Die Natur der Zeit aus physikalischer Sicht von Jörn Schipper

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 Präsentation transkript:

Die Natur der Zeit aus physikalischer Sicht von Jörn Schipper Zur Eröffnung der Installation Völlig losgelöst Auf der Suche nach dem Ende der Zeit von Jörn Schipper Kulturkirche St. Stephani Bremen, 7. Dezember 2011 Eröffnungsvortrag zur Installation „Völlig losgelöst“ von Jörn Schipper Peter Richter

Zur Bewegung des Sternenbildes bitte draufklicken. Wir sehen den Sternhimmel mit Sonne und Planeten für den 7. 12. 2011. Denken wir uns den Himmel über uns und auf dem Bild unten den Süden, oben den Norden. Dort stand zu Beginn des Tages die Sonne, natürlich unter dem Horizont. Sichtbarer Planet im Südwesten Jupiter, Mars geht im Osten gerade auf, Saturn wird kurz vor Sonnenaufgang folgen. Venus läuft der Sonne hinterher. Zur Bewegung des Sternenbildes bitte draufklicken. Peter Richter

Der Sternhimmel rotiert jetzt um den Polarstern, die Sonne startet und endet um Mitternacht. Sie befindet sich weit unter dem Äquator im Sternbild Skorpion. Nahe bei ihr sind Merkur und Venus. Ihr voran läuft in der Jungfrau Saturn und im Löwen Mars, beide als Morgensterne, während Venus als tief stehender Abendstern ihr folgt. Jupiter steht der Sonne im Widder gegenüber und dominiert den Nachthimmel. Uranus in den Fischen und Neptun im Steinbock sieht man mit bloßen Augen nicht, noch weniger Pluto im Schützen. Wir sahen den regelmäßigen Tageslauf der Sterne am Himmel. Können wir also die Zeit mit dem Winkel dieser Rotation identifizieren, festgemacht etwa am Widderpunkt oder einem beliebigen Fixstern? 24 Sternstunden mit 360 Grad? Das wären vier Minuten für ein Grad. Das wäre eine zyklische Zeit, eine, die nach 24 Stunden von vorne beginnt. Peter Richter

Die eindimensionale Zeit im Westen denken wir die Zeit als Linie mit oder ohne Anfang und Ende im Osten denkt man zyklisch mit oder ohne Hierarchie 60 Die Schaltfläche führt zu dem Demo-Programm in VB6Projekte/ChinaJahr/ChinaJahrr/JahrNamen/Tierkreis/ChinaJahrNamen.exe

20 Jahre in vier Minuten 20 Jahre in 4 Minuten bedeuten 1 Jahr in 12 Sekunden oder 1 Monat in 1 Sekunde. Deshalb wird der Mond hier nicht gezeigt. Für Kalender taugen die Planeten offenbar nicht. Eher schon die Sonne und der (hier nicht gezeigte) Mond, deren ungleichmäßiger Lauf kaum auffällt. Zur Bewegung des Sternenbildes bitte draufklicken.

Kalender und Uhren Zeit ist, was gleichmäßig laufende Uhren messen Grundlage: periodische Vorgänge Tag, Monat, Jahr synodischer Monat = 29.53059… Tage, tropisches Jahr = 365.24219… Tage = 12.36827… Monate Problem: Verzahnung von Sonnen- und Mondlauf Östliche Kalender benutzen die astronomischen Vorgaben Westliche Kalender „rationalisieren“ sie: jüdisch und julianisch: 19 Jahre = 235 Monate gregorianisch: 300 000 ·19 Jahre = 299 996 · 235 + 123 Monate Problem: weder Sonne noch Mond laufen gleichmäßig Zeit ist, was gleichmäßig laufende Uhren messen Fragen: läuft die Zeit stetig oder ist sie körnig? Ist Zeit universell oder hat jeder von uns seine eigene? Präzisierung des Begriffs der Zeit. Kalender waren in der Geschichte der erste bewusste Bezug zur Zeit

