Sitzung: Verwandtschaft und Deszendenz

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15.12.2004 18. Sitzung: Verwandtschaft und Deszendenz Institut für Völkerkunde, Universität zu Köln Einführungsseminar WS 2004/05 Lioba Lenhart 15.12.2004 18. Sitzung: Verwandtschaft und Deszendenz

Peoples & Bailey, Kapitel 10: „Kinship and Descent “* Themen: (1) Verwandtschaft im interkulturellen Vergleich (2) Verwandtschaftsdiagramme (3) Verwandtschaft und Deszendenz (4) Bilaterale Verwandtschaft (5) Verwandtschaft und andere kulturelle Bereiche (6) Verwandtschaftsterminologien ___ * Ergänzende Literatur: Fischer, Hans 1996: Lehrbuch der genealogischen Methode. Berlin: Reimer. Vivelo, Frank Robert 1981: Handbuch der Kulturanthropologie. Stuttgart: Klett-Cotta (darin: Kapitel 12) 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

(1) Verwandtschaft im interkulturellen Vergleich Zur Erinnerung ( vgl. Sitzung vom 13.12.2004): Verwandtschaft (kinship) ist in allen menschlichen Gesellschaften bedeutsam. Die Bestimmung von Verwandtschaftsbeziehungen (kinship ties oder kin ties) ist kulturell geprägt, obschon sie biologischen Gegebenheiten (Abstammung aufgrund von Geburt) Rechnung trägt. Verwandtschaftskategorien, -bezeichnungen und dem zugrunde liegende Normen/Verhaltensstandards variieren interkulturell stark. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Bedeutung von Verwandtschaft im interkulturellen Vergleich In vielen Gesellschaften spielen Verwandtschaftsbeziehungen eine sehr viel bedeutendere Rolle als in unserer Gesellschaft: Verwandte sind in vielen Gesellschaften die mit Abstand wich-tigste soziale Gruppe, mit deren Mitgliedern man die bedeutenden Ereignisse des sozialen Lebens teilt (Wohnen, Arbeiten, Essen, Beten usw.). In unserer Gesellschaft sind neben Verwandten andere soziale Gruppen (z.B. Freunde/Freundinnen, Arbeitskolleg/innen, Kommi-liton/innen) von Bedeutung und mitunter sogar wichtiger. Die Mitgliedschaft in den nicht durch Verwandtschaft bestimmten Gruppen ist freiwillig; meist kennen sich die Mitglieder der unterschiedlichen Gruppen, mit denen eine Person interagiert, nicht. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

… Bedeutung von Verwandtschaft im interkulturellen Vergleich In den meisten nicht-westlichen, nicht-industrialisierten Gesellschaften (im Vergleich zu westlichen, industrialisierten Gesellschaften) wird meist eine sehr viel größere Zahl von unterschiedlichen Verwandtschaftsgraden geltend gemacht, regeln Verwandtschaftsbeziehungen häufig große Teile des wirtschaftlichen, sozialen, politischen und religiösen Lebens (sind mitunter absolut bestimmend), sind Verwandtschaftsbeziehungen folglich multifunktional. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Verwandtschaftsdiagramme Notierungssymbole: Zur Konstruktion von Verwandtschaftsdiagrammen werden folgende Grundsymbole benützt: Deszendenz (d.h. die Abstammungsbeziehung, wie z.B. von Eltern zu Kindern: vertikale Linie Kodeszendenz (d.h. die gemeinsame Abstammung, wie im Falle von Geschwis- tern: horizontale Linie mit nach unten gehenden vertikalen Linien Ehe: entweder durch eine horizontale Linie mit nach oben gehenden vertikalen Linien; oder durch ein Gleichheitszeichen geschiedene Ehe: durchgestrichene horizontale Linie bzw. durchgestrichenes Gleichheitszeichen männliche Person: Dreieck weibliche Person: Kreis Person, deren Geschlecht nicht spezifiziert ist: Quadrat verstorbene Personen: durchgestrichenes Dreieck bzw. durchgestrichener Kreis bzw. durchgestrichenes Qua- drat Person, die Bezugspunkt der Betrachtung ist – EGO: wenn das Geschlecht keine Rolle spielt: Quadrat + „EGO“; wenn das Geschlecht be- kannt ist und eine Rolle spielt: ausgefülltes Dreieck bzw. ausgefüllter Kreis EGO 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Alternative Weisen der Darstellung eines verheirateten Paares mit Kindern 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Alternative Weisen der Darstellung einer Scheidung (Mann) und Wiederheirat 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Übung: Nehmen Sie ein Blatt Papier und zeichnen Sie eine Kernfamilie mit sechs Kindern (2 Jungen, 4 Mädchen);  die Mutter ist geschieden und nun ein zweites Mal verheiratet, die erste Ehe blieb kinderlos;  nun hat sie eine Tochter, dann einen Sohn, drei weitere Töchter und noch einen Sohn geboren; der erste Sohn ist verstorben. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

