Genitalverstümmelung an Mädchen und Frauen

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 Präsentation transkript:

Genitalverstümmelung an Mädchen und Frauen Hintergründe und Hilfestellung für professionell Pflegende DBfK 2008

Vorbemerkungen Anzahl der ♀ mit FGM ↑ in D aufgrund von Migration / Globalisierung Weltweit sind > 130 Millionen ♀ betroffen, Jährl. kommen 3 Mill. dazu (Studie Unicef 2005) FGM = in D + Europa Menschenrechts-verletzung und bedeutet neben der schweren seelischen Traumatisierung durch den Vorgang selbst Leben mit multiplen Langzeitfolgen

Die betroffenen Frauen benötigen einfühlsame Hilfe, die Ihre persönliche Lebenssituation Ihre Geschichte + ihre Perspektiven berücksichtigt und Ihrem kulturellen Selbstverständnis entspricht ⇨ die Erfahrungen zeigen, dass Pat. mit FGM nicht immer eine adäquate Versorgung erhalten

Vorlesen: Seite 5/6 Artikel

Bezeichnungen Frauenbeschneidung: FC: vom englischen Female Circumcision FGM: Female Genital Mutilation = Frauenverstümmelung (geht zurück auf Initiative afrikanischer Aktivistinnen und weist darauf hin, dass die Maßnahme nicht mit der Entfernung der Vorhaut bei ♂ vergleichbar ist)

Bezeichnungen Frauenbeschneidung: FGM gebräuchlich im wissenschaftlichen Diskurs, Im direkten Umgang mit den Frauen wird aber bevorzugt von „Beschneidung“ / Circumcision gesprochen, da es nicht angebracht ist, die Frauen als „verstümmelt“ zu bezeichnen; Das könnte als entwürdigend wahrgenommen werden

Verbreitung Weltweit bis 170 Mill. (mit steigender Zahl) in einem breiten Gürtel von der West- bis Ostküste Afrikas (28 Länder, dem Jemen, Irak und Teilen Indonesiens und Malaysias werden Mädchen und Frauen in unterschiedlichen Formen beschnitten In einigen Ländern wie Ägypten, Eritrea, Djibuti, Guinea, Mali, Somalia, Sierra Leone liegt die Rate bei annähernd 100% (In D. ca. 30 000 beschnitten / bedroht)

Einteilung nach Grad und Ausmaß den Verstümmelung Die WHO – Klassifikation (2007) unterscheidet die Typen I - III

Typ I „Sunna“ = Exzision der Klitorisvorhaut mit oder ohne Exzision eines Teils oder der ganzen Klitoris

Typ II „Exzision“ = Entfernen der Klitoris und Vorhaut zusammen mit einem Teil der kleinen Schamlippen oder auch die gesamte Entfernung derselben

Typ III „Infibulation“ = extremste Form der FGM, auch „pharaonische“ oder „sudanesische Beschneidung“; bezeichnet das Entfernen eines Teils oder der gesamten äußeren Genitalien und das anschließende Vernähen / Verengen der Vaginalöffnung, die komplette Entfernung der Klitoris und der Labia minora sowie der Innenseiten der Labia majora.

Typ III Die beiden Seiten der Vulva werden anschließend mit Dornen, Seide oder Tierdarm so zusammengenäht, dass sie, wenn die verbleibende Haut der Labia majora heilt, eine Brücke aus Narbenge- webe über der Vagina bilden. Eine kleine Öffnung für den Abfluss von Urin und Menstruationsblut wird durch das Einführen ein. Fremdkörpers gewährleistet

Bei der pharaonischen Beschneidung werden alle äußeren Geschlechtsorgane entfernt und beide Seiten der Vulva miteinander vernäht. Eine erbsengroße Öffnung dient dem Abfluss von Urin und Menstruationsblut

Typ IV Bezeichnet die verschiedensten Formen bzw. Variationen der FGM, welche nicht näher klassifiziert werden können. Darunter fallen: Einritzen, Durchbohren oder Einschneiden von Klitoris und / oder Schamlippen etc. Auch Formen, die nicht unter Typ I-III fallen werden dem Typ IV zugerechnet

