Sturm und Drang: der Roman Erziehung → Bildung Abenteuerroman → individuelle Lebensbeschreibung: (Auto-)Biographie Wichtigste Werke: Goethe: Die Leiden des jungen Werther (1774) Jung-Stilling: Heinrich Stillings Jugend (1777) Karl Philipp Moritz: Anton Reiser. Ein psychologischer Roman (1785-1790) Goethe: Wilhelm Meister theatralische Sendung (1777-1785) → Bindeglied zur Klassik (Wilhelm Meisters Lehrjahre, Wilhelm Meisters Wanderjahre)

Die Leiden des jungen Werther Entstehung: Frühjahr 1774; Erstdruck: September 1774 (Buchmesse in Leipzig); → Bestseller Autobiographische Momente: Platonische Beziehung Goethes zu Charlotte Buff; Mai – September 1772: Goethe in Wetzler, Tätigkeit am Reichskammergericht. Suizid seines Freundes Karl Wilhelm Jerusalem, Gesandtschaftssekretär in Wetzlar. Dennoch: fiktionaler, literarisch komponierter Text!

Die Leiden des jungen Werther Form: Briefroman (Modell. J. J. Rousseau: Julie ou la Nouvelle Héloise, 1661): Briefe Werthers an seinen „besten Freund“; im zweiten Teil durch Kommentare des fiktiven Herausgebers abgelöst. Wechsel von Ich-Erzählform (Briefe) und auktorialer Erzählform (Vorwort, Kommentare im Abschnitt Der Hausgeber an den Leser); Unterteilung in zwei Bücher: „Erstes Buch“: Briefe vom 4. Mai bis zum 10. September 1771; „Zweites Buch“: Briefe vom 20. Oktober bis 6. Dezember 1771, Der Herausgeber an den Leser. Schauplatz der Handlung: Wahlheim (fiktive deutsche Kleinstadt); anonymer Fürstenhof Leitmotive: Naturerlebnis (Wanderungen Werthers in der „freien Natur“) Literarische Lektüren (Klopstock, Ode Frühlingsfeier, Ossian, Die Gesänge von Selma; Lessing, Emilia Galotti)

Die Leiden des jungen Werther Vorwort des Herausgebers: Was ich von der Geschichte des armen Werther nur habe auffinden können, habe ich mit Fleiß gesammelt und lege es euch hier vor, und weiß, dass ihr mir‘s danken werdet. Ihr könnt seinem Geist und seinem Charakter eure Bewunderung und Liebe, seinem Schicksal eure Tränen nicht versagen. Und du gute Seele, die du eben den Drang fühlst wie er, schöpfe Trost aus seinem Leiden, und lass das Büchlein dein Freund sein, wenn du aus Geschick oder eigener Schuld keinen näheren finden kannst. Brief vom 16. Juni (Erstes Buch) Wir traten ans Fenster. Es donnerte abseits, und der herrliche Regen säuselte auf das Land, und der erquickendste Wohlgeruch stieg in aller Fülle einer warmen Luft zu uns auf. Sie stand auf ihren Ellenbogen gestützt, ihr Blick durchdrang die Gegend: sie sah gen Himmel und auf mich, ich sah ihr Ague tränenvoll, sie legte ihre Hand auf die meinige und sagte: „Klopstock!“ – Ich erinnerte mich sogleich der herrlichen Ode, die ihr in Gedanken lag, und versank in dem Strome von Empfindungen, den sie in dieser Losung über mich ausgoss. Ich ertrug‘s nicht, neigte mich auf ihre Hand und küsste sie unter den wonnevollsten Tränen. Und sah nach ihrem Auge wieder – Edler! Hättest du deine Vergötterung in diesem Blick gesehen, und möchte ich nun deinen so oft entweihten Namen nie wieder nennen hören!