… Übung: Kernfamilie mit sechs Kindern (2 Jungen, 4 Mädchen);  die Mutter ist geschieden und nun ein zweites Mal verheiratet, die erste Ehe blieb kinderlos;  nun hat sie eine Tochter, dann einen Sohn, drei weitere Töchter und noch einen Sohn geboren; der erste Sohn ist verstorben. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Methodisches Vorgehen bei der Erhebung von Genealogien Erfassen der Anzahl der Generationen: ausgehend von einem EGO werden männliche und weibliche Vorfahren und Nachfahren in gerader Linie erfasst, bis man an die Grenzen der Erkenntnis stößt; Erfassen der primären genealogischen Beziehungen: zu allen auf diese Weise zusätzlich zu EGO erfassten Personen werden die so genannten primären genealogischen Beziehungen erfragt – dies betr. Eltern, Kinder, Geschwister, Ehepartner. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Beispiel: Verwandtschaftsdiagramm/vier Generationen umfassende Genealogie 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Abkürzungen, um genealogische Positionen zu bezeichnen Englisch: father: F oder Fa mother: M oder Mo brother: B oder Br sister: Z oder Si daughter: D oder Da son: S oder So husband: H oder Hu wife: W oder Wi child: C oder Ch  Beziehungen werden durch Reihung der Abkürzungen wiedergegeben (von Ego aus-gehend), Bsp.e: MB, MoBr = Egos Onkel mütter-licherseits, ZH, SiHu = Ehemann der Schwester von Ego. Deutsch: Vater: Va Mutter: Mu Bruder: Br Schwester: Sw Tochter: To Sohn: So Ehemann: Ma Ehefrau: Fr Kind: Ki Beziehungen werden durch Reihung der Abkürzungen wiedergegeben (von Ego aus- gehend), Bsp.e: MuBr = Egos Onkel mütter-licherseits, SwMa = Ehemann der Schwester von Ego. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

… Abkürzungen, um genealogische Positionen zu bezeichnen Ältere und jüngere Geschwister: werden im Englischen durch „e“ und „y“, im Deutschen durch „ä“ und „j“ bezeichnet, Bsp.e: eB, eBr = elder brother --- äBr = älterer Bruder, yZ, ySi = younger sister --- jSw = jüngere Schwester. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

… Abkürzungen, um genealogische Positionen zu bezeichnen Gründe für die Verwendung dieser Abkürzungen: Manche Verwandtschaftssysteme sind um einiges komplizierter als unser eigenes. Zudem sind Verwandtschaftsbeziehungen mitunter komplexer als unsere. Wir verzerren unser Verständnis, wenn wir versuchen, andere Systeme in unser eigenes zu übersetzen. Ethnolog/innen wollen diese Systeme aus emischer Perspektive erschließen. Bsp.: Wenn wir herausfinden, dass die passende Heiratspartnerin für einen männlichen australischen Aborigine die Tochter der Tochter des Bru- ders der Mutter seiner Mutter ist, dann ist es wesentlich präziser und einfacher, dies nicht auf diese Art und Weise zu beschreiben, sondern mit MuMuBrToTo (MuttersMuttersBrudersTochtersTochter) zu bezeich- nen. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

