Corina Geiger, Ursina Tobler, Benedikt Schmidt*

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 Präsentation transkript:

Verbreitung und Auswirkungen des Chytridpilzes weltweit, insbesondere in der Schweiz Corina Geiger, Ursina Tobler, Benedikt Schmidt* Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften (IEU) Universität Zürich *& Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz corina.geiger@ieu.uzh.ch

Einschätzung der Chytridiomykose “Die Ausbreitung der Chytridiomykose hat in einem in der Geschichte der Menschheit nicht bekannten Ausmass zum Aussterben von Amphibien geführt – und das Aussterben wird weiter gehen.” “Sie ist die schlimmste infektiöse Krankheit von Wirbeltieren hinsichtlich der Anzahl betroffener Arten und der Fähigkeit, die betroffenen Arten auszurotten.“ (Amphibian Conservation Action Plan der IUCN, 2007)

Ablauf Krankheitsverlauf der Chytridiomykose Verbreitung und Ausbreitung des Chytridpilzes weltweit und in der Schweiz Betroffene Arten Ist der Chytridpilz verantwortlich für die Bestandesabnahme der Geburtshelferkröte? Was kann man dagegen tun?

Lebenszyklus des Chytridpilzes Erreger: Töpfchenpilz Batrachochytrium dendrobatidis (Bd) Infiziert verhornte (Keratin) Amphibienhaut Anfälligkeit variiert stark zwischen Arten und Stadien © Joel Mills

Infektion

Behindert Hautfunktionen Cl- K+ Mg+ Na+ Nervensystem und Muskelkontraktion beeinträchtigt, Herzstillstand

Chytridiomykose An Chytridiomykose verendete Geburtshelferkröten (Bei lebenden Tieren ist die Infektion nicht sichtbar) C. Geiger U. Tobler

Globale Verbreitung des Chytridpilzes (http://www.spatialepidemiology.net/datasets/)

Chytridiomykose und das globale Amphibiensterben (Stuart et al. 2004)

Ausbreitung der Chytridpilzes 1987/88 1993/94 1996/97 2002/03 2004 (Lips et al. 2006)

Erlöschen von Populationen durch Chytridiomykose ((Laurance et al. 1996)

Der Chytridpilz in Europa (Trent Garner, teilweise unpubliziert)

Massensterben in Europa S. Geissbühler (Schweiz) J. Bosch (Penalara) M. Fisher (Pyrenäen)

Fakten 1 Der Chytridpilz befällt verhornte Teile der Amphibienhaut. Die Pilzinfektion beeinträchtigt den Elektrolythaushalt und kann zum Tod des Tieres führen. Der Chytridpilz ist (von der Antarktis abgesehen) auf allen Kontinenten zu finden. Wo er auftaucht kann er zu Massensterben und Verlust von Arten führen. Fragen: Verbreitung in der Schweiz? Betroffene Arten? Ist der Chytridpilz auch bei uns verantwortlich für den Rückgang bestimmter Arten?

Der Chytridpilz in der Schweiz Chytridpilz gefunden Chytridpilz nicht gefunden Die Alpen bisher fast nicht untersucht (U. Tobler & B. Schmidt, unpubliziert)

Kleinräumige Verbreitung 3 km

Seit wann ist der Chytridpilz in der Schweiz? Vorgehen: Amphibien-Präparate aus Sammlungen von drei Schweizer Museen (Bern, Basel, Neuchâtel) auf Chytridpilz getestet. Total 788 Präparate, 20 verschiedene Arten. Präparate aus den Jahren 1850 – 2009. Resultate: 21 Tiere waren infiziert. Offiziell ältester Fund aus den 1980er-Jahren. Der Chytridpilz ist seit > 30 Jahren in der Schweiz (N. Peyer & B. Schmidt, unpubliziert)

Auswirkungen des Chytridpilzes Populationszusammenbruch nach Auftreten des Pilzes. permanente Reduktion der Populationsgrösse wenn infizierte Tiere überleben. (Briggs et al. 2005)

