Zur Fälligkeit der Versicherungsleistung nach dem neuen VVG

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 Präsentation transkript:

Zur Fälligkeit der Versicherungsleistung nach dem neuen VVG 15. EUROFORUM Jahrestagung Haftpflicht

Gliederung (nach Kneist): Einleitung Relevanz des Themas B. Unterschiede der Rechtslage betreffend die Feststellung des Anspruchs I. früheres VVG II. neues VVG C. Auswirkungen auf I. Inanspruchnahme des VR direkt durch Geschädigten (§ 115 VG) II. Inanspruchnahme des VR durch Geschädigten nach Abtretung III. Inanspruchnahme des VR durch VN (bzw. durch Geschädigten nach Pfändung) D. Fazit

Neuigkeiten Problemstellung: Wegfall des Anerkenntnisverbots und Wegfall des Abtretungsverbots führen zu neuen Problemstellungen bei bei der Geltendmachung des kombinierten Haftpflicht- und Deckungsanspruchs in der Hand des geschädigten Dritten und der Fälligkeitsregelung § 106 VVG

Vor der Reform Lage nach altem Recht: siehe Kneist

Nach der Reform Lage nach neuem Recht (nach Kneist): Es wird häufiger zu Anerkenntnis oder Vergleich führen, weil die Sanktion der Leistungsfreiheit weggefallen ist. Der VR wird häufiger unmittelbar Prozesspartei schon zur Haftungsfrage (vor allem nach Abtretung des Freistellungsanspruchs)

Direktklage in der Pflichtversicherung Nichts nennenswert Neues.

Vereinigung von Deckung und Haftung Klage des geschädigten Dritten nach Abtretung: Klage betrifft Haftung und Deckung! Freistellungsanspruch kann nur in dem Umfang abgetreten werden, wie der VN ihn hatte Trennungsprinzip gilt hier nicht mehr! Haftungs- und Deckungsfragen werden in einem Prozess behandelt Keine Spezialisierung mehr bei Gericht und Anwälten (Haftung/Deckung)

Vereinigung von Deckung und Haftung Klage des geschädigten Dritten nach Abtretung: Prozessuales: VN kann Zeuge werden! Über Kneist hinaus: welcher Spruchkörper soll eigentlich zuständig sein? Nach dem Schwerpunkt des Rechtsstreits im Haftungs- oder Deckungsbereich? Präsidiumsbeschluss des LG Dortmund: nie die Versicherungskammer!

Neue Fälligkeitsregelung § 154 VVG a.F. (1) Der VR hat die Entschädigung binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an zu leisten, in welchem der Dritte von dem VN befriedigt oder der Anspruch des Dritten durch rechtskräftiges Urteil, durch Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist…

Neue Fälligkeitsregelung Vorschlag der Reformkommission § 107 VVG-E (1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer innerhalb von zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, in welchem der Anspruch des Dritten durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist, vom Anspruch des Dritten freizustellen.

Neue Fälligkeitsregelung § 106 VVG n.F. Der VR hat den VN innerhalb von zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Anspruch des Dritten mit bindender Wirkung für den VR durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist, vom Anspruch des Dritten freizustellen...

Erste Stimmen Ursprünglich wurde gar keine Änderung zwischen § 154 VVG a.F. und §106 VVG gesehen, beispielsweise - Koch, r+s 2009, 133; - Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 106 Rdn. 2; - Schlegelmilch: in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl., § 21 Rdn. 8 - Anders schon Schimikowski/Brömmelmeyer/Retter, § 106 Rdn. 12, der unter Hinweis auf Lücke, VK 2007, 163 die Frage aufwirft, ob es eine Bindungswirkung in Zukunft noch geben kann.

Wegfall der Bindungswirkung? - Was heißt jetzt „mit bindender Wirkung für den VR“, § 106 VVG? - Gilt das alte System von Trennungsprinzip und Bindungswirkung noch? - Oder gilt auch für das Haftpflichturteil das, was – unstreitig – für das Anerkenntnis des VN gelten soll? - Also keine automatische Bindungswirkung des Haftpflichturteils mehr?

