„Verlorene“ Jugendliche am Übergang

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 Präsentation transkript:

„Verlorene“ Jugendliche am Übergang Schule-Beruf Empirische Ergebnisse von DJI-Erkundungsstudien Fachtagung „Verloren Gegangene zurückgewinnen …“ 29. April 2013 in Pappenheim Selbstvorstellung Frank Tillmann/ Carsten Gehne Deutsches Jugendinstitut e.V.

Gliederung „Verlorene“ Jugendliche – eine Annäherung Fragestellungen Datengrundlage Ergebnisse der Datenrecherche Befunde der Online-Erhebung Fazit

„Verlorene“ Jugendliche – eine Annäherung Quantitative Sekundäranalysen des DJI-Übergangspanels Qualitative Interviews mit DropOut-Jugendlichen 2010 Teilstandardisierte Online-Befragung mit Praktikern der KJH Datenrecherche zur Exklusion von Jugendlichen Folgeuntersuchung 2012

Zentrale Ergebnisse der explorativen Vorläuferstudie Phasen des institutionellen DropOut sind oft von erheblichen Leiderfahrungen und riskantem Problemlösungsverhalten gekennzeichnet Es sind auch Jugendliche von Ausgrenzung betroffen, die an sich über erweiterte Ressourcen verfügen (z.B. im Hinblick auf Schulabschlüsse oder die soziale Herkunft) Ausstiege treten meist temporär auf, dabei jedoch durchaus wiederkehrend Ausgegrenzte Jugendliche nehmen die Sozialbürokratie eher als formalisierten Apparat, die KJH hingegen als anwaltschaftliche Unterstützungsressource wahr.

Ausgegrenzte/ verlorene /DropOut-Jugendliche Einordnung des Phänomens Arbeitsdefinition: Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 und 27 Jahren, die sich weder in Bildungsinstitutionen oder Erwerbsarbeit befinden, noch auf Sozialtransfers zurückgreifen können Ausgrenzung als Kontinuum

2. Fragestellungen Welche Daten liegen für Ausgrenzungsprozesse von Jugendlichen und jungen Erwachsenen bundesweit vor? Welche ausgrenzenden Gefährdungspotenziale bestehen für diese Zielgruppe? In welcher Situation befinden sich ausgegrenzte Jugendliche und wie bestreiten sie ihren Lebensunterhalt? Welche Ansätze der (Re-)Integration, sind besonders geeignet? Wie kann der Umfang des Phänomens von Ausgrenzung junger Menschen in Deutschland quantifiziert werden? Indirekter Zugang über die Jugendhilfe-Praxis, um das lokal vorhandene Wissen bzw. gesammelte Erfahrungen zu nutzen.

3. Datengrundlage Für die Recherche Quellen der Statistischen Ämter Zahlen der Bundesagentur für Arbeit Jugendhilfestatistik Repräsentative Erhebungen Für die Online-Erhebung Bundesweite Stichprobe von 28 Gebietskörper- schaften Recherche von Akteuren, die mit der Zielgruppe ausgegrenzter Jugendlicher arbeiten (z.B. Fallmanager U25 der Jobcenter, Jugendsozialarbeiter, Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe, der Jugendämter sowie der Kompetenzagenturen) Insgesamt 470 auswertbare Online-Fragbögen Vorhergehender Bericht als zusätzliches Incentive?

Erhebungsstandorte der Online-Befragung 3 Stadtstaaten Pro Bundesland: jeweils 1 Landkreis sowie eine kreisfreie Stadt

Sample der befragten Praktiker 1/3 zu 2/3 – freie Träger etwas überrepräsentiert

4. Ergebnisse der Datenrecherche Unmittelbare Exklusionsrisiken Etwa 58.000 Schulabgänger 2009 ohne Abschluss, 186.000 konnten lediglich einen Hauptschulab- schluss vorweisen Ca. 960.000 unter 25 Jahren im ALGII-Bezug Mittelbare Exklusionsrisiken Etwa 134.000 alleinerziehende Erwerbslose Ca. 460.000 Erziehungshilfen für junge Menschen bis einschließlich 18 Jahren

