Merkmale moderner Lyrik
AUSGANGSPUNKTE: - Erfahrung der Realität als komplex und kaum noch durchschaubar - Erfahrung der Inkongruenz zwischen Sprache und Realität - Verbrauchtheit konventioneller lyrischer Formen, lyrischer Sprachbilder
BEMÜHEN UM NEUE SPRACHFORMEN 1. Verzicht auf festes Metrum, Reim, Strophe 2. Entzauberung, Desillusionierung, Verfremdung verbrauchter Bilder, lyrischer Topoi, Veränderung der Struktur der Sprachbilder ° Neue Bildersprache: Zusammenstellung verschiedener Bildbereiche (Metaphern - Verschränkung, Metaphern - Verflechtung) ° Verbindung von konkreten mit abstrakten Elementen („ein letztes Gehöft von Gefühl“) ° Verbindung von paradoxen Elementen (Oxymoron: "schwarze Milch der Frühe, wir trinken dich ....") ° Chiffrierung - Lösung aus der Beziehung zur Außenwelt - die dichterische Welt scheint nur mit sich Selbst identisch (l‘ art pour l‘ art) - Hermetismus (Verschlüsselung, Verschließung)
3. Verwendung „unlyrischer“ Sprachelemente: Fachsprache, Alltagssprache, Neologismen 4. Reduktion, Verknappung, Schrumpfung a) in der Semantik (Verkürzung auf Stamm - Morpheme, Neologismen) b) in der Syntax (Disproportionen, Satzbrüche, Satzfragmente) =>mit einem Minimum an Sprachmaterial ein Maximum an Wirkung erzielen 5. Evokatives Äquivalent ° Mehrdimensionalität des Gesagten
Schöne Jugend – Gottfred Benn Der Mund eines Mädchens sah so angeknabbert aus. Als man die Brust aufbrach, war die Speiseröhre so löcherig. Schließlich in einer Laube unter dem Zwerchfell fand man ein Nest von jungen Ratten. Ein kleines Schwesterchen lag tot. Die andern lebten von Leber und Niere, tranken das kalte Blut und hatten hier eine schöne Jugend verlebt. Und schön und schnell kam auch ihr Tod: Man warf sie allesamt ins Wasser. Ach, wie die kleinen Schnauzen quietschten!