Herausforderung – Nachhaltige Mobilitätslösungen im Tourismus Tourismus-Mobilitätstag 16.10.2014, Innsbruck Stefan Gössling Dept. of Service Management and Service Studies, Lund University School of Business and Economics, Linnaeus University Schweden
Inhalt Globale Entwicklung der Urlaubsmobilität Neue Einsichten zu Mobilitätsverhalten Wege zu nachhaltiger Urlaubsmobilität
Dynamisches Wachstum von Ressourcenver-brauch: ‚Great Acceleration‘ Quelle: Steffen, W., Persson, Å., Deutsch, L., Zalasiewicz, J., Williams, M., Richardson, K., Crumley, C., Crutzen, P., Folke, C., Gordon, L., Molina, M., Ramanathan, V., Rockström, J., Scheffer, M., Schellnhuber, H.J. and Svedin, U. (2011). The Anthropocene: From Global Change to Planetary Stewardship. Ambio 40: 739-761.
11 Milliarden Menschen bis 2100 Quelle: Gerland, P., Raftery, A.E., Sevcikova, H., Li, N., Gu, D., Spoorenberg, T., Alkema, L., Fosdick, B.K., Chunn, J., Lalic, N., Bay, G., Buettner, T., Heilig, G.K., and Wilmoth, J. 2014. World population stabilization unlikely this century. Science, online 18 September 2014, 10.1126/science.1257469
„In biophysical terms, humanity has never been moving faster nor further from sustainability than it is now.“ Ehrlich, P.R., Kareiva, P.M. and Daily, G.C. (2012) Securing natural capital and expanding equity to rescale civilization. Nature 486: 68-73.
Trend 2011-2013 -40% 1990-2020 748.8 2020 Quelle: http://www.umweltbundesamt.de/presse/presseinformationen/treibhausgasausstoss-im-jahr-2013-erneut-um-12
Wachstum des Energieverbrauchs im Tourismus 1900-2050 Global Tourism and Transport Model (GTTM) 7.8 - 15.45 Milliarden Reisen bis 2050 Drei Scenarios 2010-2050: Economic slowdown Business-as-usual Global growth
CO2 Emissionen 1900-2050 Gössling, S. and Peeters, P. 2014. Tourism’s global environmental impact 1900-2050. Journal of Sustainable Tourism, submitted.
CO2-Emissionen des Tourismus und nachhaltige Systemgrenzen CO2-Emissions (Mt/yr) Reduction path A/B (2°C stabilization) Emission growth tourism Scott, D., Peeters, P., and Gössling, S. 2010. Can tourism deliver its ‘aspirational’ emission reduction targets? Journal of Sustainable Tourism 18(3), 393-408.
2. Mobilitätsverhalten Das Auto im Jahr 2014 Flugverkehr & Generation Y
Das personalisierte Auto: Begrüßt den Fahrer Telefoniert auf Anfrage Liest emails vor Findet die ideale Streckenführung via Navigationsgerät Parkt im Auftrag des Fahrers Ruft im Falle eines Unfalls automatisch den Notarzt Bindungen an das Auto werden stärker Das Auto wird zum Partner Frueher: Auto: Status symbol, private space; heute: tiefere Psychologie des Autos: (potential) escape, partner
Flugverkehr und Generation Y Autofahren nimmt ab, aber Fliegen wird wichtiger. Facebook study.
Neue Funktionen von Mobilität: Sozialer Status & Netzwerkkapital. „Liquid identity“ Kürzere Aufenthaltsdauer, mehr Reisen Quelle: Gössling, S. and Stavridini, I. 2014. Social networking, mobility, and the rise of liquid identities. Mobilities, submitted.
Propagierte Lösungen Technische Innovation & Management (Verhaltensänderungen) Die Reaktion auf Verkehrsprobleme ist in den vergangenen Jahrzehnten immer der Ruf nach mehr Autobahnen bzw. mehr Flugplätzen gewesen. Damit können wir weiter machen, aber es wird das Problem nicht lösen.
Beispiel Pkw E-mobilität => Rebounds Biofuels => technische Probleme, Umweltprobleme Verkehrsinfarkt bleibt ungelöst Zusammenfassung: bei technischen Lösungen liegt die Lösung immer in der Zukunft.
Beispiel Flugverkehr Ed Davies, the UK Energy Secretary: „If you look at the future of flight it is possible to imagine, with technological innovation, that we have zero-carbon flight in the future.” The Guardian, 7. Oktober 2014 Strategie: Biotreibstoffe, ATM, ... Effizienzgewinne: 1.5% pro Jahr Aber: Wachstum 5% pro Jahr EU ETS nicht funktional
Verhaltensänderungen Signifikante Änderungen von Transportverhalten auf freiwilliger Basis sind wenig realistisch.
3. Wege zu nachhaltiger Urlaubsmobilität ‚Carbon literacy‘ Gesellschaftliche trends - Positive Visionen Staatliche Vorgaben (Command-and-control, ‘Hard policy‘) Marktökonomische Instrumente
Carbon literacy Gössling, S. and Buckley, R. 2014. Carbon labels in tourism: Persuasive communication? Journal of Cleaner Production, DOI: 10.1016/j.jclepro.2014.08.067
Negativbotschaften = kontraproduktiv
Positive Visionen: Copenhagen, City of Cyclists Aber auch: Siegeszug des e-bikes Gössling, S. 2013. Urban Transport Transitions: Copenhagen, City of Cyclists. Journal of Transport Geography, 33: 196-206.
