorliegen der Hausaufgaben, er bringt auch sein Bedauern zum Ausdruck: tut mir leid. Dem Eingeständnis der Verletzung fügt er damit die explizite Anerkennung der Verpflichtung hinzu. Denn mit dem Ausdruck des Bedauerns ist ja gesagt, dass die vorliegende Verletzung als bloß situative und kontingente, und nicht als allgemeine und grundsätzliche Missachtung der Verpflichtung zu verstehen ist. Damit ist die latent problematische Situation insofern entproblematisiert, als das zentrale Problem, ob die Pflichtverletzung als gelegentlich oder exemplarisch zu verstehen ist, von dem Schüler selbst beantwortet wurde. Einzig kann sich der Lehrer dafür entscheiden, neben der symbolischen Restitution der Pflichtverletzung auch eine konkret-praktische einzufordern: Arbeite die Hausaufgaben bitte bis zum nächsten Mal nach. Aber schon die Ermahnung, dass dies nicht wieder vorkommen möge, wäre redundant: die Entschuldigung des Schülers muss ja genau dieses es kommt nicht wieder vor in Anspruch nehmen. Und selbst eine Nichtreaktion des Lehrers wäre insofern gerechtfertigt, als sie nicht die Pflichtverletzung unbeantwortet lassen würde – darin läge eine Inkonsistenz bezüglich der Hausaufgabenobligation –, sondern auf eine Reaktion angesichts des Vorliegens einer Entschuldigung verzichten würde.

Die Erwiderung des Lehrers ist irritierend. Ihm tut es nicht leid, dass der Schüler die Hausaufgaben nicht hat. Das unterstellt, die Pflichtversäumnisse der Schüler seien potentiell Gegenstand einer inneren Anteilnahme des Lehrers: Manchmal tut es dem Lehrer leid, wenn seine Schüler sich nicht angemessen verhalten. Und wenn es ihnen dann leid tut, leidet der Lehrer mit. In diesem Fall aber tut es ihm nicht leid. Die Antwort Mir nicht drückt aber mehr aus als die Abwesenheit von Mitleid. Sie stellt ein Bekenntnis zu dem Versäumnis des Schülers dar. Dadurch erhält die Äußerung etwas Bedrohliches; als käme ihm das Versäumnis gelegen und als sei ihm die Entschuldigung des Schülers ein Dorn im Auge. (Wernet 2003,S.12 f.)

Partikularismus ascription Diffusität Affektivität Universalismus achievement Spezifität Neutralität FamilieGesellschaft ((Berufsrolle)) Orientierungen in der modernen Gesellschaft nach Parsons (pattern variables) und Deutung für die Schule bei Wernet

In einem gehaltvollen, theoriesprachlich verbindlichen Sinne kann der Lehrerberuf Anpassungsschwierigkeiten an diejenige Handlungsstruktur, die er selbst repräsentiert, nicht bearbeiten. Wenn wir aber mit Parsons davon ausgehen, das schulisch institutionalisierte, berufslogisch zu repräsentierenden Muster stelle eine Härte dar, dann besteht die einzig konsistente Form der Temperierung dieser Härte in Permissivität: Pädagogische Aktionen, die – in welcher Situation und aus welchen Motiven auch immer – situativ den unpersönlichen Universalismus außer Kraft setzten und dabei die grundsätzliche Geltung dieses Universalismus unterstreichen. Paradigmatisch für diesen Typus pädagogischer Intervention die die Ausnahme. Ausnahmsweise – aus welchen Gründen und Motiven auch immer – wird diese Klassenarbeit nicht gewertet, ausnahmsweise – aus welchen Gründen und Motiven auch immer – hat diese Handlung keine Folgen; ausnahmsweise – aus welchen Gründen und Motiven auch immer – erfolgt die Versetzung. Entscheidend an dem Konzept der pädagogischen Permissivität ist, dass sie nicht in Widerspruch gerät zu demjenigen Modell, dessen Geltung sie in Anspruch nimmt, zugleich aber dazu in der Lage ist, diese Geltung situativ auszusetzen. Die Strukturform der Temperierung ist also eindeutig daran ausgerichtet, den institutionalisierten Handlungsrahmen aufrecht zu erhalten. Permissivität entspricht insofern dem hier vertretenen Modell der Vermeidung von Widersprüchlichkeiten. (Wernet 2003, S.117) Stichworte: Temperierung, Permissivität (nachgiebig, wenig kontrollierend, frei gewähren lassend), Rollenstabilität, Verpflichtung aufs universale Prinzip auch bei Abweichung davon