(3) Verwandtschaft und Deszendenz Zur Erinnerung ( vgl. Sitzung vom 13.12.2004): Verwandtschafts- gruppe Eine Verwandtschaftsgruppe (kin group) ist eine Gruppe von Menschen, die sich kulturell als Verwandte (relatives, kin) betrachten/kulturell als solche betrachtet werden, im Zusammenhang mit bestimmten Aktivitäten kooperieren und eine gemeinsame Identität als Verwandtschaft / das Bewusstsein und Gefühl der Zugehörigkeit zur Verwandtschaft (kinfolk) teilen. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Konsanguinalverwandte und Affinalverwandte Zur Erinnerung ( vgl. Sitzung vom 13.12.2004): Konsanguinal- verwandte und Affinalverwandte Verwandte (relatives, kin) unterteilen sich in konsanguinale Verwandte oder Blutsverwandte  sind durch Geburt miteinander verbunden; affinale Verwandte oder angeheiratete Verwandte  sind durch Heirat miteinander verbunden. Konsanguinalverwandte unterteilen sich in lineale Verwandte  in direkter Abstammungsbeziehung zu einem Ego stehend (Kinder, Eltern, Enkel, Großeltern etc.); kollaterale Verwandte  nicht in direkter Abstammungs-beziehung zu einem Ego stehend, „Seitenverwandte“ (Geschwister, Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen, Neffen und Nichten etc.). 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Deszendenz, Deszendenzgruppe, Deszendenzregeln  Abstammung: eine Folge von genealogischen Bindegliedern, die eine Person mit deren Vorfahren verbindet. Deszendenzgruppe: eine Gruppe, die auf der Grundlage der gemeinsamen Abstammung ihrer Mitglieder von einem gemeinsamen Vorfahren/einem gemein-samen Ahnenpaar, organisiert ist. Deszendenzregeln:  legen kulturell fest, wer mit wem aufgrund von Abstammung als verwandt gilt. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

… Deszendenzregeln Würde man Verwandtschaft strikt biologisch definieren, dann wären alle Personen miteinander verwandt, die einen gemeinsamen Vorfahren haben. Verwandtschaft ist aber nicht nur ein biologisches Ereignis, sondern auch ein kulturelles Konstrukt: wer als verwandt klassifiziert wird, variiert interkulturell sehr stark. Abstammung wird in unterschiedlichen Gesellschaften unter Heraus-stellen von verschiedenen Arten von Verwandtschaftsbeziehungen festgemacht. Formen der Deszendenz sind: unilineale Deszendenz: matrileneale und patrilineale Deszendenz, kognatische Deszendenz. bilaterale Verwandtschaft. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Unilineale Deszendenz Unilineale Deszendenz (unilineal descent) Verwandtschaftsbeziehungen werden nur über eines von beiden Geschlechtern oder eine Linie abgeleitet; patrilineale Deszendenz (patrilineal descent)  Form der unilinealen Deszendenz, die (von Männern und Frauen!) nur über Männer (Vater von EGO und dessen Vorfahren) abgeleitet wird; matrilineale Deszendenz (matrilineal descent)  Form der unilinealen Deszendenz, die (von Männern und Frauen!) nur über Frauen (Mutter von EGO und deren Vorfahren) abgeleitet wird. Patrilineale Deszendenz ist ungefähr dreimal so häufig wie matrilineale Deszendenz. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Parallelcousinen/-cousins und Kreuzcousinen/-cousins In unilinealen Deszendenzsystemen sind bestimme Cousinen und Cousins wichtiger als andere; in dem Zusammenhang werden zwei Grundtypen von Cousins/Cousinen unterschieden: Parallelcousine/Parallelcousin, Kreuzcousine/Kreuzcousin. Parallelcousine/Parallelcousin: Personen, die Kinder von Geschwistern desselben Geschlechts sind (VaBrKi: VaBrSo, VaBrTo sowie MuSwKi: MuSwSo, MuSwTo); Kreuzcousine/Kreuzcousin:  Personen, die Kinder von Geschwistern entgegengesetzten Geschlechts sind (VaSwKi: VaSwSo, VaSwTo sowie MuBrKi: MuBrSo, MuBrTo). Zur exakteren Bezeichnung der betreffenden Personen kann man deren kollaterale Verwandtschaftsbeziehung terminologisch spezifizieren, also Patrilateralität bzw. Matrilateralität differenzieren: z.B. matrilaterale Parallelcousine (= MuSwTo), z.B. patrilateraler Kreuzcousin (= VaSwSo). 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