Die Grenzen zwischen den einzelnen Typen sind fließend und können je nach Gebiet und Tradition sehr voneinander abweichen. So wird z. B. in einigen Ländern zwischen eine milden „Sunna“ (Einritzen der Klitorisvorhaut) und einer modifizierten (vollständige Entfernung der Klitoris) unterschieden

Die Prozedur der weiblichen Genitalverstümmelung Wird meistens von Hebammen, älteren erfahrenen aber unausgebildeten Frauen, herumreisenden Zigeunerinnen, Wahrsagerinnen oder Barbieren (Nigeria) durchgeführt Die Beschneidung findet unter unhygienischen Bedingungen im Elternhaus des Mädchens oder an bestimmten dafür vorgesehenen Plätzen statt (ohne jede Anästhesie)

Die Prozedur der weiblichen Genitalverstümmelung Die Beschneidungsinstrumente werden nach dem Eingriff nur unzureichend oder gar nicht gesäubert Ein spez. Beschneidungsmesser (Sudan) wird häufig lebenslang von seiner Besitzerin gebraucht Die hohe Durchseuchungsrate mit HIV / Hepatitis B stellt deshalb in Afrika ein zusätzliches Infektionsrisiko dar

In der Literatur finden sich folgende Beschneidungsinstrumente Messer Rasierklingen Glasscherben Scharfe Deckel von Metalldosen Lange Fingernägel (Sudan) und anderes In Ausnahmefällen: chirurg. Scheren und Klemmen sowie Catgut zum Wundverschluss

Die Prozedur der weiblichen Genitalverstümmelung Nur wenige besser gestellte können sich finanziell erlauben, das Kind unter sterilen Bedingungen + Narkose beschneiden zu lassen Das ist zwar weniger traumatisierend, begünstigt aber (da Abwehrreaktionen fehlen) dass mehr Gewebe weggenommen wird

Die Prozedur der weiblichen Genitalverstümmelung WHO lehnt Medikalisierung (Verlegung der Prozedur in Krankenhäuser…) ab, da jegliche Form von FGM als Menschenrechtsverletzung grundsätzlich abzulehnen ist Nirgendwo auf der Welt dürfen sich Angehörige der Gesundheitsberufe zur Durchführung solcher Praktiken hergeben oder missbrauchen lassen

Hintergründe der Genitalverstümmelung Historisch wenig belegt In Alt-Ägypten angenommene „Doppelgeschlechtlichkeit“ eines unbeschnittenen Intimbereichs führte zur Beschneidung, Später übernahmen muslimische Eroberer (7./8. JH) den Ritus und gaben ihn auf ihren Eroberungszügen weiter Später Verbreitung bis Europa / Amerika

Genitalverstümmelung in Europa / USA / Deutschland Vorwiegend im 19. JH gab es Genitalverstümmelungen als Allheilmittel gegen z. B. Masturbation, Homosexualität und Hysterie Die Anzahl der europäischen Frauen ist im Verhältnis zu Afrika gering

Gründe für die Durchführung der Genitalverstümmelung Die Gründe sind von Land zu Land und von Ethnie zu Ethnie unterschiedlich und unabhängig von der jeweiligen Religionszugehörigkeit Im Vordergrund steht die soziale Absicherung des Mädchens

Gründe im Einzelnen sind: Soziale Absicherung des Mädchens durch Heirat; ein unbeschnittenes Mädchen ist auf dem Heiratsmarkt „nicht vermittelbar“ Auch kann eine Erbschaft in einigen Teilen Afrikas nur von beschnittenen Frauen angenommen werden Steigerung d. Fruchtbarkeit; für die soziale Stellung der Frau in der Gesellschaft ist es unabdingbar, (männl.) Kinder zu gebären; Ursachen f. Kinderlosigkeit werden immer der ♀ zugeschrieben ( → soziale + gesellschaftliche Ächtung)

Gründe im Einzelnen sind: Religiöse Gründe; ein großer Teil der afrikanischen Bevölkerung sind Analphabeten, Inhalte des Korans werden mündlich weitergegeben und sind von der Meinung des Imams gefärbt (Genitalver-stümmelung ist im Koran weder vorge-schrieben noch verboten) Hygienische Gründe; gerade im Sudan häufig angeführter Grund, da die Sudanesen viel Wert auf ihre Sexual-hygiene legen