Bezugnahme allgemeine Professionalisierungstheorien mit ihrer Suche nach Handlungswidersprüchen Professionen sind Berufstätigkeiten, die mit Standardisierungs- und Kontrollproblem konfrontiert sind: berufliche Praxis lässt sich den zwei für die moderne Gesellschaft typischen Kontrollmechanismen nicht unterwerfen: Marktkontrolle und administrative Kontrolle (stimmt für Lehrer nicht, weil explizit administrativ kontrolliert, auffällig: Fehlen von kollegialen Kontrollmechanismen, wahrscheinlich historisch unter- drückt und auch habituell verdrängt, Prinzip der geschlossenen Klassenzimmertür) Nichtstandardisierbarkeit (in subsumtiv-mechanischem Sinne) der Berufspraxis und ihrer Kontrolle (Entprofessionalisierung durch Standardisierung, hippokratischer Eid für Lehrer)

Literaturempfehlung zum Problem der Hausaufgaben S Interpretation zu folgendem Dialog auf S (bearbeitet Ihre Angst vor Disziplinproblemen): Lehrer: Lies bitte deine Hausaufgaben vor.

Literaturempfehlung zum Problem der Hausaufgaben S Interpretation zu folgendem Dialog auf S (bearbeitet Ihre Angst vor Disziplinproblemen): Lehrer: Lies bitte deine Hausaufgaben vor. Schüler: Ich habe sie nicht gemacht.

Literaturempfehlung zum Problem der Hausaufgaben S Interpretation zu folgendem Dialog auf S (bearbeitet Ihre Angst vor Disziplinproblemen): Lehrer: Lies bitte deine Hausaufgaben vor. Schüler: Ich habe sie nicht gemacht. Lehrer: Darf ich fragen, warum nicht?

Literaturempfehlung zum Problem der Hausaufgaben S Interpretation zu folgendem Dialog auf S (bearbeitet Ihre Angst vor Disziplinproblemen): Lehrer: Lies bitte deine Hausaufgaben vor. Schüler: Ich habe sie nicht gemacht. Lehrer: Darf ich fragen, warum nicht? S: Ich sehe nicht ein, wozu ich Dinge tun soll, die absolut wirklichkeitsfern sind und sowieso nie wieder gebraucht werden.

Literaturempfehlung zum Problem der Hausaufgaben S Interpretation zu folgendem Dialog auf S (bearbeitet Ihre Angst vor Disziplinproblemen): Lehrer: Lies bitte deine Hausaufgaben vor. Schüler: Ich habe sie nicht gemacht. Lehrer: Darf ich fragen, warum nicht? S: Ich sehe nicht ein, wozu ich Dinge tun soll, die absolut wirklichkeitsfern sind und sowieso nie wieder gebraucht werden. L: Dies ist keine Entschuldigung für die Nichterledigung der Hausaufgaben. Ich erwarte, sie in der nächsten Stunde zu sehen.

Literaturempfehlung zum Problem der Hausaufgaben S Interpretation zu folgendem Dialog auf S (bearbeitet Ihre Angst vor Disziplinproblemen): Lehrer: Lies bitte deine Hausaufgaben vor. Schüler: Ich habe sie nicht gemacht. Lehrer: Darf ich fragen, warum nicht? S: Ich sehe nicht ein, wozu ich Dinge tun soll, die absolut wirklichkeitsfern sind und sowieso nie wieder gebraucht werden. L: Dies ist keine Entschuldigung für die Nichterledigung der Hausaufgaben. Ich erwarte, sie in der nächsten Stunde zu sehen. S: Aber ich kann mit dem Zeugs in meinem Leben nie wieder was anfangen.