… Parallelcousinen/-cousins und Kreuzcousinen/-cousins In Bezug auf unilineale Deszendenzgruppen ist die Unterscheidung in Parallel- und Kreuzcousinen/-cousins aus folgenden Gründen wichtig: Parallelcousinen/-cousins: in patrilinealen Gesellschaften gehören patrilaterale Parallelcousinen/-cousins zu EGOs Deszendenzgruppe, in matrilinealen Gesellschaften gehören matrilaterale Parallelcousinen/-cousins zu EGOs Deszendenzgruppe. Kreuzcousinen/-cousins: gehören nie zur unilinealen Deszendenzgruppe von EGO, sie können aber ev. bevorzugte Ehepartner sein. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Typen von unilinealen Deszendenzgruppen Dezendenzgruppen lassen sich untergliedern in unilineal erweiterte Familien, Lineages, Clans. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Unilineal erweiterte Familien Die Zusammensetzung der Gruppe und die Interaktion und Kooperation der Mitglieder beruht auf der Abstammung von einem gemeinsamen Vorfahren, der nur etwa drei bis vier Generationen zuvor gelebt hat. Manchmal bildet eine solche Gruppe einen gemeinsamen Haushalt. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Lineage Eine Lineage besteht aus mehreren unilineal erweiterten Familien, die alle einen bekannten gemeinsamen Vorfahren haben. Die Mitglieder einer Lineage sind in der Lage anzugeben, auf welche Art und Weise sie miteinander verwandt sind; sie können ihre Abstam-mung vom gemeinsamen Ahnen lückenlos herleiten. Im Falle von patrilinealer Herleitung der Abstammung spricht man von Patrilineages, im Falle von matrilinealer Herleitung der Abstammung spricht man von Matrilineages. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Clan Ein Clan ist eine Deszendenzgruppe, die sich auf einen gemeinsamen Ahnen bezieht. Die Mitglieder dieser Gruppe können ihre Abstammung jedoch nicht (mehr) lückenlos herleiten, da dieser Vorfahre vor sehr langer Zeit gelebt hat. Im Falle von patrilinealer Herleitung der Abstammung spricht man von Patriclans, im Falle von matrilinealer Herleitung der Abstammung spricht man von Matriclans. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Lineage und Clan: weitere Merkmale Lineages und Clans sind fast immer exogam; es gibt häufig gemeinsamen Besitz von Gütern und Land. Lineages und Clans sind mitunter verschachtelt: Clans sind fast immer in Lineages unterteilt, Lineages müssen aber nicht unbedingt zu Clans zusammen-gefasst sein. Eine segmentärer Organisation ist dann gegeben, wenn soziale Einheiten in Einheiten immer kleineren Maßstabs unterteilt (segmentiert) sind – oder anders ausgedrückt: wenn sich soziale Einheiten zu immer größeren, inklusiven Einheiten zusammen-setzen (z.B. Haushalte zu Lineages, Lineages zu Clans). 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