Gründe im Einzelnen sind: Unkenntnis u. Denken in mythologischen Sagenwelten, in denen die Klitoris im Verdacht steht, Impotenz zu verursachen und Empfängnis zu verhüten Entstehung eines verengten Introitus ⇨ Sexualempfinden des Mannes gesteigert und seine „Manneskraft“ wird angeregt Schutz vor Masturbation, Promiskuität, Vorbeugung Labienhypertrophie; Erleich-terung bei der Geburt, Verhinderung v. Unmoral u. Jungfräulichkeit (Ehre des Familienstammes)

Folgen der Genitalverstümmelung Vielfältigste akute und langfristige, oft irreversible Folgen Variieren abhängig von der Art der Verstümmelung und der Vorgehensweise WHO geht davon aus: 10% versterben an akuten Komplikationen 25% erliegen langfristigen Komplikationen

Akute Folgen Großer Blutverlust; es können Schockzustände und Anämie hervorgerufen werden und letal enden Starke Schmerzen; äußere Genitalien sind sehr sensibel extrem schmerzempfindlich, besonders bei Amputation ohne Anästhesie Kreislaufkollaps, septischer Schock Tetanus, Entzündungen, Abszesse, Hepatitis, HIV infolge unsteriler Bedingungen oder Nutzung des selben Instruments für mehrere M.

Akute Folgen Verletzungen an Arterien, Harnröhre, Blase, After; Frakturen Psychisches Akut – Trauma, extreme Angstzustände, Schlafstörungen Tod durch Früh- oder Spätfolgen

Langfristige Folgen Bei langfristigen Folgen wird zwischen Körperlichen Psychischen Psychosexuellen + - psychosozialen Auswirkungen differenziert

Langfristige körperliche Folgen Beschwerden beim Wasserlassen und bei der Menstruation, z. B. durch Stauungen von Menstruationsblut in der Bauchhöhle; Rückenschmerzen; Rezidivierende Harnröhren-, Blasen- und Beckenentzündungen, die zu Sterilität, Zysten und Abszessen an der Vulva führen können; Infektionen; das Risiko von HIV / AIDS steigt, da sich die Frauen beim Geschlechtsverkehr häufig vaginale Risse und Mikroverletzungen zuziehen

Langfristige körperliche Folgen Vernarbungen, u. U. mit Abszessbildung; in der Hochzeitsnacht öffnet häufig der Ehemann den vernarbten Scheidenein-gang mit einem Messer Auch unter der Geburt muss die Frau auf-geschnitten (defibuliert) werden, weil sich das unelastische, vernarbte Gewebe nicht mehr dehnt. Dabei kommt es nicht selten zu Verletzungen von Mutter und Kind

Langfristige körperliche Folgen Diese Prozedur muss die Frau bei jeder Geburt erneut durchstehen, da sie danach wieder zugenäht wird um dann vom Ehemann erneut geöffnet zu werden Fistelbildungen, die zu Inkontinenz und aufgrund des Fäkalgeruchs zum Ausstoß der Frau aus der sozialen Gemeinschaft führen Vaginalstenosen, Infertilität / Sterilität durch Stauungen des Menstruationsblutes

Langfristige körperliche Folgen Perinealrisse, postpartale Hämorrhagie; insgesamt: komplizierte, schmerzhafte und unnatürlich verlängerte Geburten mit erhöhtem Todesrisiko für Mutter und Kind Erschwertes Gehen aufgrund von Schmerzen und weil u. U. nach dem Eingriff die Beine des Mädchens wochenlang zusammengebunden wurden

Langfristige psychische Folgen Schwerwiegendes Trauma, das mit Vertrauensverlust in die Bezugsperson einhergeht welche die Beschneidung arrangieren, das Kind an die Beschneide-rin übergeben und vielleicht auch noch festhalten Mädchen müssen belastende Nachwirkun-gen (bis zu Todesfällen) an Schwestern, Cousinen …erleben Werden von engsten Bezugspersonen traumatischer Gewalterfahrung ausgesetzt