5. Befunde der Online-Erhebung Gefährdungspotenziale Höhere Wahrscheinlichkeit, von Ausgrenzung betroffen zu sein – durch Individualmerkmale (Skala von 1 „gar nicht" bis 4 „in sehr hohem Maße") 6 häufigsten Nennungen Vorrangig individuelle Benachteiligungskriterien

Besondere Gefährdung der Ausgrenzung nach Lebensabschnitten/-situationen (Skala von 1 „geringe Gefährdung“ bis 4 „sehr starke Gefährdung“) Besondere Situationen? Erwerbslosigkeit und Aussanktionierung Nach Abbruch von Übergangsepisoden

Statement eines Praktikers zur Rolle der SGBII-Institutionen: „Viele der von uns betreuten jungen Menschen berichten uns immer wieder davon, dass sie von den Angestellten der SGB II Institutionen, ARGE usw. schikaniert bzw. herabsetzend behandelt werden.“ Viele der Praktiker gehen kritisch mit den SGBII-umsetzenden Institutionen ins Gericht

Häufigkeit von Alimentierungsformen in DropOut-Phasen (von 1 „nie“ bis 4 „meistens“) Unterstützung – passiv Betätigung in der Schattenwirtschaft - aktiv

Offene Angaben der Praktiker zu Alimentierungswegen (Auswahl) Verschuldung Abschließen von Verträgen (Handy etc.) Internetbestellungen Lebensmittelbeschaffung im Abfallbereich („Containern“)

Erst aufsuchen anstatt einzuladen Welche Merkmale müssen aus Ihrer Sicht geeignete Ansätze und Strategien aufweisen um „verlorene“ Jugendliche zu erreichen bzw. zu unterstützen? (Auswahl) Bürokratie abbauen Den Jugendlichen die Wahl der Vertrauensperson lassen. Vertrauensvolle Schnittstellenpersonen, keine Wechsel der Bezugspersonen, zentrale Ansprechpartner Erst aufsuchen anstatt einzuladen Schlechte Zusammenarbeit der KJH mit BA, Jobcentern, ARGEn verbessern Jugendliche in die Lage versetzen, die zur Verfügung stehenden Angebote auch nutzen zu können Mangel an Vertrauenspersonen, viele Jugendliche haben eine Reihe von Beziehungsabbrüchen erfahren -> Beziehungsarbeit

Eignung von Interventionsansätzen (Mittelwerte von 1 „überhaupt nicht geeignet“ bis 4 „besonders geeignet“) 5 am besten bewerteten Ansätze Aufsuchende Ansätze Individuelle Begleitung Kombinierte Angebote Anonymität -Langfristige Integrationsmaßnahmen

Allgemeine Statements zum Handlungsfeld Arbeit mit ausgegrenzten Jugendlichen meist mit befristeten Projekten abgedeckt … hat gesellschaftlich einen zu geringen Stellenwert … ist meist unterfinanziert Zuständigkeit verschiedener Rechtskreise erschweren die Reintegration Vier am häufigsten befürworteten Statements

Schätzung anhand einer Hochrechnung für das Bundesgebiet (Konfidenzintervall)

6. Fazit Zentrale Ergebnisse Kaum Daten über marginalisierte Jugendliche auffindbar (z.B. Wohnungslose) Kritische Sicht auf Sanktionierungspraxis bei jungen Erwerbslosen Jugendliche greifen häufiger auf riskante und kurzzeitige Problemlösungsstrategien zurück als auf Angebote der Jugendhilfe Ca. 1 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind aus allen institutionellen Kontexten herausgefallen Dunkelfeld An der Sanktionierungspraxis muss sich etwas ändern

Handlungsansätze Permanente Lösungen für permanente Exklusionserscheinungen nötig Integrationsleistung des Bildungssystems muss erhöht werden – z.B. durch Ansätze einer individuellen Lernbegleitung Ausgleich fehlender Ressourcen bei Jugendlichen erforderlich, um Hilfen in Anspruch nehmen zu können Alimentierungsleistungen unter sinnvollen Arrangements in Zuständigkeit von Jugendhilfeträgern

Kontakt: Deutsches Jugendinstitut e.V. Franckeplatz 1 Haus 12/13 06110 Halle (Saale) Frank Tillmann tillmann@dji.de Tel.: 0345 / 6817813