Wirkung des Anerkenntnisses Nach dem Willen des Reformgesetzgebers sollte das Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot entfallen. Der VN soll allerdings „einen nicht bestehenden Anspruch des Dritten nicht zu Lasten des Versicherers begründen dürfen“. Darüber hinaus darf er „auch nicht den Versicherungsfall herbeiführen“. Deswegen sollen Anerkenntnis und Befriedigung ohne Einfluss auf den Freistellungsanspruch des VN bleiben (BT-Drs. 16/3945 S. 86)= Keine Bindungswirkung des Anerkenntnisses

Neue Art von Deckungsprozess Mithin der Gesetzgeber hat hier eine neue Art des Deckungsprozesses geschaffen: Nach einem vom VR nicht akzeptierten Anerkenntnis des VN muss dieser (oder nach Abtretung der geschädigte Dritte) ohnehin einen Bindungsprozess gegen den VR führen, im Rahmen dessen die Berechtigung des Anerkenntnisses oder dessen Unbegründetheit vom Gericht festgestellt wird.

Anders bei einem Urteil? Warum soll für das Haftpflichturteil etwas anderes gelten? Der Wortlaut des Gesetzes ist eindeutig. Der Gesetzgeber hat diesen Wortlaut trotz eines anderen Vorschlags der Reformkommission gewählt. Der Gesetzgeber hat - zu Recht - erkannt, dass zwischen einem unbegründeten Anerkenntnis und einem ohne Mitwirkung des VR zustande gekommenen Haftpflichturteils kein Unterschied besteht.

Andere Formulierung war möglich § 106 VVG alternativ Der VR hat den VN innerhalb von zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Anspruch des Dritten durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich, diese mit bindender Wirkung für den VR, festgestellt worden ist, vom Anspruch des Dritten freizustellen...

Un - Verbindlichkeit des Urteils Umkehrschluss aus § 124 VVG, wo nur für die Pflichtversicherung wechselseitige Verbindlichkeit angeordnet wird. § 124 VVG Soweit durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wird, dass dem Dritten ein Anspruch auf Ersatz des Schadens nicht zusteht, wirkt das Urteil, wenn es zwischen dem Dritten und dem Versicherer ergeht, auch zugunsten des VN, wenn es zwischen dem Dritten und dem VN ergeht, auch zugunsten des Versicherers. … (3) Die Absätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden, soweit der Dritte seinen Anspruch auf Schadenersatz nicht nach § 115 Abs. 1 gegen den VR geltend machen kann.

Die einen . . . So Römer/Langheid/Langheid, VVG, 3. Aufl., § 100 Rdn. 32 ff.; § 105 Rdn. 5 ff., § 106 Rdn. 2 Langheid, VersR 2009, 1043 Lücke, VK 2007, 163 ff. Thume, VersR 2010, 849 problematisiert, aber nicht abgelehnt von Prölss/Martin/Lücke, § 106 Rdn. 5

die Rechtsprechung OLG Stuttgart r+s 2010, 284 Nach Befriedigung des Dritten durch den VN hat eine Überprüfung auch der Haftpflichtfrage im Deckungsprozess stattzufinden.

… und die anderen Gegenstimmen Langheid/Wandt/Littbarski, § 106 Rdn. 27: keine eigenständige Bedeutung, „mit bindender Wirkung“ hat Relevanz nur für Anerkenntnis oder Vergleich. Schlegelmilch, VersR 2009, 1467 (redaktionelles Versehen) Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter, § 106 Rdn. 14 (durch den neuen Wortlaut wird dem Haftpflichturteil gerade Bindungswirkung beigemessen (?)). Armbrüster, r+s 2010, 441 (trotz eindeutigem Wortlaut nicht der Wille des Gesetzgebers) Harsdorf-Gebhardt, r+s 2012, 261 ff. (trotz eindeutigem Wortlaut sei der Gesetzesbegründung der Wegfall der Bindungswirkung „wohl kaum zu entnehmen“)

Fazit Der Wortlaut wird allseits für eindeutig gehalten. Die Gegenstimmen haben sich mit den Feinheiten der gesetzlichen Regelung noch nicht hinreichend auseinandergesetzt. Dem Gesetzgebungsprozess und der Begründung des Gesetzgebers kann ein Wille dahingehend entnommen werden, dass auch ein Urteil die Fälligkeit des Freistellungsanspruchs nur herbeiführen kann, „wenn die Feststellung des Anspruchs des Dritten mit verbindlicher Wirkung für den Versicherer erfolgt“ (BT-Drs. 16/3945, S. 86). Damit entfällt die automatische Bindungswirkung. Manchmal dauert es halt etwas länger. Das letzte Wort soll Herr Kneist haben: „Vor Gericht und auf See sind wir alle in Gottes Hand“.