Fließt oder tickt die Zeit? Wie kann man die Gleichmäßigkeit der Sternzeit testen? Annahme: Federn, Pendel, Unruhen besitzen konstante Perioden. Quarzuhren 104 Hz, Cäsiumuhren 1010 Hz, Strontiumuhren 1015 Hz. Aber: gilt das auch auf Reisen? Uhren mögen immer rascher ticken, aber sie ticken: diskrete Zeit Schneller als die Planck-Zeit 5.4·10–44 s tickt wohl nichts mehr. Dennoch bleibt eine fließende Zeit vorstellbar (Newton, Kant). Natur der Zeit: Gleichmäßigkeit; Universalität („auch auf Reisen?“); kontinuierlich oder diskret?

Zeit und Raum Zeit (1D) und Raum (3D) scheinen voneinander unabhängig zu sein, werden aber häufig zusammen oder analog gedacht: “Tief ist der Brunnen der Vergangenheit …” – tief? Newton: Universelle Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aller Punkte des Raums Einstein: Jeder Punkt hat seine eigene Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (Lichtkegel) Unterschied: ein Körper kann an einem Ort verharren, an einem Zeitpunkt nicht: Zeit ist die Dimension, die fließen oder ticken muss.

Reisende Drillinge Alle tragen die gleiche Präzisionsuhr Einer ruht (rot) Einer fährt auf einer Parabelbahn mit Lichtgeschwindigkeit los (blau) Einer fährt mit halber Lichtgeschwindigkeit los (magenta). Wenn man sich wieder trifft, zeige die rote Uhr 90 Jahre an. Die magentafarbene steht dann bei 86 Jahren und die blaue bei knapp 71. Auf einer Lichtwelle vergeht überhaupt keine Zeit (Einsteins Traum) Es gibt keine universelle Zeit, jeder hat seine eigene!

Im Gravitationsfeld … … ticken Uhren noch langsamer Verglichen mit Uhren am Boden gehen Uhren auf GPS-Satelliten in 20 200 km Höhe 46 ms pro Tag schneller (ART) 7 ms pro Tag langsamer (SRT) Vom Satelliten aus gesehen gehen Uhren am Boden 46 ms pro Tag langsamer (ART) 7 ms pro Tag langsamer (SRT)

Schwarze Löcher entstehen aus massereichen Sternen, wenn kein Binnendruck (Elektronen, Neutronen) der Gravitation standhält Schwarzschild-Radien: Erde 9 mm, Sonne 3 km, galaktisches Zentrum 13 Millionen km am Schwarzschild-Radius ticken Uhren, von außen gesehen, unendlich langsam ein Reisender spürt den Schwarzschild-Radius nicht, aber sehr rasch stürzt er ins Loch (7 ms Sonne, 30 s galaktisches Zentrum) Dieselbe Dichte soll beim Urknall geherrscht haben – sofern die Annahme nicht täuscht, unsere Geisteskraft könne von der Planck-Zeit 5·10– 44 s bis zum Alter des Universums 4·1017 s einen Zeitbereich von 60 Größenordnungen ausloten. Zur Berechnung der Zeiten benutze Kapitel 16.5 aus d’Inverno: die Eigendzeit vom Rand ins Zentrum bei direktem Fall ist (2/3) rs/c. Dort herrscht vermutlich die Planck-Dichte 5 · 1096 kg/m3, die Sonne wäre nur 7 · 10–23 m groß

Das Ende der Zeiten in schwarzen Löchern Zeit und radiale Koordinate tauschen ihre Rollen In jedem schwarzen Loch verschwindet eine Zeit – aber wie sieht es drinnen aus? Wenn alle Materie in schwarzen Löchern versinkt, dann gibt es noch den Raum, aber keine Uhren mehr und also keine Zeit – aber wird das jemals geschehen?

Emil Heinrich Du Bois-Reymond (1872): Ignoramus et ignorabimus David Hilbert (1930): Wir müssen wissen. Wir werden wissen 2011: Wir wissen immer mehr und verstehen immer weniger