TEXTBEGRIFF und TEXTUALITÄTSKRITERIEN

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Hypertext
Advertisements

Interview mit der Tell Familie
Die wichtigste Frage des Lebens!
Hast Du mich lieb? Johannes-Evangelium 21,15-17.
Der Heilige Geist will bewegen
Folge du mir nach! Johannes-Evangelium 21,18-23.
Gott wird antworten! Lukas-Evangelium 18,1-8.
Text Textsorte Korpus.
Text-, Gesprächs- und Kommunikationsanalyse am Beispiel des Italienischen
Textlinguistik Entstehung, Entwicklung, Richtungen
Referenten: H. Bayer V. Hagemann
2. Textkriterien Ulrich Mehlem WS 2008 / 2009
4 Philologische Methoden Vorlesung 1
Was ich gern lese Lesetagebuch von
Ralf KüstersDagstuhl 2008/11/30 2 Ralf KüstersDagstuhl 2008/11/30 3.
WAS IST EIN TEXT ? Texte bestehen aus einer Kombination sprachlicher Zeichen Texte haben Grenzen, sie sind abgeschlossene und autonome Ganzheiten Texte.
Training im Christentum
Vom Wunsch, Indianer zu werden
WORT DES LEBENS Februar 2009.
Sie wollen das Internet
Gestaltung von Folien mit Powerpoint
Da ist was dran ! Michael war so eine Art Typ, der dich wirklich wahnsinnig machen konnte. Es war immer guter Laune und hatte immer was positives zu sagen.
Da ist was dran ! Michael war so eine Art Typ,
Eine kleine Geschichte
6. Text und Konversationsmaximen
5. Kognition und Text 5.1 Kernkonzepte, Frames, Scripts
© Wortstellung im Deutschen Norbert Fries.
Geniesse das Leben, denn es ist das Einzige, das du hast !!!
Texttyp - Textsorte - Vertextungsmuster
ECHT UNGLAUBLICH. Lies alle Zahlen. langsam und der Reihe nach
Dialog am Telefon zwischen Mutter und Tochter
Was würdest du machen, wenn jedes Mal wenn du mit jemanden zusammensein willst, diese Person nicht da ist?
Methoden der Textanalyse
Schwerpunkte: Stilistik der deutschen Sprache II
Der Konjunktiv I kommt in drei Zeitformen vor.
Ich denke schon den ganzen Tag an Dich…
TRANSAKTIONEN (Transaktionsanalyse)
Konditionalsätze Julija Jadzevičiūtė
Beherzt – Am Puls des Lebens
Die Inhaltsangabe Teil 2
Ich denke schon den ganzen Tag an Dich
Zwei verschiedene Tagebücher über den selben Abend
Serienlogo.
Du wurdest als Teil von Gottes ________ erschaffen!
Wer von euch hat Lust auf ein Spiel?
Jünger sind entschieden!
Dies zu lesen kostet nichts -
MODAL-PARTIKELN.
Eine kleine Geschichte
Nehm dir Zeit, um die Botschaft zu lesen.
Weshalb Worship mit Kids? 1a
Wenn Programme sprechen....
Auf das Ziel konzentriert!
Nehm dir Zeit, um die Botschaft zu lesen.
Da ist was dran! „Wenn es mir besser gehen würde,
Numbers Greetings and Good-byes All about Me Verbs and Pronouns
Die Großmutter .... Hier ist ein rührender Brief, der von einer Großmutter für Ihre Kinder und Enkel geschrieben wurde.
Textlinguistik Anna Mikulová. Textlinguistik Die Textlinguistik ist eine vergleichsweise junge Disziplin der Linguistik, die sich ab den sechziger Jahren.
Pfingsten – Gottes Erntefest
Textproduktion
Textlinguistik Anna Mikulová. Textlinguistik Die Textlinguistik ist eine vergleichsweise junge Disziplin der Linguistik, die sich ab den sechziger Jahren.
Textstrukturen im Deutschen
Kognitive Methoden  Als eine Auseinandersetzung mit der behavioristischen Lerntheorie Skinners  entsteht in den späten 60-er Jahren eine Verbindung.
Willkommen Deutsch 13b Helfen Sie bitte bei diesem Umbau.
TEXTBEGRIFF und TEXTUALITÄTSKRITERIEN
Mündlichkeit und Schriftlichkeit
Das Übersetzen. Modell des Übersetzens nach Katharina Reiß.
Was ist Kommunikation? Alltagsverständnis: In Beziehung treten
TEXTBEGRIFF und TEXTUALITÄTSKRITERIEN
 Präsentation transkript:

TEXTBEGRIFF und TEXTUALITÄTSKRITERIEN 26.10.2010

Allgemeines Es gibt keine verbindliche linguistische Definition von Text Texte sind schriftliche und mündliche sprachliche Einheiten, die aus mehr als einem Satz bestehen (können). „Sprachliche Organisationsform mit spezifischen Struktureigenschaften - losgelöst von der Bindung an gewisse Inhalte" (Linke u.a. 1994, S.212). Eine formal abgrenzbare Art der Äußerung, die mehr als einen Satz umfasst, also eine Folge von Sätzen mit inhaltlichem Zusammenhang." (Gansel/Jürgens 2002, S.11).  Alltagssprachliche Definitionen: Schrift, Länge, Struktur, Inhalt

Chat, E-Mail usw. Neue Medien führen nicht nur zu neuen Textsorten, sondern auch zu sprachlichen Veränderungen. Neue Textsorten erfordern auch eine Änderung der herkömmlichen Textauffassung. konzeptionell / medial schriftlich / mündlich Text vs. Gespräch / Dialog / Diskurs – Produkt vs. Prozess Interaktivität + Wechselseitigkeit Informationsaustausch, wechselseitige Beeinflussung

Mündliche und visuelle Texte Vorlesung Eva Schoenke *** Sportreportage Fußball-WM *** Werbespots Schnecke *** Text-Bild-Interaktion, auch in Comics Inflektive: spezifische Form onomatopoetischer Verben, z.B. bibber, schluchz, jaul, seufz, knirsch, zitter ... Bildliche Repräsentation von Geräuschen oder Handlungen.  digitale Texte *** Links befinden sich in der Word-Datei TL 2010 links slide 3

Dimensionen des Textes mündlich / schriftlich einsätzig / mehrsätzig rein monologisch / mit dialogischen Passagen rein sprachlich / gemischt (andere Zeichensysteme)

TEXTUALITÄTSKRITERIEN

Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić de Beaugrande, Robert-Alain / Dressler, Wolfgang Ulrich: Einführung in die Textlinguistik. Tübingen 1981. Text als „kommunikative Okkurrenz (...), die sieben Kriterien der Textualität erfüllt. Wenn irgendeines dieser Kriterien als nicht erfüllt betrachtet wird, so gilt der Text als nicht kommunikativ. Daher werden nicht-kommunikative Texte als Nicht-Texte behandelt.“ (De Beaugrande / Dressler, 1981, S. 3.) Textkohäsion Textkohärenz Intentionalität Akzeptabilität Informativität Situationalität Intertextualität Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić

Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić 1. Kohäsion Art, wie die Komponenten des OBERFLÄCHENTEXTES miteinander verbunden sind … grammatische Formen und Konventionen ... K. beruht also auf GRAMMATISCHEN ABHÄNGIGKEITEN (ebd.) Heinz Vater (21994:32): K. ist die grammatische Relation zwischen Einheiten des Textes. Sie tritt satzübergreifend auf. Verweis durch Pronomina – Koreferenz (?) Paul hat mit Fritz gesprochen. Er kommt morgen. Paul hat einen neuen Roman geschrieben. Er ist wirklich spannend. Paul ist mit Flocki zum Tierarzt gegangen. Er hat ihm eine Spritze gegeben. Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić

Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić 1. Kohäsion Rekurrenz d. Paul hat angerufen. Paul kommt morgen. e. Die Katze hier gefällt mir besser als die Katze da. f. Zwei und zwei ist vier. g. Und läuft und läuft und läuft. (VW-Werbung) h. Grenzen Grenzen Grenzen Ein Bein Ein Bein Graben / Graben / Ein Bein. (Kurt Schwitters, Beingrenzen) partielle R. – Graben – grub – Gräbergrab; Wortbildung: Brüderchen und Schwesterchen; Gockel, Hinkel und Gackeleia Parallelismus: Blatt am Zweig, Zweig am Ast, Ast am Baum  Rekurrenz als künstlerisches Mittel Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić

Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić 1. Kohäsion Ellipse i. „Ich liebe dich!“ – „Ich dich auch!“ j. Asbest in Zollstocker Gesamtschule gefunden (Kölner Stadtanzeiger, 6.7.90:1) – Telegrammstil von Zeitungsüberschriften k. Franz bestellte zwei und der Kellner brachte vier Eier. oft strukturell bestimmbar, aber nicht immer ≠ Aufschwellung k. Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht. (Brecht, Haifischsong) l. Veni, vidi, vici. [Ausspruch Caesars über seinen Sieg bei Zela, 47 v. Chr.] (bildungsspr.): das war ein überaus rascher Erfolg; kaum angekommen, schon erfolgreich. m. Ich kam, sah und siegte. n. Mach auf! o. Gib her! Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić

Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić 1. Kohäsion Wortfolge p. LANGSAM SPIELENDE KINDER LANGSAM SPIELENDE KINDER Junktion (Konnektor, Konnektiv) q. Kahn kritisierte seinen Chef. Er wurde entlassen. temporal, kausal etc. Tempora Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić

Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić 2. Kohärenz Viele Autoren machen keinen Unterschied zwischen Kohäsion und Kohärenz. semantisch-kognitive Aspekte pragmatische Zusammenhänge zwischen Sprechakten Inhaltliche (d.h. kognitive) Zusammenhänge Sinnkontinuität Textwelt ist etwas „Kognitives“: Konzepte (Einheiten des Wissens) und Relationen Diskrepanz zwischen Konzept und Wissen, dann gibt es keine Sinnkontinuität. Der betreffende Text ist für den Rezipienten sinnlos. Relationen von Konzepten („Eigenschaft/Besitzer von ...“) r. Kochanweisung für Pilzsupppe Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić

Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić 3. Intentionalität gezieltes Handeln; Textrezipient unterstellt dem Texproduzenten, dass dieser einen kohäsiven und kohärenten Text produzieren will bezieht sich auf Vorgänge der Textproduktion und Textrezeption verwenderzentriert wird häufig (z.B. H. Vater) als Textualitätskriterium kritisiert; I. Ist nicht textspezifisch, sondern Voraussetzung jeglicher Kommunikation Textproduktion setzt als sprachliches Handeln Planung zwecks Situationslenkung voraus, Intentionalität  v o r  B e g i n n  der Textproduktion und  w ä h r e n d  der Realisierung, z. B. auch durch Korrekturen. "In einem weiteren Sinn des Wortes bezeichnet Intentionalität alle Mittel, die Textproduzenten verwenden, um ihre Intentionen im Text zu verfolgen und zu realisieren." (Beaugrande/ Dressler 1981: 122) Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić

4. Akzeptabilität und 5. Informativität auch verwenderzentriert wie 3. aus der Sprechakttheorie wird auch kritisiert, eher Voraussetzung als Kriterium Angemessenheit, Stil Informativität Ausmaß der Erwartetheit / Unerwartetheit oder Bekanntheit / Unbekanntheit / Ungewissheit sowie Wahrscheinlichkeit bzw. Unwahrscheinlichkeit der dargebotenen Textelemente s. Rufen Sie uns an, bevor Sie graben. Später kommen Sie vielleicht nicht mehr dazu. Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić

6. Situationalität und 7. Intertextualität Faktoren, die einen Text für eine Kommunikationssituation relevant machen. Zeit, Ort, Vorwissen, Weltwissen ... t. Morphologie-Vorlesung Intertextualität – Texte stehen mit anderen Texten in Verbindung Bezug auf die Textsorte - Texte mit typischen Mustern Bezug auf andere Texte Literatur, Werbung, Zeitungsüberschriften Anspielungen Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić

Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić Textinterne Kriterien: Kohäsion und Kohärenz Kommunikativ-pragmatische Prinzipien: Situationalität, Intentionalität, (adressatenbezogene) Informativität, (senderbezogene) Akzeptabiliät Textkonventionen: Textmuster, Textregularitäten, Textklassen hängen nicht vom Sender ab „Man hat davon auszugehen, dass Texte immer von jemandem für jemanden mit einer bestimmten Intention gemacht werden und dass das ‚Leben‘ der Texte davon abhängt, ob jemand sie als eine intentional und auf eine bestimmte Wirkung hin verfasste Mitteilung rezipiert und ihnen Sinn gibt. Andernfalls bleiben sie unabgeschlossene Entitäten.“ (Fix, Ulla: Text und Textlinguistik, in: Janich 2008, 25) Kulturalität als neues Kriterium? Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić

Text als prototypisches Konzept (SANDIG 2000:108)

Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić Beispieltexte Kochanweisung für eine Pilzsuppe Inhalt der Packung in ¾ Liter kochendes Wasser einrühren und aufwallen lassen. Bei geringer Wärmezufuhr 5 Minuten kochen und dabei gelegentlich umrühren. Bitte beachten: Reste der Pilzsuppe nicht wieder aufwärmen. Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić

Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić Beispieltexte aus: H. Vater 21994:46 Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić

Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić Beispieltexte II. Bericht eines Gastarbeiters Klein, nicht viel Schule1; heute hundert Prozent besser Spanien; mein Sohn, zehn Jahre, immer Schule2, alle Schule3 … heute vier Schule4 neu, mein Dorf, eine Schule5 vielleicht hundert Kinder. Analysieren Sie den Text unter den folgenden Gesichtspunkten: Pronominalisierung Ellipse Koreferenz von ‚Schule‘? Zeitverhältnisse Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić

Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić Beispieltexte aus: H. Vater 21994:48 Textlinguistik 2090/2010, Maja Matić

Chat-Beispiel 1 ***___Babsi (babsi@[...].snafu.de) has joined #berlin 2 <THC> *huch* oma? 3 <Lemmi> kass <--- guck nich so bloed 4 *** Placebo sets mode: +o ___Babsi 5 <__Babsi> naaaaaabend :) 6 <THC> moin babs :) 7 <kass> lemmi *stoss* 8 <oma_de> hallo THC und hai auch babsi :) 9 <Gronf> *kassauffress..schling* 10 <__Babsi> ooooooomaaaaaaaa :)) 11 <kass> lemmi 8btwzustoss* 12 <Lemmi> tach babsi, wie war die sonnenallee fete, biste mit mir 13 zusammengestossen? 14 <Gul_Maki> hoi babs 15 <Gronf> hi Babsilain :) 16 <__Babsi> oma: war nix mit gestern :(((( 17 <kass> gronf *kotz* 18 *** Engelchen (˜laura@[...].aol.com) has left #berlin (Engelchen) 19 <__Babsi> Hi Gronfi..biss ja auch da .) 20 *** Hoogey has quit IRC (Connection reset by peer) 21 <tooth> (( 22 *** toth (+Jozo@[...].hr) has left #berlin (tooth) 23 <THC> oma ist mnemo schon wieder da oder noch? *grins* 24 <kass> oma *halloele* 25 <Gronf> kass: hey.. reiher nich, wenn ich dir fresse :) 26 <__Babsi> lemmi: war kalt *bibber* 27 <Lemmi> kass <--- na sag mal, wenn das wer liest, ich mein dein ruf 28 ist ja schnurz, aber meiner ,))))))))))) 29 <kass> oma wie war die feia ? 30 <oma_de> babsi: hab ich gemerkt :) 31 <Gronf> __Babsi: aba latuernich :) 32 <Lemmi> __Babsi <-- gabs noch keinen gluehwein? 33 <Lemmi> rbw <-- noch am leben? 34 <oma_de> kass: nett und ausgiebig :) aus: Jens Runkehl/Peter Schlobinski/Torsten Siever, Sprache und Kommunikation im Internet, in: "Muttersprache", 2/1998

Literatur Gansel, Christina und Frank Jürgens (2002/22007): Textlinguistik und Textgrammatik, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2002; 2. überarb. u. ergänzte Aufl. Göttingen: Vandenhoeck&Ruprecht. Linke, Angelika, Nussbaumer, Markus u. Paul R. Portmann (1994): Studienbuch Linguistik, Tübingen: Max Niemeyer Verlag. Vater,  Heinz  (32001):  Einführung  in  die  Textlinguistik. Struktur und Verstehen von Texten.  München: Fink (UTB).