… Lineage und Clan: weitere Merkmale Clans haben oft ein Totem und einen Namen: der Clan wird von dessen Mitgliedern mit einem bestimmten Wesen aus der Natur – oft eine Pflanze, ein Tier, eine Naturerscheinung (dem so genannten Totem) – und mit bestimmten, mit diesem Wesen nach Auffassung der Clanmitglieder verbundenen, über-natürlichen Fähigkeiten assoziiert; dieses Wesen wird mitunter selbst als der Ahne des Clans betrachtet oder man nimmt an, dass es in irgendeiner Weise eng mit seinem menschlichen Gründer verbunden gewesen ist. Der Clan wird dann nach dem Totem benannt (z.B. Bärenclan, Sonnenclan). 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Weitere Formen der unilinealen Deszendenz Gelegentlich vorkommende Formen der unilinealen Deszendenz sind: ambilineale Deszendenz (ambilineal descent), auch: optative Deszendenz, doppelte Deszendenz (double descent), auch: duolineale, bilineale und doppelt unilineale Deszendenz. Ambilineale Deszendenz (ambilineal descent), auch: optative Deszendenz :  EGO hat die Wahl, Deszendenz entweder patrilineal/über die Vaterlinie oder matrilineal/über die Mutterlinie abzuleiten, die Entscheidung ist dann aber nicht mehr revidierbar; 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

… weitere Formen der unilinealen Deszendenz Doppelte Deszendenz (double descent), auch: duolineale, bilineale und doppelt unilineale Deszendenz:  Form der Deszendenz, die Prinzipien der patrilinealen und der matrilinealen Deszendenz miteinander kombiniet: EGO leitet seine Deszendenz über die väterliche Linie ab - der Vater ist das ver- wandtschaftliche Bindeglied zwischen EGO und seinen unilinealen männlichen Vorfahren (Va, VaVa, VaVaVa usw.); und es leitet seine Deszendenz zugleich auch über die mütterliche Linie ab - die Mutter ist das verwandtschaftliche Bindeglied zwischen EGO und seinen unilinealen weiblichen Vorfahren (Mu, MuMu, MuMuMu usw.); bestimmte Rechte, Pflichten, Güter, Zugehörigkeiten etc. werden über die Vaterlinie, andere über die Mutterlinie vererbt. Bsp.: Ashanti, Ghana: Vererbung von Land über die Mutterlinie, Ver- erbung ritueller Rechte und Pflichten über die Vaterlinie. Ambilineale und doppelte Deszendenz sind insofern eine Form der uni-linealen Deszendenz, dass sie eine eindeutige Festlegung der Zuge- hörigkeit zu einer Linie bzw. zu beiden Linien erfordern. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Matrilinealität und Avunkulokalität Viele matrilineale Deszendenzgruppen sind auch matrilokal (ein Paar lebt bei der Mutter der Ehefrau, Bsp.: Hopi). Noch häufiger ist die avunkulokale Residenz (ein Paar lebt beim Mutter-bruder/Onkel des Ehemannes). Zusammenhang zwischen Matrilinealität und avunkulokaler Residenz: Matrilinealität bedeutet niemals Matriarchat! Auch in matrilinealen Gesellschaften kontrollieren fast immer Männer die Ressourcen, treffen wichtige Entscheidungen, haben politischen Einfluss usw. Diese haben folglich ein Interesse an der Lokalisierung der männlichen Verwandten der Matrilinie, zu der sie gehören: Einer der einflussreichsten Männer in einer matrilinealen Gesellschaft ist der Lineage-Älteste, der in einer besonderen sozialen Beziehung (inkl. Ver-erbungsbeziehung) zu den Kindern seiner Schwester und insbesondere deren Söhnen steht, die in seiner Nähe wohnen; denn seine eigenen Kinder/Söhne leben ja bei dem Bruder seiner Frau. Für die anderen Männer der Matrilinie gilt Vergleichbares. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Kognatische Deszendenz Kognatische Deszendenz (cognatic descent), auch: nichtunilineale Deszendenz:  Ego kann seine Zugehörigkeit zu mehreren Deszendenz- gruppen nach Präferenz und Vorlieben wählen: Ego kann die Zugehörigkeit zu jeder Deszendenzgruppe beanspruchen, von deren Ahnen es in irgendeiner Form abstammt - ganz gleich ob über die Vaterlinie oder über die Mutterlinie oder über eine Kombination beider Linien; es gibt so viele Deszendenzgruppen, wie es Ahnenpaare gibt, von denen jedoch meist nur eine begrenzte Zahl für Ego wichtig ist; Ego unterhält nur zu einem Teil aller Deszendenzgruppen, zu denen es Zugehörigkeit beansprucht, tatsächlich Beziehungen - dies sind aber meist mehrere Deszendenzgruppen (Überlappung der Zugehörigkeiten). Diese Form der Deszendenz ist häufig in Polynesien (z. B. Samoa) anzu-treffen. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

