Die Rückkehr der Klassengesellschaft

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 Präsentation transkript:

Die Rückkehr der Klassengesellschaft Olaf Groh-Samberg

Rückkehr der Klassengesellschaft: Armutsrisiken nach Klassenlage

Rückkehr der Klassengesellschaft: Armutsrisiken nach Klassenlage

Klassengesellschaft (1) Klassen bestimmen sich über die Stellung im Produktionsprozess manuelle vs. non-manuelle Arbeit Autonomie im Arbeitsprozess Weisungsbefugnisse/Hierarchie Qualifikation Beschäftigungsverhältnis: Lohnarbeitsverhältnis vs. Dienstverhältnis

Klassengesellschaft (2) Herrschaftsverhältnisse und Arbeitsteilung im Betrieb sind die Grundlagen von Klassenungleichheiten in der Gesellschaft, d.h. von Ungleichheiten: des Einkommens und Lebensstandards der Gesundheit und Lebenserwartung der Bildungschancen und kulturellen Teilhabe des sozialen Prestiges und „sozialen Kapitals“ der politischen Partizipation und Machtausübung

Klassengesellschaft (3) Die Zugehörigkeit zu einer Klasse bestimmt nicht nur die Arbeitserfahrungen und Lebenschancen, sondern die ganze Art, zu leben Beipsiel: Arbeitserfahrungen (Zustimmungen in %) Un-/Ange-lernte Fachar-beiter Vorar-beiter Meis-ter Einf. Ang. Mittl. Ang. Höhere Ang. Ich träume davon, einmal nicht mehr für die anderen die Drecksarbeit machen zu müssen 87 50 20 2 Die alten Arbeitstugenden Disziplin, Fleiß und Pflichterfüllung sind für mich persönlich auch heute noch oberstes Gebot 63 65 67 36 25 16 Im Beruf ständig dazulernen zu müssen, das wäre nichts für mich 69 28 11 59 9 Für unsereins ist es schwer, es im Beruf zu etwas zu bringen 94 64 46 37 4

Ergebnisse der Klassenanalyse Auseinandersetzungen mit der Ideologie des Liberalismus: Moderne Marktgesellschaften werden immer „offener“  „Chancengleichheit“ Die individuellen Kompetenzen und Leistungen bestimmen den Erfolg  „Leistungsgerechtigkeit“ Empirische Überprüfung und Widerlegung dieser Positionen

1. Geschlossene Gesellschaft Empirische Analysen zeigen, dass die sozialen Mobilitätschancen über die Geschichte der Bundesrepublik hinweg relativ konstant geblieben sind  kein Trend zu mehr „Offenheit“ Dasselbe gilt für die Bildungschancen In kaum einem Land ist der Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und dem Bildungserfolg oder der eigenen Klassenlage so groß, wie in Deutschland

2. Mythos der Leistungsgerechtigkeit Empirische Analysen zeigen, dass der Erwerb von Bildungstiteln und der wirtschaftliche Erfolg auch bei gleichen Kompetenzen und Leistungen von der sozialen Klassenherkunft abhängen Die Benachteiligung von Kindern aus den Arbeiterklassen summiert sich im gesamten Lebensverlauf

2. Mythos der Leistungsgerechtigkeit Klassenherkunft individuelle Kompetenzen/ Leistung Bildungserwerb/ wirtschaftlicher Erfolg

Geschichte der Arbeitermilieus: Von der Traufe in den Regen Der historischen Stabilität der Klassengesellschaft steht die wechselvolle Erfahrungsgeschichte der Arbeitermilieus gegenüber: die goldenen 60er und 70er Jahre: „Entproletarisierung“ der Arbeitermilieus die Wiederkehr der Krisen: De-Industrialisierung und Sozialstaatsabbau, Massenarbeitslosigkeit und Neue Armut

Widersprüche der „Entproletarisierung“ Die Entproletarisierung führt nicht zur Verbürgerlichung der Arbeitermilieus, sondern zu ihrer Stabilisierung: Festigung der Orientierung an manueller Arbeit: hart arbeiten – gut leben bescheidener beruflicher Aufstieg: vom Ungelernten zum Facharbeiter zum Vorarbeiter zum Techniker ... Orientierungen an Bildungsaufstieg und politischer Arbeit: bei Bewahrung der Treue zum Milieu nur kleinere Teile „verlassen“ ihr Milieu gänzlich durch die Umstellung ihrer Bildungs- und Karrierestrategien

Wege durch die Krise Krise der „De-Industrialisierung“ erzwingt eine Umstellung von den Orientierungen am Arbeitermilieu auf neue Berufsfelder und Bildungsstrategien Auf diesen neuen Feldern gelingt den Arbeitermilieus die Organisierung von Gegenmacht nicht mehr  der Zusammenhalt innerhalb und außerhalb der Betriebe schwindet Gleichzeitig wirken die Erfahrungen der Entproletarisierung nach: veränderte Ansprüche an Arbeit und Leben

Generationenkonflikte Die Erfahrungen von Entproletarisierung und De-Industrialisierung überlagern und überkreuzen sich in den Generationen Die Alten: Sozialpläne und Rettung in die Rente In der Lebensmitte: Sorge um den Arbeitsplatz Die Jüngeren: Ausbildungskrise Die Kleinen: Schulprobleme Die Generationenkonflikte spitzen sich nochmals zu für die MigrantInnen und die Ostdeutschen

Fazit: Die Aktualität der Klassengesellschaft ... Die Klassenungleichheiten erweisen sich als erstaunlich stabil, auch wenn die Klassenstrukturen und sozialen Milieus sich wandeln Arbeiterklassen sind die Hauptbetroffenen zunehmender sozialer Ausgrenzungen ganz besonders einfache und ausländische ArbeiterInnen Die sozialen Ausgrenzungen sind das Ergebnis einer massiven Abwertung „einfacher“ Arbeit

... und die Krise der Arbeitermilieus Der empirisch beobachtbaren Stabilität der Arbeiterklassen und ihrer (zunehmenden) Ausgrenzungen stehen immer schwächer werdende Arbeitermilieus gegenüber Konflikte, Zersplitterungen und Probleme in den Milieus nehmen zu, während ihre gemeinsamen Interessen nach Außen hin immer weniger „repäsentiert“ werden

Schlußfolgerungen