Heil und Unheil in der verbindlichen Gemeinschaft Das Wesen der Sekten Heil und Unheil in der verbindlichen Gemeinschaft

Fragwürdigkeit des Begriffs "Sekte" Damit in einer multikulturellen, säkularisierten Gesellschaft der Staat handlungsfähig wird, müssen wir von dem Begriff "Sekte" herunterkommen. Denn dieser übernommene Kampfbegriff der Kirchen assoziiert Religion. Und die freie Religionsausübung ist durch das Gesetz garantiert. Das privilegiert jede Gemeinschaft, die für sich in Anspruch nimmt, religiös zu sein, und baut eine hohe Barriere für staatliche Eingriffe. Jürgen Keltsch, Richter, München in: "Die Zeit", 14.10.94

Der Begriff “Sekte” secta Schule, Lehre, Partei Verb: sequi = nachfolgen Von etwas so ergriffen und überzeugt sein, dass es nichts anderes mehr gibt, das gleich wertvoll wäre secare trennen, abschneiden etymologisch zwar nicht korrekt, aber doch prägend für das umgangs- sprachliche Verständnis Sich aus einer grösseren Gruppe herauslösen und einen eigenen Weg gehen Der Begriff Sekte Der Begriff Sekte vermag nur schlecht auszudrücken, um was es bei der Problematik geht, wenn man von Sekten spricht, nämlich Abhängigkeit, Suchtverhalten und Engführung. Im heutigen Sprachgebrauch sprechen wir deshalb weniger von Sekten (bezogen auf eine bestimmte Gruppe), als vielmehr von sektiererischem Verhalten oder engführenden Elementen innerhalb einer Gruppe oder einer Lehre. Die klassische Bedeutung, welche noch heute im Sprachgebrauch der östlichen Religionsgemeinschaften durchaus so zu verstehen ist, bezeichnet einen bestimmten Traditionsstrom innerhalb einer Religionsgemeinschaft als “Sekte”. Die Mitglieder einer bestimmten Gruppe folgen einer bestimmten Tradition und Lehre, einer konkreten Ausprägung von Religion. Es wird damit ausgedrückt, dass die Teilnehmer dieser Gruppe ihren Glauben bewusst leben und ihren Glaubensidealen nachfolgen. Auch die zweite Bedeutung, welche sich immer wieder findet, kann durchaus wertneutral gebraucht werden. Im Sinne der Loslösung und des Gehens eines eigenen Weges ist das Christentum eine jüdische “Sekte”, die kath. Kirche eine “Sekte” der Orthodoxie, die ref. Kirche eine “Sekte” aus der Kath. Kirche usw. Dies entspricht einer entwicklungspsychologische Grundaussage: Der Mensch muss die vertraute Umgebung, sein Elternhaus, seine Heimat, verlassen, sich auf den Weg machen und seinen eigenen Weg gehen, seine eigene neue “Sekte” gründen. Diese Dynamik wird schon im AT in der Abrahamsgeschichte beschrieben (...ziehe aus aus deines Vaters Hause, in das Land, das ich dir zeigen werde!). Hier wird auch deutlich, dass biblisches Verständnis nicht ein Ideal oder eine Vollkommenheit beschreibt (vgl. Anspruch vieler Gruppen!), sondern das Wagnis des Vertrauens im Unterwegssein meint und in diesem Prozess der Ablösung Selbstfindung und Wachstumspotential beschreibt.