Langfristige psychische Folgen Genitalverstümmelung verletzt Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl Folgen können sein: Schlaf- und Essstörungen Verhaltensstörungen Konzentrationsschwierigkeiten Depression, Neurosen Extreme Angstzustände und Suizid

Langfristige psychische Folgen Dabei sind die psychischen Folgen sehr viel weniger offensichtlich und ihr Zu-sammenhang mit der früheren Genitalver-stümmelung wird häufig nicht erkannt Zudem können Frauen nicht offen darüber sprechen, weil FGM ein Tabuthema ist Die Betroffene berichten v. Panikattacken beim Anblick von Gegenständen die an die Beschneidung erinnern; die Erinnerungen können auch Alpträume / Schlaflosigkeit auslösen

Langfristige psychische Folgen In manchen Fällen ist das Trauma so übermächtig, dass die Betroffenen das Ereignis nicht nur verdrängen, sondern abspalten (Dissoziation) und sich dann nicht mehr an die Beschneidung erinnern

Langfristige psychosexuelle Folgen Verstümmelung stellt eine irreparable Schädigung der psychosexuellen und funktionellen Ganzheit von Frauen dar In der Ehe zeigt sich u.U. eine Einschränk-ung der sexuellen Erlebnisfähigkeit der Frauen in Form von Frigidität, Verlust der Orgasmusfähigkeit und in Partnerschafts- konflikten

Langfristige psychosexuelle Folgen Verlust der Klitoris bedeutet Einschränk-ung des sexuellen Empfindens, aber manche Frauen sind trotzdem orgasmus-fähig und erlangen trotzdem sexuelle Erfüllung (ist v. vielen Faktoren abhängig) Allerdings ist es vielen Frauen aufgrund der schmerzhaften Erfahrungen oft un-möglich, Sexualität lustvoll zu erleben, zumal diese oft mit neuen Schmerzen verbunden ist

Langfristige psychosexuelle Folgen Eine über die Sexualität gestützte liebevolle Beziehung ist kaum noch möglich Sexualität wird zu einer geforderten Dienstleistung für den Mann Auch dieser leidet unter den Folgen der FGM, da das Narbengewebe hart und nicht dehnbar und somit das Eindringen schwierig ist (Vaginalstenose)

Langfristige psychosexuelle Folgen Hinzu kommt, dass der Ehemann in vielen Gesellschaften seine Potenz öffentlich unter Beweis stellen muss; damit die Vaginalöffnung nicht wieder zuwächst ist gerade in der Anfangszeit häufiger Sexualverkehr notwendig Für die Frauen bedeutet daher Sexualität vielfach vor allem Schmerzen Es gibt Paare, die zum Analverkehr übergehen, wodurch sich jedoch das Risiko für HIV erhöht

Langfristige psychosoziale Folgen Körperliche Folgen haben oft Auswirkungen auf das soziale Leben: Krankheiten, starke Menstruationsschmerzen sowie Miktions-störungen sind Gründe, dass Schülerinnen dem Unterricht fernbleiben Psychische Belastungen können zu Leis-tungsabfall in der Schule führen und zum Abbruch der Schule → Abhängigkeit v. Ehemann↑/ ökonomische Eigenständigkeit↓

Langfristige psychosoziale Folgen In den meisten Gesellschaften, in denen FGM stattfindet haben Familienälteste entscheidenden Einfluss (über Beschneidung, Heirat, Brautpreis insbesondere der Mädchen) Ein nicht beschnittenes Mädchen gilt dann ggf. nicht als vollwertiges, heiratsfähiges Mitglied der Gemeinschaft

Umgang mit betroffenen Frauen im pflegerischen Alltag Pflegende benötigen Bewusstsein für die FGM und die verschiedenen damit verbundenen Probleme wenn sie betroffene Mädchen und Frauen betreuen Hinzu kommt die Notwendigkeit, zunächst vom eigenen kulturellen Hintergrund abzu-sehen und den Versuch zu machen, die soziokulturellen Zusammenhänge zu verstehen