Welche Arten sind infiziert? Prävalenz Alytes obstetricans 1607 720 44 % Bombina variegata 56 14 25 % Bufo bufo* 9 0 % Bufo calamita 19 7 36 % Hyla arborea 18 2 11 % Pelophylax spp. 182 44 24 % Rana temporaria* 30 S. salamandra 16 Mesotriton alpestris 473 93 19.7 % Triturus cristatus 38 Lissotriton helveticus 155 17 Lissotriton vulgaris 24 29 % * Nur junge Kaulquappen beprobt *nur junge Kaulquappen beprobt (U. Tobler & B. Schmidt, unpubliziert)

Bestandesabnahme der Geburtshelferkröte Alytes kommt vor 1985 bis 2008 Alytes ausgestorben -64% Ist die Chytridiomykose schuld an den Bestandesabnahmen? (Schmidt & Zumbach 2005)

Sind Schweizer Geburtshelferkröten anfällig auf Chytridiomykose? 143 infizierte Kaulquappen gesammelt 3 Populationen 3 Versuchsgruppen Itingen Zunzgen Altstätten infiziert keine Manipulation Stress-kontrolle Itraconazol-Behandlung (Tobler & Schmidt 2010)

Ja! Sie sind anfällig! (Tobler & Schmidt 2010)

Führt der Chytridpilz zu lokalem Aussterben der Geburtshelferkröte? Nein! 100 km (U. Tobler & B. Schmidt, unpubliziert)

Rückgang der Geburtshelferkröte durch Chytridpilz verursacht? Nein! keine Aufwertungsmassnahmen Aufwertungsmassnahmen t-test p=0.005 p=0.007 Population trend increase decrease Bd- Bd+ Bd- Bd+ (U. Tobler & B. Schmidt, unpubliziert)

Fakten 2 Der Chytridpilz ist in der Schweiz weit verbreitet. Im Moment ist in der Verbreitung aber kein Muster erkennbar. Der Chytridpilz ist seit > 30 Jahren in der Schweiz. Die meisten Arten können Träger sein. Geburtshelferkröten sind anfällig auf Chytridiomycose. Infizierte Tiere haben eine hohe Mortalitätsrate. Aber: Kein Effekt von Chytridpilz auf Abnahme der Bestände nachweisbar (kryptische Effekte?) Intakte Lebensräume kompensieren möglicherweise krankheits-bedingten Verluste. Fragen: Was kann man dagegen tun?

Ökologisch vertretbar? Bekämpfungsmethoden Verschiedene Ansätze: VERBREITUNG VERHINDERN. Habitate aufwerten. Ökologische Faktoren fördern, welche den Chytridpilz negativ beeinflussen. Infizierte Tiere aus dem Teich fangen und gegen den Pilz behandeln. Pilz-Bekämpfungsmittel in den Teich giessen. Ökologisch vertretbar?

Verbreitung verhindern

Bekämpfung mit ökologischen Faktoren – z.B. Temperatur Pilzwachstum 4°C 17°C 23°C 30°C Temperatur (Piotrowski et al. 2004)

Temperatur als Mittel gegen den Chytridpilz? Experiment: N=10 N=8 N=8 21 °C 30 °C 26 °C Natürlicherweise mit Chytridpilz infizierte Kaulquappe (Alytes obstetricans) Nach 5 Tagen wurden die Tiere für 1 Woche bei 19 °C gehalten, dann auf den Chytridpilz getestet.

Temperatur als Mittel gegen den Chytridpilz? Infiziert geheilt (Geiger et al., submitted)

Bekämpfung durch individuelle Behandlung Experiment: 7 Teiche, alle natürlicherweise mit Chytridpilz infiziert. N=3 N=4 Behandelt Unbehandelt Nach der Behandlung monatliche Kontrolle der Infektionsraten.