London Olympiade 2012 Versprechen: 100% ÖPNV 8.8 Millionen Zuschauer Bis zu einer Million zusätzlicher Reisen pro Tag £6.5 Milliarden in Transportinfrastruktur Anreise mit dem Auto unmöglich Currie, G., Jones, A. and Woolley, J. 2014. Impacts and Lessons from the London 2012 Olympic Games Travel Demand Management Program – An Independent View. Transportation Research Board 93rd Annual Meeting, Washington DC.
Stockholm ‚congestion charge‘ (nicht ‚city tax‘!) 1-2 Euro pro Einfahrt/Ausfahrt (zeitabhängig) Rund 20% weniger Verkehr Von Ablehnung zu Befürwortung Keine Auswirkungen auf Einzelhandel Börjesson, M., Eliasson, J., Beser Hugosson, M., Brundell-Freij, K., (2012). The Stockholm congestion charges five years on. Effects, acceptability and lessons learnt. Transport Policy 20(0): 1-12. Eliasson, J., Hultkrantz, L., Nerhagen, L., Smidfelt Rosqvist, L., (2009). The Stockholm congestion-charging trial 2006: Overview of the effects, Transportation Research Part A 43(3): 240-250.
Energiekosten Fossile Treibstoffe sind zu billig Tourismus ist besonders ineffizient „...one of the most efficient ways of reducing emissions and promoting innovation ... is to increase fuel prices“ Quelle: OECD and UNEP (2011). Climate Change and Tourism Policy in OECD Countries. OECD and UNEP, Paris, France.
SAS, Flug Kopenhagen – Frankfurt, 28. September 2014
Österreich Problem: Verkehrsinfarkt & Klimawandel Volumenwachstum oder Optimierung?
Einsichten aus Schweden Verdoppelung der Ankünfte angestrebt Durchschnittliche Aufenthaltsdauer wird kürzer (LCCs und city breaks) Stetig wachsende Transportvolumina, selbst bei stagnierenden Übernachtungszahlen Lösung: Märkte besser verstehen, neue Reisekulturen fördern
Märkte verstehen: Budgets Aber auch: Aufenthaltsdauer, Ausgaben pro Person und Tag, Form der Ausgaben – wie kann man aus den Märkten noch mehr herausbekommen?
Neue Reisekulturen Bahn-/Busanreise muss attraktiver werden Destinationsmobilität muss gewährleistet sein Verstärkte Nutzung von Smartphones und Apps zum Planen und Buchen z.B. Gepäck
Warum nachhaltige Mobilität? Fast alle Gäste schätzen geringe Luftverschmutzung, keine Staus, wenig MIV in den Destinationen Auch Einheimische profitieren Gesamtwirtschaftlich verdient eine Destination an nachhaltiger Mobilität Die Nachfrage nach Umweltqualität wächst Fahrradfahren wird immer populärer Business-as-usual für viele Destinationen keine Option
Warum mit dem Zug? Werfenweng Bequemlich-keitsmotive Grüne Werte „Wir haben den Nachtzug von Hamburg nach München genommen. Wir fahren zu Hause so viel Auto, da müssen wir nicht im Urlaub auch noch fahren“ „Es ist so viel bequemer mit dem Zug, die Kinder können herumrennen und man endet nicht im Stau“ „Wir denken an die Umwelt“ „Ich habe aus Umweltgründen kein Auto“ Muss zusammenspielen mit dem Verständnis, dass die Anreise mit dem PKW staugefährdet und teuer ist. Der Zug dagegen hat viele Vorteile – Puenktlichkeit, Anreise auf die Minute genau bekannt, etc. Quelle: Eigene Erhebung 2007
Von ‚best practice‘ und regionalen Lösungen zu Mobilitätsstandards OV-fiets – „Öffentliche Transporträder“ in NL > 250 Bahnhöfe und Stadtzentren Fahrräder, E-bikes und E-scooter Jährliche Abokosten: 10,00 Euro Fahrradmiete (24 h): 3,15 Euro; E-bike: 7,50 Euro 30 Sekunden zum Fahrrad Mobilität muss einheitlich sein – eine Karte für das ganze Land,
Konus-Karte Freier ÖPNV im gesamten Schwarzwald 142 Ferienorte angeschlossen 10.000 Gastgeber Kostenumverteilung: alle zahlen, auch Nichtnutzer des ÖPNV
Car sharing Z.B. Flinkster
Zusammenfassung Nachhaltige Urlaubsmobilität ist eine Herausforderung Erfordert nicht nur best practice und marginale Änderungen sondern neue Mobilitätskulturen und Standardisierungen Die Umsetzung ist stark vom politischen Willen auf nationaler und Destinationsebene abhängig Dazu müssen auch Tabus* überwunden werden Tabus: inklusive Ehrlichkeit der beteiligten Akteure, realistische Maßnahmen, Monitoring der Effekte year-on-year * Gössling, S. and Cohen, S. 2014. Why sustainable transport policies will fail: European Union climate policy in the light of transport taboos. Journal of Transport Geography, 39:197-207.