(4) Bilaterale Verwandtschaft Bilaterale Verwandtschaft (bilateral kinship)  Verwandtschaftsbeziehungen werden sowohl über die mütterliche als auch über die väterliche Linie bestimmt; Vaterlinie und Mutter-linie sind gleich wichtig. im Gegensatz zu ambilinealer, doppelter und kognatischer Deszendenz werden keine Deszendenzgruppen gebildet; da der Bezug auf gemeinsame Ahnen fehlt, ist bilaterale Verwandt-schaft nicht ahnenzentriert (ancestor-focused); stattdessen ist sie egozentriert (ego-focused): der Kreis der Ver-wandten ist für jedes Ego unterschiedlich. Der Kreis dieser Verwandten/die für Ego relevante Verwandt-schaftsgruppe wird kindred genannt (keine deutsche Übersetz-ung): zur kindred gehören alle Personen, die Ego als mit sich ver-wandt wahrnimmt. nur Vollgeschwister haben (vor der Ehe) die gleiche kindred. Das moderne deutsche Verwandtschaftssystem beruht auf bilateraler Verwandtschaft. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

(5) Verwandtschaft und andere kul- turelle Bereiche Die Existenz bestimmter Verwandtschaftssysteme steht in (losem, nicht deterministischem!) Zusammenhang mit anderen kulturelle Bereichen: Jäger und Sammler: häufig bilateral oder kognatisch (ca. 60%)  diese Deszendenzform erhöht ihre Möglichkeiten, sich neuen Bands anzuschließen. Garten- und Feldbauern: häufig matrilineal  dies erleichtert es den einen großen Subsistenzbeitrag leistenden Frauen, nach der Heirat weiterhin zu kooperieren. Pastoralnomaden: häufig patrilineal (75%)  dies erleichtert es den für die Herden zuständigen Verwandten, diese auch nach der Heirat zusammen zu halten und weiterhin miteinander zu kooperieren. Gruppen mit interner Kriegführung: häufig patrilineal  dies ermöglicht es den mit der Kriegführung beschäftigten Männern, auch nach der Heirat weiterhin zu kooperieren und nicht gegeneinander kämpfen zu müssen. Gruppen, in denen Männer Fernhandel betreiben: häufig matrilinal  dies erleichtert es den Zuhause ihren Subsistenzbeitrag leistenden Frauen zu kooperieren. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Verwandtschaft und andere kulturelle Bereiche: allgemeine Tendenzen In Gesellschaften, in denen produktives Eigentum in erheblichem Umfang vererbt wird, ist kognatische Deszendenz oder Bilateralität weniger günstig als Unilinealität, da diese im Gegensatz zu den zuerst genannten Formen dazu beiträgt, dass das Erbe nicht fragmentiert wird. In Gesellschaften, in denen das Erbe weniger wichtig ist, begünstigen kognatische Deszendenz und Bilateralität die Etablierung einer großen Zahl von sozialen Beziehungen. Auch die deutsche Gesellschaft kam erst nach dem Übergang zur Lohnarbeit als wesentlicher Einkommensquelle für Männer wie Frauen dazu, wirklich bilateral zu werden. Zuvor gab es eindeutige patrilineale Tendenzen – ein Beispiel hierfür ist das Familien- und Namensrecht. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

