Landesausbau und Dorfgemeinden

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Landesausbau und Dorfgemeinden Helga Schultz

Schwerpunkte Grundherrschaft und Fronhofsystem Die agrartechnische Revolution des hohen Mittelalters Landesausbau Landgemeinde Ostkolonisation 31.03.2017

1. Grundherrschaft und Fronhofsystem 31.03.2017

Grundherrschaft Das Verhältnis zwischen Herren (Adel, Kirche) und Bauern beruht auf der Grundherrschaft. Sie entstand als Synthese römischer und germanischer Elemente: Spätantikes Bodeneigentum und germanische Herrschaft über Personen. Die ursprüngliche Freiheit der Bauern, die eine ältere Forschung (Friedrich Engels) in der Markgenossenschaft sah, hat es offenbar nicht gegeben. 31.03.2017

Nicht Sklaverei – Nicht Freiheit Die Grundherrschaft setzt sich aus mehreren Herrenrechten zusammen, die alle zu Leistungsverpflichtungen der Bauern führen: Leibherrschaft: die persönliche Leibeigenschaft und Untertänigkeit der Bauern; Grundherrschaft im engeren Sinne: der Boden ist Eigentum des Herrn und wird dem Bauern zur Bewirtschaftung nur in Besitz gegeben; Gerichtsherrschaft: aus königlichen Rechten abgleitet und delegiert. Die Grundherrschaft bedeutete zivilisatorischen Fortschritt bei institutionalisierter Verknechtung der Bauern. 31.03.2017

Grundherrschaft im Frühmittelalter Im Frühmittelalter (8. bis 11. Jahrhundert) bildete sich das Fronhofsystem, das sich im ganzen Karolingerreich ausbreitete. Königliche Pfalzen, Klöster, Bischofs- und Adelsburgen sind Zentren von Fronhofssystemen. Dort entfaltet sich wieder Handwerk; höfisches Leben; Macht; Kultur. 31.03.2017

Fronhofsystem e Der Fronhof besteht aus Burghof mit Wirtschaftsgebäuden und zugeordneten Bauernwirtschaften. Dort wird das winzige Mehrprodukt unter Leitung eines Meiers oder Vogtes in Fronarbeit erzeugt, gesammelt und verbraucht. Streubesitz mit Neben- und Oberhöfen ist üblich. 31.03.2017

2. Die agrartechnische Revolution des hohen Mittelalters 31.03.2017

Geringe Erträge im Frühmittelalter Extensive Feldgraswirtschaft (Wechsel von Getreidebau und Brache) bringt nur das Dreifache der Aussaat. Das Vieh ernährt sich dürftig auf Waldweide und Brache und bleibt klein. Die Bevölkerung erreicht daher wenig mehr als zwei Einw./km². 31.03.2017

Innovation Dreifelderwirtschaft Die Dreifelderwirtschaft löst die wilde Feld-Graswirtschaft ab. Der Wechsel von Sommergetreide (Hafer, Gerste) Wintergetreide (Roggen, Dinkel) und Brache erweitert die Anbaufläche. Der Erschöpfung des Bodens ohne Düngung wird vorgebeugt. Geregelte Viehweide. 31.03.2017

Das europäische Feldsystem der vorindustriellen Zeit Die Durchsetzung der Dreifelderwirtschaft ist nur durch die Organisation der Feldarbeit im Fronhofssystem möglich. Quelle: Hartmut Boockmann: Stauferzeit und spätes Mittelalter. Deutschland 1125-1517, Berlin 1987, S. 17. 31.03.2017

Innovation Räderpflug, eiserne Schar und Kummet-Anschirrung Der Bodenwendepflug mit Radvorgestell ersetzt den einfachen Hakenpflug. Pferdeanschirrung mit Kummet ersetzt das schwächere Ochsengespann. So kann tiefer gepflügt werden; schwere Böden können bearbeitet werden. 31.03.2017

Langsamer Fortschritt von Westen nach Osten: Räderpflug an der Atlantikküste Ostflandern-Hainaut um 1275, aus: Siegfried Epperlein: Der Bauer im Bild des Mittelalters, Leipzig u. a. 1975, Tafel 15. 31.03.2017

Östlich der Elbe: hölzerner Hakenpflug mit Ochsenanspannung Bis in das 19. Jahrhundert bleibt östlich der Elbe der Hakenpflug mit Ochsenanspannung im Gebrauch, später verstärkt durch eiserne Spitze. 31.03.2017

Innovation Wassermühle Das oberschlächtige Wasserrad ermöglicht auch schwache Gefälle von Flüssen und Bächen zu nutzen. Mühlen finden nicht nur im Gewerbe, sondern auch in der Getreideverarbeitung allgemeine Verbreitung. Die Mehlproduktion steigt sprunghaft, Brot löst die Getreidebreie zunehmend ab. 31.03.2017

Wachstum Die Produktivität wächst auf das Vierfache der Aussaat. Die Bevölkerung wächst im südlichen, westlichen und mittleren Europa bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts auf mehr als 10 Einw./km². http://www.uni-tuebingen.de/mittelalter/personen/widder/ws9900/diagramm.htm 31.03.2017

3. Landesausbau 31.03.2017

Kulturlandschaft entsteht Neue Kulturflächen in Gebirgen, an Küsten und Flüssen und in anderen Randlagen werden erschlossen. Im hohen Mittelalter werden die deutschen Mittelgebirge besiedelt. Die geschlossenen Urwälder lichten sich, die Siedlungsinseln wachsen zusammen. Der Landesausbau gipfelt in der mittelalterlichen Urbanisierung. 31.03.2017

