Wittgensteins Gebrauchstheorie

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 Präsentation transkript:

Wittgensteins Gebrauchstheorie Katharina Kaps Jakob Schepers Einführung in die Sprachwissenschaft

Wittgenstein (1889–1951): linguistic turn (?) unveröffentlichte Schriften 3 Philosophische Untersuchungen (1953, posthum) -> begründet Philosophie bzw. Sprach- Wissenschaft der normalen Sprache (einige) zentrale Begriffe: Sprachspiel Familienähnlichkeit Lebensform Regelbefolgung Privatsprache 1 „Tractatus logico-philosophicus „ -> Analytische idealsprachliche Philosophie -> Referenztheorie 2 „The Big Typescript“, Tagebücher Volksschullehrer Architekt Analyt Lange Zeit des Schweigens, arbeitet als Lehrer, dann als Architekt, erarbeitet sich hier dritten Wittgenstein, viele Tagebuchnotizen, die noch immer unveröffentlicht 2. Hauptwerk Zsf: vorab, aus gerade mal zwei Werken, wovon das zweite nicht mal zu Lebzeiten publiziert, zwei Schulen der Philosophie begründet und Sprachwissenschaft enorm beeinflusst Jmd. Eine Ahnung, warum wir uns in Sprachwissenschaft auf den „dritten“ Wittgenstein beziehen? -> de Saussure, Austin, die wir noch lesen, beziehen sich alle auf ihn und nehmen ihn als Autorität: Normale Sprache, geht auf Umgangssprache ein bzw. von dieser aus, dabei vllt noch wichtig zu wissen, dass er hier nicht wirklich empirisch, sondern mit möglichen Situationen der Normalsprache arbeitet

§ 1: Augustinus Referenztheorie: Wort = Gegenstand Bsp1.: Kauf fünf roter Äpfel: Apfel – rot – fünf „Apfel“ = Objekt „fünf“?, „rot“? W. Referiert A. Referenztheorie, Mängel. Widerlegt sie also nicht, wie oft gesagt, erklärt sie nur als unzureichend: Bsp: „Apfel“ - >Gegenstand, was aber „rot“ (Farbe nicht ohne materiale Unterlage zu haben). Gleiches mit Zahlen. Andererseits auch Zeigen im Gebrauch, nicht nur beim Lernen Heißt: jmd. Handelt, das kann man beobachten, beschreiben, aber nicht erklären. -> pragmat. Ansatz (später Sprechakttheorie), in der Frage nach Bedeutung (cf. Tractatus) keinen Platz mehr hat

Bsp2: russische Sprache ohne Kopula:“ Stein rot“ anstatt Deutsch „Stein ist rot“ – Sinn nicht in „Bedeutung“, sondern in Verwendung (§ 20). „[Er] handelt, wie ich es beschrieben habe. Die Erklärungen haben irgendwann ein Ende.“ (PU, § 1)

Sprache nicht als Ganzes darstellbar (≠ Systemgedanke), nur einzelne hhSPRACHSPIELE beschreibbar Sprachspiel: das „Ganze der Sprache und ihre Tätigkeiten“, Aufzeigen, Benennen, Erlernen, Nachsprechen in jeweils kontextuell lebensweltlicher Eingebundenheit (cf. §§ 3, 7) Seele, Vorstellung nicht mehr relevante Worte, wobei Fkt. Und Zweck („dort“, „dies“) erklärbar oder zeigbar sind.

Was bezeichnen nun die Wörter einer Sprache Was bezeichnen nun die Wörter einer Sprache? – Die Art ihres Gebrauchs (§ 10). philosophische Verwirrung, wenn Dinge abstrakt betrachtet, deswegen auf Gebrauch achten (therapeutischer Ansatz) Wie dieser Gebrauch zustande kommt, ist nicht weiter erklärbar (§ 10).

instrumentelle Sprachauffassung: Bsp: Werkzeuge in Werkzeugkasten: können sich ähnlich sein, aber unterschiedliche Anwendungen haben (§ 11). Technizistisches Vokabular: Abrichten, Funktion, Zweck <-> Seele, Vorstellen, Bedeutung

Zwischenfazit: - Gebrauchs-, anstatt (nur) Referenztheorie „Denk nicht, sondern schau!“ (§ 66): Sprache nicht als System, sondern nur in einer Lebenswelt begreifbar, die geschaut werden muss: „Und eine Sprache sich vorstellen heißt, sich eine Lebensform vorstellen.“ (§ 19) auf Art und Weise der Verwendung achten