Umgang mit betroffenen Frauen im pflegerischen Alltag Einher geht damit die Notwendigkeit, sich mit den eigenen Gefühlen zu diesem schwierigen Thema auseinanderzusetzen und einen möglichst vorurteilsarmen Standpunkt zu entwickeln Hierzu gehört auch die Verwendung einer Terminologie, die für die Patientin akzep-tabel ist und die Praktiken nicht verurteilt

Umgang mit betroffenen Frauen im pflegerischen Alltag Die meisten Frauen würden davon ausgehen, dass ihre Mütter und weiblichen Angehörigen sie nicht verstümmeln, sondern ihre Chancen für eine gut Heirat u. finanzielle Absicherung erhöhen wollen Da die Bezeichnungen für FGM unterschiedlich sind muss vorsichtig abgeklärt werden, welche die Frau verwendet und versteht, damit sie sich wohl fühlt

Umgang mit betroffenen Frauen im pflegerischen Alltag Patientinnen mit FGM bedürfen der besonderen pflegerischen Betreuung und Beratung, die umfassend sein und auch psychsoziale Faktoren mit einbeziehen sollte Grundsätzlich zunächst eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen, (Zeit nehmen) da der Intim- uns Sexualbereich tabuisiert ist Wunsch nach Einbeziehung v. Ehemann oder anderer Familienmitglieder ist zu erfragen und zu respektieren

Umgang mit betroffenen Frauen im pflegerischen Alltag In Ländern, in denen es keine staatliche Versorgung gibt ist die Familie die einzig verlässliche Ressource Nicht Individualität, sondern die Unterord-nung unter die Belange der Familie garantieren Schutz und Unterstützung Bei der Pflegeanamnese der Patientin auch gezielt Informationen geben

Defibulation Bezeichnet das Eröffnen der Infibulation Indikationen: Schwere Dysmenorrhoe Schwierigkeiten beim Wasserlassen Rezidivierende Infektionen Dyspareunie (z. B. Schmerzen beim GV) Anstehende Geburt

Defibulation Ältere Migrantinnen oder Mädchen, die noch nicht lange in Deutschland sind haben oft nur geringe oder keine Schulbildung und damit keine an den Naturwissenschaften orientierten Vorstellungen von anatomischen /physio- logischen Beschaffenheit des Körpers → Benötigen entsprechende Infos (das Auftreten gesundheitlicher Probleme wird häufig nicht im Zusammenhang mit FGM gesehen)

Defibulation Nachvollziehbare, anschauliche (besser Zeichnungen als Fotos) Infos sind Voraus- setzung, um die Gründe für eine Defibulation und / oder für eine Geburt ohne anschließende Reinfibulation plausibel zu machen

Defibulation Nach der Defibulation auftretende körperliche Veränderungen müssen ausführlich erklärt werden: Wasserlassen: schneller, stärkerer Fluss, geräuschvoller, weniger Schmerzen Menstruation: Blutverlust erscheint höher, weniger schmerzhaft, Klumpenbildung Geschlechtsverkehr: ↓schmerzhaft u. starr Aussehen der Geschlechtsorgane: deutlich verändert (normales Aussehen unbekannt) Vaginale Schleimabsonderung: verstärkt

Aufgaben der Pflegeberatung nach der Defibulation Manche Frauen haben Angst, ihre Genitalien zu berühren, sich zu infizieren oder zu verletzen Aufgabe ist, diese Ängste zu erkennen und den Frauen zu vermitteln, wie sie sich selbst versorgen können Einsatz v. (mögl. gleichgeschlechtlichem) Dolmetscher erleichtert Anamnese + kultursensible Pflege

Aufgaben der Pflegeberatung nach der Defibulation Fragen zum Intimbereich in eine um-fassende Pflegeanamnese einbetten, damit das Thema nicht isoliert im Raum steht Oberstes Ziel ist, Eine Retraumatisierung zu vermeiden sowie die Frauen bei der Selbstpflege nach OP zu unterstützen

Hilfreiche Fragen innerhalb einer umfassenden Pflegeanamnese im Flyer lesen

Schwangerschaft und Geburt Hinweis Broschüre DBfK