(6) Verwandtschaftsterminologien Nicht nur die Verwandtschaftssysteme, sondern auch die Verwandt-schaftstermini (kinship terms oder kin terms) unterscheiden sich je nach Kultur. In keinem Fall ist es so, dass alle möglichen/gegebenen Verwandt- schaftsbeziehungen terminologisch unterschieden werden; vielmehr werden spezifische Beziehungen auf die eine oder andere Art zusammengefasst. Bsp.: Deutsches Verwandtschaftssystem: VaBr, MuBr, VaSwMa und MuSwMa werden alle als „Onkel“ bezeichnet; und auch Kreuz- und Parallelcousins und –cousinen werden terminologisch nicht differenziert. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Logik der Konstruktion von Verwandtschaftstermini Wichtige Kriterien der Konstruktion von Verwandtschaftstermini sind (können/müssen nicht immer eine Rolle spielen): Reziprozitätserfordernis, jeder Terminus hat einen reziproken Terminus/Gegenterminus – Bsp.: Onkel/Neffe; Differenzierung von Geschlecht – Bsp.: Onkel  Tante; Differenzierung von Generationen – Bsp.: Onkel  Vetter; Differenzierung von Lineal- vs. Kollateralverwandten – Bsp.: Vater  Onkel. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Die fünf wichtigsten Verwandtschaftsterminologien Die fünf wichtigsten Verwandtschaftsterminologien sind: Eskimo, Hawaiian, Iroquois, Omaha, Crow. Diese Terminologien sind nach Ethnien benannt, in denen sie (auch) vorkommen; jede von diesen ist aber darüber hinaus verbreitet. Unsere Verwandtschaftsterminologie entspricht der der Eskimo. Einige dieser Terminologien sind sehr einfach zu verstehen, andere hingegen schwierig! 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Eskimo, Hawaiian Eskimo: berücksichtigt werden nur das Geschlecht und die Generation, nicht aber die Seiten  gleiche Termini für Cousins/Cousinen, Tanten und Onkel mütterlicher- und väterlicherseits. Hawaiian: ist das einfachste System mit den wenigsten Termini: wie Eskimo, aber mit der Vereinfachung, dass alle Frauen von EGOs eigener Generation seine „Schwestern“ und alle Männer von EGOs eigener Generation seine „Brüder“ sind; Vergleichbares gilt für EGOs Elterngene-ration (Frauen – „Mütter“, Männer – „Väter“). 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Iroquois, Omaha, Crow Iroquois: EGOs Vaterbrüder und Mutterschwestern werden wie Vater und Mutter bezeichnet, Parallelcousinen und –cousins wie Geschwister, Vaterschwestern und Mutterbrüder als „Tante“ bzw. „Onkel“; Kreuzcousinen und –cousins als „Cousin/e“. Omaha: Angehörige der Patrilineage von EGO werden nach Generation und Geschlecht unterschieden, Angehörige der Patrilineage der Mutter von EGO nur nach Geschlecht. Crow: Angehörige der Matrilineage von EGO werden nach Generation und Geschlecht unterschieden, Angehörige der Matrilineage des Vaters von EGO nur nach Geschlecht. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Differenzierende vs. nicht-differenzierende Termini Bsp.e: Parallel- vs. Kreuzverwandte: werden im deutschen System ignoriert (VaBrTo und VaSwTo sind beide „Cousinen“), sind im Iroquois-System jedoch wichtig; Lateralität: wird im deutschen System ignoriert (Verwandte der Vater- und der Mutterlinie werden gleich bezeichnet), sind im Omaha-System jedoch wichtig; konsanguinale vs. affinale Beziehung: wird im deutschen System zum Teil ignoriert (VaBr und VaSwMa sind beide „Onkel“), zum Teil nicht ignoriert (der Ehemann der Kusine ist kein „Cousin“); Geschlecht von Ego: wird im deutschen System ignoriert, ist im Omaha-System aber wichtig; Geburtsfolge: wird im deutschen System ignoriert, ist in südosta-siatischen und osttasiatischenTerminologien aber von Bedeutung (Bsp. Malaien – älterer Bruder abang, jüngerer Bruder adik; Japan – älterer Bruder ani, jüngerer Bruder otôto). 