Fritz/Muckenhaupt (1984): Bedeutung und Kommunikation Bedeutungstheorien Baumeisterspiel Bedeutungsbeschreibungen Kommunikationsbeschreibung Gebrauchstheorie Vorstellungstheorie Gebrauchstheorie vs. Vorstellungstheorie Sinn und Zweck von Sprachspielen

Das Baumeisterspiel eigene Baumeistersprache A baut, B bringt Bausteine auf Befehl Würfel, Säule, Platte, Balken B kann nein sagen (Pause), A doch

Bedeutungsbeschreibungen nur Materielles durch Referenz* erklärbar (z.B. nicht: „denn, doch, ja, nein…“)  andere Weise benötigt Kommunikationsbeschreibung „Beschreibung der kommunikativen Zusammenhänge“ der Ausdrucksverwendung *Verweis auf vorhandene Gegenstände

Kommunikationsbeschreibung „Platte“ = Befehl, eine Platte zu bringen Befehl; keine Feststellung Platte; nicht Würfel, Säule… bringen; nicht werfen, anmalen, kaputtschlagen in dieser Sprache keine Benennung für einen Baustein  für einen bestimmten Bringbefehl keine Kurzform „doch“ = Insistieren auf Befehl nur, wenn vorher nein gebraucht wurde

Zitat (Schlussfolgerung) „Es liegt zwar nahe anzunehmen, daß das Befehls-Spiel ein Benennungs-Spiel voraussetzt. (…) Es muß aber keineswegs als gesondertes Spiel gelernt werden. Man könnte den Gebrauch von Platte von vornherein nur im Befehls-Zusammenhang lernen.“ (Fritz/Muckenhaupt 1984, S. 52) Was heißt das?

Gebrauchstheorie Bedeutung eines Ausdrucks basiert auf Verwendungszusammenhang des Ausdrucks

Vorstellungstheorie Bedeutung eines Ausdrucks basiert auf Vorstellung, die Sprecher und Hörer vom Ausdruck haben

Gebrauchstheorie vs. Vorstellungstheorie Vorstellungen subjektiv – Bedeutung von Ausdrücken muss intersubjektiv sein Verweis auf verknüpfte Vorstellungen nötig = Verweis auf Verwendungszusammenhang  Gebrauch Bsp.: „Ist das denn zulässig?“ – Welche Vorstellung mit „denn“ verknüpft? Lösung: bedeutungsfrei? Wörterbücher & reale Praxis verweisen auf Verwendungszusammenhang (nicht Vorstellungen)  Gebrauch Fazit: Gebrauchstheorie sinnvoller (Fritz/Muckenhaupt)

einfache Kommunikationsformen in Sprachspielen sollen nicht zukünftig reglementieren dienen dem grundlegenden Verständnis Vergleichsobjekte

Literaturangaben Wittgenstein, Ludwig; Das Blaue Buch, In: Werkausgabe, Bd. 5, 20 Wittgenstein, Ludwig; Eine philosophische Betrachtung (Das sogenannte Braune Buch), In: Werkausgabe Bd. 5, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1984 Wittgenstein, Ludwig; Kringel-Buch (unveröffentlichte Proto-Edition Mai 2012, freundlicherweise zur Verfügung sowie auch zusammengestellt von Rothhaupt, Josef) Wittgenstein, Ludwig; MS 169; In: von Wright, G.H.; Nyman, Heikki; Ludwig Wittgenstein. Letzte Schriften über die Philosophie der Psychologie. Das Innere und das Äußere 1949-1951, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1993 Wittgenstein, Ludwig; In: Ludwig Wittgenstein Denkbewegungen, hrsg. von Somavilla, Ilse; Haymon Verlag, Innsbruck, 1997Wittgenstein, Ludwig; The Big Typescript, hrsg. von Nedo, Michael, (Originalausgabe erschienen als Ludwig Wittgenstein – Wiener Ausgabe), Zweitausendeins, Frankfurt, Wittgenstein, Ludwig; Über Gewissheit, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1997 Gebauer, Gunter; Wittgensteins anthropologisches Denken, C.H. Beck, München, 2009 Fritz, Gerd/Muckenhaupt/Manfred: Kommunikation und Grammatik. Texte – Aufgaben – Analysen. In: Tübinger Beiträge zur Linguistik. Band 163. Tübingen, 1984 Webseite: festschrift-gerd-fritz.de, http://www.festschrift-gerd-fritz.de/files/tsis/modul2/as/problem.html, zuletzt aufgerufen am 16.12.2013, 05:03 Uhr