Literaturempfehlung zum Problem der Hausaufgaben S Interpretation zu folgendem Dialog auf S (bearbeitet Ihre Angst vor Disziplinproblemen): Lehrer: Lies bitte deine Hausaufgaben vor. Schüler: Ich habe sie nicht gemacht. Lehrer: Darf ich fragen, warum nicht? S: Ich sehe nicht ein, wozu ich Dinge tun soll, die absolut wirklichkeitsfern sind und sowieso nie wieder gebraucht werden. L: Dies ist keine Entschuldigung für die Nichterledigung der Hausaufgaben. Ich erwarte, sie in der nächsten Stunde zu sehen. S: Aber ich kann mit dem Zeugs in meinem Leben nie wieder was anfangen. L: Merkst du nicht, dass diese Thematik nicht in den Unterricht passt? Wenn du möchtest, können wir uns gerne nach der Stunde darüber unterhalten. Die Hausaufgaben holst du bitte nach.

Ihnen liegt ein Ausschnitt vor aus: Eckhard Klieme und Claudia Thußbas: Kontextbedingungen und Verständigungsprozesse im Geometrieunterricht: Eine Fallstudie. Aus: von Aufschnaiter, Welzel (Hrsg.): Nutzung von Videodaten zur Untersuchung von Lehr-Lern-Prozessen. Aktuelle Methoden empirischer pädag. Forschung. Münster 2001, S Elaborierte Mehrebenenanalyse im Rahmen der TIMSS (Third Inter- national Mathematics and Science Study), dabei u.a. untersucht: - individuelle Voraussetzungen einzelner Schüler (Vorwissen, kognitive Grundfähigkeiten, Interessen und Motive, Lernstrategien, biographi- scher und sozialer Hintergrund) - persönliche Voraussetzungen des Lehrers (professionelle Expertise im Sinne von fachlichem, curricularem, fachdidaktischen und allgemeinpädagogischen Wissen, Einstellungen und Motive, berufsbiographischer Hintergrund usw.) - institutionelle Rahmenbedingungen (Selektivität der Schülerschaft, soziales Umfeld, Zusammensetzung und Zusammenhalt des Kollegiums, Führungsverhalten der Schulleitung, staatliche Vorgaben im Bezug auf Curriculum und Ressourcen) - Merkmale des Unterrichtsgeschehens selbst Längsschnitt 7./8.Klasse, TIMSS-Video (USA, D, Japan je 100 Stunden), Datenbasis Seite 43 dargestellt

Nun können wir hier natürlich eine Menge vermuten oder auch eine Menge behaupten. Geschichte1: In einer Firma sitzen ein paar Mitarbeiter zusammen und spekulieren über einige aktuelle Ereignisse, die vermuten lassen, dass andere Mitarbeiter zu unlauteren Mitteln gegriffen haben, um für sich irgendwelche Vorteile zu sichern. Nachdem einige Zeit spekuliert wurde, äußert einer der anwesenden Mitarbeiter den Satz: Nun können wir hier natürlich eine Menge vermuten oder auch eine Menge behaupten. Wir sollten jetzt aber mal den Betriebsrat einschalten, sonst kommen wir in der Sache einfach nicht weiter. Geschichte2: Ein Staatsanwalt sagt zu seinen Mitarbeitern, nachdem sie einige Zeit einen anstehenden Fall besprochen und nun eine Vorstellung entwickelt haben, wie sich die Straftat abgespielt haben könnte: Nun können wir hier natürlich eine Menge vermuten oder auch eine Menge behaupten. Aber wir brauchen Beweise.