„Über Pädagogik und Sozialpädagogik in Brasilien“ Text von Bernd Fichtner Einschätzung des Kontextes der pädagogischen und sozialpädagogischen Praxis in.

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 Präsentation transkript:

„Über Pädagogik und Sozialpädagogik in Brasilien“ Text von Bernd Fichtner Einschätzung des Kontextes der pädagogischen und sozialpädagogischen Praxis in Brasilien Situation in Brasilien „Orcamento participativo“ Radikal neue pädagogische Praxis Demokratisierung und Dezentralisierung der Schulstrukturen am Beispiel: Porto Alegre Ein Modell einer pädagogischen Praxis Brasilianisch-Deutsches Forschungsprojekt

Situation in Brasilien Zunehmende Verelendung der Stadtbevölkerung, Konkurrenz um Arbeitsplätze „Es bleibt bis heute ein völlig ungeklärtes Rätsel, wie Millionen Arbeitslose in Sao Paulo, Rio oder Baia es überhaupt schaffen, schlicht zu überleben.“ (Zit. S.3) „Lösungen“ Favelas Drogenhandel Kulturelle Depravierung Brutale Aggressivität keine Familienstrukturen Banden (Einziger Schutz: organisiertes Verbrechen) Verlust der kontrollierenden, belehrenden und indoktrinierenden Macht von traditionellen Instanzen. „Die Schule unterrichtet nicht mehr, die Kirche katechesiert nicht mehr und die politischen Parteien machen keine politische Arbeit. Das einzige, was arbeitet ist ein monströses System der Massenkommunikation. In fast jeder Behausung steht eine Fernseher.“ (Zit. S. 3) Zunehmende Verelendung der Stadtbevölkerung, Konkurrenz um Arbeitsplätze „Es bleibt bis heute ein völlig ungeklärtes Rätsel, wie Millionen Arbeitslose in Sao Paulo, Rio oder Baia es überhaupt schaffen, schlicht zu überleben.“ (Zit. S.3) „Lösungen“ Favelas: Elendsiedlungen außerhalb regulierten städtischen Struktur, die den Bewohner als menschliche Gemeinwesen zusammenzuleben und ein soziales Leben zu verwirklichen. (Stolz auf sich selbst) Drogenhandel: ein Karriere-Traum von Jugendlichen Kulturelle Depravierung Ähnlichkeiten mit der Ent-Indianisierung der Indios, Ent-Afrikanisierung der Schwarzen, Ent-Europäisierung der Europäischen Bevölkerung. Brutale Aggressivität, keine Familienstrukturen (bis auf Mutterschaft der Frauen, die Kinder von verschiedenen Männer haben und diese mit Bettelei und Auswerten von Müll ernähren) Banden Installieren sich in den Favelas oder an deren Rändern, Ausbeutung der Ärmsten. Einziger Schutz: organisiertes Verbrechen „Alle traditionellen Instanzen haben hier ihre Macht zu kontrollieren, zu belehren, zu indoktrinieren verloren. Die Schule unterrichtet nicht mehr, die Kirche katechesiert nicht mehr und die politischen Parteien machen keine politische Arbeit. Das einzige, was arbeitet ist ein monströses System der Massenkommunikation. In fas jeder Behausung steht eine Fernseher.“ (Zit. S. 3) Konsequenz: Ausgegrenztheit der Favelabewohner, gegenüber einer Konsumgesellschaft mit unnahbaren Konsumenten und die Tendenz zur Gewalt.

„Orcamento participativo“ - partizipative (direkte) Demokratie Politischer Kontext: „Partei der Arbeit“ (PT/partido do trabalho) Politisches Ziel: Entwicklung der demokratischen Gesellschaft durch Herausbildung des Bürger zum „cidadao“ – Individuen zu befähigen, die Verhältnisse, in denen sie leben zu gestalten. Kampf für die Überwindung des Elends Für den Abbau sozialer Ungleichheiten Gegen die Konzentration des Reichtums Kern: die Bürger entscheiden unmittelbar über alle Fragen, die den Haushalt betreffen. Organisatorische Strukturen: Offene Thematische Abende (unter freien Himmel) „Einheiten der Zivilgesellschaft“ Politischer Kontext „Partei der Arbeit“ (PT/partido do trabalho): links, marxistisch orientiert, ist aus dem Wiederstand gegen die dreißigjährige Militärdiktatur hervorgegangen. Autor: sie stelle einen unangefochtenen ethischen Faktor in dem aktuellen politischen Geschehen Brasiliens. Deren ausführende Hand: die Stadtverwaltung hat im Vergleich zu Deutschland einen wesentlich größeren politischen Spielraum. Herausbildung einer „cidadania“ als Teil eines globalen Prozesses der Demokratisierung und Entprivatisierung des Staates und zugleich als Selbstorganisation der Gesellschaft. Offene thematische Abende: Verschiedene Probleme (z.B. sozialpädagogische) werden unter Einbezug von Experten, Sachwissen und Informationen diskutiert. „Einheiten der Zivilgesellschaft“ verschiedene organisatorische Strukturen und Institutionen, die nicht statisch sind