Bekämpfung durch individuelle Behandlung Metamorphose (Dichte nimmt ab) Temperatur steigt Anzahl Zoosporen pro Tier behandelt unbehandelt Behandlung wirkt (Geiger & Schmidt, unpubliziert)

Erfolg oder Niederlage – eine Frage des richtigen Zeitpunktes Anzahl Zoosporen pro Tier behandelt unbehandelt Behandlung (Geiger & Schmidt, unpubliziert)

Behandlung ganzer Teiche Experiment in Mesokosmen C. Geiger Mesokosmen auf dem Experimentierfeld an der Universität Zürich.

Behandlung ganzer Teiche Experiment in Mesokosmen: Infizierte Kaulquappen Libellenlarven Wasserkäfer Wasserschnecken Wasserasseln Plankton Mesokosmos

Behandlung ganzer Teiche Design Behandlung: 4 Wochen lang 1 x wöchentlich Danach Test auf Chytridpilz 6x Virkon Aquatic Firma: Du Pont 6x General Tonic Firma: Tetra 6x Pip Pond Plus Firma:Chrysal 10x Kontrolle

Behandlung ganzer Teiche C: Kontrolle GT: General Tonic PIP: Pip Pond Plus VA: Virkon Aquatic Mittel im Labor getestet.

Behandlung ganzer Teiche Nebeneffekte der getesteten Mittel

Behandlung ganzer Teiche Nebeneffekte der getesteten Mittel

Fakten 3 Nach <5 Tagen in <30°C warmem Wasser sind infizierte Amphibien zu 80% geheilt. Nach der Behandlung mit Itraconazol bleibt die Anzahl Zoosporen 4 Wochen lang auf tiefem Niveau. Danach steigt sie wieder an. Die Loads im Teich unterliegen starken Schwankungen. Während der Metamorphose erreichen sie einen Peak. Eine Behandlung sollte vor der Metamorphose stattfinden. Das Mittel General Tonic von der Firma Tetra hält die Anzahl Zoosporen auch in komplexeren Ökosystemen auf tiefem Niveau. Das Mittel General Tonic hat einen schlechten Einfluss auf Krebsartige und Mollusken.

Fazit Der Chytridpilz ist weltweit verbreitet. In der Schweiz ist er seit mehr als 30 Jahren präsent. Die meisten Arten können Träger sein. Im Labor sterben infizierte Geburtshelferkröten in der Regel daran. Aber: Es ist kein Effekt auf das Populationswachstum anfälliger Arten erkennbar. Es ist kein Effekt auf die Verbreitung anfälliger Arten erkennbar.

Massnahmen Nicht verzweifeln! Lebensräume aufwerten und vernetzen und Rückgänge so kompensieren. Verbreitung des Pilzes verhindern. Bekämpfungsmassnahmen entwickeln.

Dank Für die Finanzierung der Chytridpilz-Forschung BAFU (Bundesamt für Umwelt) Karch (Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz) Cantonal Nature Conservation Offices WAZA (World Association of Zoos and Aquariums) EUAC (EUROPEAN UNION OF AQUARIUM CURATORS) Zoologisches Institut der Uni Zürich Forschungskredit der Uni Zürich Vontobel Stiftung Basler Stiftung für biologische Forschung Janggen-Pöhn-Stiftung, St.Gallen Zoo Zürich De Giacomi Stiftung, Chur Zürcher Tierschutz Grün Stadt Zürich/Naturzentrum Sihlwald

Agents Virkon Aquatic: Component: dipotassium peroxodisulphate Company: Du Pont Tetra Medica, General Tonic: Component: Ethacridini lactas 836 mg, Acriflavinii monochloridum 160.2 mg, Methylthioninii chloridum 56.44 mg, Aminoacridini hydrochloridum monohydricum 28.20 mg, Excipiens ad solutionem pro 100 ml Company: Tetra

Bekämpfung durch individuelle Behandlung U. Tobler Nach der Behandlung wurden die Kaulquappen markiert und in ihren ursprünglichen Teich frei gelassen

Bekämpfung durch individuelle Behandlung behandelt unbehandelt Anzahl Zoosporen pro Tier