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Typen von Verwandtschaftsterminologien Verwandtschaftsterminologien stehen oft im Zusammenhang mit sonstigen Verwandtschafts- und Deszendenzprinzipien: z. B. werden bei unilinealer Deszendenz oft Parallel- von Kreuzverwandten terminologisch unterschieden oder die weniger wichtige Linie (z. B. die Mutterlinie in patrilinealen Gesellschaften) wird terminologisch weniger genau unterschieden, so z. B. Omaha-System in patrilinealen Gesellschaften: bei Angehörigen der Patrilineage der Mutter wird terminologisch nur das Geschlecht, nicht aber die Generation unterschieden Aber wiederum gilt: kein deterministischer Zusammenhang! 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Adoption und rituelle Verwandtschaft In vielen Gesellschaften gibt es die Möglichkeit, den Wechselfällen der natürlichen Abstammung mittels Adoption (adoption) nachzuhelfen z. B. ist in Japan bis heute die Adoption von Schwiegersöhnen (muko-yôshi) sehr verbreitet: wenn es keine Söhne gibt, übernehmen diese den Nachnamen und führen das „Haus“ (d. h. die Abstammungslinie) weiter; dies stärkt dann oft die Position ihrer Frau, d. h. der Tochter des Hauses. In den meisten Gesellschaften gibt es rituelle Verwandtschaft (ritual kinship), d. h. institutionalisierte Beziehungen, die auf andere Weise als über Abstammung oder Heirat gebildet, aber trotzdem als verwandt betrachtet werden, z. B. Patenschaft: Bezeichnungen wie Gevatter, Patenonkel oder compadre („Mit-Vater“) betonen das Verwandtschaftselement. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Verwandtschaftsethnologie heute Peoples und Bailey konzentrieren sich sehr stark auf die Darstellung von Verwandtschaftssysteme und –terminologien und auf die Fachtermini; dies ist zum Teil ein Lehrbucherfordernis und entspricht zudem zum Teil dem „klassischen“ Herangehen der Ethnologie an Verwandtschaft. Die heutige Ethnologie setzt aber durchaus auch andere Schwer-punkte. 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

… Verwandtschaftsethnologie heute Die heutige Ethnologie ist (auch) an gelebter Verwandtschaft interessiert; wie geht man z. B. mit der gesellschaftlichen Erwartung um, die matrilaterale Kreuzcousine zu heiraten, wenn man sie nicht leiden kann? sowie an anderen Beziehungsarten, die in vielen Gesellschaften ebenfalls eine große Rolle spielen, z.B. Freundschaft, soziale Netzwerke, Patronage (patronage), d. h. Verhältnis zwischen einem wirtschaftlich/sozial/vom Alter her überlegenen Patron (patron) und seinem Klienten (client), das als Austausch von Protektion gegen Loyalität interpretiert werden kann; gemeinsame Zugehörigkeit zu Firmen, Vereinen, Organisationen, religiösen Gruppierungen etc.; gemeinsame Zugehörigkeit zu Altersklassen (age sets). 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz

Zur nächsten Stunde Kapitel 11 des Lehr- buchs (Seiten 208-233) lesen !  „Gender in Comparative Perspective “ 15.12.2004 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Verwandtschaft und Deszendenz