Dorfgründung mit Lokator Sachsenspiegel, Heidelberger Handschrift: 31.03.2017

Verdorfung Wachsende Siedlungsdichte führt zur Verdorfung. Rode-Dörfer und Hagen-Dörfer entstehen als Straßendörfer, Angerdörfer, Waldhufendörfer. Angerdorf mit Kirche, Dorfteich, Wirtshaus/Backhaus und Schmiede im Zentrum und umgebender Blockgewannflur. 31.03.2017

Bevölkerungsdichte und Wanderungsdruck 31.03.2017

4. Bauernrecht und Landgemeinde 31.03.2017

„Stadtluft macht frei“ Die Bauern können in Städte und Rodungsgebiete abziehen: „Stadtluft macht frei nach Jahr und Tag“. Das alte Fronhofsystem löst sich auf. Die nahe Stadt im Flämischen Kalender des Simon Bening. Aus: S. Epperlein, 1975, Tafel 45. 31.03.2017

Sachsenspiegel Gott schuf alle Menschen gleich... Sachsenspiegel, Heidelberger Handschrift: Landrecht III, 42, §4. http://www.sachsenspiegel-online.de/cms/ 31.03.2017

Bessere Bauernrechte In den Rodungsgebieten bildet sich eine erleichterte Grundherrschaft heraus: Erbliche Rechte der Bauern am Hof; Abgaben und Zinszahlungen statt Frondiensten; Bloße Gerichtsherrschaft Die alte Leibeigenschaft weicht einer milderen Hörigkeit. 31.03.2017

Zins statt Fron Zinszahlung. Sachsenspiegel, Heidelberger Handschrift: Landrecht II, 59, §2, aus: S. Epperlein, 1975, Tafel 26. 31.03.2017

Landgemeinde – Enstehung Die Landgemeinde ist eine Errungenschaft des hohen Mittelalters. Sie entsprang nicht unmittelbar der germanischen Markgenossenschaft (F. Engels), nimmt aber wohl germanische Institutionen (Thing/Ding) auf. Voraussetzungen waren Auflösung der Fronhofverfassung Verdorfung Bessere Bauernrechte 31.03.2017

Landgemeinde - Funktion Die Landgemeinde regelt gemeinschaftlichen Ackerbau in der Dreifelderwirtschaft (Flurzwang) und die Nutzung der Allmende. In Streitfällen wird in der Versammlung aller Vollmitglieder Recht gesprochen (Weistümer). Funktionäre werden ernannt: Bauermeister (Schulzen), Hirten, Müller und Schmiede). 31.03.2017

Pflug, Mühle und Kirche als Zentrum der Gemeinde unter dem Schutz des Landfriedens Sachsenspiegel, Heidelberger Handschrift: Landrecht II, 66, §1. 31.03.2017

5. Ostkolonisation 31.03.2017

Kreuz und Schwert Mit dem Wendenkreuzzug von 1147 setzt die erneute Eroberung der elbslawischen Siedlungsgebiete ein. Die Eroberung endet mit Christianisierung und Eingliederung in das Reich. In Mecklenburg und Pommern bleibt die Herrschaft in der Hand der slawischen Dynastien. Siegel von Albrecht dem Bären, Begründer der askanischen Herrschaft in Brandenburg. 31.03.2017

Zug nach Osten Nutznießer war nun nicht das Reich, sondern Fürsten und Herzöge: der Welfe Heinrich der Löwe und der Askanier Albrecht der Bär. Das Fundament dieser Territorialfürstentümer war massenhafte städtische und bäuerliche Siedlung („Kolonisation“). Auch die polnischen, böhmischen und schlesischen Fürsten nutzen Siedler aus dem Westen planmäßig für den Landesausbau. 31.03.2017

Deutsche Ostsiedlung Bäuerliche Siedlung: rote Flächen und Schraffuren. Stadtrechte: Lübecker: grün; Magdeburger: gelb; Wiener: weiß. W. Wagner: Neuer Großer Bildatlas der deutschen Geschichte, Gütersloh 1999. 31.03.2017

Deutsch-slawische Ethnogenese Die deutschen Neustämme bilden sich heraus: Mecklenburger, Pommern, Brandenburger, Obersachsen, Schlesier. Die ansässige slawische Bevölkerung wird binnen weniger Generationen assimiliert durch Nachbarschaft und Christianisierung. Nur die Sorben bewahren sich in Ober-und Niederlausitz ein Rückzugsgebiet von Sprache und Kultur. 31.03.2017

Siedlung oder Expansion Die alte Kontroverse um Ostkolonisation (als deutsche Kulturtat) oder Ostexpansion (als deutscher Drang nach Osten) löst sich auf, wenn man das Geschehen im europäischen Rahmen sieht. Seit den Kriegen Karls des Großen gegen die Sachsen ist die antik-römische Kultur durch Eroberung und Christianisierung weiter nach Norden und Osten getragen worden. 31.03.2017

Deutsches Recht - nicht deutsche Siedlung Die Ostsiedlung des 12. bis 14. Jahrhunderts trägt die Innovationen des hochmittelalterlichen Landesausbaus in die Siedlungsgebiete der slawischen Völker hinein. In der Verschmelzung und Gemeinsamkeit wird die Siedlung nach Deutschem Recht entwickelt, die weiter nach Osten von slawischen Siedlern getragen wird. 31.03.2017

Zusammenfassung Im Übergang zum hohen Mittelalter wurden durch Innovationen (Bodenwendepflug, Kummet, Wassermühle, Dreifelderwirtschaft) deutliche Ertragssteigerungen erreicht. Bevölkerungswachstum, Landesausbau und Stadtkultur wurden möglich. Das Fronhofssystem löste sich auf. Die Bauern erlangten größere Freiheiten und bildeten die Landgemeinde aus. Im Zuge der Ostkolonisation breiteten sich diese Fortschritte weit nach Osteuropa hinein aus. 31.03.2017