Radikal neue pädagogische Praxis Erziehungsauftrag Kampf gegen eine autoritäre Kultur Fähigkeiten zu entwickeln: Der Teilhabe Einer kollektiven Praxis Mit Unterschieden zu leben Veränderungen zu denken Demokratie als politische Praxis im Alltag einzulösen: Neues Paradigma von Erziehung (Frage der Macht zu reflektieren) Über die Gestaltung unterschiedlicher pädagogischen und sozialpädagogischen Räume soll eine Kultur der Teilhabe realisiert und verbreitet werden, die wiederum zur Herausbildung von „cidadania“ befähigen soll. Instrumente Demokratisierung des Staates und Selbstorganisation der Gesellschaft Deprivatisierung, um Möglichkeiten der Teilnahme und der Entscheidung über den Staat zu schaffen

Demokratisierung und Dezentralisierung der Schulstrukturen am Beispiel: Porto Alegre Schulleitungen werden direkt von den Beteiligten gewählt Schulräte Aufgaben und Probleme in der inneren Struktur Teilnahme an den Prozessen der „orcamento paritcipativo“ „Polo Cultural“: Schule als Ort des sozialen Prozesses Ort des Lehren und Lernen Brücke zum umgebenden Gemeinwesen Demokratisierung sozialpädagogischer Bereiche: Behindertenpädagogik, Alphabetisierung, Arbeit mit Straßenkindern

Brasilianisch-Deutsches Forschungsprojekt (Qualitative, interkulturelle Studie) Fragestellung: In welcher Weise stellt die Kunst der Moderne eine „Zone der nächsten Entwicklung“ für die Ausbildung eines neuen Typs von Lernen bei Jugendlichen dar? Neues Lernen: löst stereotypisierte und erstarrte, fixierte Kontexte auf, verlässt diese bzw. schafft neue Kontexte. Methodologische Perspektive: Vygotskijs Konstrukt der „Zone der nächsten Entwicklung“ „Zone“ nach Vygotskij: „ (...) ein Zugleich von zwei Dimensionen, charakterisiert durch Gerichtetheit auf die Zukunft und durch soziale Interaktionen.“ (Zit. S.6) „Zone“ nach Vygotskij: „ (...) ein Zugleich von zwei Dimensionen, charakterisiert durch Gerichtetheit auf die Zukunft und durch soziale Interaktionen.“ (Zit. S.6)

Ansatz nach Vygotskij Alltagsästhetik als Vermittlungsebene: Auf der Perspektiven und Modelle eines neuen Typs von Lernen sich herausbilden Zugleich aber auch Schwierigkeiten, Blockaden und Verunmöglichungen sichtbar werden Auf der die Jugendlichen ihre Beziehungen realisieren Als Faktor einer totalen Homogenisierung und Globalisierung der Konsumgesellschaft Durch Kunst soll die Alltagsästhetik neu gelesen werden Das Kunstwerk ist dabei nicht „ein visueller Appell an die Sinne“ Es hat die Grundstruktur einer Metapher Verkörpert die metaphorische Kompetenz Das im Kunstwerk kristallisierte Wissen soll uns helfen etwas über sich selbst zu erfahren Ziel: Metaphorische Kompetenz „etwas als etwas zu sehen“ sich anzueignen Praktische Durchführung Sprachliche Metaphern des Alltags werden gesammelt In eine nichtsprachliche Form (visuell-bildhaften, dramatisch-handelnden, musikalische Formen) gebracht Dabei sollen allgemeine Züge der Lebenswelt der Jugendlichen konkretisiert und ihre tiefe Widersprüchlichkeit herausgearbeitet werden Durch Kunst soll die Alltagsästhetik neu gelesen werden. Ihre produktiven Züge sollen erkannt werden und durch Kunst bereichert. Das Kunstwerk ist dabei nicht „ein visueller Appell an die Sinne“ Es hat die Grundstruktur einer Metapher verkörpert somit die metaphorische Kompetenz Das im Kunstwerk kristallisierte Wissen soll uns helfen etwas über sich selbst zu erfahren Ziel: Metaphorische Kompetenz aneignen: „etwas als etwas zu sehen“ Praktische Durchführung Sprachliche Metaphern des Alltags werden gesammelt In eine nichtsprachliche Form (visuell-bildhaften, dramatisch-handelnden, musikalische Formen) gebracht Dabei sollen allgemeine Züge der Lebenswelt der Jugendlichen konkretisiert und ihre tiefe Widersprüchlichkeit herausgearbeitet werden (Widersprüche des Kapitalismus, die zu inneren Widersprüchen der Gesellschaft geworden sind.)